LG Köln, Urteil vom 13.04.2016 - 28 O 447/15
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein mittelständisches Energieversorgungsuntemehmen. Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der - unterstützt vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf - auf seiner Homepage ... Informationen über Strom- und Gasanbieter zur Verfügung stellt.

Über die Klägerin fanden sich seit dem 15.05.2015 auf der o.g. Internetseite u.a. folgende Informationen:

"Die Firma befindet sich im alleinigen Eigentum des Vorstands ... der früher als Justitiar für den in die Diskussion geratenen Telefonanbieter ... GmbH tätig war." sowie "Geschäftsführung: (...) Er war früher als Justiziar für den in die Diskussion geratenen Telefonanbieter ... tätig."

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage Ast3 Bezug genommen.

Der Vorsitzende der Klägerin, Herr ... wird verschiedenen Veröffentlichungen des ... (... e.V.) als Justitiar der ... GmbH genannt.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen B1-B3 Bezug genommen.

Mit E-Mails vom 19.05.2015 und vom 21.05.2015 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Richtigstellung der Äußerungen bis zum 21.05.2015 auf.

Auf Antrag der Klägerin erließ die Kammer unter dem 01.06.2015 - 28 O 203/15 - eine einstweilige Verfügung, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die Anlage Ast9 Bezug genommen wird.

Infolgedessen entfernte der Beklagte die streitgegenständlichen Äußerungen von seiner Homepage.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.06.2015 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf.

Zwischen den Parteien ist es seit der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2016 unstreitig, dass Herr ... zu keinem Zeitpunkt Justitiar einer ... GmbH oder einer Gesellschaft namens ... war, sondern erstere als Rechtsanwalt in Rechtstreitigkeiten vertrat. Infolgedessen erklärte der Beklagte, die streitgegenständlichen Äußerungen nicht mehr zu wiederholen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass durch die Veröffentlichung der unwahren Tatsachenbehauptung über ihren Vorsitzenden in ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht bzw. ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig eingegriffen werde und dass die Wiederholungsgefahr durch die Entfernung der streitgegenständlichen Äußerung mangels Abgabe einer Unterlassungserklärung nicht entfallen sei. Durch die Äußerung dieser unwahren Tatsachenbehauptung werde ein nicht bestehendes Näheverhältnis zwischen der Klägerin und der als fragwürdig dargestellten ... GmbH hergestellt, wodurch sie ebenfalls als unseriös wahrgenommen werde. In diesem Zusammenhang bestreitet sie mit Nichtwissen, dass die Beklagte ihr zuvor eine Möglichkeit gegeben habe, die Wahrheit der mitgeteilten Informationen zu prüfen. Überdies ist sie der Auffassung, dass der Beklagte ihr unter Zugrundelegung eines Streitwertes i.H.v. 40.000,- EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1336,90 EUR zu erstatten habe.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf und an seinem Vorstandsvorsitzenden zu vollstrecken ist, zu unterlassen
in Bezug auf die Klägerin zu behaupten und/oder behaupten zu lassen:
"(...) Die Firma befindet sich im alleinigen Eigentum des Vorstands ... der früher als Justiziar für den in die Diskussion geratenen Telefonanbieter ... GmbH tätig war. (...) Geschäftsführung: (...) Er war früher als Justiziar für den in die Diskussion geratenen Telefonanbieter ... tätig."
wie auf der Internetseite www....de/... geschehen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.336,90 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin durch die streitgegenständlichen Aussagen bezüglich der Person ihres Vorstands nicht in ihren Rechten betroffen sei. Sie behauptet, dass sie der Klägerin vor der Veröffentlichung die Möglichkeit eingeräumt habe, zu den Rechercheergebnissen und dem Inhalt der beabsichtigten Veröffentlichung Stellung zu nehmen, ohne dass die Klägerin hiervon Gebrauch gemacht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, Artt. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht betroffen ist und ob es sich um einen nicht nur unerheblichen Eingriff in dasselbe handelt, da Herr ... unstreitig als Rechtsanwalt für die ... GmbH tätig war.

Denn der - unterstellte - Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin ist nicht rechtswidrig.

Das Allgemeine Unternehmenspersönlichkeitsrecht stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben (vgl. BGH, NJW 2008, 2110 m.w.N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie vorliegend - die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und das Allgemeine Unternehmenspersönlichkeitsrecht gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Tatsachen sind innere und äußere Vorgänge, die zumindest theoretisch dem Beweis zugänglich sind und sich damit als wahr oder unwahr feststellen lassen, während Meinungsäußerungen durch das Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Unabdingbare Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf nicht isoliert auf den durch den Antrag herausgehobenen Text abgestellt werden. Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der objektive Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG, NJW 2006, 207).

Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, da es dem Beweis zugänglich ist, ob Herr ... als Justiziar für die ... GmbH tätig war.

Diese Tatsachenbehauptung ist - mittlerweile - unstreitig unwahr.

Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es zwar regelmäßig keinen rechtfertigenden Grund. Das bedeutet aber nicht, dass unwahre Tatsachenbehauptungen von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen. Zwar hat das BVerfG festgestellt, dass die unrichtige Information unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut sei (vgl. BVerfG, NJW 1980, 2072). Außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. BVerfG, NJW 1983, 1415; BVerfGE 90, BVERFG, NJW 1994, 1781; BVerfG, NJW 1994, 1779; BVerfG, NJW 1999, 1322; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209).

Der Wahrheitsgehalt fällt dann aber bei der Abwägung ins Gewicht (vgl. BVerfG, NJW 1996, 1529). Grundsätzlich hat die Meinungsfreiheit bei unwahren ehrenrührigen oder rufschädigenden Äußerungen zurückzutreten. Dabei muss aber bedacht werden, dass die Unwahrheit vielfach im Zeitpunkt der Äußerung ungewiss ist und sich erst später etwa durch eine gerichtliche Klärung herausstellt. Zur Vermeidung eines vom Grundrechtsgebrauch abschreckenden Effekts, der mit der Sanktionierung einer erst nachträglich als unwahr erkannten Äußerung einherginge, hat die Rechtsprechung der Zivilgerichte dem sich Äußernden Sorgfaltspflichten auferlegt. Gegen diese Sorgfaltspflichten, die sich im Einzelnen nach den Aufklärungsmöglichkeiten richten und etwa für Medien strenger sind als für Privatleute (vgl. BGH, NJW 1966, 2010; NJW 1987, 2225; BGH, NJW 1996, 1131), bestehen verfassungsrechtlich keine Einwände, sofern die Wahrheitspflicht nicht überspannt wird. Der freie Kommunikationsprozess, den Art. 5 Abs. 1 GG im Sinn hat, darf nicht eingeschnürt werden (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1322).

Die Abwägung hängt von der Beachtung dieser Sorgfaltspflichten ab. Sind sie eingehalten, stellt sich aber später die Unwahrheit der Äußerung heraus, ist die Äußerung als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen, so dass weder Bestrafung noch Widerruf oder Schadensersatz in Betracht kommen. Dagegen gibt es kein legitimes Interesse, nach Feststellung der Unwahrheit an der Behauptung festzuhalten (vgl. BVerfG, NJW 1998, 1381). Besteht die Gefahr, dass die Äußerung dessen ungeachtet aufrechterhalten wird (so genannte Erstbegehungsgefahr, vgl. BGH, NJW 1986, 2503), kann der sich Äußernde folglich zur Unterlassung verurteilt werden.

Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass die streitgegenständliche Äußerung von dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst ist, weil der Beklagte keine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung äußerte und die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung zum Zeitpunkt der Äußerung nicht zweifelsfrei feststand.

Aufgrund des Umstandes, dass der Beklagte, der mit Unterstützung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und damit im öffentlichen Interesse handelte, seine journalistische Sorgfalt vor Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerung einhielt, ist die Äußerung als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen. Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Unwahrheit der Äußerung unstreitig stellte und erklärte, diese von ihm bereits im Juni 2015 entfernte Äußerung nicht mehr zu wiederholen, fehlt es an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Erstbegehungsgefahr.

Der Beklagte hat seiner journalistischen Sorgfalt genügt. Zunächst recherchierte der Beklagte die nunmehr als Anlagen B1 bis B3 vorgelegten Veröffentlichungen des ... (... e.V.), in denen Herr ... als Justitiar der ... GmbH genannt wird. Bei diesen Veröffentlichungen handelt es sich zwar nicht um sogenannte privilegierte Quellen, deren Inhalt ohne weitere Recherchen veröffentlicht werden darf. Letzteres erfolgte seitens des Beklagten jedoch auch nicht. Denn er forderte die Klägerin innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolglos zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Veröffentlichung auch der streitgegenständlichen Äußerung auf, ohne dass sich diese vor der Veröffentlichung am 15.05.2015 hierzu äußerte. Dass die Klägerin hierzu vor der Veröffentlichung gehört wurde, ist trotz des Bestreitens der Klägerin mit Nichtwissen nach Auffassung der Kammer als unstreitig zu behandeln, da die Klägerin nicht nachvollziehbar erklärte, woher sie die E-Mail-Adresse des Herrn Dr. ... kannte, wenn dieser sie nicht zuvor in dieser Sache via E-Mail kontaktiert hatte. Aufgrund des Umstandes, dass die Veröffentlichung bereits am 15.05.2015 erfolgte, kommt es auf die E-Mail-Korrespondenz zwischen dem 19.05.2015 und dem 21.05.2015 (Anlagen Ast5 bis Ast7) nicht mehr an. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, hätte der Beklagte auch insofern seiner journalistischen Sorgfalt Genüge getan. Denn auf die E-Mail der Klägerin vom 19.05.2015 wurden u.a. die Bezeichnung der ... GmbH und diejenige des "Besitzes" korrigiert. Ferner bat Herr Dr. ... im Hinblick auf die nun streitgegenständliche Äußerung unter Nennung zumindest einer Quelle um eine Stellungnahme zur Diskrepanz zwischen dieser Veröffentlichung und der Behauptung der Klägerin, Herr ... sei nicht Justiziar der ... GmbH gewesen. Auch diese Möglichkeit zur Stellungnahme nutzte die Klägerin in ihrer E-Mail vom 21.05.2015 nicht, sondern erklärte, ohne dass sie auf die genannte Quelle einging, dass von ihrer Seite "alles gesagt" sei.

2.

Aus den unter Ziffer 1. genannten Gründen hat die Klägerin gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1336,90 EUR.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,709 ZPO.

Streitwert: 10.000,- EUR

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