LG Berlin, Urteil vom 17.01.2017 - 16 O 47/16
Fundstelle
openJur 2017, 1228
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Versicherungsnehmern, die eine Kündigung ausgesprochen haben, nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen, es sei denn, die achtzehnmonatige Bindungsfrist des § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist noch nicht abgelaufen und/oder es liegen Gründe vor, aufgrund derer die Kündigungserklärung unwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 246,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2016 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 EUR und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, zu dessen Mitgliedern auch zahlreiche Krankenkassen und deren Verbände gehören. Die Beklagte ist eine Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung mit Sitz in Berlin.

Die Beklagte stellte u.a. für eine am 16.01.2015 eingegangene Kündigung eines Krankenversicherungsvertrags am 06.03.2015 eine Kündigungsbestätigung aus. Ferner stellte sie für eine am 17.02.2015 eingegangene Kündigung am 24.03.2015 und für eine am 30.01.2015 eingegangene Kündigung am 16.03.2015 eine Kündigungsbestätigung aus.

Mit Schreiben vom 14.04.2015 mahnte der Kläger die Beklagte ab. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass sie ihren Geschäftsstellen eine klare Anweisung erteilt hätte, aus der sich ergebe, dass die Kündigungsbestätigungen spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung ausgestellt werden müssten.

Der Kläger stellte das Verfahren daraufhin, wie er ausführt, ruhend, da er annahm, die Beklagte werde sich künftig rechtskonform verhalten.

In der Folge stellte die Beklagte weiterhin Kündigungsbestätigungen später als zwei Wochen nach Eingang der Kündigung aus, woraufhin der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 14.10.2015 erneut abmahnte. Mit Schreiben vom 05.11.2015 stellte die Beklagte den in der Abmahnung geschilderten Sachverhalt unstreitig, verweigerte aber die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Weiterhin stellte die Beklagte eine Bestätigung der Kündigung der Versicherten Frau ... vom 16.06.2016 am 19.07.2016 aus. Darüber hinaus erteilte die Beklagte dem Versicherten Herrn ... eine Bestätigung von dessen Kündigung vom 08.06.2016 am 23.08.2016. Schließlich erteilte die Beklagte den Versicherten Herrn ... und Frau ... für deren Kündigungen vom 28.07.2016 jedenfalls bis zum 24.08.2016 keine Kündigungsbestätigungen.

Der Kläger behauptet, von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten, die in der Abmahnung vom 14.10.2015 gerügten Verstöße seien ihm im Oktober 2015 bekannt geworden.

Der Kläger meint, die Beklagte verstoße systematisch gegen die sich aus § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V ergebende Pflicht, ihren Mitgliedern nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Dies könne dazu führen, dass der Kündigende von der Kündigung Abstand nehme, weil eine Kündigungsbestätigung gemäß § 175 Abs. 2 Satz 2 SGB V Voraussetzung dafür sei, eine neue Mitgliedschaft bei einer anderen Versicherung zu begründen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte handele unlauter, weil sie ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange ihrer Mitglieder verletze. Zudem verstoße sie gegen die Vorschrift des § 175 SGB V, bei der es sich um eine Marktverhaltensregelung handele. Ferner liege eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG sowie ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 UWG und § 4a Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 4 UWG vor.

Hinsichtlich der Abmahnung vom 14.10.2015 bestehe ein Anspruch auf Erstattung einer Kostenpauschale.

Der Kläger hat zunächst folgende Anträge angekündigt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im

geschäftlichen Verkehr Versicherungsnehmern, die eine Kündigung ausgesprochen haben, nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen, es sei denn, die achtzehnmonatige Bindungsfrist des § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist noch nicht abgelaufen und/oder es liegen Gründe vor, aufgrund derer die Kündigungserklärung unwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 246,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2016 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die von dem Kläger eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB Zinsen seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tage des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

Der Kläger beantragt unter Rücknahme der weitergehenden Klage nunmehr,

was erkannt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte führt aus, sämtliche in den Abmahnungen gerügten Vorfälle seien ihrer Geschäftsstelle in ... zuzuordnen, deren Leiter sein Arbeitsverhältnis zum 31.03.2015 gekündigt und bereits in der Zeit vorher krankheitsbedingt gefehlt hätte. Allein aus diesem Grund seien einzelne Kündigungen nicht rechtzeitig bestätigt worden. In den weiteren Fällen sei es aufgrund unglücklicher Umstände nicht zum rechtzeitigen Versand der Kündigungsbestätigungen gekommen. Da es sich um Einzelfälle handele, liege jedenfalls keine spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern vor. Auch habe es eine Absprache der Regionalgeschäftsführer der Beklagten und der ... gegeben, dass eine Abstimmung erfolgen solle, falls es einmal nicht möglich sein sollte, rechtzeitig eine Kündigungsbestätigung zu versenden.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Anspruch des Klägers sei verjährt.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17a Abs. 3 GVG gegeben, da es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 13 GVG handelt. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGG eröffnet. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Sinne. Eine solche liegt (nur) vor, wenn es unmittelbar um die Wahrnehmung der gesetzlich zugewiesenen sozialrechtlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Aufgaben geht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2015 - vorgelegt als Anlage K 6). Die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung betrifft indessen den Bereich der Mitgliederbetreuung bzw. -bindung, der zu dem Bereich der Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern gehört, bei dem die Krankenkasse als Gewerbetreibende im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, 6 UWG anzusehen ist (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).

Im Übrigen hat die Beklagte die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin auch nicht gerügt.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch jedenfalls gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V. Die Beklagte hat unstreitig gegen diese Vorschrift verstoßen, weil sie in einer Mehrzahl von Fällen eine Kündigungsbestätigung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von zwei Wochen erteilt hat. Unerheblich ist, dass dies, jedenfalls hinsichtlich der Kündigungen, die den beiden Abmahnungen des Klägers zugrunde lagen, lediglich in einer ihrer Geschäftsstellen erfolgt ist. Auch kommt es nicht darauf an, dass dies, wie die Beklagte vorträgt, auf einen krankheitsbedingten Ausfall des betreffenden Geschäftsstellenleiters zurückzuführen ist. Denn bei dem Unterlassungsanspruch kommt es nicht auf ein Verschulden an.

Auch handelt es sich bei der Vorschrift des § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V um eine Marktverhaltensregelung, weil von der Pflicht zur Ausstellung einer Kündigungsbestätigung die Tätigkeit der Krankenkassen am Markt und das Konkurrenzverhältnis zu anderen Krankenkassen betroffen ist. Denn die Kündigungsbestätigung ist Voraussetzung für den Abschluss eines Versicherungsvertrags bei einem anderen Versicherungsunternehmen. Aus diesem Grund sind die Verstöße der Beklagten gegen § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr folgt aus dem Verletzungsgeschehen und hätte nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können. Dass der oder die betreffenden Mitarbeiter inzwischen nicht mehr für die Beklagte tätig ist, ändert hieran nichts.

Der Anspruch ist auch nicht verjährt.

Gemäß § 11 UWG verjähren Ansprüche aus §§ 8, 9 und 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in sechs Monaten, wobei die Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 2 UWG beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne große Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Der Kläger macht einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 UWG geltend.

Zur Begründung seines Unterlassungsanspruchs beruft sich der Kläger u.a. auf den der Abmahnung vom 14.10.2015 zugrunde liegenden Sachverhalt, mithin auf die im März 2015 nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Eingang von Kündigungen ausgesprochenen Kündigungsbestätigungen. Im Falle wiederholter Verletzungshandlungen gilt für den Unterlassungsanspruch, dass für jeden Teilakt eine gesonderte Verjährung läuft, auch wenn die einzelnen Akte von einem einheitlichen Verletzerwillen getragen sind (BGH GRUR 1999, 751, 754 - Güllepumpen).

Zu den in der Abmahnung vom 14.10.2015 genannten Kündigungsfällen behauptet der Kläger, er habe hiervon im Oktober 2015 Kenntnis erlangt. Dies kann angesichts der neuerlichen Verstöße betreffend die Versicherten ..., ... und ... aber dahinstehen, weil diese Verstöße erst nach Rechtshängigkeit stattfanden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich ein Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2, 3 UWG nicht die Kenntnis von Mitgliedern zurechnen lassen muss (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflage 2015, § 11 UWG Rn. 1.27).

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung, die er als Verband auch als Pauschale geltend machen kann (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG Rn. 1.98).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.