VG Lüneburg, Urteil vom 12.04.2016 - 4 A 194/14
Fundstelle
openJur 2016, 9282
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten der Jugendhilfe.

Er gewährte Jugendhilfe in Form von Vollzeitpflege für die Geschwister A., geboren am B., und C., geboren am D.. Die Vollzeitpflege erfolgte durch die Großmutter der Kinder, E., wohnhaft in F. im Landkreis G.. Die Geschwister haben noch eine ältere Schwester, die H. geborene I..

Die Eltern der Kinder, J. und K., haben sich am L. scheiden lassen. Der Vater lebte daraufhin in M., die allein erziehende Mutter wohnte mit ihren Kindern in N.. Das Sorgerecht stand beiden Elternteilen gemeinsam zu. Der Beklagte gewährte der Mutter der Kinder zunächst mit Bescheid vom 12. Mai 2004 Hilfe zur Erziehung in Form einer sozialpädagogischen Familienhilfe für den Zeitraum 14. Mai 2004 bis 7. September 2004, wobei die Beendigung auf Wunsch der Mutter erfolgte. Nach erneuter Beantragung durch die Mutter nahm der Beklagte die Gewährung der sozialpädagogischen Familienhilfe mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 ab dem 1. Dezember 2004 bis zum 30. Juni 2005 wieder auf.

Am Montag, den 27. Juni 2005 wurde Frau O. stationär in einer psychiatrischen Klinik P. aufgenommen. Entsprechend einer im Hilfeplangespräch am 21. Juni 2005 getroffenen Vereinbarung nahm die Großmutter Frau Q. die Kinder am Wochenende zuvor bei sich auf. Die Aufnahme der Kinder bei der Großmutter sollte nach dem diesbezüglichen Hilfeplanprotokoll vom 26. September 2005 bis zur Gesundung der Mutter erfolgen. Zudem wurde vereinbart, dass die Familienhelferin, Frau R. vom Diakonischen Werk S., in der Familie tätig bleibe und die Großmutter bei Erziehungsfragen, schulischen Dingen und Lebensfragen, die die Kinder beträfen, unterstützen solle. Auch nach der Entlassung der Mutter aus der Klinik verblieben T. und U. bei der Großmutter.

Mit an die Mutter gerichteten Bescheiden vom 4. Oktober 2005 und 15. Februar 2006 gewährte der Beklagte für den Zeitraum 1. Juli 2005 befristet bis zum 31. Juli 2006 weiterhin Hilfe zur Erziehung in Form von sozialpädagogischer Familienhilfe durch Frau R.. Die Bewilligungen erfolgten für I., die zum damaligen Zeitpunkt in einer Jugendhilfeeinrichtung lebte. Im Bescheid vom 15. Februar 2006 wurde als Zielsetzung der Hilfe jedoch auch angegeben, dass die Kinder T. und U. intensivere Besuchskontakte bei der Mutter durchführen, wobei sie von Frau R. begleitet werden. Gegenüber dem Diakonischen Werk S. sicherte der Beklagte mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 zudem die Übernahme von Fahrtkosten für die Familienhelferin Frau R. einmal wöchentlich nach F. für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 zu. Das Amtsgericht S. bestellte am 16. Dezember 2005 das Jugendamt des Beklagten zum Pfleger in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Wahrnehmung der schulischen und gesundheitlichen Belange der Kinder. In einem Hilfeplangespräch am 26. Januar 2006 stand ausweislich des Hilfeplanprotokolls vom 6. Februar 2006 die Planung einer Rückkehr von T. und U. zu ihrer Mutter im Vordergrund. Im Hilfeplanprotokoll vom 6. Juni 2006 über ein Hilfeplangespräch am 25. April 2006 wurde festgehalten, dass eine Rückkehr von T. und U. zu ihrer Mutter nach N. vor den Sommerferien geplant sei. Dem vorangegangen war eine Mitteilung der Großmutter, dass sie zu einer Betreuung der Kinder nur noch bis dahin bereit sei. Infolge eines Fachgespräches am 19. Mai 2006 rückte das Jugendamt des Beklagten von einer Rückkehr der Kinder zu ihrer Mutter jedoch wieder ab und strebte nunmehr die Unterbringung von T. und U. in einer Pflegefamilie an. Hierauf teilte die Großmutter Frau Q. am 31. Mai 2006 telefonisch mit, dass die Kinder nunmehr doch bei ihr bleiben sollten. Bei einem Hausbesuch am 22. Juni 2006 bekräftigte Frau Q. diese Absicht gegenüber den Mitarbeitern des Jugendamtes des Beklagten. Mit Beschluss vom 17. Juli 2006 übertrug das Amtsgericht S. die elterliche Sorge für T. und U. auf die Großmutter E.. Der Beklagte hielt daraufhin in einem Vermerk vom 18. Juli 2006 fest, dass die Hilfe in Form von § 31 Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) aufgrund der Sorgerechtsübertragung auf die Großmutter zum 31. Juli 2006 beendet wird.

Frau Q. beantragte am 16. Oktober 2006 bei dem Beklagten die Gewährung von Pflegegeld für T. und U., rückwirkend ab dem 1. Oktober 2005. Sie gab hierbei an, sie sei über ihren Anspruch auf Pflegegeld nicht aufgeklärt worden. Der Beklagte bewilligte der Großmutter daraufhin mit Bescheiden vom 12. Dezember 2006 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege ab dem 16. Oktober 2006 und monatliche Pflegegeldzahlungen für T. und U..

Mit Schreiben vom 13. Juli 2007 bat der Beklagte den Kläger um Übernahme der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII und führte aus, dass T. und U. seit über zwei Jahren bei der Großmutter leben würden. Er – der Beklagte – erkenne seine Kostenerstattungspflicht gemäß § 89a SGB VIII ab der Übernahme an. Der Kläger übernahm zum 1. November 2007 die Fallzuständigkeit für T. und U. und gewährte der Großmutter Frau Q. mit Bescheid vom 8. Oktober 2007 die Fortsetzung der Vollzeitpflege für T. und U..

Der Kläger übersandte dem Beklagten mit Datum vom 24. Juni 2008 jeweils eine Kostenrechnung für T. und für C.. Weitere Kostenrechnungen für beide Kinder übersandte er dem Beklagten mit Datum vom 2. März 2009. Für den mit diesen Rechnungen abgerechneten Zeitraum November 2007 bis März 2009 erstattete der Beklagte dem Kläger einen Betrag in Höhe von 26.465,00 Euro (12.840,50 Euro für U. und 13.624,50 Euro für T.).

Auf die weiteren Rechnungen des Klägers vom 2. September 2009 für den Zeitraum April bis September 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. September 2009 mit, dass er der Kostenerstattung nicht mehr entsprechen könne und sein Kostenanerkenntnis vom 13. Juli 2007 zurücknehme. Er habe als unzuständiger Träger geleistet. Als Beginn der Leistung sei der 16. Oktober 2006 anzusehen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nach § 86 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 SGB VIII bereits für die Hilfegewährung zuständig gewesen. Hierzu führte er aus, dass die Eltern der Kinder vor Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte gehabt hätten und nach dem Beschluss des Amtsgerichts S. vom 17. Juli 2006 keinem der Elternteile die elterliche Sorge zugestanden habe. Die Kinder hätten vor Beginn der Leistung ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht bei einem Elternteil, sondern bereits bei der Großmutter und Pflegemutter in F. gehabt.

Der Kläger stornierte daraufhin seine Rechnungen vom 2. September 2009. Mit Schreiben vom 27. Januar 2010 bat der Beklagte den Kläger um Rückerstattung der zuvor von ihm geleisteten Erstattungszahlungen in Höhe von insgesamt 26.465,00 Euro. Mit Schreiben vom 19. Februar 2010 erkannte der Kläger den Erstattungsanspruch des Beklagten an und überwies den Betrag von 26.465,00 Euro zurück an den Beklagten.

Nach erneuter Prüfung führte der Kläger mit Schreiben vom 7. August 2012 gegenüber dem Beklagten aus, dass er die Rechtsauffassung des Beklagten fälschlicherweise anerkannt habe. Die Kinder seien vom Beklagten bereits im Sommer 2005 bei der Großmutter untergebracht worden, weshalb ein früherer Beginn der Leistung anzunehmen sei. Zwar sei zunächst kein Pflegegeld gezahlt worden, darauf komme es aber nicht an, da ein auf Dauer angelegtes Pflegeverhältnis installiert worden sei. Vor Beginn der Leistung hätten die Kinder bei der Mutter in N. gelebt und die Eltern hätten noch das gemeinsame Sorgerecht innegehabt. Vor diesem Hintergrund werde die Rückerstattung des zu Unrecht ausgezahlten Betrages in Höhe von 26.465,00 Euro und die Anerkennung der Kostenerstattungspflicht durch den Beklagten ab dem 1. August 2008 beantragt.

Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 20. August 2012 ab. Bei der Unterbringung bei der Großmutter ohne Zahlung von Pflegegeld habe es sich nicht um eine Leistung der Jugendhilfe, sondern um eine innerfamiliäre Einigung der Beteiligten gehandelt. Die Unterbringung sei vom Jugendamt lediglich geduldet worden, es habe in dieser Zeit auch keine Hilfeplanung gegeben.

Der Kläger bat daraufhin den Beklagten mit Schreiben vom 24. August 2012 erneut um Überprüfung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruches. Mit weiterem Schreiben vom 2. Oktober 2012 an den Beklagten führte der Kläger aus, dass die bereits am 1. Dezember 2004 begonnene sozialpädagogische Familienhilfe ab der durch den Beklagten erfolgten Unterbringung der Kinder T. und U. bei der Großmutter am 25. Juni 2005 auch dort weitergeführt und fortlaufend bewilligt worden sei. Der Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 27. März 2013 und führte aus, dass die sozialpädagogische Familienhilfe mit Ablauf des 31. Juli 2006 geendet habe. Der relevante Hilfebeginn liege daher erst in der Bewilligung der Vollzeitpflege gegenüber der Großmutter Frau Q. am 16. Oktober 2006. Mit Schreiben vom 17. Februar 2014 verwies der Kläger erneut darauf, dass die sozialpädagogische Familienhilfe ununterbrochen stattgefunden habe. Der relevante Hilfebeginn sei daher bereits am 1. Dezember 2004 gewesen. Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 bestätigte der Beklagte seine Ablehnung.

Der Kläger hat am 15. Juli 2014 Klage erhoben.

Er führt zur Klagebegründung aus, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Leistung beide Kinder bei der Mutter in N. gelebt hätten. Es sei auf den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens des Hilfebedarfs bei fortbestehendem Handlungsbedarf abzustellen. Der Beklagte habe ununterbrochen seit dem 1. Dezember 2004 Erziehungshilfe für beide Kinder geleistet. Dies sei zunächst bis zum 30. Juni 2005 in Form einer sozialpädagogischen Familienhilfe und sodann ab dem 25. Juni 2005 in Form von Vollzeitpflege geschehen. Diese sei sogar um eine Erziehungsbeistandschaft ergänzt worden. Die verschiedenen Hilfeformen stellten sich als eine einheitliche Hilfe zur Deckung eines jugendhilferechtlich unveränderten Bedarfes und daher als Gesamtmaßnahme dar. Der am 17. Juli 2006 erfolgte Entzug des Sorgerechts der Eltern habe nach Hilfebeginn stattgefunden und spiele daher für die Zuständigkeit keine Rolle.

Der Kläger hat mit der Klage ursprünglich einen Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 142.386,94 Euro geltend gemacht.

Diese zunächst geltend gemachte Summe setzt sich nach dem klägerischen Vortrag zusammen aus Kosten (Pflegegeld) für die Vollzeitpflegestelle Q. im Zeitraum 1. November 2007 bis 31. Juli 2014 in Höhe von 137.963,50 Euro (davon 70.038,00 Euro für U. und 67.925,50 Euro für A.), aus Kosten für eine Erziehungsberatung für T. im Zeitraum 1. September 2013 bis 30. April 2014 in Höhe von 2.979,02 Euro sowie aus Kosten einer Fachberatung für T. vom 1. Juli 2013 bis 31. März 2014 in Höhe von 1.444,45 Euro. Der Kläger führte hierzu ergänzend aus, dass in dem Betrag in Höhe von 142.386,94 der von ihm am 19. Februar 2010 zu Unrecht erstattete Betrag in Höhe von 26.465,00 Euro enthalten sei.

Mit am 8. April 2016 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Klage um einen weiteren Betrag in Höhe von 17.628,87 Euro für nach dem 31. Juli 2014 bis zum Abschluss der Hilfemaßnahmen am 31. Juli 2015 entstandene Aufwendungen erweitert. Insgesamt macht er nunmehr einen Klagebetrag in Höhe von 160.015,84 Euro geltend. Die Vollzeitpflege für U. habe noch bis zum 31. Juli 2015 fortbestanden, während sie für T. bereits am 31. Juli 2014 beendet worden sei. Die weiteren geltend gemachten Kosten in Höhe von 17.628,87 Euro setzten sich zusammen aus den im Zeitraum 1. August 2014 bis 31. Juli 2015 angefallenen Pflegegeldkosten für U. in Höhe von 11.209,00 Euro, aus einer Verselbstständigungsbeihilfe für T. in Höhe von 950,00 Euro, aus Kosten für eine Erziehungsberatung für T. im Zeitraum 1. Mai 2014 bis 31. Januar 2015 in Höhe von 4.099,99 Euro sowie aus Kosten einer Fachberatung im Zeitraum 1. August 2014 bis 31. Juli 2015. Letztere beliefen sich nach dem klägerischen Vortrag auf einen Betrag in Höhe von 1.140,75 Euro für U. sowie auf einen Betrag in Höhe von 229,13 Euro für T..

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 160.015,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2014 auf einen Teilbetrag von 142.386,94 EUR und 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2016 auf einen weiteren Teilbetrag von 17.628,87 EUR für die Unterbringung von T. und C. in der Pflegestelle Q. zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt zur Rechtsverteidigung aus, dass nach der Aufnahme der Kinder bei der Großmutter im Juni 2005 die Hilfeplanung zunächst so ausgesehen habe, dass eine Rückführung der Kinder in den Haushalt der Mutter vorbereitet werden sollte. Die Hilfe zur Erziehung sei nach dem Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Juli 2006, mit dem Frau Q. zum Vormund für T. und U. bestellt wurde, zum 31. Juli 2006 eingestellt worden. Hiernach sei kein fortbestehender Hilfebedarf mehr erkennbar gewesen. Datum des Hilfebeginns sei daher erst der 16. Oktober 2006. Zu diesem Zeitpunkt habe die Fallzuständigkeit aber bereits bei dem Kläger gelegen.

Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung sein Einverständnis mit der Klageerweiterung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 8. April 2016 die Klage um einen weiteren Betrag in Höhe von 17.628,87 Euro erweitert hat, ist hierin eine nach § 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässige Klageänderung zu sehen, da der Beklagte seine Einwilligung erklärt hat.

Die so geänderte, auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet.

Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten aus § 89a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII in Höhe von 133.550,84 Euro.

In den §§ 86ff. SGB VIII ist geregelt, welcher örtliche Träger für die Gewährung von Jugendhilfe im Einzelfall zuständig ist. Im Grundsatz bestimmt § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, dass für die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe derjenige örtliche Träger zuständig ist, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht ihnen die Personensorge gemeinsam zu, so regelt § 86 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII, dass sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils richtet, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 regelt für den vorgenannten Fall weiterhin, dass, wenn das Kind oder der Jugendliche in den letzten sechs Monaten vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, der örtliche Träger zuständig ist, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. In § 86 Abs. 3 SGB VIII ist festgehalten, dass die vorstehenden Regelungen nach Abs. 2 Satz 2 und 4 entsprechend gelten, wenn die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und die Personensorge keinem Elternteil zusteht.

Abweichend von diesen Regelungen wird nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist, der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der Zuständigkeitsübergang nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bewirkt jedoch nur eine Verschiebung der Zuständigkeit für die Leistungsgewährung im Außenverhältnis zum Leistungsempfänger. Die Kostenerstattungsregelung des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII – auf die sich der Kläger hier berufen kann – regelt nämlich, dass die Kosten, die ein örtlicher Träger auf Grund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten sind, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre.

Die Voraussetzungen eines Anspruches des Klägers auf Kostenerstattung gegen den Beklagten gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII liegen dem Grunde nach vor. Nach der Fallübernahme zum 1. November 2007 hat der Kläger die Kosten der Jugendhilfe für T. und C. aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet (I.). Der Beklagte ist als derjenige Jugendhilfeträger anzusehen, der zuvor zuständig gewesen ist (II.). Hinsichtlich der im Zeitraum November 2007 bis März 2009 angefallenen Aufwendungen des Klägers in Höhe von 26.465,00 Euro steht einem Kostenerstattungsanspruch des Klägers jedoch sein Anerkenntnis eines Rückerstattungsverlangens vom 19. Februar 2010 entgegen (III.). Im Übrigen bestehen keine durchgreifenden Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch (IV.). Der Kläger hat insoweit, als der Anspruch nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII besteht, auch Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen (V.).

I. Der Kläger hat aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII als örtlicher Träger der Jugendhilfe im Zeitraum 1. November 2007 bis 31. Juli 2015 Kosten in Höhe von insgesamt 160.015,84 Euro für Jugendhilfemaßnahmen für T. und C. aufgewendet. Die Höhe und Angemessenheit der aufgewendeten Kosten steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit (1.). Die im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnende Großmutter der Kinder, E., ist als Pflegeperson für T. und U. anzusehen (2.). Ab dem 27. Juni 2007 war ein zweijähriger Aufenthalt der Kinder bei der Großmutter i. S. d. § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII anzunehmen (3.). Zu diesem Zeitpunkt war ein Verbleib von T. und U. bei Frau Q. auf Dauer zu erwarten (4.). Der gesetzliche Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII fand daher bereits am 27. Juni 2007 statt, auch wenn die tatsächliche Fallübernahme erst am 1. November 2007 erfolgte (5.).

1. Die vom Kläger aufgewendeten Jugendhilfekosten setzen sich nach seinem Vortrag zusammen aus Pflegegeldzahlungen in Höhe von 149.172,50 Euro an Frau Q. gemäß § 39 i. V. m. §§ 27, 33 SGB VIII. Davon entfallen 81.247,00 Euro auf C. im Zeitraum November 2007 bis Juli 2015, wobei es sich bei der Hilfe ab Eintritt der Volljährigkeit V. am 11. April 2015 um eine Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII handelte. Auf A. entfallen von den Pflegegeldzahlungen 67.925,50 Euro im Zeitraum November 2007 bis Juli 2014, wobei die Hilfe ab dem Eintritt der Volljährigkeit am 23. September 2013 als Hilfe gemäß § 41 SGB VIII erfolgte. Hinzu kommen Kosten für eine Erziehungsbeistandschaft für T. gemäß §§ 27, 30, 41 SGB VIII im Zeitraum September 2013 bis Januar 2015 in Höhe von 7.079,01 Euro. Weiterhin hat der Kläger nach seinem Vortrag Kosten für eine Fachberatung von T. im Zeitraum Juli 2013 bis Juli 2015 in Höhe von 1.673,58 Euro aufgewendet. Für eine Fachberatung von U. im Zeitraum August 2014 bis Juli 2015 setzt er einen Betrag in Höhe von 1140,75 Euro an. Schließlich macht er noch Kosten für eine Verselbstständigungsbeihilfe für T. in Höhe von 950,00 Euro geltend. Die Höhe der geltend gemachten Kosten lässt sich, soweit es den mit der Klage ursprünglich eingeklagten Teilbetrag betrifft, anhand der Verwaltungsakten des Klägers nachvollziehen. Im Übrigen hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er die Kostenaufstellung des Klägers der Höhe nach nicht in Frage stellt.

2. Die Großmutter E. ist als Pflegeperson von T. und U. i.S.d. Legaldefinition in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII anzusehen. Pflegeperson ist danach, wer ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und Nacht in seinen Haushalt aufnehmen will. Hierbei handelt es sich um eine leistungsunabhängige Begriffsbestimmung (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.9.2011 - 5 C 20/10 -, BVerwGE 140, 305). Frau Q. hatte T. und U. bereits im Juni 2005 faktisch in ihren Haushalt aufgenommen. Der Beklagte hat ihr sodann mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2006 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII sowie die Zahlung von Pflegegeld gemäß § 39 SGB VIII bewilligt. Seit dem 1. Oktober 2005 ist gesetzlich mit der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz („KICK“, G. v. 8.9.2005, BGBl. I S. 2729) klargestellt worden, dass auch bei Kindern in Verwandtenpflege die Voraussetzungen für eine Hilfe zur Erziehung vorliegen können. Nach dieser Vorschrift entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung bei Erforderlichkeit einer Erziehung außerhalb des Elternhauses nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe unentgeltlich zu übernehmen. Großeltern sind gemäß § 1606 Abs. 1 und 2 BGB (nachrangig) unterhaltspflichtig. Einer Erlaubnis zur Vollzeitpflege gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bedurfte Frau Q. nicht, da sie als Verwandte 2. Grades der Kinder von diesem Erfordernis befreit ist (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII).

3. Die Kinder T. und U. lebten bereits ab dem 27. Juni 2007 zwei Jahre bei ihrer Großmutter. Ausschlaggebend ist hierbei die faktische Aufnahme der Kinder über Tag und Nacht im Haushalt der Großmutter am Wochenende 25. / 26. Juni 2005, welches der stationären Klinikaufnahme ihrer Mutter am 27. Juni 2005 vorausging. Dass der Beklagte der Großmutter erst ab dem 16. Oktober 2006 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bewilligte ist bei der Bestimmung der in § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII normierten Zweijahresfrist nicht maßgebend. Auf den Anlass oder innere Motive bei der Begründung des Pflegeverhältnisses kommt es im Rahmen des § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nicht an, so dass weder Entgeltlichkeit noch eine vorherige Vermittlung oder eine vorherige Hilfegewährung durch das Jugendamt gefordert werden. Insofern, als § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VII lediglich fordert, dass das Kind oder der Jugendliche mindestens zwei Jahre bei der Pflegeperson „lebt“, wird auch ein Aufenthalt ohne begleitende Leistungen der Jugendhilfe erfasst. Es ist daher unerheblich, ob das Kind oder der Jugendliche während des Zweijahreszeitraums derartige Leistungen erhalten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.9.2011, a.a.O.; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 86 Rn. 16; Loos, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 86 Rn. 35).

4. Am 27. Juni 2007 war auch ein Verbleib der Kinder bei der Großmutter auf Dauer zu erwarten. Aus dem Hilfeplanprotokoll des Beklagten vom 26. September 2005 ergibt sich, dass die Aufnahme der Kinder bei der Großmutter im Juni 2005 zunächst nur vorübergehend bis zur Gesundung der Kindesmutter erfolgen sollte. Auch im Hilfeplangespräch vom 26. Januar 2006 stand noch die Klärung einer Rückkehr von T. und U. zur Kindesmutter im Vordergrund. Im Hilfeplangespräch am 25. April 2006 (vgl. Hilfeplanprotokoll vom 6. Juni 2006) wurde festgehalten, dass die Kinder vor den Sommerferien zur Mutter zurückkehren sollten. Hintergrund hierfür war auch, dass Frau Q. zum damaligen Zeitpunkt zu erkennen gegeben hatte, die Aufnahme der Kinder nur noch bis dahin leisten zu wollen und zu können. Nachdem die Fachkräfte des Beklagten zu der Überzeugung gelangten, dass die leibliche Mutter nicht in der Lage ist, ihre Kinder wieder bei sich aufzunehmen und angemessen zu versorgen und vom Jugendamt des Beklagten, welches zwischenzeitlich zum Pfleger in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht ernannt worden war, die Unterbringung der Kinder in einer externen Pflegefamilie angestrebt wurde, erklärte sich die Großmutter Frau Q. am 31. Mai 2006 gegenüber dem Beklagten aber telefonisch bereit, die Kinder weiterhin bei sich aufzunehmen. Sie wolle ihren Enkelkindern den Wechsel in eine Pflegefamilie nicht zumuten. Dies bekräftigte sie bei dem Hausbesuch am 22. Juni 2006. Hierbei erklärte Frau Q., sie sehe es als ihre Aufgabe, die Kinder in der eigenen Familie zu belassen und zu betreuen. Ihr Ehemann sei mit der Entscheidung einverstanden. Vom Beklagten wurde dies akzeptiert und die Unterbringung in einer externen Familie nicht weiter verfolgt. Infolge der Übertragung der elterlichen Sorge auf Frau Q. durch den Beschluss des Familiengerichtes vom 17. Juli 2006 stand ihr von da an auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu.

5. Der Zuständigkeitsübergang nach § 86 Abs. 6 SGB VIII erfolgt kraft Gesetzes bei Vorliegen der Voraussetzungen und ist nicht von der Fallübergabe zwischen den Jugendämtern abhängig (vgl. Münder/Meysen/Trenczek, a.a.O., § 86 Rn. 17). Von daher kann der Zuständigkeitsübergang nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII vom Beklagten auf den Kläger bereits auf den Zeitpunkt 27. Juni 2007, an welchem ein zweijähriger Aufenthalt der Kinder bei ihrer Großmutter  vorlag, bestimmt werden. Dass die tatsächliche Fallübernahme erst am 1. November 2007 erfolgte, ist nach dem Vorstehenden unschädlich.

II. Der Beklagte ist als derjenige örtliche Träger anzusehen, der im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII „zuvor“ zuständig gewesen ist oder gewesen wäre. Abzustellen ist hierbei darauf, wer bis zum Zuständigkeitsübergang i.S.v. § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewesen war oder wäre (vgl. Loos, in: Wiesner, a.a.O., § 89a Rn. 4). Vor dem Zeitpunkt des Zuständigkeitsüberganges, der wie ausgeführt am 27. Juni 2007 anzunehmen ist, lag die Zuständigkeit für die Hilfegewährung für T. und C. beim Beklagten, was sich aus § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ergibt.

Die Zuständigkeitsprüfung für den Zeitpunkt vor dem Zuständigkeitsübergang auf den Kläger richtet sich vorliegend nach den Regelungen in § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 SGB VIII (1.). Entscheidend ist demnach die Bestimmung des Zeitpunktes des Beginns der Leistung (2.). Ein früherer Beginn der Leistung als der 16. Oktober 2006 ist nicht bereits deshalb anzunehmen, weil die vorherige Aufnahme der Kinder bei der Großmutter seit Juni 2005 bereits als Jugendhilfeleistung im Sinne einer Vollzeitpflege anzusehen wäre (3.). Ein zuständigkeitsrelevanter Zusammenhang besteht jedoch mit der vom Beklagten im Zeitraum 1. Dezember 2004 bis 31. Juli 2006 bewilligten sozialpädagogischen Familienhilfe, so dass als Beginn der Leistung bereits der 1. Dezember 2004 anzunehmen ist (4.). Für den Zeitraum 31. Juli 2006 bis 16. Oktober 2006 ist auch keine relevante Unterbrechung der Leistung anzunehmen (5.).

1. Ausgangspunkt der Prüfung, welcher örtlicher Jugendhilfeträger vor dem Zuständigkeitsübergang nach § 86 Abs. 6 SGB Satz 1 VIII auf den Kläger am 27. Juni 2007 für die Hilfegewährung zuständig war, ist hier § 86 Abs. 3 SGB VIII, welcher die Fallgruppe betrifft, dass beide Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und die Personensorge keinem Elternteil zusteht. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der Kindsvater hatte zum fraglichen Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in M., während die Kindesmutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in N. hatte. Keinen der Elternteile stand die Personensorge für T. und U. mehr zu, da diese vom Amtsgericht S. bereits mit Beschluss vom 17. Juli 2006 auf die Großmutter übertragen worden war. § 86 Abs. 3 SGB VIII bestimmt für diesen Fall, dass die Zuständigkeitsregelungen in Abs. 2 Satz 2 sowie Satz 4 entsprechend anwendbar sind.

Nach diesen Regelungen gilt, dass für den Fall, dass das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei einem Elternteil hatte, sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt diese Elternteiles richtet (§ 86 Abs. 3 i .V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Für den Fall, dass das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB VIII). Ergänzend regelt § 86 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB VIII, dass für den Fall, dass das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt vor Beginn der Leistung richtet.

2. Der Zeitpunkt des Beginns der Leistung ist zu unterscheiden vom Zeitpunkt des Zuständigkeitsüberganges nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII. Der Kläger vertritt insofern die Auffassung, dass der Beginn der Leistung bereits am 1. Dezember 2004 anzunehmen sei, ab dem vom Beklagten ununterbrochen Jugendhilfe zur Deckung eines fortbestehenden Hilfebedarfes gewährt worden sei, zunächst in Form einer sozialpädagogischen Familienhilfe und später in Form von Vollzeitpflege. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kinder T. und U. ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch bei der Mutter in N. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten (§ 86 Abs. 3 i .V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Der Beklagte ist dagegen der Auffassung, dass nach Einstellung der sozialpädagogischen Familienhilfe am 31. Juli 2006 kein fortbestehender Hilfebedarf mehr erkennbar gewesen sei und der Hilfebeginn daher erst mit der Gewährung von Vollzeitpflege am 16. Oktober 2006 anzunehmen sei. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kinder seit über sechs Monaten keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr bei einem Elternteil, sondern hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Großmutter in F. im Zuständigkeitsbereich des Klägers begründet (§ 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB VIII).

45Unter Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne des § 86 SGB VIII ist nicht nur eine ganz bestimmte Art oder Form der Hilfe (wie z.B. nur die Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in Form der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII) zu verstehen, sondern es ist unabhängig von Hilfeart und Hilfeform eine Gesamtbetrachtung zu Grunde zu legen. Demzufolge bilden alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfes erforderliche Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, die ohne Unterbrechung gewährt werden (Nds. OVG, Urt. v. 14.3.2012 - 4 LC 143/09 -; BVerwG, Urt. v. 19.8.2010 - 5 C 14/09 -, BVerwGE 137,368 und Urt. v. 29.1.2004 - 5 C 9/03 -, BVerwGE 120, 116; alle in juris). Unter „Beginn der Leistung“ i.S.d. § 86 SGB VIII ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird, zu verstehen (BVerwG, Urt. v. 19.10.2011 – 5 C 25/10 -, BVerwGE 141,77 und Urt. v. v. 29.1.2004, a.a.O.; Nds. OVG, Beschl. v. 15.4.2010 - 4 LC 266/08 -, in juris; Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 6. Aufl. 2016, § 86 Rn. 9; a.A. Münder/Meysen/Trenczek, a.a.O., § 86 Rn. 11).

3. Vorliegend wurde der Großmutter und Vormünderin Frau Q. vom Beklagten Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII mit der Annexleistung Pflegegeld nach § 39 SGB VIII für T. und U. erst mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 mit Wirkung ab dem 16. Oktober 2006 gewährt. Die zuvor bereits seit dem 27. Juni 2005 bestehende Aufnahme der Kinder bei der Großmutter stellte noch keine Leistung eines Jugendhilfeträgers dar. Allein aufgrund dieses Umstandes kann daher kein früherer Beginn der Leistung als der 16. Oktober 2006 angenommen werden. In der Aufnahme der Kinder durch die Großmutter am Wochenende 25. / 26. Juni 2005 ist stattdessen zunächst eine innerfamiliäre Hilfe, bedingt durch die Aufnahme der Mutter in eine psychiatrische Klinik, zu sehen. Zwar geschah dies mit Wissen und im Einverständnis des Beklagten, wie es sich aus dem Hilfeplanprotokoll vom 26. September 2005 über das Hilfeplangespräch am 21. Juni 2005 in der Wohnung der Kindesmutter ergibt. Dieses Gespräch war aufgrund eines Anrufes der Großmutter am 20. Juni 2005 als Krisengespräch notwendig geworden, da sich die Kindesmutter in einer akuten psychiatrischen Krise befand. Zielsetzung der in diesem Termin festgelegten Lösungsstrategie war es ausweislich des Protokolls, dass die Kindesmutter ihre Kinder nicht verlieren soll und sich zu diesem Zweck bereiterklärte, eine stationäre Therapie zu absolvieren. Für diesen Zeitraum wurde verabredet, dass Frau Q. die Kinder bei sich aufnimmt und sie bei ihr bis zur Gesundung der Kindesmutter verbleiben sollten. Hieraus lässt sich nicht herleiten, dass der Beklagte als Jugendhilfeträger ein Pflegeverhältnis installiert hätte. Denn der Beklagte hat im Hilfeplangespräch am 27. Juni 2005 lediglich sein Einverständnis mit der Aufnahme der Kinder bei der Großmutter zu erkennen gegeben, eine tatsächliche Hilfe zur Erziehung im Sinne einer sozialpädagogischen Dienstleistung hat er aber im Hinblick hierauf gegenüber den zum damaligen Zeitpunkt noch personensorgeberechtigten Eltern nicht erbracht. Dementsprechend wurde von ihm auch kein Pflegegeld nach § 39 SGB VIII als Annex-Leistung zu einer Vollzeitpflege gezahlt. Wie sich aus dem Leistungsbegriff i.S.d. § 86 SGB VIII ergibt, müssen Hilfen tatsächlich erbracht werden, damit von einer Leistung gesprochen werden kann. Ob bereits seit der tatsächlichen Aufnahme der Kinder bei der Großmutter ab dem 27. Juni 2005 ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bestanden hätte, ist demgegenüber für die Frage des Vorliegens einer Leistung nicht entscheidend. Insofern ist jedoch zu beachten, dass zur Zeit der Aufnahme der Kinder im Juni 2005 die Vorschrift des § 27 Abs. 2a SGB VIII, die klarstellt, dass auch Großeltern als Pflegepersonen in Betracht kommen, noch nicht in Kraft getreten war (s. o. I. 2.). Hinzu kommt, dass Leistungen der Jugendhilfe grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Jugendhilfeträger voraussetzen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 2.8.2013 - 4 LA 112/12 -; BVerwG, Beschl. v. 17.2.2011 - 5 B 43/10 -; Beschl. v. 22.5.2008 - 5 B 130/07 -, jeweils in juris). Einen derartigen Antrag auf Hilfe zur Erziehung für die Unterbringung der Kinder bei der Großmutter wurde vor dem 16. Oktober 2006 aber weder von der Kindesmutter, noch von der Großmutter selber, auch nicht in konkludenter Form, gestellt.

4. Die ab dem 16. Oktober 2006 gegenüber der Großmutter und Vormünderin bewilligte Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII ist jedoch als einheitliche Leistung im Zusammenhang mit der zuvor im Zeitraum 1. Dezember 2004 bis 30. Juni 2005 gegenüber der Kindesmutter geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form einer sozialpädagogischen Familienhilfe gemäß §§ 27, 31 SGB VIII zu betrachten. Der relevante Beginn der Leistung ist daher bereits am 1. Dezember 2004 anzunehmen. Zwar handelt es sich bei einer Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege und in Form von sozialpädagogischer Familienhilfe um unterschiedliche Hilfeformen, aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung kommt es hierauf jedoch nicht an, da beide Formen einer Hilfe zur Erziehung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfes erforderlich waren. Infolge der Klinikaufnahme der Mutter am 27. Juni 2005 und der schließlich im Fachgespräch vom 19. Mai 2006 zum Ausdruck gekommenen Überzeugung der jugendhilferechtlichen Fachkräfte, dass eine Rückkehr der Kinder zu ihrer Mutter nicht in Betracht kommt, hat sich der Hilfebedarf der Kinder zwar erhöht. In qualitativer Hinsicht bestand dieser Hilfebedarf bei T. und U. aber im Wesentlichen unverändert und ununterbrochen fort, und zwar gegründet auf die unzureichenden Möglichkeiten ihrer leiblichen Mutter, die Kinder selbst in ausreichender Weise eigenverantwortlich zu betreuen und zu erziehen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte in formaler Hinsicht die sozialpädagogische Familienhilfe ab dem 1. Juli 2005 nur noch für die ältere Schwester I. bewilligte. Ausweislich der an die Kindesmutter gerichteten Bewilligungsbescheide vom 17. Dezember 2004 und 5. April 2005 wurde die sozialpädagogische Familienhilfe im Zeitraum 1. Dezember 2004 bis 30. Juni 2005 für die Familie W. insgesamt gewährt. Für den anschließenden Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2006 ergibt sich dagegen aus den – weiterhin an die Mutter und nicht an die Großmutter gerichteten – Bewilligungsbescheiden vom 4. Oktober 2005 und15. Februar 2006, dass die Hilfe formal nur für das Kind I., nicht jedoch für T. und U., weitergewährt wurde. Unabhängig von dieser formalen Bewilligungslage ergibt sich aber, dass die von der Familienhelferin Frau R. durchgeführte Hilfe auch T. und U. zugutekam und diesbezüglich auch für die beiden jüngeren Geschwister weiterhin eine Hilfeplanung durch den Beklagten erfolgte. Bereits im Hilfeplangespräch vom 21. Juni 2005 wurde festgehalten, dass Frau R. in der Familie als Familienhelferin weiter tätig bleibe und die Großmutter bei Erziehungsfragen, schulischen Dingen und Lebensfragen, die die Kinder betreffen, unterstützen sollte. Frau R. führte hierzu auch wöchentliche Fahrten zum Wohnort der Großmutter in F. durch, wofür der Beklagte gegenüber dem Diakonischen Werk S. die Übernahme der Fahrtkosten zusicherte. Hieraus folgt, dass der Beklagte materiell die Leistung in Form der sozialpädagogischen Familienhilfe auch für T. und U. erbrachte.

5. Eine relevante Unterbrechung der Jugendhilfegewährung zwischen der Beendigung der sozialpädagogischen Familienhilfe am 31. Juli 2006 und der Bewilligung der Vollzeitpflege am 16. Oktober 2006 liegt nicht vor. Offen bleiben kann, ob eine Unterbrechung der Jugendhilfegewährung schon deshalb ausscheidet, weil der dazwischen liegende Zeitraum weniger als drei Monaten betrug (a.) Zwar wurde die sozialpädagogische Familienhilfe zum 31. Juli 2006 vom Beklagten eingestellt, nachdem der Großmutter vom Familiengericht das Sorgerecht für T. und U. übertragen worden war. Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits absehbar, dass ein jugendhilferechtlicher Bedarf für T. und U. fortbestehen wird. Insofern war zum Zeitpunkt 31. Juli 2006 von einer konkretisierten Wiederaufnahmeperspektive auszugehen (b.).

a. In den Vorschriften der §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 2 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ist in anderem Zusammenhang geregelt, dass dort eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten außer Betracht bleibt. Diese Vorschriften sind vorliegend zwar nicht direkt anwendbar, es kommt jedoch eine entsprechende Anwendung des in diesen Regelungen zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens auch im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII in Frage (vgl. hierzu Nds. OVG, Beschl. v. 14.3.2012 - 4 LC 143/09 -, juris Rn. 35; wohl auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.9.1997 - 9 S 174/96 -, juris Rn. 20; a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.6.2015 - 7 A 11002/14 -, juris Rn. 32). Vorliegend sind zwischen Beendigung der sozialpädagogischen Familienhilfe und der Bewilligung der Vollzeitpflege nur zweieinhalb Monate vergangen. Einer Entscheidung, ob allein deshalb die Annahme einer Unterbrechung der Leistung ausscheidet, bedarf es insoweit jedoch nicht, da bereits am 31. Juli 2005 jedenfalls eine konkretisierte Wiederaufnahmeperspektive vorlag (s. u.).

51b. Zum Zeitpunkt der Einstellung der sozialpädagogischen Familienhilfe zum 31. Juli 2006 musste aus Sicht des Jugendhilfeträgers bereits davon ausgegangen werden, dass weiterhin ein jugendhilferechtliche Bedarf bei T. und U. besteht und hierfür bei einer entsprechenden Antragstellung Jugendhilfeleistungen zu gewähren sein werden. Zwar sollte die Unterbringung bei der Großmutter zunächst nur bis zu einer Gesundung der leiblichen Mutter erfolgen. Aufgrund der Mitteilung der Großmutter, sie könne und wolle die Aufnahme der Kinder nicht länger als bis zum Beginn der Sommerferien 2006 fortsetzen, war noch im Mai 2006 zu erwarten, dass die Aufnahme der Kinder bei der Großmutter nicht fortgesetzt wird und dass diese insofern auch keine Hilfe zur Erziehung mehr beantragen wird. Dies änderte sich jedoch, als die Großmutter infolge der Planungen des Jugendamtes, die Kinder in einer externen Pflegefamilie unterzubringen, von ihrem vorherigen Standpunkt abrückte und im Telefonat am 31. Mai 2006 sowie im Rahmen des Hausbesuches am 22. Juni 2006 ihren Entschluss mitteilte, die Kinder nun doch behalten zu wollen, um ihnen den Wechsel in eine andere Pflegefamilie zu ersparen. Das Jugendamt des Beklagten gab daraufhin die Absicht die Kinder unterzubringen auf. Stand dem Jugendamt auch aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts S. vom 16. Dezember 2005 bis dahin noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht für T. und U. zu, änderte sich dies mit der Übertragung des Sorgerechts auf die Großmutter mit dem Beschluss des Familiengerichtes vom 17. Juli 2006. Spätestens ab diesem Zeitpunkt bestand kein Zweifel mehr, dass T. und U. längerfristig bei der Großmutter verbleiben werden. Insofern, als es nun nicht mehr nur um ein kurzfristiges innerfamiliäres Einspringen der Großmutter, sondern um eine langfristig angelegte Aufnahme der Kinder bei ihr ging, konnte auch nicht mehr die Erwartung bestehen, dass hierfür kein Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gestellt würde. Im Gegenteil war aufgrund der seit dem 1. Oktober 2005 geänderten Rechtslage mit der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII davon auszugehen, dass die Großmutter die Kinder nicht unentgeltlich bis zum Erreichen ihrer Volljährigkeit aufnehmen würde. Hieraus folgt, dass bei Beendigung der sozialpädagogischen Familienhilfe eine konkretisierte Wiederaufnahmeperspektive vorlag, welche die Kammer als ausreichend ansieht, um eine einheitliche Gesamtleistung ohne relevante Unterbrechung anzunehmen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 21.3.2014 - 12 A 1211/12 -, juris Rn. 68; Sächs. OVG, Urt. v. 18.1.2010 - 1 A 753/08 -, juris Rn. 23; Kunkel/Kepert/Pattar, a.a.O. § 86 Rn. 11). Der Ansicht, dass bei einer Einstellung der vorherigen Hilfe immer von einer Unterbrechung der Leistung auszugehen ist, wenn nicht eine Anschlusshilfe vom Jugendhilfeträger bereits bewilligt oder konkret geplant ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.6.2015, a.a.O. Rn. 33), folgt die Kammer dagegen nicht, weil damit die Zuständigkeit von einer subjektiven Einschätzung des zunächst leistenden Jugendamtes und nicht objektiv vom Hilfebedarf des Kindes oder Jugendlichen gemacht würde (so auch OVG NRW, Urt. v. 21.3.2014, a.a.O. Rn. 60).

III. Soweit es die im Zeitraum November 2007 bis März 2009 entstandenen Aufwendungen des Klägers in Höhe von 26.465,00 Euro betrifft, kann sich der Kläger jedoch nicht auf seinen dem Grunde nach gegebenen Anspruch gegen den Beklagten aus§ 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII berufen. Denn dem steht sein Anerkenntnis des diesbezüglich vom Beklagten mit Schreiben vom 27. Januar 2010 geltend gemachten Rückerstattungsverlangens in seinem Schreiben vom 19. Februar 2010 entgegen. Dieses schriftliche Anerkenntnis, welches vom Kläger ohne Bedingungen, Einschränkungen oder Bezugnahmen auf gesetzliche Zuständigkeitsvorschriften abgegeben wurde, dürfte als konstitutives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB zu werten sein, welches dem Beklagten unabhängig vom Bestehen eines gesetzlichen Rückerstattungsanspruch nach § 112 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) einen Rückzahlungsanspruch vermittelt hat (vgl. OVG NRW, Urt. v. 17.7.2003 - 12 A 183/00 -, juris Rn. 23). Eine nunmehr erneute Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches dürfte daher ausscheiden. Jedenfalls stellt sich die Geltendmachung des Anspruches aus § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII durch den Kläger in Bezug auf den von seinem entgegenstehenden Anerkenntnis erfassten Zeitraum als treuwidrig im Sinne einer entsprechenden Anwendung des § 242 BGB dar, weil er sein Anerkenntnis vom 19. Februar 2010 zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Beklagten zurückgenommen hat. Im seinem Schreiben vom 7. August 2012, mit welchem er seine Erstattungsansprüche erstmals wieder gegenüber dem Beklagten geltend machte, hat der Kläger insoweit lediglich ausgeführt, die Rechtsauffassung des Beklagten fälschlicherweise anerkannt zu haben. Eine Rücknahme des Anerkenntnisses hat er jedoch nicht erklärt. Darauf, dass der Beklagte zuvor mit seinem Schreiben vom 13. Juli 2007 bereits seinerseits eine Kostenerstattungspflicht gegenüber dem Kläger gemäß § 89a SGB VIII anerkannte, kann sich der Kläger nicht mehr berufen. Denn der Beklagte hat mit seinem Schreiben vom 16. September 2009 erklärt, dieses Kostenanerkenntnis zurückzunehmen. Dies hat der Kläger akzeptiert und den Betrag in Höhe von 26.465,00 Euro seinerzeit an den Beklagten zurücküberwiesen.

IV. Soweit es die ab April 2009 entstandenen Aufwendungen des Klägers betrifft, sind durchgreifende Einwendungen gegen einen an den Beklagten gerichteten Erstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht ersichtlich.

Die in § 111 Satz 1 SGB X normierte materielle Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches greift vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Erstattung zwischen Sozialleistungsträgern ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Vorschrift ist vorliegend anwendbar. Ergänzend zu den §§ 89 ff. SGB VIII über die Kostenerstattung zwischen Jugendhilfeträgern sind die allgemeinen Erstattungsvorschriften der §§ 102 bis 114 SGB X anzuwenden (vgl. Münder/Meysen/Trenczek, a.a.O., Vor §§ 89 - 89h Rn. 3; Kunkel/Kepert/Pattar, a.a.O., § 89f Rn. 29). Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X kann hier aber schon deshalb nicht greifen, weil nach der Rechtsprechung des BVerwG die Frist erst mit dem Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige (Gesamt-)Leistung erbracht wurde, zu laufen beginnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2015- 5 C 9/15 -; Urt. v. 19.8.2010 - 5 C 14/09 -; beide in juris). Nach dem bereits dargestellten jugendhilferechtlichen Leistungsbegriff (s.o. II. 2.) ist hier davon auszugehen, dass die jugendhilferechtliche Leistungserbringung für T. und U. im Sinne einer jeweiligen Gesamtbetrachtung erst am 31. Juli 2015 endete. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde nach der Aufstellung des Klägers die Vollzeitpflege für U. im Haushalt ihrer Großmutter fortgesetzt. Für Dennis, X. Vollzeitpflege bereits zum 31. Juli 2014 beendet wurde, wurde im Anschluss hieran noch eine Jugendhilfemaßnahme in Form einer Fachberatung bis zum 31. Juli 2015 durchgeführt. Auch zum Zeitpunkt der Anhängigmachung der Klageerweiterung am 8. April 2016 war daher bei beiden früheren Hilfeempfängern noch kein Zeitraum von zwölf Monaten nach Ablauf der jeweiligen Gesamtleistung verstrichen.

Ob im Übrigen die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruches für einzelne Zeiträume nach der Vorschrift des § 113 SGB X verjährt ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn auch bei Eintritt einer Verjährung nach § 113 SGB X erlischt der Erstattungsanspruch deswegen nicht, vielmehr ist die Verjährung im Wege der Einrede vom Erstattungsschuldner geltend zu machen (vgl. Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, § 113 Rn. 44f.). Dies hat der Beklagte hier jedoch nicht getan.

V. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Vorschriften finden mangels gegenteiliger Regelungen in der VwGO auch im Verwaltungsprozess Anwendung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.2.2005 - 6 B 80/04 -, in juris; Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34/00 -, BVerwGE 114, 61). Hiernach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Hinsichtlich des zugesprochenen Teiles der ursprünglich eingeklagten Klagesumme (115.921,94 Euro) trat die Rechtshängigkeit mit Klageerhebung am 15. Juli 2014 ein, vgl. § 90 VwGO. Hinsichtlich der Klageerweiterung in Höhe von 17.628,87 Euro trat die Rechtshängigkeit i. S. d. § 90 VwGO erst mit Eingang des entsprechenden Schriftsatzes bei Gericht am 8. April 2016 ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für eine Vollstreckung durch den Kläger aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO. Für eine Vollstreckung durch den Beklagten im Hinblick auf die Kostenerstattung folgt sie aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.