LG Duisburg, Urteil vom 16.04.2002 - 13 S 417/01
Fundstelle
openJur 2011, 18095
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 C 115/01
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 06.11.2001 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Wesel - 4 C 115/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Streitwert für die Berufung: 1.318,11 EUR

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht für die Monate Januar bis April 2001 ein Anspruch auf Mietzins nicht zu, da das Mietverhältnis wirksam zum 31.12.2000 beendet wurde.

1.

Die Beklagte hat das Mietverhältnis mit Kündigung vom 18.09.2000 wirksam mit der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 565 I Nr. 3 BGB a.F. zum 31.12.2000 gekündigt. Dass die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben als Beendigungstag den 01.11.2000 angegeben hat, ist - wie bereits das Amtsgericht zutreffend dargelegt hat - unschädlich. Die Angabe einer kürzeren Frist als der gesetzlichen Frist ist vorliegend folgenlos, da der angegebene und der gesetzliche Beendigungstermin nah beieinander liegen und dem Kündigungsschreiben entnommen werden konnte, dass eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses beabsichtigt war (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 564 Rn 38).

2.

Die Beklagte war berechtigt, das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 565 I Nr. 3 BGB a.F. zu kündigen. Die Bestimmung unter § 4 (2) des Mietvertrages vom 25.02.1999, wonach der Vertrag durch den Mieter frühestens zum 28.02.2003 gekündigt werden kann, entfaltet keine Wirksamkeit, da sie gegen § 9 AGBG verstößt.

a)

Bei dem Mietvertrag vom 25.02.1999 handelt es sich um ein vorformuliertes, vervielfältigtes Klauselwerk, so dass prima facie von dem Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 AGBG auszugehen ist (vgl. Heinrichs in Palandt, 61. Aufl., § 1 AGBG Rn 20). Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsklauseln zur Laufzeit und zum Kündigungsausschluss individuell ausgehandelt wurden, bestehen nicht. Soweit die Klägerin geltend macht, die Staffelmietvereinbarung und der damit verbundene Ausschluss des mieterseitigen Kündigungsrechts seien individuell ausgehandelt worden, handelt es sich um eine substanzlose Behauptung "ins Blaue hinein", da nicht ansatzweise dargetan wird, in welcher Weise die diesbezüglichen Verhandlungen von statten gegangen sein sollen und inwiefern es zu einem wirklichen Aushandeln gekommen ist.

b)

Gemäß § 4 (1) des Mietvertrages vom 25.02.1999 wurde das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Indes sieht § 4 (2) für den Mieter einen Kündigungsausschluss bis zum 28.02.2003 vor. Dieser Kündigungsausschluss führt zu einer einseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist zu Lasten des Mieters. Eine solche einseitige Verlängerung zu Lasten des Mieters stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 9 AGBG dar, da dem Mieter die Vertragsbeendigung erschwert wird, ohne dass dies durch eine entsprechende Besserstellung im Bestandsinteresse aufgewogen wird (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 565 Rn. 33; vgl. auch Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 9 Rn M 45; Voelskow in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 565 Rn 7).

Auch im vorliegenden Fall steht dem vierjährigen Kündigungsausschluss zu Lasten der Beklagten und der damit einher gehenden erheblichen Erschwerung der Vertragsbeendigung keine Besserstellung im Bestandsinteresse gegenüber. Zwar heißt es unter § 4 (3) Satz 1 des Mietvertrages, dass das Wohnungsunternehmen von sich aus das Mietverhältnis grundsätzlich nicht kündigen wird.

Dies begründet indes vorliegend keinen dem Kündigungsauschluss zu Lasten des Mieters gleichwertigen Kündigungsausschluß zu Lasten des Vermieters. Denn abgesehen davon, dass die Bestimmung in § 4 (3) Satz 1 nicht hinreichend deutlich eine Verpflichtung des Wohnungsunternehmens begründet, das Mietverhältnis nicht zu kündigen, sondern diese Bestimmung lediglich als Ankündigung formuliert ist, die durch den Zusatz "grundsätzlich" relativiert wird, wird diese bereits relativierte Ankündigung in Satz 2 der Klausel weiter eingeschränkt.

Danach behält sich die Klägerin das Recht vor, in besonderen Ausnahmefällen das Mietverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen des Wohnungsunternehmens eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Im Gegensatz zum Mieter steht dem Wohnungsunternehmen danach ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses mit der gesetzlichen Kündigungsfrist zu. Dass dieses nur in besonderen Ausnahmefällen bei wichtigen berechtigten Interessen des Wohnungsunternehmens ausgeübt kann, führt nicht zu einer Besserstellung des Mieters, die den vierjährigen Kündigungsausschluss aufwiegt.

Für den Wohnungsvermieter besteht ein Recht zur ordentlichen Kündigung gemäß 573 I, II BGB n.F. (§ 564 b I, II BGB a.F.) ohnehin nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Vertragsbeendigung. Die vertragliche Regelung unter § 4 (3) Satz 2 des Mietvertrages gibt ausschließlich die ohnehin bestehenden Rechtslage wieder. Der Bestandsschutz des Mieters wird durch den Vertrag nicht über das gesetzliche Maß hinaus erweitert. Die Formulierungen "besondere Ausnahmefälle" und "wichtige berechtigte Interessen" sind inhaltsleer, da die ordentliche Kündigung seitens des Vermieters auch von Gesetzes wegen nur ausnahmsweise zulässig ist und "unwichtige" Interessen keine berechtigten Interessen im Sinne des § 573 I BGB n.F. sein können.

Im Ergebnis bestimmt § 4 (2), (3) des Mietvertrages danach einseitig zu Lasten des Mieters einen vierjährigen Kündigungsausschluss, während der Vermieter das Mietverhältnis im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten mit der gesetzlichen Kündigungsfrist jederzeit ordentlich kündigen kann. Hierin liegt eine grobe Diskrepanz zwischen den Kündigungsfristen des Mieters und des Vermieters, die gemäß § 9 AGBG zur Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses in § 4 (2) des Mietvertrages führt. Das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverhältnis konnte daher von der Beklagten mit der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.12.2000 wirksam gekündigt werden.

Die Ausführungen der Klägerin zu § 10 II MHG führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Insbesondere kann aus dieser Schutznorm zugunsten des Mieters nicht der Umkehrschluss gezogen werden, einseitige Kündigungsbeschränkungen zu Lasten des Mieters von bis zu vier Jahren seien zulässig. Dies geben weder das Gesetz noch die einschlägige Kommentierung her.

2.

Das Mietverhältnis hat sich nach Ablauf der Mietzeit nicht gemäß § 545 I BGB n.F. (§ 568 BGB a.F.) durch Fortsetzung des Mietgebrauchs auf unbestimmte Zeit verlängert. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Fortsetzung des Gebrauchs im Sinne dieser Vorschrift ist - wie unschwer dem Wortlaut des Gesetzestextes entnommen werden kann - der Ablauf der Mietzeit und nicht ein etwaig im Kündigungsschreiben angegebener Beendigungstag. Das Mietverhältnis endete vorliegend am 31.12.2000.

Dass die Beklagte den Mietgebrauch auch nach dem 31.12.2000 fortgesetzt hat, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt. Daraus, dass die Klägerin die Schlüssel der Wohnung erst am 03.01.2001 erhielt, folgt nicht notwendig die Fortsetzung des Mietgebrauchs im Monat Januar 2001. Die Fortsetzung des Mietgebrauchs setzt voraus, dass der Mieter die Mietsache entsprechend dem bisherigen Gebrauch nutzt. Der bloße Besitz der Schlüssel reicht insoweit nicht aus.

3.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 03.01.2001 kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu. Zwar ist davon auszugehen, dass die Beklagte erst durch den Zugang der Schlüssel bei der Klägerin am 03.01.2001 ihre Rückgabepflicht erfüllt hat. Gemäß § 546a BGB n.F. (§ 557 BGB a.F.) besteht ein Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung indes nur für die Zeit der Vorenthaltung der Mietsache. Die Annahme der Vorenthaltung setzt stets voraus, dass die Nichtrückgabe dem Rückerlangungswillen des Vermieters widerspricht (Blank/Börstinghaus, Miete, 2000, § 557 Rn 17). An einem Rückerlangungswillen und damit an der Vorenthaltung fehlt es aber, wenn der Vermieter den Mietvertrag als fortbestehend ansieht (Blank/Börstinghaus a.a.O. m.w.N.). Da die Klägerin das Mietverhältnis im Januar 2001 noch als fortbestehend ansah, kommt ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht in Betracht.

4.

Die Klägerin kann den Mietzins für den Monat Januar 2001 auch nicht als Verzugsschaden geltend machen. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter Rückgabe würde voraussetzen, dass der Klägerin Rückerlangungswillen hatte und ein Mietausfall entstanden ist. Dies wird indes nicht ansatzweise dargetan. Vielmehr behauptet die Klägerin gerade, dass die Wohnung im Hinblick auf die Verhältnisse am Wohnungsmarkt nicht vermietet werden konnte.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.