LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2001 - 16 Sa 610/01
Fundstelle
openJur 2011, 15321
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 Ca 4820/00
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.02.2001 9 Ca 4820/00 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 177.735,67 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Ãœberleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 ab Klagezustellung (24.07.2000) zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Streitwert: unverändert (177.735,67 DM).

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin betreibt bundesweit 13 Altenheime/Senioren-Residenzen. Ihre Hauptverwaltung befindet sich in D., ebenso ihre zentrale Rechnungs- und Buchhaltungsabteilung für sämtliche Einrichtungen.

Der am 04.12.1969 geborene Beklagte, zurzeit 31 Jahre alt, ledig, von Beruf Bürokaufmann, war seit dem 01.10.1996 gemäß Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.11.1996 als Finanzbuchhalter bei der Klägerin beschäftigt. Seine Vergütung betrug zuletzt rund 4.300,00 DM brutto pro Monat. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte unter anderem die Prüfung und Bearbeitung eingehender Rechnungen sowie die Kontierung und Eingabe in das bei der Klägerin bestehende EDV-Buchhaltungsprogramm SIMBA . Für die Begleichung der Rechnungen war von ihm jeweils ein sogenannter Zahlungs-Vorschlag zu erstellen. Die Zahlungen erfolgten dann nach Unterzeichnung eines Datenträger-Begleitzettels durch eine hierfür unterschriftsberechtigte Person mittels Datenträgeraustauschs über die Hausbank der Klägerin (Dresdner Bank Düsseldorf) per Banküberweisung.

In der Zeit zwischen dem 17.10.1997 und dem 02.10.1998 erfolgten in 21 näher bezeichneten Fällen verschieden hohe Überweisungen vom Bankkonto der Klägerin auf Privatkonten des Beklagten einschließlich einer Zahlung über 3.174,00 DM an eine

Firma M.-Immobilien, und zwar zunächst drei Überweisungen über insgesamt 27.623,88 DM auf sein Privatkonto bei der Stadtsparkasse Aachen (Konto-Nr.: 5324629) bzw. an die Firma M.-Immobilien sowie ab Mitte Dezember 1997 weitere 18 Überweisungen auf das von ihm am 29.09.1997 eingerichtete Privatkonto bei der Bank 24, Bonn (Konto-Nr.: 2935567) über insgesamt 150.111,79 DM, auf beide Konten einschließlich der Zahlung an die Firma M.-Immobilien zusammen 177.735,67 DM.

Im Herbst 1998 kam es zu Spannungen und Differenzen zwischen dem Beklagten und dem Leiter der Abteilung Controlling, dem Zeugen D. S.. In einer persönlichen Unterredung am 08. bzw. 09.11.1998 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie das Arbeitsverhältnis beenden wolle, entweder durch Kündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag. Der Beklagte erklärte sich einverstanden. Unter dem 09.11.1998 schlossen die Parteien folgende Aufhebungsvereinbarung:

1.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Firma im beiderseitigen Einvernehmen zum 31.12.1998 beendet wird.

2.

Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 09.11.1998 bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung seiner monatlichen Bruttobezüge von abschließend 4.327,60 DM von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Der Resturlaubsanspruch wird mit der Freistellung verrechnet.

3.

Der Arbeitgeber verpflichtet sich, an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend den §§ 9, 10 KSchG, 3 Nr. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 4.300,00 DM zu zahlen. Die Abfindung wird zum 31.12.1998 fällig.

4.

Der Arbeitnehmer erhält zum Zeitpunkt seines Ausscheidens ein qualifiziertes wohlwollend formuliertes Zeugnis, sowie die von dem Arbeitgeber ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitspapiere (Lohnsteuerkarte und Versicherungsnachweis).

5.

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über sämtliche ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Betriebsgeheimnisse und Informationen gegenüber Dritten auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Stillschweigen zu bewahren.

6.

Mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sind sämtliche beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, ob bekannt oder unbekannt, vollständig ausgeglichen und endgültig erledigt.

7.

Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen davon nicht berührt. Die Vertragschließenden verpflichten sich, anstelle der unwirksamen Bestimmungen eine dieser Bestimmung möglichst nahekommende wirksame Regelung zu treffen. Die Vertragschließenden erklären nochmals ausdrücklich, die vorstehende Regelung ausführlich erörtert zu haben und diese in vollem Umfang durchzuführen. In diesem Zusammenhang verzichten sie auf das Recht einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, Drohung, Irrtum und auf ein eventuelles Recht zum Rücktritt von diesem Vertrag, der die rechtsgeschäftlichen Beziehungen sämtlicher Beteiligten abschließend regelt.

Düsseldorf, 09.11.1998

Mit Datum vom 31.12.1998 erteilte die Klägerin dem Beklagten ein Zeugnis, auf dessen Inhalt (Bl. 64 d. A.) Bezug genommen wird.

Im Zuge der Jahresabschlussarbeiten in ihrer Buchhaltungsabteilung für das Jahr 1998 im Januar 1999 stellte die Klägerin nach ihren Angaben erstmals Unklarheiten bei verschiedenen Überweisungen und deren Empfänger fest. Sie erteilte daraufhin entsprechende Suchaufträge an ihre Bank. Diese benannte als Empfänger der betreffenden Zahlungen das Konto des Beklagten.

Unter dem 08.02.1999 erstattete die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (312 Js 147/99) Strafanzeige gegen den Beklagten. Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 13.07.1999 150 Gs 1852/99 erfolgte eine Beschlagnahme des Kontos des Beklagten bei der Bank 24, Bonn, am 29.03.2000 nach richterlicher Anordnung außerdem eine Durchsuchung der Wohnung des Beklagten. Mit Urteil vom 18.01.2001 verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf 103 a I Ls/312 Js 147/99 den Beklagten wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 9 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Als Bewährungsauflage wurde unter anderem eine Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens in Höhe von 141.879,80 DM angeordnet. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren (Landgericht Düsseldorf, XXII 46/01) ist zurzeit noch nicht abgeschlossen.

Mit der vorliegenden Klage, die am 17.07.2000 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangen ist, beansprucht die Klägerin Schadensersatzzahlung in Höhe der genannten 177.735,67 DM. Hierzu hat sie erstinstanzlich vorgetragen:

Der Beklagte sei bei seinen Straftaten so vorgegangen, dass er eingegangene Rechnungen zunächst im Buchhaltungsprogramm erfasst und eine ordnungsgemäße Bezahlung veranlasst habe. Danach habe er in wenigstens 20 Fällen einzelne Eingangsrechnungen erneut in den Zahlungslauf mit der zunächst zutreffenden Kontoverbindung des Zahlungsempfängers eingegeben. Nach Unterzeichnung des Datenträger-Begleitzettels durch die Geschäftsleitung habe der Beklagte dann auf dem an die Bank zu übersendenden Datenträger (Diskette) den jeweiligen Zahlungsempfänger ausgetauscht und sein Privatkonto als Empfängerkonto eingegeben, so dass die Rechnungsbeträge nach ursprünglich richtiger Überweisung an den Zahlungsempfänger dann zum zweiten Mal gezahlt worden seien, nunmehr auf sein Privatkonto. Daneben habe er in dem weiteren Fall der M.-Immobilien den von ihm geschuldeten Betrag in Höhe von 3.174,00 DM zu Lasten des Kontos der Klägerin ausgleichen lassen. Bis zu den Aufdeckungen im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten 1998 im Januar 1999 habe die Klägerin von diesen Manipulationen und den Straftaten des Beklagten nichts gewusst. Die insgesamt 21 aufgedeckten Zahlungen seien sämtlich zu Unrecht erfolgt und durch Straftaten des Beklagten begangen. Hieraus ergebe sich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten und ein Anspruch auf Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung. Auf die Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag vom 09.11.1998 könne der Beklagte sich nicht mit Erfolg berufen. Zum einen erfasse sie nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, nicht auch solche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, von denen die Klägerin bei Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 09.11.1998 nichts gewusst habe. Zudem hätte die Klägerin bei Kenntnis der Straftaten des Beklagten keine Veranlassung gehabt, diesem bei seinem Ausscheiden auch noch eine Abfindung zu zahlen, wie dies geschehen ist. Außerdem sei es Rechtsmißbrauch des Beklagten, sich auf die Rechtswirksamkeit der Ausgleichsklausel zu berufen. Darüber hinaus werde die Ausgleichsklausel wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 177.735,67 DM nebst 9,75% Zinsen seit dem 04.02.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, es treffe nicht zu, dass er Manipulationen oder Straftaten begangen habe. Die Zahlungen an ihn seien zu Recht erfolgt. Er habe mit den im Auftrag des Vorstandes handelnden Leiter der Abteilung Controlling, dem Zeugen S., vereinbart, dass er das EDV-System der Klägerin in ihrer Hauptverwaltung in D. und in den angeschlossenen Einrichtungen im Bundesgebiet neu ausrichte. Dies sei über seine von ihm gegründete und auch aus Steuergründen in K. / N. ansässigen Firma L. F. erfolgt. Die einzelnen Überweisungen auf sein Konto seien entsprechende Honorarzahlungen für seine Tätigkeiten, die jeweils auch der Höhe nach mit dem Zeugen S. vereinbart worden seien. Die Zahlungen an ihn seien daher rechtmäßig erfolgt. Im Übrigen stehe einem Rückzahlungsanspruch der Klägerin die im Aufhebungsvertrag vom 09.11.1998 vereinbarte Ausgleichsklausel entgegen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 08.02.2001 9 Ca 4820/00 abgewiesen und dies damit begründet, dass etwaige Ansprüche der Klägerin durch die Ausgleichsklausel rechtswirksam ausgeschlossen seien.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 28.08.2001 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie ihr Klagebegehren unter Modifizierung des Zinsanspruchs weiterverfolgt, während der Beklagte die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Auf das Berufungsvorbringen beider Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsstands auf den übrigen Akteninhalt.

Das Berufungsgericht hat zu den streitigen Behauptungen Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen D. S.. Die Strafakte des Amtsgerichts Düsseldorf - 103 a I Ls/312 Js 147/99 und die dortigen Ermittlungsunterlagen waren Gegen-

stand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegen-

standes an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

II.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist mit den zuletzt geltend gemachten Zinsen in vollem Umfang begründet. Der Beklagte ist der Klägerin sowohl aus positiver Vertragsverletzung als auch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zum Schadensersatz in der beanspruchten und im Urteilstenor zuerkannten Höhe verpflichtet.

1. Aufgrund der mündlichen Verhandlung und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer zweifelsfrei fest, dass der Beklagte in den in der Klageschrift aufgelisteten 21 Fällen (Seite 4 der Klageschrift vom 11.07.2000 zu lit. a u) sich zu Lasten der Klägerin unrechtmäßig Geldbeträge erschlichen und beschafft hat, auf die er keinerlei Anspruch hatte und zu deren Zahlung an ihn die Klägerin auch in sonstiger Weise nicht verpflichtet war. Der Beklagte hat sich in dem Zeitraum von Oktober 1997 bis Oktober 1998 durch vorsätzliche Manipulationen, Falsch- und Doppelbuchungen auf Kosten der Klägerin zu Unrecht einen Vermögensvorteil in Höhe der 177.735,67 DM verschafft.

a) So hat der Beklagte in jedenfalls 17 der 21 Fälle (lit. e u der Auflistung auf Seite 4 der Klageschrift) unter der Firmenbezeichnung L. F. mit Sitz in K./N. zu Lasten der Klägerin Rechnungen für angebliche Projektarbeiten erstellt. Sämtliche Rechnungsbeträge sind identisch mit den auf das Privatkonto des Beklagten bei der Bank 24 überwiesenen Beträgen. Eine Vorlage dieser Rechnungen an die Klägerin ist indessen zu keinem Zeitpunkt erfolgt, erst recht keine Verbuchung in der Buchhaltung der Klägerin. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Behauptung des Beklagten, er habe diese Rechnungen dem Leiter der Abteilung Controlling/Innenrevision der Klägerin, dem Zeugen S. übergeben, ist durch dessen glaubhafte Aussage, solche Rechnungen bis zu seiner Vernehmung in den Strafverfahren gegen den Beklagten zu keinem Zeitpunkt gesehen oder erhalten zu haben, widerlegt. Dass der Beklagte diese Rechnungen der Klägerin auch gar nicht erteilt und ihr ebenso wenig ausgehändigt hat, ist auch bereits deshalb plausibel, weil die Klägerin spätestens im Januar 1999 bei ihren Recherchen über die Buchungsposten und ungeklärten Überweisungen hierauf gestoßen sein müsste. Im Übrigen müsste der Beklagte in seiner Eigenschaft als Finanzbuchhalter der Klägerin selbst mit diesen Rechnungen befasst gewesen sein und näheres hierüber vortragen können. Dies ist indessen nicht geschehen.

b) Soweit der Beklagte ebenfalls fälschlicherweise behauptet, die Rechnungserteilung und die dort als angebliches Honorar deklarierten Beträge seien jedenfalls mit dem Zeugen S. vereinbart worden, ist auch dies widerlegt. Der Zeuge S. hat bei seiner Vernehmung vor der erkennenden Kammer glaubhaft und plausibel bekundet, dass es derartige Vereinbarungen zwischen ihm und dem Beklagten über eine Neuausrichtung des EDV-Systems, über Honorarzahlungen der Klägerin an den Beklagten und dergleichen zu keinem Zeitpunkt gegeben habe, die Behauptungen des Beklagten hierzu vielmehr frei erfunden seien.

c) Das wahrheitswidrige und insbesondere der Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO widersprechende Vorbringen des Beklagten verdeutlichen auch weitere Umstände: Allein in 12 Fällen entsprechen die Rechnungsbeträge in den angeblichen Rechnungen der Firma L. F. exakt den tatsächlichen Beträgen von Rechnungen anderweitiger Lieferanten an die Klägerin. Zum Beispiel lautet die Rechnung einer Wäscherei N. vom 28.02.1998 mit der Rechnungsnummer 49327 auf 6.471,86 DM. Über exakt diesen Betrag hat der Beklagte unter dem 01.03.1998 dann eine Rechnung der Firma L. F. mit der Rechnungsnummer 980103 zu Lasten der Klägerin erstellt. Gutgeschrieben wurde dieser Betrag dem Privatkonto des Beklagten bei der Bank 24 (Konto-Nr. 2935567) am 01.04.1998 (Bl. 12 d. A.), allerdings mit der Rechnungsnummer 49327 der Wäscherei N. und nicht mit der Rechnungs-Nr. 980103 des Beklagten. Ähnlich bzw. identisch verhält es sich mit den übrigen angegebenen Rechnungen, die anlässlich der Durchsuchung der Wohnräume des Beklagten am 29.03.2000 und im Zusammenhang mit dem beschlagnahmten Ordner L. F. 1998 aufgefunden wurden. Allein in der Zeit vom 03.03.1998 bis 05.10.1998 hat der Beklagte sich auf diese Weise im Zusammenhang mit angeblichen Rechnungen der Firma L. F. 141.879,79 DM unrechtmäßig vom Konto der Klägerin beschafft. Eine Rechtsgrundlage gab es hierfür nicht. Vielmehr sind die Beträge durch Manipulationen bzw. unerlaubte Handlung erschlichen. Die Erklärungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer, dass er sich die Identität der jeweiligen Rechnungsbeträge mit den tatsächlichen Beträgen auf Lieferantenrechnungen sowie die Rechnungsnummern der Lieferantenrechnungen in den Überweisungen auf sein Privatkonto auch nicht erklären könne, wertet die Kammer eher dahin, den tatsächlichen Geschehensablauf weiterhin wahrheitswidrig verschleiern zu wollen.

d) Die verbleibenden vier Beträge (lit. a d auf Seite 4 der Klageschrift) hat der Beklagte unstreitig ebenfalls erhalten. Der Betrag über 3.174,00 DM ist vom Konto der Klägerin unmittelbar an die Firma M.-Immobilien überwiesen worden. Die vom Beklagten hierzu behaupteten Vereinbarungen mit dem Zeugen S. gibt es nicht. Das Beklagtenvorbringen hierzu ist widerlegt. Für die von ihm auf sein Privatkonto erfolgten Überweisungen sowie auf das Konto der Firma M.-Immobilien gibt es ebenfalls keine Rechtsgrundlage.

2. Die Schadensersatzpflicht des Beklagten scheitert auch nicht an der Ausgleichsklausel in der Aufhebungsvereinbarung der Parteien vom 09.11.1998.

a) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die hier geltend gemachten Ansprüche der Klägerin aus einer vom Beklagten vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung unter die Ausgleichsklausel fallen. Diese betrifft in Ziffer 6 der Vereinbarung vom 09.11.1998 die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung . Zwar stehen die hier streitigen Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Deliktische Ansprüche fallen aber nicht automatisch hierunter. Auch Ziffer 7 der Vereinbarung spricht eher für die Auslegung, dass deliktische Ansprüche nicht erfasst werden sollen, wenn es dort heißt, dass mit der Vereinbarung die rechtsgeschäftlichen Beziehungen abschließend geregelt sein sollen. Darüber hinaus musste der Beklagte wissen, dass die Klägerin bei Kenntnis der vom Beklagten vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen eine Aufhebungsvereinbarung mit Zahlung einer Abfindung und mit Verzicht auf den ihr zugefügten Schaden nicht abgeschlossen hätte. Anders mögen die Fälle zu beurteilen sein, in denen zumindest Verdachtsmomente für eine Straftat bestanden. Wird dann eine allumfassende Ausgleichsklausel vereinbart, sind beide Seiten grundsätzlich hieran gebunden. Ob indessen die Ausgleichsklausel im vorliegenden Fall dazu führt, dass hier auch die deliktischen Ansprüche von der Klausel erfasst werden, kann letztlich dahinstehen.

b) Denn jedenfalls kann sich der Beklagte aufgrund des Tatgeschehens und seines strafrechtlich relevanten Vorgehens nicht mit Erfolg auf die Ausgleichsklausel und den Ausschluss der hier geltend gemachten Schadensersatzansprüche berufen. Es ist in der Rechtssprechung anerkannt, dass ein Arbeitnehmer, der durch eine vorsätzliche positive Vertragsverletzung und zugleich durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung seinem bisherigen Arbeitgeber einen Schaden zufügt, gegen den die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn er, um für sich einen Rechtsvorteil zu erzielen, seinen früheren Arbeitgeber an einer Erklärung festhalten will, die dieser bei Kenntnis des Sachverhalts in dieser Form nicht abgegeben hätte (BAG vom 09.03.1972 1 AZR 165/71 AP Nr. 10 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung Verwirkung = DB 1972, 2216). Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, die eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage unzulässig macht (vgl. näher BAG vom 04.12.1997 2 AZR 799/96 AP Nr. 141 zu § 626 BGB, zu II 1 a der Gründe = NZA 1998, 420).

Aus dem Geschehensablauf und den im Januar 1999 erfolgten Recherchen der Klägerin ist erkennbar, dass ihr die Manipulationen des Beklagten bis dahin nicht bekannt waren. Dies hat der Zeuge S. bei seiner Vernehmung zudem glaubhaft bekundet. Demgegenüber kannte der Beklagte bei Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 09.11.1998 sein strafrechtliches Vorgehen, das Ausmaß seiner Vermögensverschiebungen und wusste auch, dass dies der Klägerin bis dahin nicht bekannt war. Er täuschte die Klägerin nicht nur bei den Kontoüberweisungen und den dadurch verursachten Vermögensverschiebungen, sondern zusätzlich auch bei Abschluss des Aufhebungsvertrags und den dort vereinbarten Einzelheiten, zu denen es nicht gekommen wäre, wenn die Klägerin die unerlaubten Handlungen des Beklagten und deren Ausmaß gekannt hätte. Es widerspricht der Redlichkeit und dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Beklagte nach diesen vorsätzlich begangenen Täuschungshandlungen die Klägerin an die in Unkenntnis dieser Dinge vereinbarte Ausgleichsklausel festhalten will. Ein derartiges Vorgehen ist rechtsmissbräuchlich und stellt sich als unzulässige Rechtsausübung dar.

c) Ob darüber hinaus auch die von der Klägerin (erst) mit Schriftsatz vom 06.11.2000 erklärte Anfechtung durchgreift und ob die Anfechtungsfrist des § 124 BGB gewahrt ist, braucht nicht mehr entschieden zu werden.

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

Der Klage war dementsprechend unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben. Der Streitwert blieb unverändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Dr. Kaup Goetzenich Claus