BGH, Beschluss vom 12.07.2016 - KZR 6/15
Fundstelle
openJur 2016, 8700
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 7. Juni 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Zu Unrecht meint die Anhörungsrüge, das Senatsurteil verletze den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör, weil es ihren Vortrag in mehreren Punkten nicht berücksichtige.

I. Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; BGH, Beschluss vom 8. März 2016 - KZR 17/14, NZKart 2016, 228 Rn. 2 - Zentrales Verhandlungsmandat). Damit ist jedoch kein Anspruch darauf verbunden, dass jedes Argument ausdrücklich beschieden wird. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen in Erwägung gezogen hat, auch wenn es die von einer Partei gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht teilt (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 12; Beschluss vom 8. März 2016, aaO). Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht ein, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 Rn. 31; Beschluss vom 8. März 2016, aaO).

II. Eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt danach nicht vor.

1. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Senat habe im Rahmen seiner Entscheidung, dass es sich beim Court of Arbitration for Sport (im Folgenden: CAS) um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt, in mehreren Punkten ihren Vortrag übergangen.

Der Senat hat sich mit den von der Klägerin angesprochenen Themenkomplexen in seiner Entscheidung befasst. Er ist jedoch nicht ihrer Auffassung gefolgt, dass eine einheitliche, von der der Athleten grundlegend unterschiedliche Interessenlage der Verbände in Anti-Doping-Verfahren besteht, die es rechtfertigen würde, den Einfluss anderer Sportverbände oder der Olympischen Komitees insbesondere auf die Schiedsrichterliste der Beklagten zu 2 zuzurechnen.

Soweit die Klägerin rügt, der Senat sei, entgegen der Verfahrensordnung des CAS, davon ausgegangen, dass die von den Parteien jeweils ausgewählten Schiedsrichter den Obmann des Schiedsgerichts bestimmten, vermag dies eine Gehörsverletzung gleichfalls nicht zu begründen. Der Senat ist gem. § 559 ZPO an die - von den Parteien nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, wonach der Präsident der Berufungsabteilung des CAS nur dann den Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu bestimmen habe, wenn sich die Parteien insoweit nicht einigten. Im Übrigen stellt diese, von der tatsächlichen Regelung in der Verfahrensordnung des CAS, wonach bei einer Entscheidung durch ein Dreierschiedsgericht der Obmann stets durch den Präsidenten der zuständigen Abteilung des CAS bestimmt wird, abweichende Feststellung des Berufungsgerichts lediglich einen von mehreren Aspekten dar, der für das Ergebnis der Entscheidung nicht von ausschlaggebender Bedeutung war. Auch die diesbezügliche Argumentation der Klägerin beruht auf der vom Senat nicht geteilten Auffassung, wonach Athleten und Verbände in Anti-Doping-Verfahren jeweils homogene Lager mit konträren Interessen bilden.

2. Ebenfalls ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Senat habe bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung der Parteien in mehreren Punkten ihren Vortrag übergangen.

Insbesondere bleibt die Rüge der Klägerin ohne Erfolg, der Senat habe ihren Vortrag zu Art. 6 EMRK nicht berücksichtigt, wonach der CAS nicht auf einem Gesetz beruhe, ein Anspruch der Partei auf Öffentlichkeit nicht bestehe und kein "zweifelfreies Beweismaß" erforderlich sei. Für die Frage einer Verletzung von Art. 6 EMRK durch die Vereinbarung einer Schiedsklausel ist von zentraler Bedeutung, ob der Verzicht auf das Recht auf Zugang zu staatlichen Gerichten freiwillig erfolgt ist. Wenn dies der Fall ist, liegt nach der vom Senat in seiner Entscheidung zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jedenfalls bei Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards kein Verstoß gegen Art. 6 EMRK vor. Der Senat hat sich mit der zentralen Frage eines freiwilligen Verzichts auf den Zugang zu staatlichen Gerichten, auch im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, auseinandergesetzt und einen solchen bejaht. Außerdem hat er in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Ausführungen dargelegt, dass bei Verfahren vor dem CAS zumindest rechtsstaatliche Mindeststandards eingehalten sind. Ein detailliertes Eingehen auf die weiteren Einwendungen der Klägerin in Bezug auf Art. 6 EMRK war danach nicht mehr erforderlich.

Im Übrigen beruhen die von der Klägerin erhobenen Gehörsrügen auf ihrer vom Senat abweichenden Rechtsauffassung. Eine Anhörungsrüge vermag dies nicht zu begründen.

Limperg Meier-Beck Raum Strohn Deichfuß Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 26.02.2014 - 37 O 28331/12 -

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