OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2002 - 19 B 1145/01
Fundstelle
openJur 2011, 18895
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 L 1399/01
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf (4.000,- DM : 1,95583 =) 2045,1675 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung in der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001, BGBl I, 3987, zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung (im Folgenden: VwGO) das statthafte Rechtsmittel, weil der angefochtene Beschluss im Sinne von § 194 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung des Art. 1 Nr. 28 RmBereinVpG vor dem 1. Januar 2002 (VwGO n.F.) bekannt gegeben worden ist.

Der Antrag ist abzulehnen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht im Sinne des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO dargelegt sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die gerichtliche Prüfung des Zulassungsbegehrens auf die dargelegten Gründe beschränkt, weil nach der genannten Vorschrift die Gründe, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist, in dem Antrag darzulegen sind.

Aus den vom Antragsgegner dargelegten Gründen begegnet es keinen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 146 Abs. 4 VwGO), dass das Verwaltungsgericht zu Gunsten des 1994 geborenen, in G. wohnhaften Antragstellers, bei dem das Schulamt für den Kreis R. durch unanfechtbaren Bescheid vom 11. April 2000 das Bestehen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs wegen einer Sprachbehinderung festgestellt und für den es als Förderort eine Schule für Sprachbehinderte bestimmt hat, einen Anspruch auf Aufnahme in die erste Klasse der vom Antragsgegner geleiteten Städtischen Schule für Sprachbehinderte G. bejaht hat. Der Anspruch folgt aus dem durch Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (LV NRW), Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vermittelten Recht auf Erziehung und Bildung und dem davon in den Grenzen gesetzlicher Zugangsvoraussetzungen umfassten Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren Bedingungen im Rahmen der vorhandenen Kapazität. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung über die Aufnahme (innerhalb des vom Schulträger festgelegten allgemeinen Rahmens) nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen Schulordnung (ASchO) die bis zum Erreichen des Klassenfrequenzhöchstwertes (14 Schüler/Klasse) noch verbleibenden freien Plätze (drei je Klasse bei drei Klassen) nach § 28 Abs. 2 Satz 1 des Schulverwaltungsgesetzes (SchVG NRW) nicht für in G. wohnhafte Schüler reservieren durfte. Nach der letztgenannten Vorschrift darf die Aufnahme in eine öffentliche Schule, die nicht Pflichtschule ist, Schülern, deren Schulbesuch in ihrer Gemeinde (unter Berücksichtigung von Satz 2: in ihrer Wohngemeinde) nicht gewährleistet ist, nicht deshalb verweigert werden, weil die Erziehungsberechtigten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einer anderen Gemeinde haben. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu der Rechtsauffassung gelangt, dass die vom Antragsgegner geleitete Sonderschule (vgl. § 4 Abs. 6 SchVG NRW), eine öffentliche Schule im Sinne von § 3 Abs. 1, § 28 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW, durch deren Besuch der sonderschulbedürftige schulpflichtige Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 des Schulpflichtgesetzes (SchpflG NRW) seine Schulpflicht erfüllt, für den Antragsteller keine Pflichtschule im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW ist, sodass diese Vorschrift hier anwendbar ist.

Die Auffassung des Antragsgegners, es handle sich bei der (von ihm geleiteten) Sonderschule deshalb um eine Pflichtschule im Sinne des § 28 SchVG NRW, weil herkömmlich als Pflichtschule die Schule bezeichnet werde, durch deren Besuch die Schulpflicht erfüllt werde, dies beim Besuch einer Sonderschule gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW der Fall sei und die Sonderschule keine weiterführende Schule sei, trifft so nicht zu. In der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rechtsprechung des Senats,

vgl. Beschluss vom 26. August 1999 - 19 B 1502/99 -,

ist in Bezug auf eine Sonderschule geklärt, dass eine Schule jedenfalls dann keine Pflichtschule im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW ist, wenn der betreffende Schüler weder nach den gesetzlichen Vorschriften noch aus anderen (Rechts-) Gründen verpflichtet ist, gerade diese Schule zu besuchen; damit ist auch geklärt, dass für die Bestimmung einer Schule als Pflichtschule die rechtliche Verpflichtung zum Besuch einer konkreten Schule - auf der Grundlage der allgemeinen Schulpflicht - maßgebend ist und es nicht ausreicht, allgemein auf die Erfüllung der Schulpflicht abzustellen. Positiv gewendet heißt dies: Pflichtschule ist nur eine Schule, die ein Schüler in Erfüllung seiner Schulpflicht kraft Gesetzes oder kraft besonderer Anordnung besuchen muss. Bezüglich der Vollzeitschulpflicht in der Primarstufe, um die es hier geht, ist das, soweit nicht nach § 6 Abs. 5 SchpflG NRW eine Ersatzschule besucht werden darf, nach § 6 Abs. 1 SchpflG NRW die öffentliche Grundschule und nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW die nach Maßgabe der Absätze 2 bis 10 bestimmte allgemeine Schule mit integrativer Beschulung oder Sonderschule. Bezüglich der Grundschulen ist die Pflichtschule durch § 6 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW schon durch Gesetz weiter dahin konkretisiert, dass die Schüler die für ihren Wohnsitz zuständige Schule besuchen müssen. Das ist die Grundschule, in deren Schulbezirk die Schüler wohnen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW). Da für Sonderschulen keine Schulbezirke gebildet werden, sondern nur Einzugsbereiche bestimmt werden können, bedarf es für diese Schulen, damit sie Pflichtschulen - ggf. im Sinne von § 28 Abs. 1 SchVG NRW - werden, einer weiteren Festlegung, die durch die eine bestimmte Schule (§ 13 Abs. 2 der Verordnung über die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen Förderort - VO-SF-) benennende Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SchpflG NRW, § 12 Abs. 1 VO-SF über den Förderort erfolgt. Wie sich im Umkehrschluss aus § 6 Abs. 2 SchpflG NRW i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW ergibt, ist bei Sonderschulen nicht ohne Weiteres die vom Schultyp her geeignete Sonderschule am Wohnsitz des Schülers bereits kraft Gesetzes eine Pflichtschule. Es bedarf vielmehr einer konkreten Bestimmung der Pflichtschule durch verbindlichen behördlichen Einzelakt gegenüber dem einzelnen Schüler. Soweit nicht eine einzelne Schule verbindlich benannt wird, ist auch keine Sonderschule des geeigneten Schultyps Pflichtschule.

Danach ist die vom Antragsgegner geleitete Sonderschule für Sprachbehinderte nur für die Schüler Pflichtschule, für die ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt und diese Schule als Förderort bestimmt worden ist. Das ist beim Antragsteller nicht der Fall.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 146 Abs. 4 VwGO) ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners, die in § 28 Abs. 2 SchVG NRW bestimmte Voraussetzung, dass der Schulbesuch der betreffenden Schüler in ihrer Gemeinde nicht gewährleistet sei, sei über den Wortlaut hinaus nach Sinn und Zweck der Regelung dahin zu erweitern, dass an die Stelle der Gemeinde - hier der Stadt G. als der Wohngemeinde des Antragstellers, die keine Schule für Sprachbehinderte vorhalte - der Kreis trete - hier der Kreis R. , der eine entsprechende Sonderschule in D. unterhalte (die der Antragsteller bis zum Ende des Schuljahres 2000/2001 in der Eingangsklasse besuchte) -; dieser sei, wenn die nach § 10 Abs. 5 Satz 1 SchVG NRW vorrangig pflichtige Gemeinde, eine Schule für Sprachbehinderte in der Primarstufe nicht eingerichtet habe und ein Schulverband oder eine entsprechende öffentlichrechtliche Vereinbarung freiwillig nicht zustande komme, an Stelle der Gemeinde verpflichtet, eine solche Schule zu errichten und fortzuführen. Aufgrund dessen müsse das Gebiet des Kreises als örtlicher Einzugsbereich der von ihm eingerichteten Sonderschule und als der Bereich angesehen werden, auf den es für die Frage, ob im Sinne von § 28 Abs. 2 SchVG NRW der Schulbesuch des betreffenden Schülers nicht gewährleistet sei, ankomme, zumal die Beschulung einer auswärtigen Schule lediglich subsidiär sei.

Diese Rechtsauffassung des Antragsgegners zu § 28 Abs. 2 SchVG NRW ist mit dem durch Auslegung festzustellenden Inhalt der Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Bedeutungszusammenhang ergibt, in dem sie steht,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69 und 14/72 -, BVerfGE 35, 263 (278); BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 389.94 -, NVwZ 1995, 792 (792 f.),

nicht zu vereinbaren. Der klare und eindeutige Wortlaut der Vorschrift stellt hinsichtlich der einschränkenden Voraussetzung klar ab auf das Gebiet der Gemeinde, in der die Erziehungsberechtigten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Mit der selben Eindeutigkeit wird dies in Satz 2 wiederholt, wonach die zuständige Schulaufsichtsbehörde auf Antrag feststellt, ob der Schulbesuch "in der Wohngemeinde" gewährleistet ist. Der in § 1 Abs. 1, § 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) bestimmte Begriff Gemeinde umfasst insbesondere nicht Gemeindeverbände, als welche die Kreise in § 1 Abs. 2 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) definiert sind. Auch der klare Unterschied zum Wortlaut des Abs. 1 des § 28 SchVG NRW, in dem in Bezug auf zugewiesene Schüler neben der Gemeinde der Gemeindeverband genannt ist, zeigt, dass für die Frage, ob der Schulbesuch von um die Aufnahme in einer auswärtigen Schule nachsuchenden Schülern nicht gewährleistet ist, nur auf die Verhältnisse in ihrer (Wohn- )Gemeinde bzw. derjenigen ihrer Erziehungsberechtigten abzustellen ist. § 28 Abs. 2 SchVG NRW differenziert auch nicht nach Schulformen oder Schultypen, beansprucht vielmehr für jede öffentliche Schule im Sinne von § 3 Abs. 1 bis 3 SchVG NRW Geltung, so dass auch insofern ein Ansatz dafür fehlt, Schulen im Sinne von § 10 Abs. 5 SchVG NRW gesondert zu behandeln.

Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus lässt sich das vom Antragsgegner gewünschte Ergebnis nicht erzielen. Den Gerichten steht im Wege der Rechtsfortbildung die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift unter anderem dann zu, wenn die gesetzliche Regelung entgegen ihrem Wortsinn, aber in Übereinstimmung mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsziel der Einschränkung bedarf, wenn also die Vorschrift nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem Zweck der Regelung bzw. dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll, weil sie deren Besonderheiten in systemwidriger Weise außer acht lässt. In einem solchen Fall ist die zu weit gefasste Vorschrift im Wege der sog. teleologischen Reduktion auf den ihr nach dem Regelungszweck zukommenden Anwendungsbereich einzuschränken.

Vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2002 - 19 A 567/00 - unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 27. Juni 1995 - 9 C 8.95 -, DVBl 1995, 1308 (1309), 7. März 1995 a.a.O. und 25. September 1986 - 3 C 23.86 -, BVerwGE 75, 56 f. sowie Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5.A., 1983, S. 381 - 385; ferner BVerfG, Beschlüsse vom 7. April 1997 - 1 BvR 11/96 -, NJW 1997, 2230 und 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89 u.a. -, BVerfGE 88, 145 (167).

Diese Voraussetzungen für eine einschränkende Korrektur des Wortlauts des § 28 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW dahin, dass von der Regelung hinsichtlich der Aufnahme in eine auswärtige öffentliche Schule, die nicht Pflichtschule ist, nicht nur die Schüler, deren Schulbesuch in ihrer Gemeinde gewährleistet ist, ausgenommen werden, sondern auch die Schüler, deren Schulbesuch zwar nicht in ihrer Wohngemeinde, aber in ihrem Kreis gewährleistet ist, weil dieser an Stelle der kreisangehörigen Wohngemeinde die entsprechende Sonderschule im Sinne von § 10 Abs. 5 Satz 2 SchVG NRW unterhält, sind nicht erfüllt. Die Einbeziehung solcher Schüler entspricht dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Vorschrift. Diese trifft eine Regelung für die Aufnahme von Schülern in eine öffentliche Schule in einer Gemeinde, in der die Erziehungsberechtigten nicht ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und der gegenüber sie nicht nach § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 1 GO NRW als Einwohner berechtigt sind, die öffentlichen Einrichtungen zu benutzen; als Grund für eine Aufnahmeverweigerung kann insofern nicht der - auswärtige - Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt der Erziehungsberechtigten herangezogen werden, wenn der Schulbesuch in ihrer Wohngemeinde nicht gewährleistet ist. § 28 Abs. 2 SchVG NRW erweitert damit den Rechtskreis der von der Regelung erfassten Schüler. Die Vorschrift dient damit der Verwirklichung des Anspruchs auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren Bedingungen im Rahmen der vom Staat in Wahrnehmung seiner Schulhoheit zur Verfügung gestellten Schulen und dazu, diesen Anspruch nicht an der Gebietsgrenze der Wohngemeinde enden zu lassen, wenn der Schulbesuch in der eigenen Gemeinde nicht gewährleistet ist; nur insofern ist die Beschulung in einer auswärtigen Schule subsidiär. Ob daneben mit der Vorschrift auch bezweckt ist, die Erfüllung der Schulpflicht sicherzustellen, kann dahinstehen. Jedenfalls schließt der vorgenannte Zweck der Vorschrift Schüler, deren Schulbesuch an einer für sie geeigneten Sonderschule in ihrer kreisangehörigen Wohngemeinde nicht gewährleistet ist und die um eine Aufnahme in eine entsprechende Schule in einer auswärtigen Gemeinde nachsuchen, selbst dann ein, wenn der Kreis eine solche Sonderschule an Stelle seiner kreisangehörigen Gemeinden nach § 10 Abs. 5 Satz 2 SchVG NRW bereithält. Demgegenüber gibt es keinen Anhalt dafür, dass der von § 10 Abs. 5 Satz 2 SchVG NRW verfolgte Regelungszweck die vom Antragsgegner angestrebte Einschränkung des Anwendungsbereichs § 28 Abs. 2 SchVG NRW verlangt. Es ist schon nicht ersichtlich, dass § 10 Abs. 5 Satz 2 SchVG NRW, der ebenso wie Satz 1 die Pflicht kommunaler Schulträger zur Errichtung und Fortführung der aufgeführten Sonderschulen normiert, nach dem Willen des Gesetzgebers darauf angelegt sein soll, die durch § 28 Abs. 2 SchVG NRW bezweckte rechtliche Begünstigung des einzelnen Schülers einzuschränken.

Ein rechtlicher Ansatz für die vom Antragsgegner angestrebte Einschränkung des § 28 Abs. 2 SchVG NRW ergibt sich schließlich nicht aus dem angeführten Aspekt der Schulentwicklungsplanung, die die Gemeinden und Kreise nach § 10 b Abs. 1 SchVG NRW jeweils für ihren Bereich vorzunehmen haben. Die vom Antragsgegner angesprochenen Probleme sind auf der Ebene der Schulentwicklungsplanung, die mit den benachbarten Schulträgern abzustimmen ist, und darauf evtl. aufbauender (kreisübergreifender) Kooperation anzugehen. Dies und insbesondere Zweck und systematische Stellung des § 28 Abs. 2 SchVG NRW zeigen, dass die befürchteten weiter gehenden Folgen der Aufnahme des Antragstellers an der vom Antragsgegner geleiteten Schule nicht zu Lasten des konkreten Aufnahmebegehrens des betroffenen Schülers zu lösen sind, solange noch - wie hier im Zeitpunkt der Aufnahme - ausreichend Schulplätze vorhanden sind. Davon abgesehen sind die Ausführungen des Antragsgegners - die Verpflichtung, den Antragsteller aufzunehmen, ziehe die Verpflichtung nach sich, für den Fall der Anmeldung weiterer Schüler aus G. auch diese aufzunehmen, infolge dessen sei die Aufnahme von Schülern aus G. , bei denen erst später während des ersten Grundschuljahres eine Sprachbehinderung festgestellt werde, gefährdet - hypothetisch; der bei vorhandener Kapazität nach § 28 Abs. 2 SchVG NRW gegebene Aufnahmeanspruch des betroffenen Schülers ist nicht deshalb zurückzustellen, weil Umstände befürchtet werden, deren Eintreten im Zeitpunkt der Aufnahme völlig ungewiss ist.

Dafür, dass der von Seiten des Antragsgegners angeführte, infolge der Aufnahme auswärtiger Schüler erforderlich werdende Mehraufwand seines kommunalen Schulträgers etwa durch Schulbaumaßnahmen - unter entsprechender finanzieller Entlastung der Gemeinden, die entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung entsprechende Schulen nicht vorhalten - der Anwendung des § 28 Abs. 2 SchVG NRW im vorliegenden Einzelfall entgegengehalten werden kann, spricht nichts. Es ist schon rein hypothetisch, dass es infolge der Aufnahme des Antragstellers zu der angeführten Belastung kommt bzw. ihr nicht mit organisatorischen Maßnahmen in der Schule entgegengewirkt werden kann. Davon abgesehen ist die durch die Aufnahme auswärtiger Schüler etwa entstehende finanzielle Belastung des Schulträgers mittelbare Folge der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 SchVG NRW; nach dem auf den Bildungsanspruch des Schülers bezogenen Zweck der Vorschrift kann sie von kommunalen Schulträgern nicht zu Lasten des individuellen Aufnahmeanspruchs abgewehrt werden, ist sie vielmehr vom Schulträger zu tragen.

Soweit mit dem Vorbringen des Antragsgegners zu Erschwernissen der Planung des Angebots an Schulplätzen und zur finanziellen Mehrbelastung zu Gunsten auswärtiger Schüler im Hinblick auf § 28 Abs. 2 SchVG NRW Bedenken aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 LV NRW geltend gemacht sein sollen, dringen diese nicht durch. Die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung -

vgl. allgemein zu Reichweite und Schranken des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nur BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 -, BVerfGE 91, 228 (236 ff.), 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 (381 ff.), 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79, 127 (143 ff.) und 24. Juni 1969 - 2 BvR 446/64 -, BVerfGE 26, 228 (237 ff.); VerfGH NRW, Urteil vom 15. Januar 2002 - VerfGH 40/00 -, NWVBl 2002, 101 (103) -

sichert den Gemeinden - im Rahmen der Gesetze - einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich. Das Selbstverwaltungsrecht erstreckt sich im Bereich des öffentlichen Schulwesens auf die Aufgaben der Gemeinden als Schulträger und umfasst das Recht zur Errichtung und Förderung von kommunalen Schulen und auf Mitgestaltung der Organisation und Verwaltung des örtlichen Schulwesens.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1969, a.a.O., S. 239 f.; BVerwG, Urteil vom 11. März 1966 - VII C 141.65 -, DVBl 1966, 866; OVG NRW, Urteil vom 7. Juni 1991 - 19 A 733/90 -, NVwZ-RR 1992, 186 (188); Niehues a.a.O., Rdn. 140 ff.

Die durch § 28 Abs. 2 SchVG NRW getroffene Regelung betrifft, da es nicht um die Verteilung sachlicher Aufgaben im Bereich des Schulwesens geht, das verfassungsrechtliche Aufgabenverteilungsprinzip nicht. Sie berührt auch nicht den Kernbereich der Befugnis zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, da die Vorschrift nur einen auf die Aufnahme auswärtiger Schüler begrenzten Ausschnitt aus dem Bereich der Schulverwaltung regelt und im Übrigen die Befugnis zur Mitgestaltung der Organisation und Verwaltung des örtlichen Schulwesens unangetastet lässt und so die Ausübung der kommunalen Schulhoheit weder aushöhlt noch erstickt. § 28 Abs. 2 SchVG NRW wahrt auch die Grenzen, die im Vorfeld der Sicherung des Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts zu beachten sind, insbesondere ist die Vorschrift verhältnismäßig und willkürfrei. Im Bereich des Schulwesens ist das kommunale Selbstverwaltungsrecht in die Erfüllung des öffentlichen Bildungsauftrags eingebunden und durch die staatliche Schulaufsicht nach Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 2 Satz 2 LV NRW im Rahmen der gesetzlichen Ausgestaltung begrenzt. Diese bezeichnet den Inbegriff der staatlichen Herrschaftsrechte über die Schule, nämlich die Gesamtheit der staatlichen Befugnisse zur Organisation, Planung, Leitung und Beaufsichtigung des gesamten Schulwesens und umfasst die Befugnis des Staates zur zentralen Ordnung und Organisation des Schulwesens mit dem Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 u.a. -, BVerfGE 34, 165 (182) und Beschluss vom 24. Juni 1969, a.a.O., S. 238; BVerwG, Urteil vom 11. März 1966, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 7. Juni 1991, a.a.O.

Die staatliche Regelungsbefugnis erstreckt sich auch auf die Voraussetzungen für den Zugang zur Schule bzw. die Bestimmung der zu besuchenden Schule.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1975 - VII B 26.74 -, MDR 1975, 605; OVG Schleswig, Beschluss vom 28. Juni 1995 - 3 M 43/95 -, NVwZ-RR 1995, 664 (665).

Mit § 28 Abs. 2 SchVG NRW hat der Landesgesetzgeber für den geregelten Sachbereich diesen Gestaltungsauftrag erfüllt. Die Vorschrift dient, wenn der Schulbesuch des betreffenden Schülers in seiner Wohngemeinde nicht gewährleistet ist, dazu, die Realisierung des Rechts auf chancengleiche schulische Bildung zu sichern und den Zugang zur nach den sonstigen Zulassungsvoraussetzungen geeigneten Schule, wenn wie bei Wahlschulen keine örtliche zuständige Schule bestimmt ist, nicht an der Gemeindegrenze scheitern zu lassen. Zur Förderung dieses legitimen Zwecks ist die Regelung unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Einschätzungs- und Gestaltungspielraums geeignet und erforderlich; sie ist auch nicht mit Blick auf die vom Antragsgegner angeführten Probleme im Bereich der Schulplanung unangemessen. Der hohen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Regelungsziels steht eine eher nur geringfügige Einschränkung der Planung und Gestaltung des kommunalen Schulwesens gegenüber, weil die Vorschrift wegen der genannten Voraussetzung und im Hinblick darauf, dass wegen der Schulträgerpflichten aus § 10 Abs. 5 SchVG NRW prinzipiell von einem ausreichenden Schulangebot auszugehen ist, typischer Weise nur in Einzelfällen zum Tragen kommt und zudem das Vorliegen der Voraussetzung, ob der Schulbesuch in der Wohngemeinde gewährleistet ist, auf Antrag eines Beteiligten - also auch des kommunalen Schulträgers der aufnehmenden Schule - von der Schulaufsichtsbehörde als neutraler Stelle festzustellen ist (§ 28 Abs. 2 Satz 2 SchVG NRW). Verbleibende Probleme der Schulplanung hat die betroffende Gemeinde, wenn es nicht zur Kooperation mit anderen Schulträgern kommt, im Interesse des Regelungsziels hinzunehmen.

Auch mit Blick auf die angeführte, durch die Aufnahme auswärtiger Schüler bedingte finanzielle Mehrbelastung des kommunalen Schulträgers bestehen keine Bedenken. Da gesetzlich nicht geregelt ist, dass die Wohngemeinde des nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW aufzunehmenden Schülers dem Schulträger der aufnehmenden Schule für anteilige Kosten Leistungen (z.B. einen Gastschulbeitrag) erbringt, hat der Schulträger die Kosten zu tragen. Gegen die (mittelbare) finanzielle Mehrbelastung, wenn sie denn in Folge der Anwendung der Vorschrift überhaupt spürbar eintritt, bietet die Garantie der kommunalen Finanzhoheit keinen Schutz, solange jedenfalls eine insgesamt zureichende Finanzausstattung nicht in Frage gestellt ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991, a.a.O., S. 386; BayVerfGH, Entscheidung vom 18. April 1996 - Vf 13- VII-93-, BayVBl 1996, 462 (464); Niehues, a.a.O., Rdn. 344.

Es ist vom Antragsgegner weder allgemein noch für den konkreten Fall dargelegt und im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass die typischer Weise auf Einzelfälle beschränkte Anwendung des § 28 Abs. 2 SchVG NRW zu derart weit reichenden finanziellen Folgen führt. Davon abgesehen ist es, da die Anwendbarkeit der Vorschrift im konkreten Schulverhältnis nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Schulträgers der aufnehmenden Schule bzw. von der Leistung eines finanziellen Ausgleich abhängt, Sache des Landesgesetzgebers, die finanziellen Folgen etwa im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 11. März 1966, a.a.O., S. 867; OVG Lüneburg, Urteil vom 2. Oktober 1980 - 13 OVG A 42/80 - DVBl 1981, 872 (873),

bei dem die Schülerzahl in den Schüleransatz eingeht (vgl. etwa § 8 Abs. 4 des Gemeindefinanzierungsgesetzes - GFG 2001 - vom 3. April 2001, GV NRW 172).

Bedenken im Hinblick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht ergeben sich schließlich nicht unter dem Aspekt, dass durch die Aufnahme auswärtiger Schüler finanzielle Lasten entstehen, die nicht unmittelbar den Einwohnern der Gemeinde zu Gute kommen. Dies haben die Gemeinden - jedenfalls in begrenztem Umfang wie bei der Anwendung des § 28 Abs. 2 SchVG NRW - hinzunehmen, weil die Gemeinden in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht auf vielen Ebenen miteinander verflochten sind und es deshalb nicht angeht, für alle Sachbereiche differenzierte gesetzliche Regelungen zu treffen, die den Gemeinden nur solche Belastungen auferlegen, die ausschließlich den eigenen Bürgern zugute kommen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 1994 - 7 B 146.94 -, DVBl 1995, 926 (927); Bay.VerfGH, Entscheidung vom 18. April 1996, a.a.O.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass die vorliegende Rechtssache nicht aus den vom Antragsgegner dargelegten Gründen grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Die vom Antragsgegner angesprochenen Rechtsfragen lassen sich nämlich auf der Grundlage vorliegender Senatsrechtsprechung, anhand der gesetzlichen Vorschriften und ihrer Zusammenhänge beantworten, ohne dass - nach Zulassung - in einer Entscheidung über die Beschwerde eine weiter gehende Klärung zu erwarten wäre, zumal im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohnehin nur eine summarische Prüfung erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO n. F.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 73 Abs. 1 GKG iVm §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG a. F. und ergeht unter Berücksichtigung des Art. 3 Ziff. 3 Nr. 11 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001, BGBl I S. 1887, iVm Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, Abl. EG Nr. L 162 S. 1 sowie Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro, Abl. EG Nr. L 139 S. 1.

Der Senat hat davon abgesehen, über den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers zu entscheiden, zumal ohnehin fraglich erscheint, ob die in Bezug genommenen, im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen noch hinreichend aktuell sind; denn angesichts der - absehbaren - Erfolglosigkeit des Zulassungsantrags kommt auf ihn eine Belastung mit Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens nicht zu.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO n. F., § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).