OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.09.2015 - 2 W 41/15
Fundstelle
openJur 2016, 6104
  • Rkr:

1. Eine Streitwertermäßigung nach § 12 Abs. 4 UWG setzt voraus, dass der Partei durch die Kostenlast die Insolvenz drohen würde; der Antragsteller hat seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse umfassend offenzulegen, sofern sie dem Gericht nicht schon bekannt sind. Außer den Vermögensverhältnissen ist auch das vorprozessuale und prozessuale Verhalten kostenbezogen zu würdigen.

2. Bei Streitwerten bis zu 10.000 EUR kommt eine Herabsetzung nach § 12 Abs. 4 nur ganz ausnahmsweise in Betracht.

3. § 51 Abs. 3 GKG lässt die althergebrachten Bemessungsgrundsätze unberührt, die in § 51 Abs. 1 und 2 GKG ihren Niederschlag gefunden haben (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. März 2015 - 2 W 13/15).

4. Die Streitwertermäßigung auf 1.000,- EUR nach § 51 Abs. 3 S. 2 GKG kann in Fällen einer objektiven Klagenhäufung nicht für den Gesamtstreitwert erfolgen, sondern nur bezogen auf jeden einzelnen Streitgegenstand. Es ist eine Addition nach § 39 Abs. 1 GKG geboten.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 27. Juli 2015 (Az.: 5 O 26/15 KfH), abgeändert durch Beschluss des Vorsitzenden derselben Kammer vom 31. August 2015, wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

Gründe

I.

A

Das Landgericht hat am 27. Juli 2015 den Streitwert für das vorliegende Verfügungsverfahren auf 20.000,- EUR festgesetzt.

Der Antragsgegner erstrebt mit seiner Beschwerde eine Herabsetzung auf 1.000,- EUR und führt hierzu die Geringfügigkeit seines Internethandels ins Feld. Er erzielt mit diesem einen Umsatz von rund 3.000,- EUR p.a. und mit einem stationären Handel einen Umsatz von rund 20.000,- EUR p.a..

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 UWG lägen nicht vor. Außerdem sei der Antrag auf Streitwertermäßigung unzulässig, da der Antragsgegner die Kosten durch sein vorprozessuales Verhalten verursacht habe. Betroffen durch die Verstöße seien die Volksgesundheit und der Verbraucherschutz. Dies stehe einer Herabsetzung des Wertes auf 1.000,- EUR entgegen.

B

Das Landgericht hat auf die Beschwerde des Antragsgegners hin durch Beschluss vom 31. August 2015 den Streitwert auf 10.000,- EUR neu festgesetzt. Die Voraussetzungen der §§ 12 Abs. 4 UWG, 51 Abs. 3 S. 2 GKG lägen nicht vor, nach § 51 Abs. 3 S. 1 GKG sei der Streitwert aber angesichts der geringen Umsätze des Antragsgegners auf diesen Wert zu ermäßigen.

Der weitergehenden Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.II.

A

Die Streitwertbeschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet. Ausgehend davon, dass die Antragstellerin insgesamt drei Streitgegenstände verfolgt hat, nämlich einen gesundheitsbezogenen Deklarierungsverstoß und zwei Hinweisverstöße aus dem Fernabsatzrecht, ist der Streitwert von insgesamt 10.000,- EUR auch unter Berücksichtigung des im vorliegenden Verfügungsverfahren - wie regelmäßig in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - gebotenen Abschlags von 25% des Hauptsachestreitwertes nach § 51 Abs. 4 GKG nicht zu beanstanden. Dass dieser Wert dem Interesse des Antragstellers an seinen Sachanträgen entspricht, bekämpft die Beschwerde nicht.

B

Ein Fall des § 12 Abs. 4 UWG liegt nicht vor (vgl. zu den Voraussetzungen schon OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. Juni 2015 - 2 W 20/15).

1.

Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der im UWG geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht nach § 12 Abs. 4 UWG auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Unbeschadet der Frage, ob der Antrag durch den Antragsgegner rechtzeitig im Sinne von § 12 Abs. 5 S. 2 UWG gestellt wurde, trägt sein Vorbringen keine Streitwertermäßigung.

2.

An die Darlegung und an die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) dieser Voraussetzungen sind insbesondere dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn der Beklagte die Ermäßigung erstrebt. Schon der Umstand, dass der Beklagte Grund zur Klage gegeben hat, spricht dagegen, dem Kläger, der materiell im Recht war und das Gericht anrufen musste, um dieses Recht durchzusetzen, über die einseitige Streitwertermäßigung eine Kostenlast aufzubürden.

Obgleich § 12 Abs. 4 UWG keine Untragbarkeit der Kostenbelastung nach dem vollen Streitwert voraussetzt, sondern auf die erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage einer Partei abstellt, reicht es für eine Streitwertermäßigung nicht aus, wenn sich der Antragsteller in finanziellen Schwierigkeiten befindet, sofern ihm eine Kreditaufnahme möglich und zumutbar ist oder ein Dritter eine Prozesskostenübernahme zugesagt hat. Erforderlich ist, dass der Partei die Insolvenz drohen würde (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., Rn. 5.21 zu § 12, u.H. auf BGH, GRUR 1953, 284, zum PatG). Dies darzutun, hat sie ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse umfassend offenzulegen, sofern sie dem Gericht nicht schon bekannt sind (vgl. Köhler, a.a.O., u.H. auf BGH, GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung).

Außer den Vermögensverhältnissen ist auch das vorprozessuale und prozessuale Verhalten zu würdigen. So kann es eine Rolle spielen, wenn die Partei bei eindeutiger Rechtslage auf eine Abmahnung nicht reagiert und damit den Prozess auslöst (Köhler, a.a.O., Rn. 5.22, u.H. auf OLG Frankfurt, GRUR-RR 2005, 296; KG, GRUR 1983, 673). Insbesondere, wenn die Partei aus der Sicht eines vernünftigen Dritten an ihrer Stelle sinnlos Kosten verursacht hat, ist kein Raum mehr für eine Streitwertermäßigung. Dies gebietet schon der Gedanke, dass nicht der Prozessgegner für ein solches unsachgemäßes Verhalten soll bezahlen müssen.

Bei Streitwerten bis zu 10.000 EUR kommt eine Herabsetzung nach § 12 Abs. 4 ohnehin nur ganz ausnahmsweise in Betracht (vgl. Köhler, a.a.O., u.H. auf BGH, GRUR 1994, 385 – Streitwertherabsetzung I).

3.

Nach diesen Maßgaben scheidet vorliegend eine Anwendung der Vorschrift aus.

a)

Aus den Angaben des Antragsgegners zu seinen Umsätzen ist nicht zu entnehmen, dass er durch eine Kostentragungspflicht aus dem vollen Streitwert der konkreten Gefahr der Insolvenz anheimfiele. Seine vollständigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat er ebensowenig dargelegt wie sein soziales Umfeld.

Sein eigener Vortrag zeigt zudem, dass er recht kurzfristig über seine Umsätze Geldmittel zumindest im vierstelliger Höhe aufzubringen und offenbar auch den Wareneinkauf für seinen Handel zu bestreiten vermag.

b)

Darüber hinaus hätte der Antragsgegner vorgerichtlich die Möglichkeit gehabt, den Rechtsstreit zu vermeiden und dadurch seine Kostenbelastung und diejenige der Antragstellerin erheblich geringer zu halten. Diese Möglichkeit hat er nicht genutzt, obwohl sie auf der Hand gelegen und eine besonnene, auf Kostenersparnis bedachte Partei davon Gebrauch gemacht hätte. Der Antragsgegner hat es hingegen auf ein gerichtliches Verfahren ankommen lassen; dass er in diesem dann umgehend reagiert hat, entlastet ihn nicht mehr von dem Vorwurf, die Kosten dieses Verfahrens unnötig verursacht zu haben.

C

Eine weitere Herabsetzung des Streitwertes aus § 51 Abs. 3 GKG kommt gleichfalls nicht in Betracht.

1.

Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach § 51 Abs. 2 GKG zu ermittelnde Streitwert, so ist dieser nach § 51 Abs. 3 S. 1 GKG angemessen zu mindern. Nach Satz 2 ist von einem Wert von 1.000 EUR auszugehen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Gemeint sind hier vom Gesetzgeber die Fälle, in denen zwar eine für den Kläger erhebliche Beeinträchtigung geltend gemacht wird, die Sache aber für den in Anspruch genommenen eine Bagatelle darstellt. Hingegen dient § 51 Abs. 3 GKG nicht dazu, eine allgemeine Absenkung der Wertansätze in Wettbewerbssachen herbeizuführen. Er lässt die althergebrachten Bemessungsgrundsätze, bei denen das Interesse des Klägers an dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Zentrum steht und die in § 51 Abs. 1 und 2 GKG ihren Niederschlag gefunden haben, unberührt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. März 2015 - 2 W 13/15).

2.

Im Ausgangspunkt ist zudem festzuhalten, dass die Streitwertermäßigung auf 1.000,- EUR nach § 51 Abs. 3 S. 2 GKG in Fällen einer objektiven Klagenhäufung nicht für den Gesamtstreitwert erfolgen kann, sondern nur bezogen auf jeden einzelnen Streitgegenstand. Über § 39 Abs. 1 GKG ist sodann gleichwohl ein entsprechend höherer Gesamtstreitwert zu bilden. Anderenfalls käme es zu sachlich nicht zu rechtfertigenden, weil nur durch die prozessuale Vorgehensweise des Klägers herbeigeführten Gleichbehandlungen wesentlich ungleicher Sachverhalte.

3.

Auch für die einzelnen Streitgegenstände ist aber vorliegend eine Ermäßigung nach § 51 Abs. 3 S. 1 GKG über das vom Landgericht bereits gewährte Maß hinaus nicht geboten. Selbst unter Zugrundelegung der vom Antragsgegner vorgetragenen Umsatzzahlen ist nicht ersichtlich, dass einer der drei Streitgegenstände des vorliegenden Verfahrens für den Antragsgegner eine erheblich geringere Bedeutung hätte als sie die nach § 51 Abs. 1 und 2 GKG anzusetzenden Werte ausweisen. Zwei von ihnen betreffen Verbraucherschutzhinweise, die ohnehin nur mit 3.000,- EUR für das Hauptsacheverfahren anzusetzen sind, der andere einen gesundheitsbezogenen Hinweis, der wiederum auf zwei Inhaltsstoffe, Sulfit und Alkoholgehalt, bezogen und geeignet ist, den Warenabsatz im Einzelfall jeweils zu verhindern. Auch von daher scheidet - jedenfalls ohne substantiierten Vortrag des Antragsgegners - die Annahme aus, diese Unterlassung hätte für ihn ein wirtschaftliches Interesse, welches erheblich unter dem vom Landgericht angesetzten Betrag liege. Schon gar nicht kommt ein Ansatz mit nur 1.000,- EUR in Betracht.III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht gefordert (§ 68 Abs. 3 GKG).

Über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist schon mangels deren Statthaftigkeit (§ 574 Abs. 1 S. 2 ZPO) nicht zu befinden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.