OLG Köln, Urteil vom 04.05.2001 - 19 U 13/01
Fundstelle
openJur 2011, 15587
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 88 O 52/00
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.08.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 88 O 52/00 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 20.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die jeweils zu erbringende Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten.

Tatbestand

Der Kläger war seit 1972 Vertragshändler der Beklagten im Großraum F. (s. Händlervertrag in der letzten Fassung vom 28.06/11.07.1996, Bl. 15 d. A.). Mit Schreiben vom 20.08.1997 (Bl. 35 d. A.) kündigte er den Händlervertrag aus gesundheitlichen Gründen zum 19.08.1999. Mit Schreiben vom 05.11.1999 (Bl. 36 d. A.) machte er einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 897.320,63 DM geltend.

Der Kläger, der die Ansicht vertreten hat, die Beklagte versuche in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise durch eine Auslagerung von Kundenadressen die Gewährung des Ausgleichsanspruchs zu umgehen bzw. zu vereiteln, hat behauptet:

Er sei ab 1996 berufsunfähig gewesen. Die Beklagte sei nicht damit einverstanden gewesen, dass sein Sohn den Betrieb weiterführe. Er habe in den Jahren 1995 und 1996 im Hinblick auf seinen Sohn, der den Betrieb auch habe übernehmen sollen, Investitionen in Höhe von rund 1,8 Millionen DM getätigt. Die Beklagte habe keine Leistungen auf seine Altersversorgung erbracht.

Er habe seinen Kundenstamm zunächst der Beklagten und später aufgrund entsprechender vertraglicher Verpflichtungen der Firma M. (bis 1994) und der Firma A.-F. (ab 1994) offenbart, nach deren (Teilnahme-) Verträgen die Beklagte, welche die Gestaltung und den Versand der Werbepost bestimmt habe, die Kosten der Erfassung und der Betreuung von Altkunden getragen habe.

Im März 1999 habe die Beklagte fernmündlich die Liste der Kundendaten angefordert. Daraufhin habe er der Beklagten die Liste in Form von Disketten zugesandt. Diese habe im Juni 1999 fernmündlich die Liste der Kundendaten erneut angefordert, woraufhin die Disketten an die Beklagte versandt worden seien. Auch in früheren Jahren sei es zu solchen Datenübertragungen gekommen. Seine Kundendaten, die nicht gelöscht worden seien, hätten 25 Tage nach Vertragsbeendigung die Beklagte und der nächstliegende T.-Händler systematisch genutzt (s. Rundschreiben des Autohauses N. an alle seine ehemaligen Kunden vom 13.10.1999, von der Firma A.-F. versandt, Bl. 39 d. A., und Rundschreiben der Firma T.-Leasing vom 26.10.1999, Bl. 40 d. A.).

Mindestens bis Mitte 1988 sei § 7 Ziffer 6 Abs. 5 und 6 in den Händlerverträgen nicht enthalten gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte alle Kundenanschriften gemeldet bekommen und selbst verwaltet. Er - wie alle anderen Händler - hätten nur wenige selbständige kaufmännisch Tätigkeiten entfalten dürfen, die im Laufe der Zeit immer weiter beschnitten worden seien. Die Beklagte habe sich vertraglich ein maßgebliches Mitspracherecht bei der Werbung, dem Personalwesen, der Computeranlage und der Buchhaltung vorbehalten. Die Beklagte habe zwischenzeitlich durch das Netz einen eigenen Zugriff auf die Computer und damit auf die Dateien der Händler. Er habe sich in einem "gläsernen" Betrieb befunden, auf den die Beklagte jederzeit direkten Zugriff gehabt habe.

Er habe im Verhältnis zur Beklagten einem Handelsvertreter gleichgestanden. Aufgrund der Verträge sowohl mit der Beklagten als auch mit den von der Beklagten kontrollierten Firmen M. und A.-F., die nur auf Anweisung der Beklagten tätig geworden und als zwei- bis drei-Mann GmbH nicht in der Lage gewesen seien, die Beklagte, die ein weltweiter Konzern sei, auch nur annähernd zu unterstützen, sei er verpflichtet gewesen, ständig eine Kundendatei zu führen und die Kundendaten zu übertragen, so dass die Beklagte sich die Vorteile seines Kundenstammes habe nutzbar machen können.

Sein Ausgleichsanspruch betrage 897.320,63 DM (s. Berechnung in seinem Schreiben vom 03.11.1999, Bl. 41 d. A.).

Nach dem der Kläger zunächst einen Teilbetrag eingeklagt hatte, hat er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 897.320,63 DM nebst 10,75 % ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Widerklage auf Feststellung, dass dem Kläger über den eingeklagten Teilbetrag hinaus kein weiterer Ausgleichsanspruch zustehe, für erledigt erklärt, nachdem der Kläger die Klage auf den vollen Ausgleichsbetrag erhöht hat.

Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt.

Die Beklagte, die die Ansicht vertreten hat, dass ein Ausgleichsanspruch des Klägers in analoger Anwendung des § 89 b HGB schon mangels vertraglicher Verpflichtung des Klägers, ihr den Kundenstamm zu offenbaren, ausscheide, hat behauptet:

Der Kläger habe ihr nie Kundendaten überlassen. Zwar sei der Kläger nach dem Händlervertrag - seit 1978 - verpflichtet gewesen, eine Kundendatei zu führen und an dem von ihr empfohlenen Kundenkontaktprogramm teilzunehmen. Der Kläger habe jedoch ausschließlich zunächst mit der Firma M. und später mit der Firma A.-F., die das Kundenprogramm durchgeführt hätten, Verträge abgeschlossen (s. Musterverträge, Bl. 84 f. d. A.), nach denen die Firma M. bzw. die Firma A.-F. als Treuhänder des Händlers fungiert und sich verpflichtet hätten, nach dem Bundesdatenschutzgesetz zu handeln (Löschung der Daten nach Vertragsbeendigung) und die treuhänderisch vom Händler übergebenen Kundendaten nicht an T. oder an Dritte weiterzuleiten. Auch über die Kundenbefragungen der vom Kläger beauftragten Agenturen haben sie keine Kundendaten erhalten. Ihr sei als Absenderin der Kundenbefragungen lediglich deren Auswertung in statischer Form zugänglich gemacht worden. Sie habe keine "Kundendatenliste" des Klägers. Das Autohaus N. habe die Anschrift eines Leasingnehmers - nicht eines Kunden des Klägers - nicht von ihr, sondern von der Firma T.-Leasing erhalten, die nicht ihre Tochtergesellschaft sei. Zudem sei der Kläger, dessen Zusammenarbeit mit der Firma T.-Leasing auf freiwilliger Basis beruht habe, nicht verpflichtet gewesen, ihr die an die Firma T.-Leasing vermittelten Personen zu benennen. Die Firma T.-Leasing könne die Anschriften der eigenen Leasingkunden ohne weiteres verwerten.

Vorsorglich hat die Beklagte den Ausgleichsanspruch auch der Höhe nach bestritten.

Durch Urteil vom 17.08.2000, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage unter Bezugnahme u.a. auf das Urteil des BGH vom 17.04.1996 (NJW 1996, 2159), das zu dem identischen T.-Händlervertrag ergangen ist, abgewiesen, und die Widerklage durch die Klageerhöhung als erledigt angesehen.

Gegen dieses ihm am 04.09.2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 04.10.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach am 30.10.2000 bis zum 06.12.2000 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem am 04.12.2000 bei Gericht eingegangen Schriftsatz begründet hat.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.08.2000 mit dem Aktenzeichen 88 O 52/00 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 897.320,63 DM nebst 12,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst allen Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen voll inhaltlich Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage auf Ausgleichszahlung analog § 89 b HGB abgewiesen. Die hiergegen in der Berufungsinstanz vorgetragenen Einwände, die ganz überwiegend nur eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens darstellen, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Ergänzend sei daher nur auf folgendes hingewiesen:

Der BGH hat sich zu der hier zugrunde liegenden vertraglichen Konstellation, d. h. zu dem konkreten Vertragshändlervertrag zwischen der Beklagten und ihren Vertragshändlern, bereits dreimal geäußert und jeweils entschieden, dass bei dieser vertraglichen Konstellation ein Ausgleichsanspruch ausscheidet, da die Händler nicht vertraglich verpflichtet sind, ihren Kundenstamm auf die Beklagte zu übertragen. Die Erstentscheidung datiert vom 17.04.1996 (NJW 1996, 2159), in der der BGH sich ausführlich mit der vertraglichen Regelung der Verpflichtung der Händler zur Überlassung ihrer Kundendaten an ein selbständiges Drittunternehmen befasst und die Anwendbarkeit des § 89 b HGB analog angesichts der speziellen vertraglichen Konstruktion abgelehnt hat. An diese Entscheidung schließt sich der Nichtannahmebeschluss desselben Senats vom 09.10.1996 (VIII ZR 284/95) an, mit dem die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln (18 U 38/91), der wiederum über die Frage des Bestehens von Ausgleichsansprüchen bei der hier streitigen vertraglichen Konstellation zu entscheiden und ihr Bestehen abgelehnt hatte, nicht angenommen wurde. In dem sich hieran anschließenden Urteil des BGH vom 26.11.1997 (NJW-RR 1998, 390) hatte der BGH wiederum den hier zugrunde liegenden Vertrag zu beurteilen und hat seine diesbezügliche Rechtsausfassung bestätigt. Abgeschlossen wird diese Rechtsprechung durch den Nichtannahmebeschluss des 8. Senats vom 17. Juni 1998 - VIII ZR 102/97 -, in dem der Senat die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 29.01.1997 (NJW-RR 1997, 1186), auf das sich der Kläger hier mehrfach stützt, zwar nicht angenommen hat. In dem ausführlich begründeten Nichtannahmebeschluss stellt der BGH aber ausdrücklich darauf ab, dass diese Entscheidung eine von den T.-Fällen abweichende vertragliche Konstruktion zugrunde lag und ausgehend hiervon das Oberlandesgericht Saarbrücken zutreffend entschieden habe.

Dieser ständigen Rechtsprechung des BGH zu dem hier zugrunde liegenden Händlervertrag schließt sich der Senat an.

Entgegen der Ansicht des Klägers folgt auch aus der (zudem zeitlich vor der T. II Entscheidung des BGH vom 26.11.1997 liegenden) Renault-Entscheidung des 8. Senats vom 26.02.1997 (NJW 1997, 1503) nicht, dass für das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs keine vertragliche Verpflichtung des Händlers zur Weitergabe der Kundendaten erforderlich sei. In dieser Entscheidung wird lediglich - zu Recht - ausgeführt, dass eine solche vertragliche Verpflichtung auch dann bestehe, wenn sie zwar nicht ausdrücklich im schriftlichen Händlervertrag geregelt sei, sich die vertragliche Verpflichtung aber aus anderen, den Vertragshändlern auferlegten Pflichten ergebe. Von dem Erfordernis der vertraglichen Verpflichtung zur Weitergabe der Kundendaten ist der BGH somit in dieser Entscheidung nicht abgerückt.

Vorliegend war aber weder in dem ersten zwischen den Parteien dieses Rechtstreits im Jahre 1978 abgeschlossenen Händlervertrag (Bl. 286 ff. d. A.) noch in den nachfolgenden ausdrücklich oder durch Auferlegung sonstiger Pflichten geregelt, dass der Kläger die Kundendaten weiter zu geben hatte.

Alle weiteren von dem Kläger wiederholten Angaben dazu, dass die Beklagte tatsächlich im Besitz der Kundendaten sein müsse, woraus er folgert, diese habe sie sich beschafft, sind allesamt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, weder der Kenntnis des Unternehmers von seinen von einem Handelsvertreter vermittelten Kunden noch der Verpflichtung des Vertragshändlers zu unmittelbaren Bekanntgabe seiner Kundendaten gleichzusetzen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des angeblich jederzeitig möglichen Zugriffs der Beklagten auf die bei dem Kläger gespeicherten Kundendaten. Ein solcher gesetzes- und vertragswidriger Zugriff der Beklagten, so er denn überhaupt technisch möglich wäre ("Hacker"), würde möglicherweise einen Schadensersatzanspruch des Klägers rechtfertigen, ist aber mangels vertraglicher Verpflichtung zur Überlassung der Kundendaten nicht geeignet, einen Ausgleichsanspruch des Klägers zu begründen. Selbiges gilt, soweit der Kläger behauptet, der Geschäftsführer des Autohauses N. habe erklärt, er habe die Adressen der Kunden des Klägers von der Beklagten erhalten. Unterstellt man diese Behauptung zu Gunsten des Klägers als wahr, so würde hieraus wiederum ebenfalls nur folgen, dass sich die Beklagte die Kundendaten in vertragswidriger Weise beschafft haben muss, was keinen Ausgleichsanspruch sondern allenfalls ein Schadensersatzanspruch rechtfertigen würde.

Die Hinweise, die Beklagte brauche die Kundendaten gegenüber dem Finanzamt für die Aufwandsbelege betreffend Garantiearbeiten und zur Durchführung eventueller Rückrufaktionen, vermögen ebenfalls weder eine planmäßige, vertragswidrige Weitergabe der Kundendaten seitens der M. oder A.-F. an die Beklagte noch eine planmäßige anderweitige Beschaffung dieser Daten durch die Beklagte zu belegen. Für die Aufwandsbelege gegenüber dem Finanzamt bedarf es, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, schon gar nicht der Angabe von Fahrzeug- und Kundendaten, da es sich um einen Aufwand der Beklagten gegenüber dem jeweiligen Händler handelt, der die Garantieabrechnung (ohne Kundendaten) an die Beklagte übersendet und daher Empfänger der Erstattung ist. Zu den Rückrufaktionen hat die Beklagte im Einzelnen vorgetragen, wie sie die Kundenanschriften mit Hilfe des Kraftfahrzeugbundesamtes ermittelt. Dem ist der Kläger nicht entgegen getreten.

Ebenso wenig vermögen die Ausführungen des Klägers zur Struktur und der angeblich unterbliebenen Einreichung von Bilanzen seitens M. und A.-F. zu belegen, dass die Einschaltung dieser Firmen nur ein Versuch der Beklagten ist, den Ausgleichsanspruch des Klägers zu umgehen bzw. zu vereiteln. Anders als im Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken (a. a. O.) hat der Kläger damit nicht substanziiert vorgetragen und nicht bewiesen, dass die Beklagte die beiden Werbefirmen bestimmt hat bzw. dass diese wirtschaftlich von ihr abhängig sind.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die von der Beklagten gewählte vertragliche Gestaltung im Verhältnis zu ihren Vertragshändlern nicht rechtsmissbräuchlich. Hier hat vielmehr die Beklagte - wie andere Hersteller auch - im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit den Nutzen, den sie aus der Kenntnis der Namen und der Anschriften der Kunden, der besonderen Verhältnisse einzelner Abnehmer und Interessenten des Vertragshändlers und der Überprüfung der Betriebsaktivitäten des Vertragshändlers ziehen kann, abgewogen gegen die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung und sich gegen die Erforderlichkeit der Kenntnis der Kundendaten etc. entschieden (siehe hierzu auch Ulmer-Eilfort in Stumpf/Jaletzke/Schultze, Der Vertragshändlervertrag, 3. Aufl., RN 244). Diese unternehmerische Entscheidung stellt keinen Missbrauch im Verhältnis zu den Vertragshändlern dar.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Kläger: 897.320,63 DM.