OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2001 - 13 A 4852/00
Fundstelle
openJur 2011, 14951
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 K 4740/97
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme eventueller außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 324.961,-- DM festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.

Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, wobei es insoweit auf das Entscheidungsergebnis (Abweisung der Klage) ankommt.

Einem Erfolg der Anfechtungsklage, soweit sie gegen den Bescheid der Beklagten vom 30. September 1997 gerichtet ist, steht allerdings nicht schon ein fehlendes Rechtsschutzinteresse entgegen. Dieses ist gegeben, obgleich die Klägerin bei der Beklagten nicht die Versagung der Genehmigung der vereinbarten Pflegesätze beantragt hat. Denn einen derartigen Antrag verlangt § 18 Abs. 5 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) nicht. Hiernach werden die vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze von der zuständigen Landesbehörde genehmigt, wenn sie den Vorschriften dieses Gesetzes und sonstigem Recht entsprechen. Danach geht das Gesetz lediglich davon aus, dass die vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze der Genehmigungsbehörde zwecks Rechtskontrolle vorgelegt werden, mithin allenfalls ein Antrag auf Rechtsprüfung gestellt wird. Dazu bedarf es eines Antrages der einen oder anderen Pflegesatzpartei auf Versagung der Genehmigung nicht. Doch hat die Pflegesatzpartei, die ihre Rechte durch die zur Genehmigung vorgelegten vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze nicht gewahrt sieht, deutlich zu machen, dass sie die Pflegesätze nicht akzeptiert.

Vgl. hierzu Urteil des Senats vom 30. November 2000 - 13 A 1600/98 -.

Das war hier der Fall. Denn die von der Klägerin der Beklagten vorgelegte Pflegesatzvereinbarung enthielt in Nr. VI.4. Sonstiges den auch für die Beklagte erkennbaren und eindeutigen Hinweis, dass die Klägerin im Einvernehmen mit dem Zweckverband die Pflegesätze hinsichtlich des Fehlbelegungsabzugs nicht akzeptierte. Das reicht an Hervorhebung der gegen eine Genehmigungsfähigkeit der Pflegesätze sprechenden Gesichtspunkte im Sinne des

Urteils des Senats vom 26. Mai 1997 - 13 A 4720/95 -

aus, um ein prozessuales Rechtsschutzinteresse der ihre Rechte nicht gewahrt sehenden Pflegesatzpartei zu begründen.

Auch der Umstand, dass das Schiedsstellenverfahren zunächst nicht durchgeführt wurde, steht dem prozessualen Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegen und begründet auch keine Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides vom 30. September 1997. Zwar kann die Genehmigungsbehörde ein "Rechtskontrollbegehren" nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG zurückweisen bzw. ablehnen, wenn bezüglich strittiger Pflegesätze oder Positionen das Schiedsstellenverfahren nicht durchlaufen ist. Mit der jedenfalls im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts nachgeholten, die vereinbarten Pflegesätze erwartungsgemäß bestätigenden Entscheidung der Schiedsstelle, die im Hinblick auf ihre fehlende Gesetzesverwerfungskompetenz für die strittige Position ohnehin keine Schiedsfunktion wahrnehmen konnte, ist das ursprüngliche Verfahrensversäumnis aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzinteresses jedoch behoben.

Sind die genehmigten vereinbarten Pflegesätze inklusive des strittigen Fehlbelegungsabzugs mithin bereits einer materiellrechtlichen Überprüfung auf die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 30. September 1997 zugänglich, fehlt der Anfechtungsklage gegen den keine materiellrechtliche Beschwer enthaltenden Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 23. August 1999 im erstinstanzlichen Entscheidungszeitpunkt bereits das Rechtsschutzbedürfnis und besteht für eine Umdeutung dieses letzteren Klageteils in eine Verpflichtungsklage kein Anlass.

Die Klage ist indes, wie vom Verwaltungsgericht - hilfsweise -zu Recht erkannt, unbegründet, weil die von der Beklagten genehmigten Pflegesätze nicht zu beanstanden sind. Sie unterliegen einer gerichtlichen Überprüfung lediglich im Hinblick auf den allein umstrittenen Ansatz des Pauschalabzugs von 1 % des um Ausgleiche und Zuschläge bereinigten Budgets für 1997 gemäß § 17a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KHG in der Fassung des Beitragsentlastungsgesetzes - BeitrEntlG - vom 1. November 1996, BGBl. I 1631, weil sie im übrigen von den Pflegesatzparteien einvernehmlich vereinbart worden sind und sich weder der Schiedsstelle noch der Beklagten noch dem Gericht Rechtsfehler aufdrängten bzw. aufdrängen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die zwischen den Pflegesatzparteien umstrittene Frage der Vereinbarkeit des o.a. Pauschalabzuges bejaht und diese Frage nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG - nach Verfahrensaussetzung - dem Bundesverfassungsgericht zur Beantwortung vorgelegt sowie die Klage selbst bei Annahme ihrer Zulässigkeit folgerichtig als unbegründet abgewiesen. Auch der Senat hält den für die Pflegesatzjahre 1997 bis 1999 geltenden Pauschalabzug von - jeweils - 1 % des bereinigten Budgets für das betreffende Pflegejahr für vereinbar mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verkörperten allgemeinen Gleichheitssatz.

Das Verwaltungsgericht hat den Inhalt des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend dargestellt, was hier nicht zu wiederholen ist. Ergänzend sei lediglich auf die verfassungsrechtlich gesicherte Erkenntnis verwiesen, dass dem Gesetzgeber die Bestimmung der für die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung maßgeblichen Elemente eines Lebenssachverhaltes überlassen ist, dies allerdings in den Grenzen seiner verfassungsrechtlichen Gestaltungsfreiheit,

vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 8. Oktober 1991 - 1 BvL 50/86 -, BVerfGE 84, 349/359 f.,

und dass er bei besonderen Lebenssachverhalten, beispielsweise bei Massenerscheinungen, von der Betrachtung eines Gesamtbildes ausgehend typisierende und pauschalierende Regelungen treffen kann,

vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 - 2 BvL 77/92 -, BVerfGE 96, 1/7 ff..

Bei der hier zu betrachtenden gesetzlichen Regelung ist der Gesetzgeber erkennbar von der allgemein unbestrittenen Tatsache ausgegangen, dass in Krankenhäusern schlechthin Fehlbelegungen auftreten oder auftreten können, für die die Sozialleistungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung ausgehend von §§ 27, 39 Abs. 1 SGB V nicht kostenpflichtig sind und die für die GKV-Mitglieder beitragsbelastend wirken. Er hat damit selbst das wesentliche Element des gleich zu behandelnden Lebenssachverhaltes, nämlich die Gesamtheit aller Krankenhäuser unabhängig von ihrem Versorgungsauftrag, festgelegt und, wie die Stellungnahme des federführenden Ministeriums vom 3. Juli 1996 belegt, bewusst Kinderkrankenhäuser vom Fehlbelegungsabzug nicht ausgenommen. Das ist vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu beanstanden.

Die Eigenart des Krankenhauses der Klägerin als eines Kinderkrankenhauses ist kein sachbezogenes Merkmal, das ein solches Krankenhaus von der Gesamtheit der Fehlbelegungen ausgesetzten Krankenhäuser abhebt und eine Herausnahme von Kinderkrankenhäusern aus dem gleich zu behandelnden Lebenssachverhalt gebietet. Der Senat ist wie das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass auch in einem Kinderkrankenhaus Fehlbelegungen auftreten können. Gemäß § 17a Abs. 1 KHG stellt der Krankenhausträger sicher, dass keine Patienten in das Krankenhaus aufgenommen werden oder dort verbleiben, die nicht oder nicht mehr der stationären Krankenhausbehandlung bedürfen. Dieser Vorschrift ist der Begriffsinhalt der Fehlbelegung eindeutig zu entnehmen. Danach sind Fehlbelegungen entgegen in der Literatur gelegentlich geäußerter Auffassung nicht nur stationäre Aufnahmen und/oder stationärer Verbleib sowie Versorgung von Patienten, die dem Pflegeversicherungsgesetz unterfallen (Pflegefälle), sondern auch stationäre Aufnahmen und übermäßige stationäre Verweilzeiten von Patienten, die aus medizinischer Sicht von vornherein nicht oder nicht mehr notwendig sind. Soweit in Teil B. Lösung des Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung u.a. vom Abbau von Fehlbelegungen im Krankenhaus mit Hilfe der Pflegeversicherung und in Teil II. der Begründung von der schrittweisen Entlastung der Krankenhäuser von Fehlbelegungen mit Pflegefällen seit Inkrafttreten der zweiten Stufe der Pflegeversicherung die Rede ist, folgt daraus nicht, dass der Begriff der Fehlbelegung nur Patienten erfasst, soweit sie dem Pflegeversicherungsgesetz unterfallen. Denn die Budgetkürzung nach § 17a Abs. 3 KHG ist erkennbar keine Maßnahme der Pflegeversicherung, sondern eine pflegesatzrechtliche Maßnahme zur Entlastung der Haushalte der Sozialversicherungsträger und zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge. Die Begründung zu Art. 3 des Gesetzentwurfs spricht denn auch von einer Abschöpfung des Ersparnispotentials im Hinblick auf den Abbau von Fehlbelegungen in Krankenhäusern schlechthin, nicht aber nur von Fehlbelegungen durch Pflegefälle nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Eine Fehlbelegung aus diesen und jenen Gründen findet im Gesetz keine Stütze.

So Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Band 1, KHG § 17 a Anmerkung 6.3.

Es mag zwar zutreffen, dass Fehlbelegungen der Kategorie Pflegefälle in einem Kinderkrankenhaus nicht oder kaum vorkommen. Die Klägerin räumt aber in ihrer Klageschrift, wo sie zwar zunächst für ihr Haus Fehlbelegungen von vornherein verneint, im Ergebnis selbst ein, dass naturgemäß in Einzelfällen - nicht ins Gewicht fallende - Fehlbelegungen, von denen abgesehen werden könne, eintreten könnten. Demgemäß ist auch ein Kinderkrankenhaus wie das der Klägerin nicht gefeit vor voreiligen - medizinisch nicht begründeten und deshalb unnötigen - stationären Aufnahmen von Kindern oder vor über Gebühr langem Verbleib hinreichend genesener Kinder in stationärer Behandlung - bei denen etwa eine ambulante Behandlung ausreichend wäre - und deshalb in den grundsätzlich gleich zu behandelnden Sachverhalt einzustellen.

Der Gesetzgeber durfte die Gleichbehandlung auch in Form einer pauschalen, generalisierenden Mindestregelung vornehmen. Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass Fehlbelegungen unter den Krankenhäusern in unterschiedlich hohem Maße vorkommen und auch sogar in dem einen oder anderen Krankenhaus, möglicherweise auch in einem Kinderkrankenhaus, überhaupt nicht oder nur in dem einen oder anderen Pflegesatzjahr vorliegen. Insoweit sind bei individueller Betrachtung der einzelnen Krankenhäuser gewisse Ungleichbehandlungen denkbar, wenn der Pauschalabzug die Wirklichkeit der Kosten eines unnötigen Krankenhausaufenthaltes übersteigt oder ein Abzug sogar überhaupt nicht gerechtfertigt ist. Die darin liegenden Härten und Ungerechtigkeiten sind aus Sicht des Senats im Rahmen der dem Gesetzgeber erlaubten Gesamtschau jedoch hinzunehmen. Sie erscheinen nämlich nicht gravierend und sind äußerstenfalls selten zu erwarten. Auszuschließen wären sie nur, wenn die stationären Belegungen der Krankenhäuser im Einzelfall durch Ärzte des jeweiligen Fachs auf ihre medizinische Notwendigkeit überprüft würden. In diese Richtung zielt zwar die Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 2 KHG. Eine Überprüfung der Notwendigkeit stationärer Versorgung eines Patienten hinsichtlich seiner Aufnahme und der Dauer seines Verbleibs im Krankenhaus ist allerdings erfahrungsgemäß einerseits für die Sozialleistungsträger verwaltungsaufwendig, damit ein weiterer Kostenfaktor, andererseits für die betroffenen Krankenhäuser belastend und im übrigen mit mannigfaltigen rechtlichen Problemen verbunden. Dieser Nachteile sind Kassen und Krankenhäuser bei Anwendung der Mindest-Pauschale enthoben, was demgemäß aus der Sache heraus die getroffene generalisierende und pauschalierende gesetzliche Problemlösung rechtfertigt. Mit Blick auf den bei Ansatz eines Pauschalabzugs zum Ausgleich möglicher Fehlbelegungen vermiedenen, für alle GKV-Beteiligten zu erwartenden Kostenaufwand bei einer generellen Fehlbelegungsprüfung, auf vermiedene Abgrenzungsstreitfälle und Effektivitätsverluste insbesondere für das Krankenhaus erscheint ein Betrag von jeweils 1 % des bereinigten Budgets des betreffenden Pflegesatzjahres noch nicht unverhältnismäßig hoch.

Rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die nur in einer Berufung bewältigt werden könnten, weist die vorliegende Rechtssache nicht auf. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage lässt sich unter Anwendung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung bereits im vorliegenden Zulassungsverfahren klären. Ferner wirft die Rechtssache keine Rechtsfrage auf, die nicht bereits in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz geklärt wäre, so daß der vorliegenden Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die denkbare Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch die Klägerin verlangt die Durchführung der Berufung nicht.