FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2016 - 9 K 1718/14
Fundstelle
openJur 2016, 7583
  • Rkr:
Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 19. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 wird in der Weise geändert, dass weitere unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben von 3.000 EUR berücksichtigt werden.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger werden als Ehegatten zur Einkommensteuer des Streitjahrs 2012 zusammenveranlagt. Die Eltern der Klägerin, die in den Jahren 1947 und 1949 geborenen Eheleute X. und A. Z., übergaben der Klägerin mit notariell beurkundetem Übergabevertrag vom 22. Februar 2012 ihr gesamtes landwirtschaftliches Anwesen einschließlich aller gesetzlichen Bestandteile und des Zubehörs sowie den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb mit allen Aktiva und Passiva. Sowohl die Klägerin als auch die Eltern verpflichteten sich zugleich zur Zahlung von Gleichstellungsgeldern an die beiden Schwestern der Klägerin. Unter „§ 6 – Vorbehaltsrechte“ waren Wohnungs- und Mitbenutzungsrechte zugunsten der Eltern vereinbart. § 6 Ziff. 3 des Übergabevertrags war mit „Dauernde Last“ überschrieben und lautete auszugsweise wie folgt:

„Frau Y [die Klägerin] zahlt an Frau A. Z. und Herrn X. Z. ab März 2012 einen monatlichen Betrag in folgender Höhe:a) auf die Dauer der ersten 5 Jahre ab Beginn der Zahlung jeweils EUR 600,00 – i. W. fünfhundert Euro –.b) danach bis zum Lebensende EUR 300,00 – i. W. dreihundert Euro –Dem überlebenden Elternteil steht die Summe allein und ungeschmälert zu.Der jeweilige Betrag ist monatlich im Voraus zu zahlen.“

Im Anschluss daran waren die Wertsicherung der Zahlungsverpflichtung und die Modalitäten der Anpassung im Einzelnen geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Wortlaut des Vertrags verwiesen (Bl. 24 ff. der Allgemeinen Akten des beklagten Finanzamts – des Beklagten –).

Ab März 2012 zahlte die Klägerin an ihre Eltern monatlich 600 EUR. In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung machten die Kläger Geldleistungen für zehn Monate zu je 600 EUR mit insgesamt 6.000 EUR als Sonderausgaben in Gestalt von Altenteil-Versorgungsleistungen steuerlich geltend. Der Beklagte berücksichtigte davon im Einkommensteuerbescheid vom 19. März 2014 nur einen Teilbetrag von 3.000 EUR. Die Altenteilsleistungen würden nur in Höhe von 300 EUR pro Monat anerkannt. Diese Zahlungen stellten nur insoweit Versorgungsleistungen dar, als sie auf Lebenszeit des Empfängers gezahlt würden. Das Merkmal „lebenslang“ ergebe sich direkt aus dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG), der für Übertragungen ab dem 1. Januar 2008 gelte.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass das Baraltenteil auf das Lebensende der Übergeber vereinbart worden sei. Daher entspreche es dem Wortlaut des Gesetzes. Aus diesem Wortlaut sei nicht ersichtlich, dass das Baraltenteil lebenslang in gleicher Höhe zu gewähren sei.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 als unbegründet zurück. Wiederkehrende Leistungen seien nur dann Versorgungsleistungen, wenn sie auf die Lebenszeit des Empfängers gezahlt würden. Dieses Merkmal ergebe sich direkt aus dem Gesetzeswortlaut. Bei Hofübergaben nach dem 31. Dezember 2007 sei von Beginn an nur der Betrag anzuerkennen, welcher lebenslänglich gewährt werde. Dies seien im Streitfall nur 300 EUR je Monat.

Dagegen wendet sich die am 19. Mai 2014 eingegangene Klage. Die Klägerin habe sich verpflichtet, einen monatlichen Betrag von 600 EUR für die ersten fünf Jahre und anschließend einen monatlichen Betrag von 300 EUR zu zahlen. Beim Ableben eines der Berechtigten seien die Beträge nicht zu vermindern. Die zu erbringenden Barunterhaltsleistungen stellten somit Sonderausgaben dar, da sie auf dem besonderen Verpflichtungsgrund aus dem Übergabevertrag beruhten und nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Die vereinbarten wiederkehrenden Barleistungen, die gestaffelt bis zum Lebensende der Übergeber zu leisten seien, stellten weder Veräußerungsentgelt der Übergeber noch Anschaffungskosten der Übernehmerin dar. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine dauernde Last in Form von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen in Geld, die auf die Lebenszeit der Berechtigten zugesagt worden seien. Es handele sich um lebenslange und wiederkehrende Zahlungen, die rechtswirksam und ernsthaft gewollt seien. Die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlungen seien als wesentlicher Bestandteil des Übergabevertrags klar und eindeutig geregelt. Die Anpassung des Baraltenteils nach einer Dauer von fünf Jahren sei lediglich als Vorgriff auf eine zu erwartende Reduzierung des Versorgungsbedarfs der Übergeber im Alter zu verstehen. Wegen der zu erwartenden Entwicklung im Bereich der Mobilität und der Freizeitgestaltung seien die Beteiligten von einem sinkenden Bedarf mit voranschreitendem Alter ausgegangen. Dies sei bereits im Zeitpunkt der Hofübergabe berücksichtigt und vereinbart worden, da weitere Anpassungen und Abänderungen einvernehmlich für die Zukunft ausgeschlossen worden seien.

Die Kläger beantragen,den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 19. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 in der Weise zu ändern, dass weitere unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben von 3.000 EUR berücksichtigt werden,sowiedie Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf seine Einspruchsentscheidung.

Der Berichterstatter des Senats hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 2. Februar 2016 erörtert. Auf die über den Verlauf des Termins erstellte Niederschrift wird ergänzend Bezug genommen. Zu den widersprüchlichen Angaben in Wort („fünfhundert Euro“) und Zahl („EUR 600,00“) zur Höhe des zu leistenden Baraltenteils für die ersten fünf Jahre nach der Hofübergabe (§ 6 Ziff. 3 Buchst. a des Übergabevertrags) haben die Kläger erklärt, diese hätten ihre Ursache in einer bei der Beurkundung des Vertrags kurzfristig getroffenen Änderung. In den Vorgesprächen und im Vertragsentwurf sei ein monatliches Baraltenteil von 500 EUR für die ersten fünf Jahre und 300 EUR für die restliche Lebenszeit angedacht gewesen. Bei der Beurkundung hätten sich die Beteiligten jedoch entschieden, den anfänglichen Betrag für die ersten fünf Jahre auf 600 EUR zu erhöhen. Dabei sei leider im zu beurkundenden Vertrag nur die Zahl auf 600 EUR und nicht zugleich auch das geschriebene Wort für die Zahl geändert worden. Seit der Übergabe werde ein Betrag von 600 EUR an die Übergeber gezahlt. Dies sei von der Klägerin als richtig angesehen worden und entspreche auch dem tatsächlichen Willen der Beteiligten.

Die Beteiligten haben auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), ist zulässig und begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 19. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung (jetzt: § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 1 EStG) gehören zu den Sonderausgaben auch „auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen“. Voraussetzung für ihren Abzug ist zudem, dass sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, und dass der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Zudem gilt die Abzugsmöglichkeit nur in den in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG a. F. ausdrücklich benannten Fallgruppen wie etwa (Buchst. b der Vorschrift) für Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs.

2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Übrigen erfüllt sind. Die Altenteilzahlungen der Klägerin an ihre Eltern stellen auf dem besonderen Verpflichtungsgrund der Hofübergabe beruhende Versorgungsleistungen dar, die mit der Übertragung des elterlichen landwirtschaftlichen Betriebs auf sie zusammenhängen. Streitig ist nur, ob die Zahlungen lediglich in Höhe von 300 EUR oder aber in Höhe von 600 EUR zu den lebenslangen und wiederkehrenden Versorgungsleistungen zählen.

a) Nach Überzeugung des Senats lässt sich aus dem Tatbestandsmerkmal der „lebenslangen und wiederkehrenden“ Versorgungsleistungen nicht herleiten, dass die vereinbarten Leistungen der Höhe nach innerhalb des gesamten Zeitraums konstant bleiben müssen. Ausreichend ist, dass sämtliche Zahlungen auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und dass die Zahlungen ausschließlich für die Dauer der Lebenszeit des versorgten Altenteilers zu erbringen sind.

aa) § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist durch das Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) neu in das EStG eingefügt worden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. September 2007, BTDrucks 16/6290, S. 53) besteht der Hauptanwendungsfall der Vorschrift in der Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Die Vermögensübergabe werde in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen als ein Vorgang des Familien- und Erbrechts angesehen, der in der Regel unentgeltlich erfolge. Im Grundfall der Vermögensübergabe übertrügen die Eltern zu Lebzeiten einen Betrieb auf ihre Kinder. Die Kinder verpflichteten sich im Gegenzug, eine monatliche Geldrente zu leisten, die sich am Versorgungsbedürfnis der Eltern orientiere. Daher seien die beiderseitigen Leistungen in der Regel nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgewogen. Die Versorgungsleistungen könnten jedoch von den Kindern als Sonderausgaben abgezogen werden und seien bei den Eltern als sonstige Einkünfte zu versteuern, wenn das übertragene Vermögen ausreichende Erträge abwerfe. Diese Regelung erleichtere die Übergabe von Betrieben an die nächste Generation.

bb) Mit diesen Vorstellungen hat sich der Gesetzgeber ersichtlich an dem durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Vertragstypus „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ orientiert, der dem Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der Fassung vor Inkrafttreten des JStG 2008 (a. F.) zugrunde gelegen hat.

Nach jener – im Übrigen mit der Nachfolgeregelegung in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG identischen – Vorschrift waren anstelle der (dem Begriff nach hier streitigen) „lebenslange(n) und wiederkehrende(n) Versorgungsleistungen“ seinerzeit „Renten und dauernde Lasten“ als Sonderausgaben abziehbar. Eine als Sonderausgabe abziehbare Rente oder dauernde Last setzte nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich voraus, dass Versorgungsleistungen auf die Lebenszeit des Beziehers gezahlt werden. Die auf eine festbestimmte Zeit zu zahlenden wiederkehrenden Leistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes erbracht werden, waren nicht als Sonderausgaben (Rente oder dauernde Last) abziehbar, sondern nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über entgeltliche Rechtsgeschäfte zu behandeln. Dies galt grundsätzlich auch dann, wenn die Zahlungen zwar für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson, in jedem Fall aber für eine Mindestlaufdauer zu erbringen waren (sog. verlängerte Leibrente oder Mindestzeitrente) und wenn das Entgelt nicht nach kaufmännischen Grundsätzen bemessen worden war.

Hiernach war für die als Sonderausgabe abziehbare Versorgungsrente typischerweise vorauszusetzen, dass die wiederkehrenden Versorgungsleistungen grundsätzlich auf die Lebenszeit des Versorgungsberechtigten gezahlt werden. Ausnahmen konnten sich aus einer Änderung der (mutmaßlichen) Versorgungssituation ergeben, so z. B. im Falle einer Wiederverheiratungsklausel oder bei zeitlicher Begrenzung bis zum Eintritt des Versorgungsberechtigten in den Bezug einer Sozialversicherungsrente. Stets aber endete der Lauf der „typischen“ privaten Versorgungsrente mit dem Tode des Bezugsberechtigten (BFH-Urteil vom 31. August 1994 – X R 58/92, BFHE 176, 333, BStBl II 1996, 672).

cc) Daraus erhellt, dass das neu eingefügte Tatbestandsmerkmal der „lebenslange(n)“ Versorgungsleistung, das an die Stelle der zuvor aus dem Rentenbegriff in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. abgeleiteten Voraussetzung der für die Dauer der Lebenszeit der Bezugsperson übernommenen Zahlungsverpflichtung getreten ist, in erster Linie zur Abgrenzung gegen die Vereinbarung auf festbestimmte Zeit geschuldeter Leistungen bestimmt ist. Nur letzteren sollte der Charakter als Versorgungsleistungen vorenthalten bleiben. Dass die Zahlungen während dieses Zeitraums in gleichbleibender Höhe erbracht werden müssten, war – und ist – demgegenüber nicht tatbestandliche Voraussetzung der lebenslangen Versorgungsleistung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die der Höhe nach unterschiedlichen Leistungen auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und nicht getrennt voneinander vereinbart worden sind.

b) Für den Streitfall folgt daraus, dass die Zahlungen der Klägerin in Höhe von 6.000 EUR und nicht, wie vom Beklagten angenommen, in Höhe von 3.000 EUR zum Sonderausgabenabzug zuzulassen sind.

aa) Der in § 6 Ziff. 3 des Übergabevertrags genannte und in einer einheitlichen Regelung mit gleichbleibendem Rechtsgrund vereinbarte Geldbetrag ist von der Klägerin wiederkehrend und – bezogen auf das Leben ihrer Eltern – auch lebenslang zu bezahlen.

bb) Das betrifft auch die in Buchst. a der Regelung genannte Leistung von monatlich 600 EUR. Dass auch dieser Betrag nur – sofern beide Eltern vor Ablauf von fünf Jahren versterben würden – bis zum Lebensende des letztüberlebenden Elternteils (und nicht etwa ungeachtet von dessen Tod festbestimmt auf eine Dauer von mindestens fünf Jahren vererblich) zu zahlen war, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung in § 6 Ziff. 3 des Übergabevertrags. Denn danach waren die in den Buchst. a und b genannten Beträge „an Frau A. Z. und Herrn X. Z.“ und nicht auch an deren Erben zu zahlen. Zwar befindet sich der Passus „bis zum Lebensende“ nur in Buchst. b und nicht auch in Buchst. a der Regelung. Wie aus dem sich auf beide Buchstaben beziehenden Satz: „Dem überlebenden Elternteil steht die Summe allein und ungeschmälert zu.“ erhellt, sollte jedoch auch die in Buchst. a genannte Leistung nicht für eine Mindestdauer von fünf Jahren, sondern nur auf die Lebenszeit des letztüberlebenden Elternteils bezogen gezahlt werden.

cc) Nach § 6 Ziff. 3 Buchst. a des Übergabevertrags waren von der Klägerin monatlich 600 EUR – und damit im Streitjahr in den verbleibenden zehn Monaten ab Vertragsschluss insgesamt 6.000 EUR – zu zahlen. Zwar ist die Regelung in sich insofern widersprüchlich, als monatlich „EUR 600,00 – i. W. fünfhundert Euro –“ als Baraltenteil zu leisten waren. Die Vereinbarung ist deswegen jedoch nicht nichtig, sondern ihr Regelungsinhalt durch Auslegung zu ermitteln. Aus ihr ergibt sich eine Zahlungspflicht von 600 EUR im Monat.

Der Senat geht zwar davon aus, dass in Vertragstexten der Sinn einer doppelten Wiedergabe von Beträgen erst in Ziffern und danach zusätzlich noch in Worten, wie sie im Streitfall („i. W.“) vorgenommen worden ist, im Regelfall darin besteht, typischen Tippfehlern und Zahlendrehern entgegenzuwirken. Zudem können solche Flüchtigkeitsfehler bei der bloß ziffernmäßigen Wiedergabe des Betrags aufgrund von Unachtsamkeiten ohne weiteres auftreten (im Streitfall durch das Eintippen einer „6“ anstelle einer „5“ im Vertragsentwurf), während sie bei der (umfassenderen) Wiedergabe in Worten eher selten vorkommen, da sie dort die Verwechslung eines ganzen Wortes, zumindest aber einer Wortsilbe (im Streitfall: „fünf“ statt „sechs“), und nicht die Verwechslung einer einzelnen Ziffer erfordern. Daraus ergibt sich, dass im Zweifel zwischen den Beteiligten nicht der ziffernmäßig, sondern der in Worten wiedergegebene Betrag (im Streitfall also nur fünfhundert Euro) verbindlich vereinbart worden ist.

Derartige Zweifel bestehen aber dann nicht, wenn sämtliche am Vertragsschluss beteiligten Parteien den Inhalt der ziffernmäßigen Vereinbarung gegen sich gelten lassen und damit zu erkennen geben, dass sie einvernehmlich die Regelung in diesem Sinne verstanden haben. So verhält es sich im Streitfall, weil die Klägerin tatsächlich 600 EUR monatlich an ihre Eltern gezahlt hat und die Eltern durch das Einbehalten dieses Geldbetrags zu erkennen gegeben haben, dass sie von einem Zahlungsanspruch gegen ihre Tochter in dieser Höhe ausgegangen sind. Dafür sprechen auch die von der Klägerin geschilderten tatsächlichen Umstände zum Zustandekommen der Regelung, nach denen der ursprünglich ins Auge gefasste und in den Vertragsentwurf aufgenommene Geldbetrag von 500 EUR erst unmittelbar vor Vertragsschluss auf 600 EUR erhöht worden ist.,

c) Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2012 war daher insoweit abzuändern, als der Sonderausgabenabzug um 3.000 EUR zu erhöhen war. Der Senat macht von der in § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Errechnung des aufgrund seiner Entscheidung festzusetzenden Steuerbetrags dem Beklagten zu überlassen. Der Beklagte hat der Klägerseite das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen und die Einkommensteuerfestsetzung nach Rechtskraft des Urteils mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben (§ 100 Abs. 2 Satz 3 FGO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, weil die unübersichtliche Rechtslage dies erforderte (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

4. Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da höchstrichterliche Rechtsprechung zu der streitigen Rechtsfrage bislang nicht vorliegt.

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