BGH, Beschluss vom 14.06.2016 - VIII ZR 291/15
Fundstelle
openJur 2016, 7297
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der Zivilkammer 18 des Landgerichts Berlin vom 30. November 2015 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Dem Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Mennemeyer Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin bewilligt.

Streitwert: 5.134,56 €

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die mit der Revision geltend zu machende Beschwer von über 20.000 € nicht erreicht ist (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Die (Rechtsmittel-)Beschwer der Klägerin, die die Räumung der an den Beklagten vermieteten Wohnung begehrt, beträgt angesichts der nach ihrer Auffassung geschuldeten Nettomiete von monatlich 427,88 € (nur) 17.970,96 € (42 x 427,88 €). Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Wert der Beschwer in einer Streitigkeit über die Räumung von Wohnraum gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahreswert der Nettomiete, wenn es sich - wie hier - um ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit handelt (zuletzt Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 19/16, juris Rn. 7; vom 8. Dezember 2015 - VIII ZR 129/15, WuM 2016, 376 Rn. 1; vom 16. September 2015 - VIII ZR 135/15, WuM 2015, 681 Rn. 3; vom 3. März 2015 - VIII ZR 279/14, WuM 2015, 313 Rn. 2; jeweils mwN).

1. Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde erhöhen die monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 207 € den Beschwerdewert nicht. Denn für die Wertbemessung kommt es, wie auch der Wortlaut des § 8 ZPO zeigt, auf das für die Gebrauchsüberlassung zu zahlende Entgelt an. Dazu zählen vereinbarte Vorauszahlungen auf Nebenkosten nicht. Deren Vereinbarung regelt vielmehr lediglich die Zahlungsweise für außerhalb des geschuldeten Entgelts anfallende zusätzliche, ganz überwiegend vom jeweiligen Verbrauch abhängige Leistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden. Eine solche Nebenkostenvereinbarung gibt deshalb auch keinen bei der Wertbemessung zu berücksichtigenden Aufschluss darüber, welche über die eigentliche Miete hinausgehenden Beträge der Mieter nach erforderlicher Abrechnung tatsächlich schuldet (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2015 - VIII ZR 129/15, aaO Rn. 2; vom 2. Juni 1999 - XII ZR 99/99, NJW-RR 1999, 1385 unter I 2).

Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass nach § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG bei einem Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses das zur Wertbemessung anzusetzende einjährige Entgelt neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann umfasst, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden. Auch wenn man diese Begriffsbestimmung für die Bestimmung des zuständigkeitsbegründenden Rechtsmittelstreitwerts nach § 8 ZPO übernehmen wollte (offen gelassen von BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - III ZB 53/08, NJW-RR 2009, 277 Rn. 11), könnte sie abgesehen von der damit einhergehenden Vereinfachung der Wertberechnung allenfalls als Ausdruck dessen gewertet werden, dass der Verkehr in solch einem Fall - anders als hier - die ununterscheidbar vereinbarte Pauschalmiete als das für die Gebrauchsüberlassung geschuldete und demgemäß in die Wertberechnung einzustellende Entgelt ansieht (Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2015 - VIII ZR 129/15, aaO Rn. 3).

2. Zu Unrecht versucht die Nichtzulassungsbeschwerde, aus der Rechtsprechung des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine abweichende Sichtweise zur Behandlung der Mieten bei Bemessung der Beschwer im Rahmen des § 26 Nr. 8 EGZPO herzuleiten. Denn die von ihr zum Beleg angeführten Entscheidungen sind insoweit unergiebig. Aus dem bereits genannten Beschluss vom 2. Juni 1999 (XII ZR 99/99, aaO) ergibt sich vielmehr das Gegenteil, nämlich dass auch der XII. Zivilsenat die von der Nichtzulassungsbeschwerde für maßgeblich erachtete Bruttomiete nicht zur Bemessung des Wertes der Beschwer herangezogen wissen will.

3. Ohne Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde schließlich geltend, dass bei der Mietminderung als maßgebliche Bemessungsgrundlage nicht die Netto-, sondern die Bruttomiete angesehen werde, die dabei den Gegenstand der vom Vermieter geschuldeten Gegenleistung abbilde. Denn insoweit folgt - wie etwa auch der an die konkrete Netto- oder Pauschalentgeltvereinbarung anknüpfende § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG zeigt - die an möglichst einfachen, klaren und übersichtlichen Bewertungsgrundsätzen orientierte (Streit-) Wertbemessung anderen Gesichtspunkten als die im materiellen Recht angesiedelte Mietminderung, für die der Ansatz der Bruttomiete nicht zuletzt auf einer Reihe rechtspraktischer Erwägungen beruht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. April 2005 - XII ZR 225/03, BGHZ 163, 1, 7 f.), wobei sich die genaue Höhe der Bruttomiete als Bemessungsgrundlage einer Minderung zudem erst abschließend aufgrund der Jahresabrechnung der Betriebskosten ermitteln lässt (Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 223/10, NJW 2011, 1806 Rn. 12). Die für die Mietminderung angeführten rechtspraktischen Erwägungen sind für die Bemessung von Streit- und Beschwerdewert dagegen ohne Bedeutung beziehungsweise sogar schädlich, soweit der Ausgangspunkt der Wertbemessung nicht sofort greifbar ist, sondern wegen eines späteren Abrechnungserfordernisses zunächst in der Schwebe bleibt.

Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Bünger Kosziol Vorinstanzen:

AG Berlin-Spandau, Entscheidung vom 17.04.2015 - 2 C 25/15 -

LG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2015 - 18 S 168/15 -