LG Kiel, Urteil vom 03.08.2015 - 4 O 52/15
Fundstelle
openJur 2016, 9323
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.530,00 € zuzüglich Zinsen von 4 % für die Zeit vom 04.12.2012 bis zum 12.06.2013 und von 5 % über dem Basiszins seit dem 13.06.2013 sowie vorgerichtliche Kosten von 775,64 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 23 %, die Beklagte 77 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Ihr wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin bewohnt in ihrem Hause …, die über das von ihr im Erdgeschoss betriebene Ladengeschäft für hochwertige Damenoberbekleidung zu erreichen sind, in dessen hinterem Bereich eine Treppe auf den Flur des Obergeschosses führt. Dort befinden sich links vom Treppenaufgang zunächst ein als Büro genutzter Raum, durch eine Tür verbunden mit dem angrenzenden Esszimmer, und rechts vom Aufgang liegt hinter der Küche das Badezimmer und, nur durch dieses erreichbar, das Schlafzimmer mit einem Balkon an der Rückfront des Hauses; vor Bad und Küche ist auf dieser Seite außen am Haus über dem Erdgeschoss eine Plexiglasüberdachung angebracht. Im Erdgeschoss gibt es zur Straßenseite zwei Eingänge in das Ladengeschäft, von denen der über Stufen zu erreichende Haupteingang mit einer Kontaktklingel versehen ist, die beim Öffnen der Tür ertönt, und der ebenerdige Nebeneingang ist durch eine mit einer Klingel verbundene Lichtschranke gesichert. An der Rückfront des Hauses sind zwei nur von innen zu öffnende, in den Garten führende Türen vorhanden.

Mindestens seit dem Jahre 1986 bestand für die Räume im ersten und zweiten Obergeschoss bei der Beklagten eine verbundene Hausratversicherung zum Neuwert, die mehrfach angepasst wurde; nach dem im Jahre 2012 aktuellen Versicherungsschein vom 04.03.2005 betrug die Versicherungssumme 78.000,00 € mit einer Erhöhung der Entschädigungsgrenze für Wertsachen um 25 %. Versicherungsschutz bestand nach § 5 der Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 2002) auch bei Einbruchdiebstahl, der u. a. bei Aufbrechen eines Behältnisses in einem Raum eines Gebäudes (§ 5 Ziff. 1 b VHB 2002) und bei der Wegnahme von Sachen aus der verschlossenen Wohnung, nachdem sich der Täter dort eingeschlichen oder verborgen gehalten hätte (§ 5 Ziff. 2 a VHB 2002), vorliegen sollte.

Das Ladengeschäft im Erdgeschoss war üblicherweise zwischen 13:00 Uhr und 15.00 Uhr geschlossen. Am 27.11.2012 legte sich die Klägerin nach dem gemeinsamen Essen mit ihrer Tochter während der Mittagspause wie gewöhnlich im Schlafzimmer zur Ruhe und legte zuvor im Bad auf einer Säulenkommode in einer flachen Schale ihren Schmuck ab. Gegen 15:10 Uhr erhielt die Polizei einen Anruf der Tochter der Klägerin, die berichtete, dass sie soeben hinter dem Haus eine männliche Person beobachtet habe, die über den Balkon auf das Nachbargrundstück geklettert sei. Den erschienenen Polizeibeamten teilte sie mit, dass aus der geöffneten Schublade des Büroschreibtisches eine Geldkassette mit 2.200,00 € in Scheinen, ein weiterer Briefumschlag mit 1.050,00 € und eine kleine braune Geldbörse mit ca. 225,00 € in kleinen Scheinen verschwunden waren und aus der Geldbörse in ihrer Handtasche 380,00 € in Scheinen fehlten. Ferner sei aus einem kleinen Schmuckbehältnis im Badezimmer Goldschmuck im Wert von ca. 3.000,00 € entwendet worden. Bei ihrer Spurensuche vor Ort fand die Polizei eine blutverschmierte, verbogene Schere auf dem Schreibtisch im Büroraum und die Geldkassette mit diversen, teilweise blutverschmierten Zetteln und Briefumschlägen im Essraum unter dem Tisch. Nach Sicherstellung dieser Gegenstände wurde später anhand der DNA der Täter ermittelt, dessen Aufenthaltsort jedoch unbekannt geblieben ist.

Nach dem Tatortbefundbericht vermuteten die Polizisten, dass der Täter bei Ladenöffnung um 15.00 Uhr das Geschäft betreten habe und über die Treppe in die Wohnung gelangt sei, dort in den Büroraum gegangen sei, aus der unverschlossenen Schreibtischschublade die verschlossene Geldkassette genommen und diese mit der vorhandenen Schere gewaltsam geöffnet habe, wobei er sich an den Händen verletzt habe. Außerdem habe er aus der auf dem Schreibtischstuhl stehenden Handtasche der Tochter der Klägerin die Geldbörse entnommen, aus dieser 380,00 € in Scheinen entwendet und die Geldbörse wieder zurückgelegt. Die Geldkassette habe er dann im Nebenraum unter dem Tisch versteckt, sei anschließend in das Wohnzimmer und danach in das Badezimmer gegangen, wo er noch diversen Goldschmuck, nämlich vier Armreifen aus Gold, eine Goldhalskette mit einem Brillanten und zwei Ohrclips aus Weißgold, entwendet habe. Schließlich habe er das Badezimmerfenster geöffnet und die Wohnung über das Vordach und den Holzbalkon verlassen, von dort sei er auf das Nachbargrundstück gelangt.

Am 30.11.2012 erhielt die Polizei eine Stehlgutliste, nach der neben dem Bargeld aus dem Schreibtisch (in zwei Umschlägen 1.700,00 € und 500,00 €, in einer Geldbörse 200,00 € plus ca. 25,00 € Kleingeld, zwei Geldclips mit 800,00 € und 250,00 €) und 380,00 € plus ca. 20,00 € Kleingeld aus dem Portemonnaie der Tochter der Klägerin auch 4 Goldarmreifen (65 cm Durchmesser, 2,2 mm breit, 1,8 mm stark, 5,85 g, vermutlicher Neuwert 400,00 € pro Stück), eine Goldkette (ca. 43 cm, mit goldgefasstem Brillantanhänger), 2 Perlenohrringe (in Weißgold gefasst) und ein kleiner Brillantring (Gelbgold) entwendet worden waren.

Am 03.12.2012, einem Montag, meldete die Klägerin als aus dem Badschrank gestohlen weitere Schmuckstücke, nämlich 2 Trauringe (Gelbgold, schlicht, graviert), ein Cartier-Ring Trinity (3 verschlungene Ringe in Gelb-, Weiß- und Rotgold, Cartier-Gravur), ein Ring Gelbgold 585 (mittig ein Brillant, rechts und links je zwei eckige Smaragde), eine Perlenkette (ca. 42 - 43 cm, goldenes rundes Schloss), eine Anstecknadel (antike Optik, runde Form, ca. 4 cm Durchmesser, rundherum Perlen und Rubine), eine Goldkette (ca. 45 cm, Panzerkettenglieder, dünn), ein Goldring mit eingeprägtem Sternzeichen (ca. 3mm breit, Gelbgold 585).

Nach ihrer polizeilichen Vernehmung vom 13.12.2012 hatte die Tochter der Klägerin sich am 27.11.2012 ebenfalls im ersten Obergeschoss des Hauses aufgehalten und bis kurz vor 15:00 Uhr in dem Büroraum Arbeiten erledigt. Anschließend habe sie, um ihre Mutter nicht zu stören, die Toilette im zweiten Obergeschoss aufgesucht und von dort aus das Klingeln der Ladentür gehört, woraus sie habe schließen können, dass ihre Angestellte den Laden wieder geöffnet habe. Als sie wieder nach unten habe gehen wollen, habe sie einen Anruf erhalten. Während des Telefonats habe sie etwa 5 Minuten später aus dem Badezimmerfenster geschaut, einen Mann über das Vordach auf den Balkon klettern sehen, das Telefonat beendet und an die Scheibe geklopft. Der Mann habe sich daraufhin zu ihr umgewandt, einen Finger auf den Mund gelegt und anschließend eine „Wegscheuchbewegung“ mit beiden Händen gemacht, sei über den Gartenzaun geklettert und langsam weggegangen. Daraufhin sei sie ins erste Obergeschoss gelaufen, habe den Einbruch festgestellt und die Polizei gerufen.

Nach Anzeige des Vorfalls bei der Beklagten reichte die Klägerin dieser auf Aufforderung am 03.12.2012 eine Stehlgutliste mit geschätzten Wertangaben eines Juweliers zu den einzelnen Schmuckstücken sowie Fotografien der diese Schmuckstücke tragenden Klägerin ein und forderte sie zur Regulierung auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 13.06.2013 ab, da das unbemerkte Betreten des Geschäftes und die Entwendung der Gegenstände aus der unverschlossenen Wohnung keinen versicherten Einbruchdiebstahl darstellten. Bei dieser Ablehnung bliebt sie auch auf anschließende anwaltliche Schreiben des danach beauftragten Prozessbevollmächtigten der Klägerin.

Die Klägerin behauptet, der Täter habe sich in die Geschäftsräume geschlichen und sei von dort aus über die Treppe in das erste Obergeschoss gelangt, wo er während der Mittagspause die Räume durchsucht habe. Er habe Schmuck im Werte von 11.010,00 €, aus der aufgebrochenen Kassette Bargeld im Werte von 725,00 € und aus einem Portemonnaie Bargeld im Werte von 400,00 € an sich genommen; hierbei handele es sich um private Gelder. Die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Beträge seien bereits von der dafür zuständigen Versicherung erstattet worden.

Bei dem Eindringen in die Geschäftsräume habe der Täter die Sicherungen der Eingangstüren - Klingel bzw. Lichtschranke - überwinden müssen, was ohne Manipulationen nicht denkbar sei. Außerdem befinde sich der Eingang im Sichtfeld des Kassenbereichs und von den beiden Mitarbeiterinnen habe sich am Tattag immer eine Person in diesem Bereich befunden. Auch sie, die Klägerin, sei in den Vormittagsstunden in den Geschäftsräumen gewesen. Hätte der Täter in dieser Zeit ohne besondere Listen oder Vorsichtsmaßnahmen das Ladengeschäft betreten, so wäre er sofort bemerkt worden und - als Mann von südländischem Aussehen in einer Boutique für gehobene Damenoberbekleidung - aufgefallen. Als zum Ende der Vormittagszeit die Mitarbeiterinnen, wie immer, alle Verkaufsräume aufgeräumt und dabei optisch überprüft hätten, müsse der Täter sich versteckt gehalten haben, denn zu diesem Zeitpunkt habe er das Obergeschoss noch nicht betreten können, weil die dortigen Räume noch zum Kochen und Essen genutzt worden seien.

Sie habe zwar ursprünglich vermutet, dass der Täter erst nach der Mittagspause in den Laden gelangt sei. Dann aber wäre es ihm, da er bereits um 15:05 Uhr wieder vor dem Haus gesehen worden sei, nicht möglich gewesen, im Gebäude alle die Strecken zurückzulegen und die verschiedenen Aktionen durchzuführen, die von der Polizei ermittelt worden seien.

Wegen der Beschreibung der einzelnen entwendeten Schmuckstücke und der von ihr ermittelten Werte beziehe sie sich auf die gefertigte Stehlgutliste (Anlage K 13). Sie habe zunächst nur das Fehlen des von ihr am Mittag im Bad abgelegten Schmuckes festgestellt. Zu der Nachmeldung der weiteren entwendeten Schmuckstücke sei es gekommen, als sie am Wochenende nach dem Einbruch zu ihrer Geburtstagsfeier Schmuck habe anlegen wollen, den sie zuvor im Wechsel mit dem am 27.11.2012 getragenen Schmuck getragen habe. Diesen weiteren Schmuck habe sie in einem schalenförmigen Töpfchen, zu verschließen mit einem Drehdeckel, im hinteren Bereich einer Schublade des Badezimmerschrankes aufbewahrt gehabt. Am Einbruchstage habe sie nicht daran gedacht, dort nachzusehen, weil optisch nicht feststellbar gewesen sei, dass sich der Täter an dieser Schublade zu schaffen gemacht gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.135,00 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins seit dem 03.12.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 837,52 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet das Vorliegen eines Versicherungsfalles. Ein Einbruchdiebstahl im Sinne von § 5 Nr. 2 a VHB 2002 liege nur vor, wenn Sachen aus einer verschlossenen Wohnung fortgenommen würden. Da aber die Privatwohnung der Klägerin nicht verschlossen gewesen sei, komme es nicht darauf an, ob der Täter (was sie mit Nichtwissen bestreite) über die Geschäftsräume in diese Wohnung gelangt sei. Auch habe sich der Täter nicht im Sinne von § 5 Nr. 2 a VHB 2002 eingeschlichen oder verborgen gehalten, vielmehr sei er lediglich in den Geschäftsräumen unbemerkt geblieben, ohne sich besonders listig verhalten zu haben, und habe ebenso unbemerkt in die nicht besonders gesicherten Wohnräume gelangen können. Die andere Darstellung des Geschehensablaufs durch die Klägerin erschöpfe sich in bloßen Vermutungen. Dies gelte auch für die Behauptung, der von den Ermittlungsbehörden angenommene Sachverhalt könne aus Zeitgründen nicht zutreffen, denn es sei allgemein bekannt, wie schnell und sicher sich professionelle Diebe in fremden Räumlichkeiten bewegen könnten.

Die Beklagte bestreitet ferner, dass der Klägerin Schmuck im Werte von 11.010,00 € abhanden gekommen sei und dass sie in einer Kassette Bargeld von 725,00 € und in einem Portemonnaie 400,00 € aufbewahrt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Gründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des ausgeurteilten Betrages aus dem Hausratversicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 Nr. 1 S. 2, § 3, § 5 Nr. 1 c, 2 a, § 12 Nr. 1, 3, § 27 Nr. 1 a, § 28 der Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 2002).

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt ein Versicherungsfall, nämlich ein Einbruchdiebstahl im Sinne von § 5 Nr. 2 a VHB 2002 vor, denn der Täter hat aus der verschlossenen Wohnung Sachen weggenommen, nachdem er sich dort eingeschlichen oder verborgen gehalten hat. Als „Wohnung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen ist hinsichtlich der Verschließbarkeit das gesamte Gebäude anzusehen, da die Räume des ersten Obergeschosses zu den Geschäftsräumen des Erdgeschosses nicht durch eine verschließbare Wohnungseingangstür abgetrennt waren.Die in dem Tatortbefundbericht der Polizei vermutete Tatbegehung, nach der der Täter die Geschäftsräume erst nach der Mittagspause betreten hat, scheidet nach der durchgeführten Beweisaufnahme aus. Das Gericht folgt insoweit der glaubhaften, detailreichen und zu früheren Aussagen sowie den polizeilichen Feststellungen widerspruchsfreien Schilderung der Zeugin ... Diese steht zwar als Tochter in einem besonderen Näheverhältnis zur Klägerin, machte jedoch einen überaus glaubwürdigen Eindruck. Sie war ersichtlich um Genauigkeit und Sachlichkeit bemüht und ließ sich auch durch Nachfragen zu scheinbaren Nebensächlichkeiten nicht verunsichern. Nach ihren und den polizeilichen Feststellungen zu dem Vorgehen des Täters in der Wohnung im ersten Obergeschoss muss dieser sich bereits zu Beginn der Mittagspause in dem Gebäude befunden und verborgen gehalten haben, bevor er aktiv wurde, denn zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Zeugin ... im zweiten Obergeschoss zum ersten Mal die Klingel der Ladeneingangstür hörte, woraus sie auf die Wiedereröffnung des Geschäftes schließen konnte, und dem Zeitpunkt, da sie den Täter außen vor dem Badfenster entdeckte, lagen kaum mehr als 5 Minuten. Auch wenn die Beklagte meint, ein professioneller Täter bewege sich in fremden Räumlichkeiten schnell und sicher, war diese Zeitspanne mit Sicherheit vorliegend nicht ausreichend. Der Täter hätte um 15:00 Uhr zunächst - vorsichtig, da er nicht wissen konnte, ob sich außer der Angestellten auch die Klägerin und/oder ihre Tochter im Erdgeschoss aufhielten - die Geschäftsräume durchqueren und die Treppe hinaufsteigen müssen, wo er sich anschließend vergewissern musste, dass sich niemand im Büro befand. Dort hat er offensichtlich zunächst (da insoweit keine Blutspuren festgestellt worden sind) die auf dem Stuhl stehende Handtasche der Tochter geöffnet, die Geldtasche herausgenommen, deren drei Reißverschlüsse geöffnet, Bargeld und Scheine an sich genommen, sämtliche Reißverschlüsse wieder geschlossen, die Geldtasche zurückgelegt und auch die Handtasche wieder verschlossen. Schon das Wiederherstellen des vorgefundenen Zustandes zeigt, dass er dabei keine besondere Eile hatte. Auch das Aufbrechen der anschließend aus dem Schreibtisch hervorgeholten Kassette mit einer nach Beschreibung der Zeugin … nur kleinen Schere dürfte nicht in Sekundenbruchteilen vonstatten gegangen sein; gleichwohl fand der Täter trotz seiner dabei zugezogenen Verletzung noch die Zeit, die etwa 40 in der Kassette befindlichen Briefumschläge sämtlich zu öffnen, auf Bargeld durchzusehen, dieses zu entnehmen und die Kassette im Nebenraum (von dem er ebenfalls wissen musste, dass sich niemand darin aufhielt) samt den blutigen Umschlägen unter dem Tisch zu verstecken und die Tischdecke vorzuziehen. Anschließend nahm er im Bad nicht nur „im Vorbeigehen“ den in der Schale abgelegten Schmuck der Klägerin mit, sondern durchsuchte auch noch den Badezimmerschrank, in dessen - anschließend wieder geschlossener - Schublade er hinter Modeschmuck ein kleines Deckelgefäß mit weiterem Echtschmuck auffand. Auch die Tatsache, dass der Täter bei seinem Ausstieg durch das Fenster die auf der Fensterbank stehenden Kosmetika herunterstieß, deutet in Anbetracht seines anschließenden kaltblütigen und unverfrorenen Verhaltens, wie es die Zeugin ... beschrieben hat, nicht auf eine besondere Eile seinerseits hin. Damit muss der Täter vor 15:00 Uhr ins Haus gelangt sein. Er muss sich dort auch längere Zeit verborgen gehalten haben, denn feststeht, dass er das Büro im ersten Obergeschoss nicht durchsuchen konnte, bevor nicht die Zeugin von dort aus in das zweite Obergeschoss gegangen war. Diese hat sich jedoch ihrer glaubhaften Darstellung zufolge noch nach dem Mittagessen ab ca. 14:15 Uhr bis mindestens 14:30 Uhr im Büro aufgehalten. Zu dieser Zeit kann der Täter das Gebäude nicht betreten haben, da die Zeugin … nach dem Weggang der letzten Kundin gegen 13:30 Uhr auch die eine nach Beginn der Mittagspause noch offene Ladentür verschlossen und die Fenster sowie die restlichen Türen, auch die beiden lediglich zum Lüften genutzten Türen an der Rückfront des Hauses, überprüft hatte.

Damit sind die Voraussetzungen für einen Einbruchsdiebstahl im Sinne von § 5 Abs. 2 a VHB 2002 gegeben, ohne dass es darauf ankäme, aus welchem Grund der Täter beim Betreten der Räume ungesehen blieb und ob er sich besonders listig eingeschlichen bzw. wie er die Türsicherungen der Ladentüren überwunden hat.

Das Gericht sieht es auch als bewiesen an, dass die von der Klägerin angegebenen Bargeldbestände und Schmuckstücke am 27.11.2012 entwendet worden sind.

Die Zeugin ... hat glaubhaft bekundet, dass sie am Vormittag des 27.11.2012 das Bargeld sortiert und durchgezählt hatte, um es gleich nach dem Ende der Mittagspause zur Bank zu bringen. So habe sie einen Betrag von 1.700,00 € für auszuzahlende Löhne in einem großen Umschlag verwahrt und insgesamt 1.050,00 € an Geldclips geheftet - Geschäftsgelder, die bereits von der für die Boutique bestehenden Versicherung erstattet worden seien - und in einem kleineren Umschlag 500,00 € in kleineren Scheinen vorgehalten, um notfalls bei nicht ausreichendem Wechselgeld in der Ladenkasse aushelfen zu können. Auch das private Portemonnaie der Klägerin mit 200,00 € in Scheinen und mindestens 25,00 € in Münzen habe sie überprüft. Bei diesen nunmehr noch von der Klägerin erstattet begehrten 725,00 € Bargeld handelt es sich auch um keine Geschäftsgelder, sodass sich der Versicherungsschutz auf diese Beträge erstreckt; soweit diese Gelder in der Kassette aufbewahrt worden waren, ist auch ein Einbruchdiebstahl im Sinne von § 5 Nr. 2 a VHB 2002 (Aufbrechen eines verschlossenen Behältnisses) gegeben.

Nicht zu erstatten hat die Beklagte dagegen die aus der Handtasche der Zeugin ... entwendeten 400,00 €. Gemäß § 1 Nr. 1 S. 2 VHB 2002 umfasst der versicherte Hausrat „alle Sachen, die dem Haushalt des Versicherungsnehmers zur privaten Nutzung dienen“; das Eigentum der nicht im Haushalt ihrer Mutter lebenden Zeugin ... fällt nicht darunter.

Zu den entwendeten Schmuckstücken haben die Zeugen ... sowie ... im Wesentlichen übereinstimmend das Vorhandensein dieses von der Klägerin beschriebenen Schmucks vor dem 27.11.2012 und das Fehlen nach diesem Tage bestätigt. Das gilt auch für diejenigen Schmuckstücke, die bei der Polizei erst am 03.12.2012 als gestohlen nachgemeldet worden sind. Diese Nachmeldung hat die Klägerin glaubwürdig damit erklärt, dass es sich hierbei um den Schmuck gehandelt habe, den sie in der Schublade des Badezimmerschrankes aufbewahrt habe. Nachdem der mittags von ihr abgelegte Schmuck im Badezimmer offen herumgelegen hatte und der Täter bei dem Verlassen des Gebäudes durch das Fenster die Kosmetika heruntergeworfen hatte, ist das Unterlassen einer sofortigen Nachschau in der ordnungsgemäß geschlossenen Schrankschublade durchaus nachvollziehbar, zumal auch sonst keinerlei Anzeichen dafür festgestellt worden waren, dass der Täter Schränke durchsucht hätte.

Bei allen von der Klägerin als Verlust angezeigten Stücken handelte es sich um Schmuck, den sie im Wechsel regelmäßig und teils schon seit Jahrzehnten häufig getragen hatte, und sämtliche Zeugen - Tochter, Sohn und Schwiegersohn - konnten ihn aus der Erinnerung recht präzise beschreiben. Allerdings hat die Klägerin den von ihr angenommenen Wert der Schmuckstücke von insgesamt 11.010,00 € nicht beweisen können. Einzig für den aus drei ineinander verschlungenen Ringen bestehenden Cartier-Ring „Trinity“ hat sie sowohl den Anschaffungsbeleg über 1.450 DM aus dem Jahre 1992 (woraus sich auch ergibt, dass es sich um Original-Schmuck aus dem Hause Cartier handelte) als auch denjenigen über den Ersatzkauf für 1.320,00 € von Dezember 2014 vorgelegt, sodass, da gemäß § 12 Nr. 3 VHB 2002 eine Versicherung zum Neuwert besteht, der Betrag von 1.320,00 € als Versicherungswert zu erstatten ist. Eingereicht hat die Klägerin weiterhin den Einkaufsbeleg über 450,00 € von Dezember 2014 für eine Ersatzbeschaffung der Perlenohrringe. Insoweit hat die Klägerin glaubhaft bekundet, die ursprünglich vorhandenen Ohrringe hätten die gleiche Größe gehabt wie der von ihr bei ihrer persönlichen Anhörung getragene Ersatz, seien aber aufwendiger gefasst gewesen. Von der Ähnlichkeit der Ersatzohrringe mit den entwendeten Stücken konnte sich das Gericht durch Vergleich mit den vorgelegten Farbfotografien, insbesondere dem Foto 3, Anlage 25 (Bl. 60 d. A.) überzeugen. Den Neuanschaffungspreis für diese Ohrringe kann die Klägerin ebenfalls erstattet verlangen.

Für die übrigen Schmuckstücke können dagegen nur die von der kompetent und erfahren wirkenden Sachverständigen Frau Dr. L. anhand der Beschreibungen und Fotos geschätzten Preise angesetzt werden, die diese in der persönlichen Befragung vom 17.07.2015 nachvollziehbar erläutern konnte und zu denen die Sachverständige ausgeführt hat, dass es sich um die Mindestwerte handele. So hat sie bei dem Perlenschmuck nicht die Preise der höherwertigen Südsee-Zuchtperle, sondern diejenigen der häufig (auch bei den Ersatzohrringen) verwandten Akoya-Perle in mittlerer Qualität zugrundegelegt und wegen der nicht näher bestimmbaren Qualität der Edelsteine hierfür nur geringe Beträge, so insgesamt ca. 50,00 bis 60,00 € für einen Diamanten und zwei eckige Smaragde, angenommen. Nach ihren Angaben hätte sich bei vorhandenen Einkaufsbelegen und/oder Zertifikaten auch der zwei- bis dreifache Wert ergeben können.

Soweit die Sachverständige bei ihren Schätzungen Preisspannen angenommen hat, geht das Gericht von dem Mittelwert der jeweiligen Spanne aus. Danach hat die Klägerin Anspruch auf eine Entschädigung für den abhandengekommenen Schmuck (über die oben erwähnten 1.770,00 € für Ersatzbeschaffungen hinaus) von 7.035,00 €, nämlich insgesamt 1.250,00 € für die vier Gelbgold-Armreifen, 2.100,00 € für eine Gelbgold-Kette 45 cm nebst Brillantanhänger, 615,00 € für einen Ring mit Brillantsolitär, 2 x 230,00 € für die beiden Trauringe, 330,00 € für einen Gelbgold-Ring mit Brillant und vier eckigen Smaragden, 410,00 € für eine Perlenkette, 1.050,00 € für eine Gelbgold-Kette 60 cm und 620,00 € für einen Gelgbold-Ring mit Sternzeichenprägung.

Insgesamt steht der Klägerin damit eine Erstattung von 8.805,00 € für den Schmuck und von 725,00 € für das gestohlene Bargeld zu. Wegen des weitergehend geforderten Betrages war die Klage abzuweisen.

Teilweise abzuweisen war auch der Zinsanspruch der Klägerin. Dieser ergibt sich für die Zeit ab Anzeige des Schadens aus § 29 Nr. 2 VHB 2002, jedoch ist der Zinssatz mit 1 % unter dem Basiszinssatz, mindestens aber 4 %, festgelegt. Mehr als diese 4 % kann die Klägerin erst ab Verzugseintritt durch das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 12.06.2013 aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO verlangen.

Da die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorprozessual erst nach Verzugseintritt beauftragt worden sind, sind ihre Kosten - allerdings nur in Höhe von 1,3 Geschäftsgebühren nach einem Streitwert von 9.530,00 € zuzüglich Postpauschale und Umsatzsteuer - von der Beklagten gemäß § 286 Abs. 1 ZPO ebenfalls zu erstatten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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