OLG Zweibrücken, Urteil vom 11.03.2015 - 1 U 56/14
Fundstelle
openJur 2016, 11747
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 25.02.2014 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

I

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

I

V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... (im Folgenden: Schuldnerin) einen auf § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 281, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Zinsanspruch geltend.

Mit Beschluss vom 01.01.2009 (Az.: IN 209/2008) hat das Amtsgericht Kaiserslautern das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf Antrag des Klägers erließ das Finanzamt am 24.07.2009 einen - auf den Einspruch des Klägers - unter dem 09.12.2009 berichtigten Abrechnungsbescheid, in welchem es Umsatzsteuervergütungsansprüche der Schuldnerin für August 2008 in Höhe von 244.708,47 € und für September 2008 in Höhe von 241.617,81 € mit Ansprüchen auf Lohnsteuer und Nebenabgaben für August und September 2008 in einer Gesamthöhe von 327.722,57 € verrechnete. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Dieses stellte durch Urteil vom 27.06.2012 (2 K 2406/10) unter Abänderung des Abrechnungsbescheids vom 09.12.2009 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung - rechtskräftig - fest, dass die Umsatzsteuervergütungsansprüche der Schuldnerin für August und September 2008 nicht durch die Aufrechnung des Finanzamts mit Ansprüchen auf Lohnsteuer und Nebenabgaben in einer Gesamthöhe von 327.722,57 € erloschen seien. Zur Begründung führte das Finanzgericht u. a. aus, die Aufrechnung sei nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, weil das Finanzamt die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe.

Der Beklagte erstattete daraufhin durch Zahlungen vom 03.10.2012 und 28.11.2012 Umsatzsteuervergütungen in Höhe von insgesamt 327.722,57 €.

Bereits mit Schreiben vom 12.11.2012 hatte der Kläger neben der noch ausstehenden Umsatzsteuervergütung von 48.125,48 € gezogene Nutzungen in Form von Zinsen aus 327.722,57 € geltend gemacht und Zahlung bis 30.11.2012 gefordert. Das Finanzamt antwortete mit Schreiben vom 03.12.2012, dass die vom Kläger vorgenommene Zinsberechnung unter Berücksichtigung der §§ 248 und 366 BGB abgeändert werde und die noch auszuzahlenden Zinsen insgesamt 66.219,25 € ("65.482,24 €" + 377,01 €) betragen würden. Nach dem Hinweis des Klägers im Schreiben vom 10.12.2012, dass die Aufstellung hinsichtlich der Teilsumme von 65.482,24 € einen "Zahlendreher" enthalte und es richtigerweise 65.842,23 € heißen müsse, räumte das Finanzamt den "Fehler" mit Schreiben vom 17.12.2012 ein und korrigierte die Teilsumme unter Beibehaltung des - davon nicht beeinflussten - Ergebnisses. Mit weiterem Schreiben vom 11.01.2013 teilte das Finanzamt dem Kläger mit, eine erneute Überprüfung des Sachverhalts habe ergeben, dass eine Verzinsung des zu erstattenden Guthabens mangels rechtlicher Grundlage nach § 233 AO nicht vorzunehmen sei. Außerdem werde beabsichtigt, die Umsatzsteuervergütung in Höhe von 48.125,48 € beizutreiben, weil sich nach Durchführung der Veranlagung ergeben habe, dass der Betrag zu Unrecht ausgezahlt worden sei.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte schulde die Zinsen aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei anfechtbarem Erwerb von Geld habe der Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten. Zudem würden die Erklärungen des Finanzamts in den Schreiben vom 03.12.2012 und 17.12.2012 ein deklaratorischen Schuldanerkenntnis darstellen. Danach erhobene rechtliche Einwendungen seien deshalb unbeachtlich.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 66.219,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 08.02.2013, sowie weitere 800,00 € zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgebracht, aus § 143 Abs. 1 InsO könne der Kläger den Zinsanspruch nicht herleiten, weil der Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuervergütung kein insolvenzrechtlicher Rückgewähranspruch sondern ein steuerrechtlicher Anspruch im Sinne des § 37 Abs. 1 AO gewesen sei. Die Klage sei deshalb unschlüssig. In der Klageerwiderung hat der Beklagte in einem Klammertext noch vorgetragen, "im Übrigen" bestünden Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges, denn es gehe um nicht bestehende Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis im Anschluss an die finanzgerichtliche Entscheidung. Die Forderung sei außerdem verjährt.

Der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat durch Urteil vom 25.02.2014 gemäß dem Klageantrag erkannt. In den Entscheidungsgründen hat er ausgeführt, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei gegeben. Die Klage sei begründet, weil § 143 Abs. 1 InsO anzuwenden sei. Der Rückgewähranspruch sei nicht verjährt.Wegen der weiteren Feststellungen des Erstrichters und deren Beurteilung wird auf Tatbestand und Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

In der Berufung macht der Beklagte geltend, dass der Erstrichter die Rechtswegrüge übergangen und unzulässiger Weise von einer Vorabentscheidung nach § 17 a Abs. 2 und Abs. 3 GVG abgesehen habe. Im Übrigen wiederholt und vertieft er seinen Vortrag dazu, dass der Kläger seinen Zinsanspruch nicht auf § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO stützen könne.

Der Beklagte beantragt,

vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden und den Rechtsstreit an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in Neustadt/Weinstraße zu verweisen;

hilfsweise

die Rechtsbeschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zuzulassen,

weiter hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

dazu weiter hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

den Antrag auf Entscheidung nach § 17 Abs. 3 GVG und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, eine Vorabentscheidung des Landgerichts sei nicht notwendig gewesen, weil es an einer rechtzeitigen Rechtswegsrüge des Beklagten gefehlt habe. Die in der Klageerwiderung geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges würden dafür nicht ausreichen. Die Ausführungen des Landgerichts zur Zulässigkeit und zur Begründetheit der Klage seien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht richtig.

Die Parteien haben zu Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung am 28.01.2015 innerhalb der Stellungnahmefrist ergänzend vorgetragen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Entgegen der Ansicht des Erstrichters steht dem Kläger der auf § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO gestützte Zinsanspruch nicht zu, so dass die Klage abzuweisen ist.

1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs hat der Erstrichter zu Recht bejaht. Die vom Beklagten im Berufungsverfahren beantragte Vorabentscheidung hierüber ist nicht geboten, weil die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gegen eine solche Entscheidung (vgl. § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG) nicht vorliegen (zum Absehen von einer Vorabentscheidung in solchen Fällen z. B.: Musielak/Wittschier, ZPO, 11. Aufl., § 17 a GVG Rn. 12 m.w.N.). Der entscheidungserheblichen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und der Senat weicht mit seiner Beurteilung auch nicht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab (vgl. § 17 a Abs. 4 Satz 5 GKG).

Der Streit der Parteien darüber, ob der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs gem. § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG rechtzeitig, d. h. innerhalb der nach § 282 Abs. 3 ZPO gesetzten Frist (vgl. z. B. MünchKomm ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 282 Rn. 34 m.w.N.; Musielak/Wittschier, ZPO, aaO, § 17 a GVG, Rn. 12 m.w.N.) gerügt hat, kann somit dahinstehen.

a) Der geltend gemachte insolvenzrechtliche Zahlungsanspruch ist - was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt - auf dem vom Kläger beschrittenen Zivilrechtsweg zu prüfen ist (vgl. z. B.: BGH, NJW 2011, 1365; ZInsO 2013, 30; BFHE 238, 325 und 526). Die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs gilt in gleicher Weise für das vom Kläger ergänzend angeführte, den insolvenzrechtlichen Klagegrund lediglich bestätigende deklaratorische Schuldanerkenntnis, das er aus vorgerichtlichen Schreiben des Finanzamts vom 03.12.2012 und 17.12.2012 herleitet und das den Gegenstand der Klage nicht verändert (vgl. z. B.: BGHZ 102, 343; BeckOK BGB/Gehrlein BGB § 781 Rn. 7 m.w.N.).

b) Der Zulässigkeit des Zivilrechtswegs steht nicht entgegen, dass der Kläger nach Ansicht des Beklagten keinen insolvenzrechtlichen, sondern allenfalls einen steuerrechtlichen Zinsanspruch geltend mache und letzterer vom Finanzgericht zu prüfen sei.

aa) Würde mit dem Beklagten angenommen, dass beide Ansprüche Teil eines identischen Streitgegenstands seien, ergäbe sich die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs bereits aus der - unstreitigen - Zuständigkeit des Zivilgerichts für die insolvenzrechtliche Anspruchsgrundlage. Denn nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG hätte es den geltend gemachten Klageanspruch unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (zur rechtswegüberschreitenden Sach- und Entscheidungskompetenz: BGHZ 199, 159; 114, 1). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für Anspruchsgrundlagen, die offensichtlich nicht gegeben sind und vom Rechtsuchenden erkennbar nur mit dem Ziel geltend gemacht werden, einen bestimmten Rechtsweg beschreiten zu können (z. B.: BSG, Beschluss vom 30.09.2014 - B 8 SF 1/14 R, Juris Rn. 10). Davon kann vorliegend schon im Hinblick auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil, in denen der Erstrichter ausgeführt hat, weshalb er den insolvenzrechtlichen Zahlungsanspruch für gegeben hält, nicht die Rede sein.

bb) Abgesehen davon ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei Zahlungsansprüchen des Klägers aus dem Insolvenzrecht oder dem Steuerrecht um verschiedene prozessuale Ansprüche - und damit um verschiedene Streitgegenstände - handelt, von denen der Kläger ausdrücklich nur den insolvenzrechtlichen Anspruch geltend macht. Darin liegt keine unzulässige Beschränkung der Rechtsfolgenbehauptung (vgl. dazu z. B.: Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., "Einleitung" Rn. 84) sondern eine zulässige Bestimmung des Streitgegenstands.

Unabhängig vom einheitlichen Klageantrag auf Zahlung ergibt sich die Verschiedenheit der Streitgegenstände aus der erkennbar unterschiedlichen Ausgestaltung der materiell-rechtlichen Regelungen des insolvenzrechtlichen Zinsanspruchs und des steuerrechtlichen Zinsanspruchs (zu mehreren Streitgegenständen in vergleichbaren Fällen vgl. z. B.: BGHZ 199, 159; 122, 363; 111, 158; Zöller/Vollkommer, aaO, Rn. 70 m.w.N.). Während der insolvenzrechtliche Zinsanspruch dem Grunde nach an das Vorliegen eines Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1 InsO und hinsichtlich des Zinsbeginns grundsätzlich an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpft (vgl. BGHZ 171, 38; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 143, Rn. 35 m.w.N.), sind beim steuerrechtlichen Anspruch auf Vergütungszinsen nach § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO Sonderregelungen über deren Festsetzung (vgl. §§ 233 a Abs. 4, 239 AO), den Zinslauf (§ 233 a Abs. 2 AO), die Zinsberechnung (§233 a Abs. 3 AO) und die Zinshöhe (§ 238 AO) zu beachten.

2. In der Sache hat die Berufung Erfolg. Der Ansicht des Erstrichters, dem Kläger stehe der geltend gemachte Zinsanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, folgt der Senat nicht.

a) Der Anspruch aus § 143 Abs. 1 InsO setzt das Bestehen eines durch die Anfechtung begründeten, selbständigen Rückgewährschuldverhältnisses voraus (zum Rückgewährsschuldverhältnis vgl. z. B.: MünchKommInsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 143 Rn. 3). Die daraus erwachsene Rückgewährverbindlichkeit entsteht mit der Insolvenzeröffnung, mit der der Rückgewähranspruch auch fällig wird (Kirchhoff aaO, Rn. 9, m.w.N.). Ab da schuldet der Anfechtungsgegner Prozesszinsen nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 819 Abs. 1 Nr. 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 BGB (BGHZ 171, 38).

b) Ein solches Rückgewährschuldverhältnis hat hinsichtlich des öffentlich rechtlichen Steuererstattungsanspruchs der Schuldnerin gegen den Beklagten als der für den Zinsanspruch maßgeblichen Hauptforderung nicht bestanden. Der Kläger hat insoweit keinen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO geltend gemacht sondern vor dem für die Hauptforderung zuständigen Finanzgericht sich darauf berufen, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam sei. Nach der Feststellung dieser Unwirksamkeit durch Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 27.06.2012 bestand die durch die Aufrechnung nicht erloschene Hauptforderung weiter. Deswegen bedarf es in solchen Fällen nicht der Geltendmachung oder Durchsetzung der Anfechtung durch die Klage auf Rückgewähr nach § 143 Abs. 1 InsO, sondern es genügt die unmittelbare Geltendmachung der Hauptforderung unter Berufung auf ein hier sich aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ergebendes Aufrechnungsverbot (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1138; NJW-RR 2008, 1731; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, InsO, 3. Aufl., § 96 Rn. 37 bis 38 m.w.N.). § 96 Abs. 1 Satz 3 InsO regelt die Rechtsfolgen der Anfechtbarkeit der Entstehung der Aufrechnungslage abschließend (vgl. Wittkowski/Kruth in Nerlich/Römermann, InsO, § 96 Rn. 26).

Durch die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit der Aufrechnung wird somit kein Rückgewährschuldverhältnis im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO mit den sich daraus ergebenden Folgen für die Verzinsung begründet, sondern die Hauptforderung besteht für das Insolvenzverfahren in der ihr eigenen Rechtsnatur weiter (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1138). Ob dem Kläger Zinsen auf die Hauptforderung zustehen, bestimmt sich danach nicht nach § 143 Abs. 1 InsO sondern nach dem Recht für die (öffentlich-rechtliche) Hauptforderung auf Umsatzsteuererstattung (vgl. BSGE 108, 56 zur Honorarforderung eines Vertragsarztes).

c) Abweichend vom Erstrichter sieht der Senat keinen Anlass, § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entsprechend anzuwenden. Die vom Insolvenzverwalter vertretenen Gläubigerinteressen werden durch das Fortbestehen der durchsetzbaren Hauptforderung mit ihren Nebenrechten gewahrt (zum Zinsanspruch aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 und Abs. 2 BGB vgl. z. B. OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2010 - 5 U 200/08, juris; OLG Dresden, BauR 2011, 1057; OLG Frankfurt/M., ZInsO 2013, 509).

Die - vom Erstrichter zitierte - Ansicht von Grönwoldt (DStR 2008, Anmerkung 2), der unter Hinweis auf eine Entscheidung des BGH vom 28.09.2006 (IX ZR 136/05, NJW 2007, 78) die entsprechende Anwendung des § 143 InsO im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO mit der Begründung befürwortet, der BGH habe hinsichtlich der Verjährung der von der insolvenzrechtlichen Aufrechnung nicht infrage gestellten Hauptforderung nicht auf die für die Hauptforderung maßgebliche Frist, sondern auf § 146 Abs. 1 InsO entsprechend abgestellt, überzeugt nicht. Dabei wird übersehen, dass der BGH in der Entscheidung der u.a. von Ries, ZInsO 2005, 848 vertretenen Ansicht, die Anfechtbarkeit der Aufrechnung wirke im Sinne einer Novation, ausdrücklich nicht folgte. Lediglich hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Auswirkungen auf die Verjährung der (ursprünglichen) Hauptforderung stellte der BGH - aus Gründen der Praktikabilität (BGH, a.a.O. = juris Rn. 24) - auf die Regelung der Verjährung in § 146 Abs. 1 InsO entsprechend ab.

Ein vergleichbares Bedürfnis besteht beim Anspruch auf Zinsen auf die Hauptforderung grundsätzlich nicht (Brandes/Lohmann, MünchKomm-InsO aaO, § 96 Rn. 37; a. A., jedoch ohne nähere Begründung: Brandes in MünchKomm InsO, 2. Aufl., § 96 Rn. 37 unter Hinweis auf Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 96 Rn. 24 und Ries, ZInsO 2004, 1231 und 2005, 848; Kayser, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Insolvenzrecht, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 465 Anmerkung 4 unter Hinweis auf Kreft, WuB VI A, § 143 InsO 1.08 unter Bezugnahme auf MünchKomm-InsO/Brandes, 2. Aufl., § 96 Rn. 37 und Fußnote 151). Etwas anderes kann nicht deshalb gelten, weil - wie hier - die Verzinsung der Hauptforderung im Einzelfall einer besonderes materiell-rechtlichen Ausgestaltung (z. B. durch die Abgabenordnung) unterliegt.

Die vom Erstrichter (und vom Kläger) angeführte Entscheidung des BGH vom 11.12.2008 (IX ZR 195/07, NJW 2009, 363) und die - sich dieser Entscheidung ausdrücklich anschließende - Entscheidung des OLG Frankfurt vom 29.07.2009 (23 U 203/08, Juris) betrafen keinen Zinsanspruch aus der ursprünglichen Hauptforderung nach insolvenzrechtlicher Unwirksamkeit einer Aufrechnung sondern einen Rückgewährsanspruch nach § 143 Abs. 1 Nr. 1 InsO und damit ein anfechtungsrechtliches Rückgewährschuldverhältnis mit einem Zinsanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 281, 288 Abs. 1 BGB. Dem Kläger ist zuzugeben, dass der BGH in einem Urteil vom 22.10.2009 (IX ZR 147/06 - ZInsO 2009, 2334) zu einem vergleichbaren Sachverhalt nach Abänderung des dortigen Berufungsurteils die Hauptforderung nebst Zinsen zuerkannte. Nähere Ausführungen hierzu enthalten die (veröffentlichten) Entscheidungsgründe jedoch nicht. Auch die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Entscheidung des BGH vom 17.07.2008 (IX ZR 148/07, NJW-RR 2008, 1731) verhält sich zur Frage des Zinsanspruchs nach insolvenzrechtlicher Unwirksamkeit des Aufrechnungseinwands nicht. Das OLG Karlsruhe lehnt in seinem Urteil vom 04.01.2008 (17 U 406/06, OLGR Karlsruhe 2008, 312) einen Zinsanspruch aus § 143 InsO in Verbindung mit der Vorschrift über eine verschärfte Haftung nach Bereicherungsrecht nach insolvenzrechtlicher Unwirksamkeit des Aufrechnungseinwands ab (vgl. auch OLG Braunschweig, ZIP 2012, 1872). Auch das Bundessozialgericht verneinte in seiner von den Parteien angesprochenen Entscheidung vom 23.03.2011 (B 6 KA 14/10 R, BSGE 108, 56) einen Zinsanspruch des dortigen Klägers nach erfolgreicher insolvenzrechtlicher Abwehr der Aufrechnung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) mit der Begründung, dass eine Verzinsung von Honorarforderungen eines Vertragsarztes (als dortige Hauptforderung) nicht in Betracht komme. Die Möglichkeit einer Verzinsung nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 281, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB erwog es nicht.

c) Auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Beklagten kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.

Ein kausales Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollten und vor diesem Hintergrund eine Einigung herbeiführten (vgl. z. B.: BGH BauR 2002, 613; BeckOK BGB/Gehrlein, § 781, Rn. 9 m.w.N.). Der Wille der Parteien, eine derart weitgehende rechtliche Wirkung herbeizuführen, kann, wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden ist, nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden. Eine generelle Vermutung für ein solches Schuldanerkenntnis besteht nicht. Seine Annahme ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten dafür unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass hatten. Ein solcher besteht nur dann, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder einzelne rechtliche Punkte herrschte (vgl. BGH NJW 2008, 3426). Allein die Erklärung des Schuldners, er werde die Forderung prüfen und bezahlen, reicht dafür nicht aus (BGH BauR 2007, 700).

Vor diesem Hintergrund ergeben die Schreiben des Finanzamts der Beklagten vom 03.12.2012 und 17.12.2012 kein kausales Schuldanerkenntnis. Das Finanzamt erklärte darin lediglich seine Zahlungsbereitschaft und nahm eine Berechnung der Zinsen vor. Streit über Grund und Höhe der Zinsen gab es nicht. Der in der Berechnung des Finanzamts vom 03.12.2012 enthaltene "Zahlendreher" hinsichtlich einer Teilsumme begründete keine durch das spätere Schreiben des Finanzamtes vom 17.12.2012 beseitigte Ungewissheit über die Zinsforderung, sondern war lediglich ein Wiedergabefehler, der sich auf die bereits mit Schreiben vom 03.12.2012 mitgeteilte Zinssumme nicht auswirkte. Deshalb dienten die Schreiben vom 03.12.2012 und 17.12.2012 nicht dazu, einen Streit über die Zinsen zu beenden. Vielmehr ging das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt noch von der Zahlungspflicht in dieser Höhe aus. Erst mit mit Schreiben vom 11.01.2013 wich es hiervon ab.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

2. Die Revision wird zugelassen, weil unterschiedlichen Auffassungen dazu, ob nach insolvenzrechtlicher Unzulässigkeit einer Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die deswegen nicht erloschene Hauptforderung nach dem Recht der Hauptforderung oder nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 281, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen ist, eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).