FG Münster, Urteil vom 13.01.2003 - 5 K 7996/98 U
Fundstelle
openJur 2011, 25341
  • Rkr:
Tenor

Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 vom 1.12.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.10.1998 werden die Umsatzsteu-ern auf ./. 925.954 DM (./. 473.432 EUR) (1994) bzw. 1.993.195 DM (1.019.104 EUR) (1995) herabgesetzt.

Die Verfahrenskosten werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit diese nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Streitig ist, ob ein privatrechtlich organisierter Abfallentsorger nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wegen unberechtigten Steuerausweises in Rechnungen Umsatzsteuern (USt'n) schuldet, insbesondere, ob er seine Leistungen gegenüber den Abfallanlieferern als den Rechnungsempfängern oder gegenüber dem nach öffentlichem Recht zur Abfallbeseitigung verpflichteten Hoheitsträger (Landkreis) erbracht hat.

Die Klägerin (Klin.) ist eine GmbH, deren Anteile zu 51 % von der Beteiligungsgesellschaft des Kreises T und im Übrigen von privaten Entsorgungsgesellschaften gehalten werden und deren Gesellschaftszweck in der Wahrnehmung von Aufgaben der Entsorgung und des Umweltschutzes und damit zusammenhängender Dienstleistungen besteht (Gesellschaftsvertrag vom 4.3.1993). Mit Wirkung vom 1.7.1993 beauftragte der Kreis T die Klin., die Abfälle, die seiner Entsorgungspflicht nach den Vorschriften des Gesetzes über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen vom 27.8.1986 (BGBl. I 1986, 1410 und 1501) - AbfG - und des Landesabfallgesetzes Nordrhein-Westfalen (LAbfG) unterliegen und die er bis dahin selbst beseitigt hatte, gegen Zahlung eines jährlich neu zu vereinbarenden Entgelts zuzüglich USt zu entsorgen (§ 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 3 des Entsorgungsvertrages vom 30.4.1993). Die Klin. hatte dem Kreis nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres eine entsprechende Rechnung zu erteilen (§ 8 Abs. 6 des Entsorgungsvertrages). Zugleich übereignete der Kreis seine Abfalldeponien an die Klin.

In den Streitjahren (1994 und 1995) entsorgte die Klin. die Abfälle des Kreises vertragsgemäß und rechnete ihre Leistungen - mit Ausnahme von Baumischabfällen - mit dem Kreis ab. Über die Entsorgung der Baumischabfälle, die private Anlieferer bei von der Klin. beauftragten Sortierbetrieben gegen Aushändigung von vorgedruckten "Anlieferungsanzeigen" bzw. "Lieferscheinen-Wägescheinen" angeliefert hatten, erteilte die Klin. dagegen gegenüber den Anlieferern Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis, und zwar für die Streitjahre über USt'n in Höhe von 117.842 DM (1994) und 96.009 DM (1995).

In ihren USt-Erklärungen erklärte die Klin. die Entgelte für sämtliche Entsorgungsleistungen - einschließlich der Entgelte für die Entsorgung der Baumischabfälle - und meldete die hierauf entfallenden USt'n an. Der Beklagte (Bekl.) folgte diesen Erklärungen zunächst, versah die Bescheide jedoch mit dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Außenprüfung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung N (Prüfungsbericht vom 2.10.1997) vertrat er jedoch mit dem Prüfer die Ansicht, dass die Erteilung der Rechnungen gegenüber den Anlieferern der Baumischabfälle unberechtigt gewesen sei, weil die Klin. die entsprechenden Entsorgungsleistungen nicht gegenüber den Anlieferern, sondern ausschließlich gegenüber dem Kreis T erbracht habe, und erhöhte die festgesetzten USt'n um die in diesen Rechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge (USt-Bescheide 1994 und 1995 über ./. 808.112 DM bzw. 2.089.204 DM vom 1.12.1997). Hiergegen hat die Klin. nach Durchführung eines erfolglosen Einspruchsverfahrens (Einspruchsentscheidung - EE - vom 28.10.1998) frist- und formgerecht Anfechtungsklage erhoben, mit der sie geltend macht:

Sie schulde keine USt'n nach § 14 Abs. 3 UStG wegen unberechtigten Steuerausweises, da sie die Entsorgung der Baumischabfälle zu Recht nicht dem Kreis T, sondern den privaten Anlieferern mit gesondertem Steuerausweis in Rechnung gestellt habe. In Bezug auf diese Umsätze habe der Leistungsaustausch unmittelbar zwischen ihr und den Anlieferern stattgefunden. Allein aus der Tatsache, dass die nicht verwertbaren Reste der angelieferten Baumischabfälle - auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen - nur bei Deponien im Kreis T abgegeben worden seien, könne entgegen der Ansicht des Bekl. nicht geschlossen werden, dass es sich um Leistungen im hoheitlichen Bereich handele. Hiergegen spreche schon die Möglichkeit, dass die Reste auch zu anderen Deponien hätten verbracht werden können. Im Übrigen stelle das USt-Recht allein auf die tatsächlichen Leistungsverhältnisse ab. Die Abfallsatzungen des Kreises T seien für die Bestimmung des Leistenden und des Leistungsempfängers im Sinne des USt-Rechts unerheblich. Wem eine Leistung zuzurechnen sei, hänge nur davon ab, ob der Handelnde nach außen im eigenen oder berechtigterweise im fremden Namen aufgetreten sei. Sie - die Klin. - sei nicht im Namen des Kreises, sondern im eigenen Namen aufgetreten. Zwar habe sie mit den Anlieferern keine schriftlichen Einzelverträge geschlossen. Jedoch ergebe sich ihr Auftreten im eigenen Namen aus anderen Schriftstücken, z. B. aus ihren Schreiben vom 28.12.1993 und 17.11.1994 an potentielle Anlieferer von Baumischabfällen, in denen sie auf die Erhebung der "Entgelte" zuzüglich "gesetzlicher Umsatzsteuer" durch sie hinweise (FG-Akte, Bl. 88 bzw. 131-140), aus den den Anlieferern im eigenen Namen erteilten Rechnungen vom 16.2. und 13.4.1994 (FG-Akte, Bl. 89-91 und 103-104), aus dem Kontoauszug für März 1994, aus dem die Zahlung des Anlieferers an sie hervorgehe (FG-Akte, Bl. 102), aus den den Anlieferern ausgehändigten Anlieferungsanzeigen bzw. Lieferscheinen-Wägescheinen, in denen - neben dem Namen des Sortierbetriebes - nicht der Name des Kreises, sondern nur ihr Name erscheine (FG-Akte, Bl. 92-101 und 105). Für sie habe auch kein Anlass bestanden, im Namen des Kreises aufzutreten, da die Leistung des Sortierens und Verwertens der Baumischabfälle entgegen der Ansicht des Bekl. nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang unterlegen habe.

Die Klin. beantragt,

unter Änderung der USt-Bescheide vom 1.12.1997 in Gestalt der EE vom 28.10.1998 die USt'n um 117.842 DM (1994) bzw. 96.009 DM (1995) herabzusetzen,

hilfweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfweise, die Revision zuzulassen.

Er trägt vor:

Die Klin. schulde die streitbefangenen USt'n nach § 14 Abs. 3 UStG, weil sie zum gesonderten Ausweis dieser Steuerbeträge gegenüber den Anlieferern der Baumischabfälle nicht berechtigt gewesen sei. Denn sie habe die entsprechenden Entsorgungsleistungen nicht gegenüber den Anlieferern, sondern gegenüber dem Kreis T erbracht. Die Baumischabfälle hätten ebenso wie die sonstigen Abfälle dem Anschluss- und Benutzungszwang unterlegen und seien damit Gegenstand des Entsorgungsvertrages der Klin. mit dem Kreis gewesen. Der vom Hoheitsträger zur Durchführung der ihm obliegenden gesetzlichen Pflichtaufgabe eingeschaltete Unternehmer erbringe seine Leistungen an diesen, auch wenn der Anlieferer das Entgelt für dessen Tätigkeit unter Abkürzung des Zahlungsweges unmittelbar an den Unternehmer zahle.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Klin. wird durch die angefochtenen Bescheide in ihren Rechten verletzt. Diese sind insoweit rechtswidrig, als in ihnen USt'n wegen unberechtigten Steuerausweises festgesetzt worden sind, nämlich in Höhe von 117.842 DM (1994) und 96.009 DM (1995).

Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, den ausgewiesenen Betrag. Der Tatbestand der Vorschrift umfasst u. a. auch den hier in Betracht kommenden Fall, dass ein Unternehmer eine ausgeführte Leistung nicht dem Leistungsempfänger, sondern einem Dritten mit gesonderten Steuerausweis in Rechnung stellt (vgl. USt-Richtlinien 1994/1995-2002 Abschn. 190 Abs. 3 Satz 3). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall jedoch nicht vor.

Die Klin. hat die streitbefangenen, von ihr erbrachten Entsorgungsleistungen nicht Dritten, sondern den wirklichen Leistungsempfängern in Rechnung gestellt. Leistungsempfänger der die Baumischabfälle betreffenden Entsorgungsleistungen war nicht der Kreis T, sondern der jeweilige Anlieferer der Abfälle.

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde bei Ausführung entgeltlicher Leistungen gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen aufgetreten ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. z. B. Urteile vom 28.1.1999 V R 4/98, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 188, 456, Bundessteuerblatt - BStBl. - Teil II 1999, 628 mit weiteren Nachweisen; 28.2.2002 V R 19/01, BFHE 198, 220, Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2002, 1002, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2002, 365). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Handelnde eine Willenserklärung im eigenen Namen abgibt (vgl. § 164 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Klin. ist nicht im Namen eines anderen, sondern im eigenen Namen aufgetreten.

Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass die Klin. in den Streitjahren die Baumischabfälle nicht im Namen des Kreises T, sondern im eigenen Namen angenommen und - mit Hilfe der von ihr beauftragten Sortierunternehmen - teilweise verwertet und teilweise einer ihrer Deponien zugeführt hat. Das entnimmt er in erster Linie dem Inhalt der vorgedruckten "Anlieferungsanzeigen" bzw. "Lieferscheine-Wägescheine", die die Sortierbetriebe den Anlieferern bei Annahme der Baumischabfälle aushändigten (vgl. die vorgelegten Belege, FG-Akte, Bl. 92-101 und 105). Da diese Schriftstücke - neben dem Namen des Sortierunternehmens - nur den Namen der Klin. trugen und keinen Hinweis auf den Kreis T enthielten, mussten die Anlieferer davon ausgehen, dass sie ausschließlich mit der Klin. als Entsorgerin des von ihnen angelieferten Baumischabfalls kontrahierten.

In dieser Auffassung mussten diejenigen Anlieferer, die wiederholt Baumischabfall abgaben und schon eine Rechnung über eine frühere Entsorgungsleistung erhalten hatten, durch den Inhalt der Rechnungen bestärkt werden. Auch die Rechnungsvordrucke enthielten keinen Hinweis auf den Kreis T als Vertragspartner, sondern trugen nur den Namen der Klin. (vgl. z. B. die Rechnungen vom 16.2. und 13.4.1994, FG-Akte, Bl. 89-91 und 103-104). Dass die Anlieferer tatsächlich die Klin. als ihre Vertragspartnerin ansahen, ergibt sich daraus, dass sie das in Rechnung gestellte Entgelt nicht an den Kreis, sondern an die Klin. zahlten. Für die Anlieferer gab es keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Klin. nur Zahlstelle des Kreises sei.

Schließlich mussten diejenigen Anlieferer, die zuvor das Schreiben der Klin. vom 28.12.1993 erhalten hatten, auch durch den Inhalt dieses Schreibens in der Auffassung bestärkt werden, dass die Klin. ihre Vertragspartnerin war. Denn darin wurde auf die Erhebung der "Entgelte" zuzüglich "gesetzlicher Umsatzsteuer" durch die Klin. hingewiesen (FG-Akte, Bl. 131-140). Der Kreis T hätte ihnen keine "Entgelte", sondern nur "Gebühren" ohne USt berechnen dürfen.

Unerheblich ist die Frage, ob die Klin. mit der Entsorgung der Baumischabfälle im eigenen Namen gegen öffentliches Abfallrecht oder gegen den mit dem Kreis T geschlossenen Entsorgungsvertrag vom 30.4.1993 verstieß, d. h. ob sie rechtlich verpflichtet war, die Verträge zur Entsorgung von Baumischabfällen im Namen des Kreises T abzuschließen.

Ein Deponiebetreiber, der den Abfall von Abfallbesitzern im eigenen Namen entsorgt, erbringt an diese auch dann ustpflichtige Leistungen, wenn er nach § 3 AbfG verpflichtet gewesen sein sollte, gegenüber den Abfallbesitzern nur als Vertreter der zur Entsorgung verpflichteten öffentlichrechtlichen Körperschaft tätig zu werden (BFH V R 19/01). Das Gleiche gilt für den Fall, dass sich eine entsprechende Rechtspflicht aus einem zwischen dem Deponiebetreiber und der öffentlichrechtlichen Körperschaft geschlossenen Vertrag ergeben sollte.

Die Verfahrenskosten sind gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem Bekl. als dem unterliegenden Beteiligten aufzuerlegen.

Die Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit den §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, die Entscheidung über die Abwendungsbefugnis des Bekl. auf § 711 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO.

Der Senat lässt die Revision gegen dieses Urteil nicht zu, weil die in § 115 Abs. 2 FGO genannten Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH. Die für das Urteil maßgebenden Rechtsgrundsätze sind durch die zitierten BFH-Entscheidungen geklärt. Die Problematik des Streitfalles liegt ausschließlich in der Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen.

Der Streitwert ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes nach der sich aus dem Klageantrag für die Klin. ergebenden finanziellen Bedeutung der Sache zu bemessen. Diese entspricht der Höhe der streitigen Steuern.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

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