LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.01.2016 - L 8 SO 385/12
Fundstelle
openJur 2016, 8144
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 26. Oktober 2012 geändert, soweit die Klage abgewiesen und über die außergerichtlichen Kosten entschieden worden ist.

Die Beigeladene zu 1 wird verurteilt, den Kläger von den Kosten für die ärztlich verordnete und erbrachte medizinische Behandlungspflege im Rahmen der Diabetesbehandlung (Blutzuckermessungen und Insulinspritzen) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2010, 1. April bis 30. Juni 2014 sowie ab dem 1. Oktober 2014 durch Zahlungen an den Beigeladenen zu 2 freizustellen bzw. die entsprechenden Kosten zu übernehmen. Die insoweit entgegenstehenden Bescheide der Beigeladenen zu 1 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung des Beigeladenen zu 2 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat ein Zehntel und die Beigeladene zu 1 sechs Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Beigeladenen zu 2 zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wer ab Juni 2010 für die Kosten aufzukommen hat, die durch das zweimal täglich erforderliche Blutzuckermessen und Setzen von Insulinspritzen bei dem Kläger entstehen.

Der 1955 geborene geistig behinderte Kläger, der u.a. an einem atypischen Autismus leidet, ist als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 100 anerkannt. Er steht unter Betreuung und lebt jedenfalls seit 1994 in einem von dem Beigeladenen zu 2 betriebenen Behindertenwohnheim für geistig und mehrfach Behinderte, seit Juni 2010 im I.. Zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen zu 2 sind Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII über in dem Wohnheim von der Beigeladenen zu 2 erbrachte Eingliederungshilfeleistungen geschlossen worden. Nach dem Heimvertrag vom 29. April 2010 ist der Kläger in den Leistungstyp Nr. 01 (Heimwohnen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung) und dort in die Hilfebedarfsgruppe (HBG) 3 eingestuft. Betreuungsleistungen werden nach § 6 des Heimvertrages entsprechend der Leistungstypenbeschreibung Nr. 01 des Landesrahmenvertrages nach § 79 SGB XII erbracht. In § 8 Abs. 1 Satz 1 des Heimvertrages heißt es, die Einrichtung erbringe keine ärztlich verordneten Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

Der Kläger, der über kein eigenes Einkommen und kein Vermögen verfügt, erhält von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Eingliederungshilfe in Verbindung mit dem notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen unter Berücksichtigung der Grundsicherungsleistungen als Eigenanteil. Der Kläger ist versichertes Mitglied der Beigeladenen zu 1. Leistungen der Pflegekasse  werden direkt an die Einrichtung gezahlt.

Seit 2006 ist bei dem Kläger ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II bekannt. Seither wird durchgehend eine häusliche Krankenpflege verordnet, weil bei dem Kläger täglich zweimal eine Injektion (Mischinsulin nach Dosisplan) erforderlich ist. Er ist aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht in der Lage, sich mit der nötigen Sorgfalt das Insulin selbst zu injizieren (nervenärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie J. vom 2. Januar 2007; ders.: Stellungnahme vom 26. Oktober 2015). Er lehnt auch die selbstständige Durchführung der Blutzuckerkontrollen ab und empfindet das Spritzen von Insulin als äußerst unangenehm und als eine psychische Belastung (Bericht der Diabetes-Assistentin K. vom 13. Dezember 2006).

Nachdem bereits Anfang 2006 der Beigeladene zu 2 bei der Beklagten um Kostenübernahme für einen Pflegedienst gebeten hatte, beantragte die Betreuerin des Klägers am 31. Juli 2006 für diesen die Kostenübernahme einer häuslichen Krankenpflege für die zweimal täglich erforderliche Injektion. Der Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 8. August 2006 abgelehnt mit der Begründung, die häusliche Krankenpflege sei durch die Einrichtung - den Beigeladenen zu 2 - sicherzustellen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007).

Jedenfalls für die Zeit ab Juli 2010 sind jeweils für ein Quartal entsprechende Anträge auch bei der Beigeladenen zu 1 gestellt worden. Die Anträge wurden von dieser abgelehnt mit der Begründung, die beantragte häusliche Krankenpflege sei neben der Leistung der vollstationären Pflege für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI nicht verordnungsfähig. Die Betreuerin des Klägers erhob Widersprüche gegen die Bescheide betreffend das 3. Quartal 2010, das 4. Quartal 2014 und gegen sämtliche Bescheide für das Jahr 2015; einen weiteren Widerspruch für das 2. Quartal 2014 erhob die Prozessbevollmächtigte des Klägers. Über die Widersprüche sind bisher keine Entscheidungen ergangen.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2007 erhob der Kläger am 17. Januar 2008 Klage bei der Kammer für Sozialgerichtssachen beim Verwaltungsgericht (VG) Bremen. Im Laufe des Klageverfahrens wurden Rechnungen der L. - Ambulante Pflege gGmbH über die erbrachten Leistungen vorgelegt; diese beliefen sich monatlich im Schnitt auf 600,00 Euro und sind vom Beigeladenen zu 2 verauslagt worden. Das VG hat nach Beiladung der für den Kläger zuständigen Krankenkasse (Beigeladene zu 1) und des Heimträgers (Beigeladene zu 2) mit Urteil vom 26. Oktober 2012 für die Zeit bis zum 31. März 2007 die Beklagte sowie für die Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Mai 2010 die Beigeladene zu 1 verurteilt, den Kläger von den Kosten für Blutzuckermessungen und Insulinspritzen freizustellen. Im Übrigen (für die Zeit ab Juni 2010) hat das VG die Klage abgewiesen. Aus der Leistungsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 ergebe sich eine Leistungspflicht des Beigeladenen zu 2 mit der Folge, dass die hier streitige Leistung bereits mit der von der Beklagten gezahlten Vergütung abgegolten sei. Dies schließe auch einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1 aus.

Gegen das ihnen am 2. November 2012 zugestellte Urteil haben der Kläger und der Beigeladene zu 2 jeweils am 30. November 2012 unabhängig voneinander Berufung eingelegt. Die Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben kein Rechtsmittel eingelegt und das erstinstanzliche Urteil, soweit sie verpflichtet worden sind, umgesetzt. Der Kläger hat weitere Rechnungen über die in der Zeit seit Juli 2012 nunmehr von der Hauskrankenpflege M. GmbH erbrachten Blutzuckermessungen und Injektionen vorgelegt, die weiterhin von dem Beigeladenen zu 2 verauslagt worden sind. Die Beklagte sei, so der Kläger, wegen unterbliebener Weiterleitung gemäß § 14 SGB IX endgültig zuständiger Reha-Träger geworden. Aus dem Heimvertrag habe er keinen Anspruch gegen den Beigeladenen zu 2. Jedenfalls wegen Systemversagens sei deshalb die Beklagte verpflichtet. Der Beigeladene zu 2 weist darauf hin, dass er nach dem Heimvertrag keine häusliche Krankenhilfe zu erbringen habe. Es gebe auch keine Regelung in der Leistungsvereinbarung.

Der Kläger und der Beigeladene zu 2 haben in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2015 beantragt,

1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Bermen vom 26. Oktober 2012 zu ändern, soweit die Klage abgewiesen worden ist,

2. den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2007 vollständig aufzuheben,

3. die Beigeladene zu 1 zu verurteilen, den Kläger von den Kosten für die ärztlich verordnete und erbrachte und zu erbringende medizinische Behandlungspflege im Rahmen der Diabetesbehandlung (Blutzuckermessungen und Insulinspritzen) für die Zeit ab dem 1. Juni 2010 durch Zahlung an den Beigeladenen zu 2 freizustellen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben beantragt,

die Berufungen des Klägers und des Beigeladenen zu 2 zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist hinsichtlich der hier noch streitigen Zeit auf das Urteil des VG. Die Beigeladene zu 1 vertritt unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R - die Auffassung, dass die Blutzuckermessungen als einfache behandlungspflegerische Maßnahmen von Mitarbeitern des Beigeladenen zu 2 erbracht werden können. Außerdem wäre zu prüfen, ob sich in der Einrichtung niemand befindet, der in der Lage ist, die Injektionen zu übernehmen.

Nach einer Vertagung des Rechtsstreits und Vorlage der bis dahin nicht bekannten Widersprüche gegen einige Bescheide des Beigeladenen zu 1 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Außer den Gerichtsakten lagen zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten, den streitigen Vorgang betreffend, vor. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und den Inhalt der Beiakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Die Beigeladene zu 1 ist verpflichtet, den Kläger von den Kosten für die ärztlich verordnete und erbrachte medizinische Behandlungspflege im Rahmen der Diabetesbehandlung (Blutzuckermessungen und Insulinspritzen) für die Zeit ab dem 1. Juni 2010 durch Zahlung an den Beigeladenen zu 2 freizustellen bzw. laufend die entsprechenden Kosten zu übernehmen, soweit dem nicht bindend gewordene Bescheide der Beigeladenen zu 1 entgegenstehen. Die mit Widerspruch angefochtenen Bescheide der Beigeladenen zu 1 sind aufzuheben, das die Klage für die Zeit ab dem 1. Juni 2010 abweisende Urteil des VG entsprechend zu ändern. Die Berufung des Beigeladenen zu 2 ist unzulässig.

Der Senat hat vorliegend nur über Leistungen ab dem 1. Juni 2010 zu entscheiden. Hinsichtlich der Zeit bis Mai 2010 ist das Urteil des VG rechtskräftig geworden, weil die insoweit beschwerten Beteiligten (die Beklagte für die Zeit bis März 2007 und die Beigeladene zu 1 für die Zeit von April 2007 bis Mai 2010) keine Berufung eingelegt haben und die vom Kläger und dem Beigeladenen zu 2 eingelegte Berufung ausschließlich die Zeit betrifft, für die das VG die Klage abgewiesen hat. Eine Begrenzung des streitigen Zeitraumes durch Erlass einer weiteren Entscheidung der Verwaltung ist hier nicht erfolgt. Der Kläger hat bei der Beklagten keine weiteren Anträge gestellt. Unbeachtlich sind insoweit die bei der Beigeladenen zu 1 gestellten und von ihr beschiedenen Anträge (zu den weiteren Folgen der Bescheide später). Durch diese hat sich der vom Kläger mit Anfechtungsklage angefochtene Ausgangsbescheid der Beklagten nicht erledigt (vgl. hierzu BSG Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 29/12 R – juris Rn. 11).

In der Regel erstreckt sich der streitige Zeitraum in Fällen ablehnender Verwaltungsentscheidungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG (vgl. BSG Urteil vom 13. November 2007 - B 14 AS 24/07 R juris Rn. 13 m.w.N.). Wird ohne mündliche Verhandlung entschieden, kommt es darauf an, wann die Geschäftsstelle des Gerichts die angefochtene Entscheidung an die Beteiligten abgesandt hat (BSG a.a.O.). Bei dem hier am 28. Januar 2016 ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil wird deshalb unter Berücksichtigung der anschließenden Zustellung von einem Ende des streitigen Zeitraumes im Februar 2016 auszugehen sein.

Die Berufung des Klägers ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG). Er ist durch das Urteil des VG formell und materiell beschwert, weil ihm die von ihm begehrten Leistungen für die Zeit ab dem 1. Juni 2010 versagt worden sind.

22Anderes gilt für die Berufung des Beigeladenen zu 2. Grundsätzlich kann auch ein beigeladener Beteiligter (§ 69 SGG) Rechtsmittel gegen eine ihn beschwerende gerichtliche Entscheidung einlegen. Dem steht hier nicht entgegen, dass der Beigeladenen zu 2 vom VG nicht verurteilt worden ist, denn die Möglichkeit der Verurteilung eines notwendig Beigeladenen erstreckt sich nach § 75 Abs. 5 SGG nur auf Versicherungsträger, Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land, zu denen der Beigeladene zu 2 nicht gehört (vgl. allgemein hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG-Kommentar 11. Aufl. 2014, vor § 143 Rn. 8 ff. sowie § 75 Rn. 19). Auch insoweit müssen jedoch die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein. Notwendig ist u.a. eine materielle Beschwer. Die erstinstanzliche Entscheidung muss den Beigeladenen in eigenen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG verletzen, allein die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen ohne Eingriff in bestehende Rechtspositionen reicht nicht aus (BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11 AL 69/98 R, juris Rn. 17; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014 § 75 Rn. 19 und vor § 143 Rn. 4a, 8).

Der Beigeladene zu 2 ist durch die für den hier allein streitigen Zeitraum ab Juni 2010 erfolgte Abweisung der Klage nicht in eigenen Rechten verletzt. Zwar hat das VG die Abweisung der Klage gegen den beklagten Sozialhilfeträger damit begründet, dass der Beigeladene zu 2 in dieser Zeit aus dem Heimvertrag gegenüber dem Kläger verpflichtet ist, die begehrten Leistungen zu erbringen. Tatsächlich hat der Beigeladene die Kosten der ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege für die zweimal täglich erforderliche Injektion vorläufig übernommen. Auch wenn dies hier unter Vorbehalt oder in Form eines Darlehens erfolgt ist, steht es dem Beigeladenen zu 2 – weiterhin - theoretisch frei, Zahlung vom Kläger zu verlangen. Hieran ist er jedenfalls nicht durch das Urteil des VG gehindert. Unmittelbar aus diesem resultiert keine Pflicht des Beigeladenen zu 2 zur endgültigen Übernahme dieser Kosten.

Selbst nach einem Schuldbeitritt wäre eine beigeladene Einrichtung durch ein klagabweisendes Urteil nicht beschwert, weil sich der Schuldbeitritt durch den Sozialhilfeträger nur auf die durch Verwaltungsakt übernommenen Kosten erstreckt (Coseriu, Sozialrecht aktuell 2012, 99, 101). Wenn aber bereits im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses keine die Zulässigkeit einer Berufung begründende Beschwer vorliegt, gilt dies erst recht, wenn – wie hier – vom Kläger Leistungen außerhalb des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses begehrt werden. Eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen ohne Eingriff in bestehende Rechtspositionen reicht für die Annahme einer Beschwer nicht aus (BSG Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11 AL 69/98 R, Juris Rn. 17, m.w.N.).

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Das VG hat für die Zeit ab Juni 2010 zu Unrecht eine Verpflichtung der Beigeladenen zu 2 zur endgültigen Übernahme der Kosten der ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege angenommen und die Klage deshalb abgewiesen. Allerdings hat der Kläger keinen, wie von ihm erstinstanzlich mit seinem Hauptantrag begehrt, Anspruch gegenüber der Beklagten. Vielmehr ist im Sinne des ursprünglich vom Kläger als Hilfsantrag formulierten Begehrens grundsätzlich die Beigeladene zu 1 zur Leistung verpflichtet, soweit diese nicht Leistungsanträge des Klägers mit bindend gewordenen Bescheiden abgelehnt hat. Insoweit ist die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des VG erfolglos, es besteht auch kein Anspruch gegenüber der Beklagten.

Der Senat entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 153 Abs. 1 SGG i.V. mit § 123 SGG). Er darf jedoch nicht mehr zusprechen als von ihm gewollt. Es obliegt dem Kläger im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis, mit seiner ursprünglich gegen einen bestimmten Leistungsträger gerichteten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) nach Beiladung eines anderen Leistungsträgers nunmehr dessen Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG zu beantragen. Unter Berücksichtigung des für den Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags (vollständige Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 8. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2007 und Verurteilung der Beigeladenen zu 1 zur Leistungserbringung) kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass ein möglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte von ihm nicht mehr verfolgt werden soll; anderenfalls hätte er die Aufhebung des Bescheides der Beklagten nicht mehr beantragen müssen.

27Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger nicht nach § 14 SGB IX wegen eines nicht weitergeleiteten Antrags zuständig. Zwar sind die Beigeladene zu 1 (nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) und die Beklagte (nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX) jeweils Rehabilitationsträger, auch gehört der Kläger wegen seiner zweifellos bestehenden geistigen Behinderung zum Personenkreis der behinderten Menschen (§ 2 Abs. 1 SGB IX; zur Behinderteneigenschaft und der GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus s. BSG–Urteil vom 17. April 2013 – B 9 SB 3/12 R – juris Rn. 39). Bei den hier streitigen Leistungen für den Kläger handelt es sich jedoch nicht um Teilhabeleistungen, insbesondere nicht um hier allenfalls in Betracht kommende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 5 Nr. 1 i.V. mit § 26 SGB IX. Im Bereich des SGB V wird ausdrücklich zwischen ärztlicher Behandlung als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V, zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs. 1 S. 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha und ergänzenden Leistungen andererseits (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V) unterschieden. Diese Differenzierung (vgl. für den Fall einer isolierten ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung in Form zulässiger Psychotherapie BSG-Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 50/12 R – juris Rn. 10; hierbei handelt es sich regelmäßig nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung) gilt auch für die Abgrenzung der medizinischen Rehabilitation i.S. des SGB IX von den nicht zu den Teilhabeleistungen nach dem SGB IX zählenden Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

Die Insulinversorgung des Klägers steht nicht im Zusammenhang mit einer Behinderung, der Kläger ist unabhängig von seiner geistigen Behinderung auf die insoweit erforderliche Krankenbehandlung angewiesen. Diese wird auch nicht dadurch zu einer medizinischen Rehabilitation i.S. von § 26 SGB IX, dass der Kläger wegen seiner Behinderung auf Leistungen nach dem SGB V, die hier streitige Behandlungspflege, angewiesen ist, die nicht behinderte Personen unter Umständen selber oder durch eine im Haushalt lebende Person durchführen – lassen - könnten (hierzu später). Aus dem Urteil des BSG vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R -, juris, folgt nichts anderes. Die dort streitige Übernahme von Kosten für Hörgerätebatterien war nach Auffassung des BSG als Eingliederungshilfe denkbar, weil ein Hörgerät in allen Teilbereichen des täglichen Lebens seinen Einsatz findet, nicht allein eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens ausgleicht, sondern als Hilfe gegen die Auswirkungen der Behinderung im Alltag eine uneingeschränkte Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sichert und hierdurch erst den umfassenden Zugang zur Gesellschaft ermöglicht (a.a.O., Rn. 18). Die aus medizinischen Gründen erforderliche regelmäßige Insulinversorgung von Personen mit Diabetes mellitus ist damit nicht vergleichbar. Eine Teilhabeleistung könnte allenfalls die Versorgung mit Hilfsmitteln sein, die es einer auf Insulin angewiesenen Person erst ermöglicht, außerhalb ihres Haushalts bzw. eines sonstigen geeigneten Ortes (hierzu später) am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben, z. B. die Ausstattung mit einem Notfallkoffer oder die Finanzierung einer auf die Situation einer behinderten Person zugeschnittenen Diabetes-Schulung.

Ein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten nach dem SGB XII besteht nicht, weil für die hier streitige Kostenübernahme grundsätzlich die Beigeladene zu 1, bei der der Kläger gesetzlich krankenversichert ist, zuständig ist. Deren nach dem SGB V zu erbringende Leistungen sind vorrangig (§ 2 Abs. 1 SGB XII), sie ist auch grundsätzlich zur Leistungserbringung verpflichtet (hierzu später, auch zur Absichtserklärung der Beigeladenen zu 1 In der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2015). Deshalb liegt auch kein Systemversagen (hierzu Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - juris) vor, welches die Beklagte zur Leistungserbringung verpflichten könnte. Eine vollständige Aufhebung des ursprünglich angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 8. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2007 ist deshalb nicht geboten, weil dieser sich hinsichtlich der hier noch streitigen Zeit als rechtmäßig erweist; insoweit ist die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des VG erfolglos.

30Die Voraussetzungen für eine Verurteilung der Beigeladenen zu 1 nach § 75 Abs. 5 SGG liegen vor. Sie ist als Träger der Krankenversicherung nach dem SGB V ein Versicherungsträger, auch eine Beiladung ist erfolgt. Insoweit ist hier unbeachtlich, dass die Beiladung mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 „gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch“ erfolgt ist. Bei der Formulierung „Sozialgesetzbuch“ handelt es sich um einen Schreibfehler, gemeint ist offensichtlich Sozialgerichtsgesetz. Allerdings hätte keine Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG (mit der Begründung, es würden berechtigte Interessen des Beigeladenen berührt) erfolgen dürfen, sondern nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 (ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger … als leistungspflichtig in Betracht kommt). Bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens ist der Beigeladenen zu 1 jedoch bewusst gewesen, dass sie als leistungspflichtig in Betracht kommt. Gegen ihre Verurteilung hinsichtlich der hier nicht mehr streitigen Zeit von April 2007 bis Mai 2010 hat sie zudem kein Rechtsmittel eingelegt und sich im weiteren Verlauf des Verfahrens auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. Oktober 2015 auf das Verfahren eingelassen. Rechtliches Gehör ist ihr damit ausreichend gewährt worden (zum Anwendungsbereich des § 75 Abs. 5 SGG auch für die einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG s. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, Stand April 2007, § 75 Rn. 82).

Die nach dem Wortlaut des § 75 Abs. 5 SGG im Ermessen des Gerichts stehende Verurteilung der Beigeladenen zu 1 ist hier geboten, um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden und Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erzielen. Da kein Anwendungsbereich des § 14 SGB IX vorliegt (s. oben), bedurfte es keiner Prüfung, ob hier eine Verurteilung deswegen ausscheiden könnte, weil das Leistungsverfahren gegen die Beigeladene zu 2 jedenfalls teilweise nicht rechtskräftig abgeschlossen ist (hierzu später). Eine Ermessensreduzierung auf Null in derartigen Fällen scheint der 8. Senat des BSG anzunehmen (s. Terminbericht Nr. 22/14 vom 27. Mai 2014 zum Verfahren B 8 SO 29/12 R).

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1 auf Versorgung mit häuslicher Krankenpflege ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V. mit § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, hier in Form eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (hierzu später). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 4 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung u.a. auch häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe.

Der Kläger bedarf Leistungen der Krankenbehandlung zur Verhütung einer Verschlimmerung und Linderung seiner Krankheitsbeschwerden. Er leidet, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II. Seit 2006 benötigt er deshalb zweimal täglich eine Injektion (Mischinsulin nach Dosisplan). Dabei ist die zu injizierende Insulindosis abhängig von dem unmittelbar vor der Injektion zu ermittelndem Blutzuckerwert. Die Kosten des Insulins werden von der Beigeladenen zu 1 übernommen.

Bei den hier streitigen Injektionen und den vorangehenden Blutzuckermessungen handelt es sich um Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung vom 14. Juni 2007. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Sicherungspflege).

Bis zum 31. März 2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) in "ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl. § 37 Abs. 1 und 2 SGB V in der Fassung vom 14. November 2003). Erst mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 SGB V auf sonstige geeignete Orte, u.a. betreute Wohnformen, erweitert und dem Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (GBA) aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der GBA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11. Juni 2008 in Kraft getretene Änderung der Richtlinie über die Verordnung von „häuslicher Krankenpflege“ nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V (HKP-Richtlinie) vom 16. Februar 2000 nachgekommen. Am 10. Februar 2010 in Kraft getreten und damit für die hier streitige Zeit maßgebend ist die Neufassung der HKP-Richtlinie vom 17. September 2009 (veröffentlicht als Beilage zum Bundesanzeiger 2010 Nr. 21; zuletzt geändert am 17. Juli 2014, Bundesanzeiger AT vom 6. Oktober 2014, B2). Diese Richtlinien haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (vgl. ausführlich und mit zahlreichen weiteren Nachweisen: BSG, Urteile vom 25. Februar 2015 – B 3 KR 11/14 R – juris Rn. 12 ff und vom 22. April 2015 – B 3 KR 16/14 R -  juris Rn. 16 ff, 25).

Nach § 1 Abs. 2 HKP-Richtlinie wird häusliche Krankenpflege im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht (Satz 1). Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann, wenn für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung) und die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist (Satz 2). Orte im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein. Begrenzungen des Anspruchs finden sich unter § 1 Abs. 5 und Abs. 6 der Richtlinien. Nach Abs. 5 hat der Versicherte nur dann einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn und soweit er die erforderliche(n) Verrichtung(en) nicht selbst durchführen oder eine im Haushalt lebende Person den Versicherten in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Nach Abs. 6 kann häusliche Krankenpflege für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

Ein genereller Ausschluss von häuslicher Krankenpflege in Einrichtungen besteht danach nicht, der Anspruch wird lediglich dann und insoweit beschränkt, als nach den gesetzlichen Bestimmungen die Einrichtung verpflichtet ist, medizinische Behandlungspflege zu leisten (BSG Urteil vom 22. April 2015, a.a.O., juris Rn. 24).

Das ist vorliegend nicht der Fall.

Bei dem von der Beigeladenen zu 2 betriebenen Wohnheim handelt es sich nicht um eine stationäre Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI, deren Leistungsspektrum neben der Grundpflege auch Leistungen der sozialen Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege umfasst (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1, § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XI), sondern um eine vollstationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die der Förderung und Unterstützung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bedürfen. Die Einrichtung der Beigeladenen zu 2 zählt danach zu den Einrichtungen i.S. von § 71 Abs. 4 SGB XI, in denen im Einzelfall auch Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens zur Verfügung gestellt werden, die aber von ihrer Grundausrichtung her einem anderen Zweck als der Pflege dienen (vgl. Wahl in: jurisPK-SGB XI, 1. Aufl. 2014, § 71 SGB XI Rn. 40).

Zwar umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 43a SGB XI nach § 55 Satz 1 SGB XII auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Danach gehen Leistungen anderer Sozialleistungsträger grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinische Behandlungspflege, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII, der Leistungsbeschreibung, dem Aufgabenspektrum der Einrichtung auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergeben sich entsprechende Leistungspflichten (BSG, Urteil vom 22. April 2015, a.a.O., juris Rn. 26, 28, 32).

Eine Leistungsverpflichtung des Beigeladenen zu 2 ergibt sich nicht aus der Leistungsvereinbarung nach § 75 SGB XII.

Die im Juni 2010 für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. Dezember 2011 zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Beigeladenen zu 2 geschlossene Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII enthält keine eigenen Regelungen zu den hier in Betracht kommenden Leistungsverpflichtungen. Nach Ziffer 2.1 der Vereinbarung entspricht das Leistungsangebot des Einrichtungsträgers – des Beigeladenen zu 2 - dem rahmenvertraglich festgelegten Leistungstyp 01, Heimwohnen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung; wegen Art, Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung (Leistungsbeschreibung) wird auf die Anlage 1 der Vereinbarung verwiesen. Diese entspricht der Anlage 2.1 des Bremischen Landesrahmenvertrages vom 28. Juni 2006. Danach bemisst sich der Umfang der Leistungen nach Hilfebedarfsgruppen und wird im Einzelfall auf der Grundlage des H.M.B.-W.-Verfahrens - Hilfebedarf für Menschen mit Behinderungen im Bereich Wohnen - festgelegt (Ziffer 4.2 Anlage 1). Direkte persönliche Leistungen sind nach Ziffer 4.3 u.a. Gesundheitsförderung und              -Erhaltung. Hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Verpflegung heißt es in Ziffer 4.1 u.a.: „Zur gesundheitlichen Betreuung zählen ebenfalls die Grundpflege sowie die Begleitung bei Arztbesuchen, Medikamenteneinnahme und –Kontrolle etc.“.

Die damit in Bezug genommenen Regelungen des Bremischen Landesrahmenvertrages einschließlich der dortigen Anlage 2.1 begründen ohnehin keine Verpflichtung des Heimträgers gegenüber den Hilfebedürftigen, sie können nur bei fehlenden Vereinbarungen als „Interpretationshilfe“ für den Umfang der notwendigen, vom Sozialhilfeträger im Einzelfall gleichwohl zu übernehmenden Kosten herangezogen werden (vgl. Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 79 SGB XII Rn. 12). Entsprechendes gilt für die H.M.B.-W.-Empfehlungen vom 12. November 2008. Deren Zweck besteht mit den Erläuterungen zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfs in sieben Bedarfsbereichen anhand eines Fragebogens darin, landeseinheitliche Merkmale für die Bildung von Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf nach § 76 Abs. 2 Satz 2 SGB XII zu finden (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII).

Nach Ziffer 30 der H.M.B.-W.-Empfehlungen gehören z.B. zu den Ausführungen ärztlicher und therapeutischer Verordnungen Injektionen, nach Ziffer 32 zu den speziellen Erfordernissen z.B. Blutdruckmessen/Blutzuckermessungen. Anders als das VG vermag der Senat daraus nicht zu schließen, dass damit sämtliche unter die aufgeführten Begriffe definierbaren Leistungen geschuldet sind. Dies widerspricht bereits dem Wortlaut. In beiden Ziffern heißt es nämlich weiter: „Bislang wurde noch keine abschließende Einigung darüber erzielt, welche dieser Leistungen in welcher Form im Rahmen der Wohnbetreuung zu erbringen sind. Die unter diesem Item zu erbringenden Leistungen sind daher im Einzelfall zu klären.“ Durch die Empfehlungen in den Ziffern 30 und 32 wird folglich der Begriff „Gesundheitsförderung und –Erhaltung“ in Ziffer 4.3 der Anlage 1 zur Leistungsvereinbarung nicht näher spezifiziert, vielmehr bedarf es bei den hier streitigen Verrichtungen einer Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit im Einzelfall (hierzu später).

Ein vertraglicher Anspruch des Klägers gegen den beigeladenen Einrichtungsträger ist ebenfalls nicht gegeben. Nach § 6 des am 29. April 2010 geschlossenen Heimvertrages werden für den in den Leistungstyp Nr. 01 (Heimwohnen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung) und dort in die Hilfebedarfsgruppe (HBG) 3 eingestuften Kläger Betreuungsleistungen entsprechend der Leistungstypenbeschreibung Nr. 01 des Landesrahmenvertrages nach § 79 SGB XII erbracht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Hinzu kommt hier, dass es in § 8 Abs. 1 Satz 1 des Heimvertrages ausdrücklich heißt, die Einrichtung erbringe keine ärztlich verordneten Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Selbst wenn dem Beigeladenen zu 2 entsprechend ausgebildetes Fachpersonal zur Verfügung stehen sollte, kann sich daraus keine direkt aus dem Heimvertrag folgende Verpflichtung ergeben, die hier streitigen Verrichtungen beim Kläger vorzunehmen. Zudem lässt sich nicht feststellen, dass die Einrichtung des Beigeladenen zu 2 verpflichtet wäre, medizinisch ausgebildetes Personal vorzuhalten. Im Personalbogen (Anlage zur Vereinbarung vom 1. Juni 2010) sind als Planwert/Kalkulation 2,54 Pflegefachkräfte vorgesehen, ab dem 1. Juni 2014 keine pflegerischen Fachkräfte. Der Beigeladene zu 2 kann seinen Eingliederungshilfeauftrag demnach auch mit lediglich pädagogisch ausgebildetem Personal nachkommen. Medizinische Versorgung schuldet die Einrichtung grundsätzlich nicht, sie musste während der gesamten streitigen Zeit nach den insoweit einschlägigen Vereinbarungen kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten.

Nur in Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein entsprechender Anspruch gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" i.S. von § 1 Abs. 6 Satz 1 der HKP-Richtlinie. Anderenfalls – wie hier - kann die erforderliche häusliche Krankenpflege für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen grundsätzlich verordnet werden. Nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege sind dann von der Einrichtung selbst zu erfüllen und von einer Verordnung ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2015, a.a.O., juris Rn. 32).

Bei den hier streitigen Blutzuckermessungen und dem Spritzen von Insulin handelt es sich jedenfalls im Falle des Klägers nicht um eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege, die in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden kann und damit auch der Einrichtung obliegt. Sowohl die subkutane Injektion (unter die Haut bzw. in das unter der Haut liegende Fettgewebe) als auch die Blutzuckermessung (Ermittlung und Bewertung des Blutzuckergehaltes kapillaren Blutes mittels Testgerät) ist im Falle des Klägers als Leistung der Behandlungspflege verordnungsfähig. Zwar ist die Injektion eine behandlungspflegerische Maßnahme, die von erwachsenen Patienten regelmäßig selbst durchgeführt werden kann; hierfür sind aber erhebliche medizinische Kenntnisse erforderlich, die den Patienten, die die Injektionen selbst durchführen, zuvor vermittelt werden müssen (BSG, Urteil vom 22. April 2015, a.a.O., juris Rn. 41). Dies ist beim Kläger bereits aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht möglich. Er ist nicht in der Lage, sich mit der nötigen Sorgfalt das Insulin selbst zu injizieren (nervenärztliche Bescheinigungen bzw. Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie J. vom 2. Januar 2007 und vom 26. Oktober 2015). Da er das Spritzen von Insulin zudem als äußerst unangenehm und als eine psychische Belastung empfindet (Bericht der Diabetes-Assistentin K. vom 13. Dezember 2006), wäre es auch nicht zumutbar, die Injektionen in einem Haushalt von anderen erwachsenen Personen durchführen zu lassen. Nichts anderes gilt dann auch für das Personal des Beigeladenen. Der Senat hat unter Berücksichtigung der o.g. Bescheinigungen und Berichte sowie der unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Klägers und des Beigeladenen zu 2 keinen Zweifel, dass die Injektionen sachgerecht nur von externen Pflegediensten vorgenommen werden können.

Das Messen des Blutzuckergehaltes gehört für Bewohner, die – wie der Kläger - an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leiden, grundsätzlich zu der von einer Einrichtung – hier des Beigeladenen zu 2 - geschuldeten Unterstützung eines gesunden Lebens und ist daher untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe (BSG, Urteil vom 22. April 2015, a.a.O., juris Rn. 40). Die Durchführung durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Beigeladenen zu 2 kommt hier jedoch wegen der in der Person des Klägers liegenden Besonderheiten nicht in Betracht. Ihm kann die Einsicht in die Notwendigkeit des Blutzuckermessens sowie die Förderung von Eigenständigkeit und Mithilfe bei der Durchführung oder zumindest das Vermeiden von Abwehrreaktionen offensichtlich nicht vermittelt werden. Auch wenn die Maßnahme als solche keine medizinischen Fachkenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzt, kann sie im Falle des Klägers weder von anderen erwachsenen Personen in einem Haushalt noch dem Personal der Eingliederungseinrichtung erbracht werden. Bei dem in Gesundheitsfragen offensichtlich nicht einsichtsfähigen Kläger müssen die Blutzuckerkontrollen kurz vor den Insulininjektionen erfolgen, um die genaue Dosis des zu injizierenden Insulins festzulegen. Die Blutzuckerkontrollen stehen für den Kläger damit auch zeitlich im Zusammenhang mit den von ihm als Belastung empfundenen Injektionen. Der Kläger lehnt zudem die selbstständige Durchführung der Blutzuckerkontrollen ab und lässt am Finger keine Blutzuckermessungen durchführen. Durch eine Blutzuckermessung würde deshalb das erforderliche Vertrauensverhältnis des behinderten Klägers zu den Pflegekräften in unzumutbarer Weise gestört werden.

49Anders als in dem vom BSG (Urteil vom 22. April 2015, a.a.O., juris Rn. 40) entschiedenen Fall hätten somit hier die Mitarbeiter der Einrichtung nicht lediglich die vom Blutzuckermessgerät angezeigten Messergebnisse festzuhalten und dem behandelnden Arzt bzw. medizinischen Pflegedienst zur Verfügung zu stellen. Die Verordnung nicht nur der Insulinversorgung, sondern auch der damit im Zusammenhang stehenden Blutzuckermessungen war und ist hier gerechtfertigt.

Der grundsätzlich für die gesamte streitige Zeit bestehende Anspruch des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1 auf Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V. mit § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V kann allerdings im Rahmen dieses Verfahrens nur realisiert werden, soweit dem nicht unanfechtbare Bescheide der Beigeladenen zu 1 entgegenstehen. Diese hat sämtliche Leistungsanträge des Klägers für die hier streitige Zeit ab Juni 2010 abgelehnt. Widerspruch hat der Kläger jedoch nur teilweise erhoben; soweit dies nicht erfolgt ist, sind die Bescheide bindend geworden (§ 77 SGG). Dies betrifft die Zeiträume vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2014 und vom 1. Juli bis zum 30. September 2014 (Bescheide vom 28. September 2010, vom 17. Januar, 11. April, 27. Juni, 27. September und 27. Dezember 2011, vom 21. März, 4. Juli und 16. September 2012, vom 3. Januar, 10. April, 28. Juni und 30. September 2013 sowie vom 6. Januar und 26. Juni 2014). Insoweit kommt eine Verurteilung der Beigeladenen zu 1 nicht in Betracht.

An dieser Auffassung (so bereits Senatsurteil vom 27. August 2009 - L 8 SO 149/07 - juris Rn. 26, 42 unter Verweis auf das BSG-Urteil vom 13. August 1981 - 11 RA 56/80 – juris Rn. 14) hält der Senat grundsätzlich fest. Sind Bescheide bindend geworden, weil die Leistungen begehrende Person Rechtsbehelfe nicht eingelegt hat oder diese bestandskräftig zurückgewiesen oder rechtskräftig abgelehnt worden sind, können diese allenfalls in einem Wiederaufnahmeverfahren korrigiert werden. Die in den Urteilen des BSG vom 21. August 2008 (B 13 R 33/07 R, juris Rn. 51) und vom 29. September 2009 (B 8 SO 19/08 R, juris Rn. 24) angedeutete Möglichkeit, bei der Geltendmachung von Rehabilitationsleistungen anders zu entscheiden, betrifft ausschließlich Zuständigkeitsstreitigkeiten nach § 14 SGB IX; ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

52Eine Verurteilung der Beigeladenen zu 1 auch für die Zeiten, für die sie die Anträge mit bindenden Bescheiden abgelehnt hat, wäre nur dann möglich gewesen, wenn sie von sich aus diese Bescheide aufgehoben hätte (hierzu Senatsurteil vom 27. August 2009 a.a.O. Rn. 43). In der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2015 hat sich die Beigeladene zu 1 zwar für den Fall, dass einzelne Bescheide bindend geworden sein sollten, verpflichtet, „unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senates diese Bescheide von Amts wegen aufzuheben“. Mit dieser Absichtserklärung ist jedoch keine Durchbrechung der Bestandskraft der Bescheide eingetreten. Dem Kläger bleibt damit nur die Möglichkeit, einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen, sofern die Beigeladene zu 1 nicht als Folge ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung auch die noch streitigen Leistungen erbringt.

53Der Senat war nicht gehalten, nach § 181 Satz 1 SGG vorzugehen. Diese Vorschrift lautet wie folgt: „Will das Gericht die Klage gegen einen Versicherungsträger ablehnen, weil es einen anderen Versicherungsträger für leistungspflichtig hält, obwohl dieser bereits den Anspruch endgültig abgelehnt hat oder in einem früheren Verfahren rechtskräftig befreit worden ist, so verständigt es den anderen Versicherungsträger und das Gericht, das über den Anspruch rechtskräftig entschieden hat, und gibt die Sache zur Entscheidung an das gemeinsam nächsthöhere Gericht ab.“ Die Anwendung von § 181 SGG scheitert hier bereits daran, dass es sich bei dem Beklagten nicht um einen Versicherungsträger handelt. Eine analoge Anwendung auf Träger der Sozialhilfe scheidet seit dem 1. August 2006 aus. Mit dem Gesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl. I 1706) sind die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Sozialhilfe und der Leistungen nach dem AsylbLG in § 75 Abs. 5 SGG aufgenommen worden, nicht jedoch in weiteren Vorschriften des SGG wie den §§ 55, 154, 180, 181 oder 182. Spätestens nach weiteren, teilweise sehr umfangreichen (z.B. Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008) oder einschlägigen (Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014) Änderungen des SGG kann nach über zehn Jahren nicht mehr von einem Redaktionsversehen ausgegangen werden (so bereits Senatsurteil vom 27. August 2009 a.a.O. Rn. 49; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Februar 2010 – L 1 SO 84/09 B ER / L 1 SO 95/09 B - juris, Rn. 46 ff.).

Selbst wenn entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung die Träger der Sozialhilfe zu den von § 181 SGG erfassten Beklagten zählen würden, wäre die Vorschrift hier nicht einschlägig. Eine Verurteilung nach § 181 i.V. mit § 180 Abs. 4 SGG kommt dann nicht in Betracht, wenn ein anderer Versicherungsträger in einem früheren Bescheid seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Leistungsanspruch grundsätzlich bejaht bzw. nicht in Frage gestellt, diesen Anspruch aber wegen Fehlens materieller Voraussetzungen verneint hat (BSG Urteil vom 29. November 2006 – B 12 KR 30/05 R – juris Rn. 15). Hier hat der Beigeladene zu 1 die beantragte häusliche Krankenpflege für nicht verordnungsfähig angesehen und deshalb (nicht wegen fehlender Zuständigkeit) die Anträge abgelehnt. In einem derartigen Fall muss sich der Kläger anrechnen lassen, dass er die Entscheidungen des Beigeladenen zu 1 hat bestandskräftig werden lassen.

Soweit dem Anspruch des Klägers nicht die Bindungswirkung bestandskräftiger Bescheide der Beigeladenen zu 1 entgegensteht, hat er einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Außerdem sind die noch nicht bindend gewordenen Bescheide vom 28. Juni 2010, 27. März und 6. Oktober 2014 sowie vom 7. Januar, 27. März, 25. Juni und 23. Oktober 2015, mit denen die streitigen Leistungen zu Unrecht abgelehnt worden sind, aufzuheben (s. hierzu BSG Urteil vom 19. Mai 1982 - 11 RA 37/81, Juris Rn. 38).

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw., soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2015 – L 11 KR 3901/14 –, juris Rn. 23).

Entsprechend des im Berufungsverfahren geänderten und vom Senat für sachdienlich gehaltenen Antrags des Klägers ist die Beigeladene zu 1 somit verpflichtet, den Kläger von den Kosten für die ärztlich verordnete und erbrachte medizinische Behandlungspflege im Rahmen der Diabetesbehandlung (Blutzuckermessungen und Insulinspritzen) freizustellen. Soweit bereits der Beigeladene zu 2 die Kosten vorläufig im Rahmen eines Darlehens übernommen hat, hat die Freistellung durch Zahlung an diesen zu erfolgen. Soweit Kosten für Blutzuckermessungen und Insulinspritzen noch nicht in Rechnung gestellt bzw. noch nicht – vorläufig – beglichen worden sind, ist die Beigeladene zu 1 zur Übernahme der Kosten verpflichtet.

Der Umfang der Kostenerstattung gegenüber dem Kläger ist durch die von dem Kläger für die Zeit ab Juni 2010 vorgelegten Rechnungen belegt. Sie betreffen die jeweils zweimal täglich entsprechend den ärztlichen Verordnungen durchgeführten Blutzuckermessungen und Injektionen zzgl. einer Hausbesuchspauschale und sind sowohl hinsichtlich des zeitlichen Umfangs als auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind vom Beklagten und der Beigeladenen zu 1 im Verhältnis der jeweiligen  Verpflichtungen zu erstatten. Bei der Kostenentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen zu 2 hat der Senat im Rahmen des ihm obliegenden Ermessens berücksichtigt, dass zwar dessen Berufung unzulässig war, er jedoch als erstinstanzlich Beigeladener wirtschaftlich von der Entscheidung profitiert hat. Von einer grundsätzlich möglichen Kostenentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 (der als Beigeladener nicht zu den in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen gehört, § 193 Abs. 4 SGG) hat der Senat im Hinblick auf dessen überwiegende Verpflichtung in der Hauptsache abgesehen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von den Entscheidungen des BSG zu § 37 SGB V ab, sondern bewertet die konkrete Situation des Klägers anders als das BSG in den dort entschiedenen Fällen.