AG Aachen, Urteil vom 11.11.2003 - 10 C 386/03
Fundstelle
openJur 2011, 22518
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, den Haustürbereich des Hauses ....................., mittels einer Video-Überwachungskamera zu überwachen und mit der Kamera Bilder vom Kläger ohne dessen Zustimmung aufzunehmen sowie einen einer Video-Überwachungskamera ähnlich sehenden Gegenstand auf den vorgenannten Haustürbereich zu richten.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.750,00 &.128; vorläufig vollstreck-bar.

Tatbestand

Die Parteien sind jeweils Mieter einer Wohnung in dem Wohnhaus ............ in ............

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten im April 2003 an einem Fenster ihrer im 1. Stock des besagten Wohnhauses gelegenen Wohnung die auf den Fotografien Bl. 25 d. A. zu erkennende Videokamera montiert, welche auf den Hauseingangsbereich gerichtet sei und mit welcher sie jede Person, die das Haus betrete, und mithin auch ihn, filmten. Er sieht sich hierdurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den Haustürbereich des Hauses ............. in .............. mittels einer Video-Überwachungskamera zu überwachen und mit der Kamera Bilder von ihm ohne seine Zustimmung aufzunehmen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, dass es sich bei dem von dem Kläger als Kamera bezeichneten Objekt um eine Attrappe handele. Seit sie diese an das Fenster ihrer Mietwohnung montiert hätten, sei es zu keiner Beschädigung der Haustür sowie ihres Privateigentums mehr gekommen. Deshalb hätten sie ihrer Ansicht nach rechtmäßig gehandelt.

Die Akte des AG Aachen 5 C 535/01 ist zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB zu. Die Beklagten haben in rechtswidriger Weise in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823 Rn. 29) des Klägers eingegriffen, indem sie eine Videokamera-Attrappe auf den Eingangsbereich des Wohnhauses ................... in .............. gerichtet und damit bei jedem diesen Bereich Betretenden &.150; und damit auch bei dem Kläger &.150; den Eindruck erweckt haben, sie oder er werde nunmehr gefilmt.

Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei dem streitigen Objekt tatsächlich um eine Attrappe handelt. Dem entsprechenden Sachvortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass die gezielte Überwachung eines öffentlich zugänglichen Bereiches &.150; hier: des Eingangs zu einem Mehrfamilienhaus &.150; mittels einer Videokamera grundsätzlich einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aller Passanten dieses Bereiches darstellt, sofern diese Maßnahme nicht der Erlangung von Beweismitteln angesichts des begründeten Verdachts einer Straftat der Fall sein kann (vgl. grundlegend BGH NJW 1995, 1955 sowie OLG Karlsruhe WUM 200, 128).

Hier ist nicht zu erkennen, dass zugunsten der Beklagten ein solcher Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Die Beklagten sprechen in ihrem Schriftsatz vom 19.09.2003 (Bl. 27 d. A.) zwar davon, dass seit Installation des Objektes keine Beschädigungen der Haustür bzw. des Hauseingangsbereiches mehr aufgetreten seien. Da sie aber auch nach ihrem eigenen Vorbringen "lediglich" Mieter in dem Wohnhaus ...... sind, kann der begründete Verdach der drohenden Beschädigung der Haustür (§ 303 StGB) allenfalls dem Vermieter/Eigentümer ein Recht zur Installation einer Überwachungsanlage geben.

Später erwähnen die Beklagten frühere Beschädigungen ihres Privateigentums, u.a. ihre Wäschespinne (Bl. 29 d. A.). Dass die bloße Behauptung der "Beschädigung des Privateigentums" keinen hinreichenden substantiierten Vortrag der für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes darlegungspflichtigen Beklagten (vgl. Palandt/Thomas a.a.O. § 823 Rn. 173 m. w. N.) darstellt, bedarf keiner weiteren Begründung. Was die angesprochene Wäschespinne betrifft, verhält es sich nicht anders. So teilen die Beklagten schon gar nicht mit, wo sich diese Wäschespinne überhaupt befindet. Sollte deren Standort dort sein, wo auf der Fotografie Bl. 28 d. A. mit der Bezeichnung "Neg. 13" ein Stück Wäsche auf dem Rasen liegt, ist festzustellen, dass die Kamera-Attrappe, wie dasselbe Foto eindeutig zeigt, gerade nicht auf diesen Bereich ausgerichtet ist. Im Übrigen fehlt es an jeglichem Vorbringen zu den angeblichen Beschädigungen der Wäschespinne, was insgesamt zu Lasten der darlegungspflichtigen Beklagten geht.

Der Umstand, dass die Beklagten keine "echte" Kamera, sondern eine bloße Attrappe installiert haben, führt letztlich zu keinem abweichenden Ergebnis. Denn für den Passanten, welcher &.150; wie der Kläger &.150; das Wohnhaus ......... betreten möchte, stellt sich das äußere Bild beim bloßen Vorhandensein einer Attrappe nicht anders dar als bei der Existenz einer funktionstauglichen Kamera. Der Kläger kann nicht erkennen, ob er nun tatsächlich gefilmt wird oder nicht. Allein in dem bei ihm entstehenden Eindruck des Anfertigens einer Filmaufnahme liegt aber schon ein Eingriff in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht (vgl. LG Darmstadt NZM 2000, 360; AG Wedding WUM 1998, 342).

Die von den Beklagten angesprochene Entscheidung AG Köln NJW-RR 1995, 1226 betrifft einen deutlich anders gelagerten Sachverhalt. In diesem Fall hat das AG Köln einem geh- und sehbehinderten Mieter gestattet, anstelle des vom ihm gesundheitsbedingt nicht nutzbaren "Spions" in der Wohnungseingangstür eine Videokamera zu installieren, sofern diese weniger Überwachungsmöglichkeiten bietet als ein solcher "Spion". Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass dieser vom AG Köln entschiedene Sachverhalt mit der hier zu beurteilenden Problematik kaum Gemeinsamkeiten aufweist.

Soweit die Beklagten meinen, das fragliche Objekt könne keinen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers bewirken, weil es sich um ein "schlechtes Imitat" (vgl. Bl. 31 d. A.) einer Videokamera handele, kann dem letztlich nicht gefolgt werden. Auf den Fotografien Bl. 28 d. A. ist zwar zu erkennen, dass die von den Beklagten gefertigte Attrappe bei der Nahbetrachtung tatsächlich keine detailgetreue Übereinstimmung mit einer Videokamera aufweist. Betrachtet man das fragliche Objekt hingegen entsprechend den Fotografien Bl. 25 d. A. vom Hauseingangsbereich aus, lässt sich sein Attrappencharakter keineswegs zweifelsfrei erkennen. Vielmehr musste sich der fragliche Gegenstand aus der "Haustürperspektive" dies wird aus den Fotos Bl. 25 d. A. eindeutig sichtbar &.150; für den äußeren Betrachter zunächst als "echte" Kamera darstellen.

Die für den Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB weiter zu fordernde Wiederholungsgefahr wird durch den erfolgten rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, und zwar hier unwiderlegt, indiziert (vgl. Palandt/Bassenge a. a. O. § 1004 Rn. 32).

Der Urteilstenor geht entsprechend § 308 Abs. 1 ZPO nicht über den Klageantrag hinaus. Vielmehr enthält der Antrag auf Unterlassung des Betriebes einer "echten" Kamera einschließlich des Anfertigens von Filmaufnahmen als wesensgleiches minus auch den Antrag auf Unterlassung des "Betriebes" einer entsprechenden Attrappe. Eine teilweise Klageabweisung mit entsprechender Kostenquotelung ist nicht geboten. In diesem Fall würde der Kläger dafür "bestraft", dass er den Attrappencharakter des streitigen Objektes nicht rechtzeitig erkannt und deshalb seinen Klageantrag nicht entsprechend formuliert hat. Einem diesbezüglichen Ergebnis stehen aber bereits allgemeine Gerechtigkeitserwägungen entgegen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 2.000 &.128;

Dr. R