OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.09.2015 - 8 A 970/15
Fundstelle
openJur 2015, 20966
  • Rkr:
Tenor

Die Anträge des Beklagten und des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. März 2015 werden abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte mit der Maßgabe, dass die ihnen jeweils entstandenen außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig sind.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Anträge des Beklagten und des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall.

I. Das Antragsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die von dem Beklagten und dem Beigeladenen vorgebrachten Einwände stellen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klage sei zulässig (dazu 1.) und begründet (dazu 2.), nicht in Frage.

1. Die Klage ist zulässig; insbesondere ist die Klagefrist nicht abgelaufen. Diese richtet sich vorliegend nicht nach § 74 Abs. 1 VwGO, sondern nach § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG. Danach muss die Klage, sofern die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden ist, binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 9 Januar 2012 für die Erweiterung des Milchviehbetriebs des Beigeladenen ist eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Das Vorhaben fällt unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG, da eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Es unterliegt nach § 3c Sätze 2 und 5, § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG und der Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG der Pflicht zur standortbezogenen Vorprüfung. Die Erweiterung des Boxenlaufstalls überschreitet erstmals den Größenprüfwert der Nr. 7.5.2 der Anlage 1 zum UVPG. Das Vorhaben ist dem Kläger - unstreitig - weder bekanntgegeben worden noch ist eine öffentliche Bekanntmachung des Genehmigungsbescheids erfolgt.

Die Jahresfrist des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG war im Zeitpunkt der Klageerhebung am 23. Juli 2013 noch nicht abgelaufen. Der Kläger hatte (erst) aufgrund der Akteneinsicht am 15. Juli 2013 sicher positive Kenntnis von der erteilten Genehmigung. Hinweise auf eine frühere positive Kenntnis der Genehmigung bestehen nicht.

Die Frist des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch nicht deshalb schon abgelaufen, weil der Kläger seit mehr als einem Jahr von der erteilten Genehmigung hätte Kenntnis erlangen können. Für die Frage, wann von einem Kennenkönnen i S. d. § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auszugehen ist, kann die zum Baunachbarrecht ergangene Rechtsprechung zur Verwirkung von Klagerechten als Orientierung herangezogen werden. Übertragen auf § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG bedarf es für ein Kennenkönnen nicht nur der Erkennbarkeit von Bauarbeiten. Auch die mögliche Relevanz für einen Umweltrechtsbehelf muss erkennbar sein (dazu a). Offenbleiben kann vorliegend, auf wessen Kenntnis im Rahmen des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG abzustellen ist (dazu b). Die durchgeführten Bauarbeiten gaben vor Januar 2013 keinen Anlass, sich über das Vorliegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu informieren (dazu c).

a) Der Gesetzgeber hat die Jahresfrist in § 2 Abs. 4 UmwRG der gleichlautenden Fristbestimmung im damaligen § 61 BNatSchG nachgebildet, die für naturschutzrechtliche Verbandsklagen galt.

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, BT-Drs. 16/2495, Seite 12.

Die bundesrechtliche Regelung der Verbandsklage des § 61 BNatSchG folgte wiederum dem Vorbild landesrechtlicher Verbandsklageregelungen.

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum BNatSchGNeuregG (zu § 60 Abs. 4 BNatSchG-E), BT-Drs. 14/6378, Seite 61.

Die im damaligen § 61 Abs. 4 BNatSchG geregelte Jahresfrist sollte der Schaffung von Rechtssicherheit dienen und orientierte sich an den in der Rechtsprechung in Anlehnung an § 58 Abs. 2 VwGO entwickelten Regeln für die Verwirkung des Klagerechts. Der Gesetzgeber sah die Frist von einem Jahr auch mit Blick darauf als geboten an, dass das Klagerecht von gemeinnützigen Vereinen wahrzunehmen sei und diese bei der fachlichen wie vielfach auch bei der finanziellen Vorbereitung in besonderem Maße auf die Mitwirkung von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern angewiesen seien.

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum BNatSchGNeuregG (zu § 60 Abs. 4 BNatSchG-E), BT-Drs. 14/6378, Seite 62.

Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht bei der Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG zu Recht die zum Baunachbarrecht aufgestellten Grundsätze zur Verwirkung von Klagerechten herangezogen. Danach ist von einem Kennenkönnen regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfragen beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 24; Beschluss vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2009 - 8 B 1342/09.AK -, ZUR 2010, 204 = juris Rn. 44.

Für einen möglichen Fristbeginn sind in der Regel tatsächliche Vorgänge im Rahmen eines Baugeschehens - wie etwa deutlich wahrnehmbare Bauarbeiten - relevant, die auf die vorangegangene Erteilung einer Baugenehmigung schließen lassen.

Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 29. April 2010 - OVG 10 S 5.10 -, BRS 76 Nr. 172 = juris Rn. 23.

Allein auf die Sichtbarkeit von Baumaßnahmen und die damit einhergehende Erkennbarkeit einer vorliegenden Baugenehmigung abzustellen genügt den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht. Nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann vielmehr für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 ? IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 24, und Beschluss vom 16. April 2002 - 4 B 8.02 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 164 = juris Rn. 11; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 29. April 2010 - OVG 10 S 5.10 -, BRS 76 Nr. 172 = juris Rn. 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14. Mai 2012 - 10 S 2693/09 -, BRS 79 Nr. 183 = juris Rn. 38.

Übertragen auf die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG bedeutet dies, dass von einem Kennenmüssen im Sinne der Vorschrift dann auszugehen ist, wenn sich für die jeweilige Vereinigung das Bestehen einer Genehmigung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG sowie die Möglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 UmwRG aufdrängen musste. Etwaige Bauarbeiten müssen daher den Schluss nahelegen, dass es sich um ein Vorhaben handelt, für das insbesondere nach § 1 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG i. V. m den Vorschriften des UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann oder nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 1. Alternative UmwRG i. V. m. der Anlage 1 zur 4. BImSchV ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen ist.

b) Auf wessen Kenntnis bzw. Möglichkeit zur Kenntnisnahme dabei im Rahmen der Verbandsklage abzustellen ist, kann vorliegend offen bleiben. Gleich, ob man dabei nur auf den Vorstand des Vereins, die insoweit besonders beauftragten Mitglieder und ggf. die hauptamtlichen Angestellten abstellt oder weitergehend bei großen Vereinen eine Pflicht zur Organisation eines Informationsaustauschs zwischen den jeweiligen Ortsgruppen und dem Zentralverein annimmt,

in diesem Sinne OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2009 - 8 B 1342/09.AK -, ZUR 2010, 204 = juris Rn. 42; Konrad, in: Konrad/Mühlbauer/ Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Auflage 2013, § 64 BNatSchG Rn. 18,

führt dies in diesem Fall nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Selbst wenn man auf das Wissen des einzelnen Mitglieds vor Ort abstellen würde,

vgl. gegen eine so weite Auslegung der Organisationspflicht Konrad, in: Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Auflage 2013, § 64 BNatSchG Rn. 18,

würde dies nicht dazu führen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung die Genehmigung länger als ein Jahr hätte kennen können.

c) Die nach den Angaben des Beigeladenen etwa von März bis September 2012 auf seinem Grundstück durchgeführten Arbeiten - das Auffüllen einer südlich des bestehenden Boxenlaufstalls befindlichen Grube und das Planieren dieses Bereichs - boten keinen hinreichenden Anlass zu der Annahme, dem Beigeladenen sei eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für ein (potentiell) UVP-pflichtiges Vorhaben, insbesondere die Erweiterung des vorhandenen Boxenlaufstalls, erteilt worden. Das Auffüllen der Grube mit Erde, Schlacke und Kies und das Herstellen einer planen Fläche deutete nicht auf ein solches Vorhaben hin. Vielmehr durfte der Kläger davon ausgehen, dass lediglich eine für den Betrieb des Hofes bzw. der unmittelbar angrenzenden Biogasanlage nutzbare Außenfläche hergestellt werde. Ausweislich des von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbilds vom Januar 2013 fügt sich die entstandene ebene Fläche in die Betriebsflächen des Hofes und der Biogasanlage so ein, dass der Eindruck einer Fahr-, Abstell- und Lagerfläche entsteht.

Dass über das Verfüllen der Grube sowie das Planieren hinaus noch weitere Arbeiten ausgeführt worden wären, die auf eine weitergehende Bebauungsabsicht hingedeutet hätten, hat der Beigeladene nicht vorgetragen. Dies ergibt sich auch nicht aus den mit der Zulassungsbegründung vorgelegten Rechnungen. Zwei Rechnungen betreffen die Biogasanlage, so die Rechnung der der Firma W. Erdbewegungen vom 25. April 2012 und die der E. Baumaschinen GmbH & Co. KG vom 25. Juni 2012. Allen anderen Rechnungen fehlt es schon - jedenfalls angesichts der Biogasanlage auf dem gleichen Grundstück - an einer hinreichenden Zuordnung. Lediglich eine Rechnung trägt den handschriftlichen Vermerk "Baukonto Kuhstall".

2. Die von dem Beigeladenen im Rahmen des Zulassungsverfahrens vorgebrachten Einwände stellen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei begründet, nicht in Frage. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Vorhaben des Beigeladenen gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verstößt, weil es zu erheblichen Geruchsbelästigungen führt. Zur Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen kann auf die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) zurückgegriffen werden (dazu a). Diese legt für Tierhaltungsgerüche im Außenbereich grundsätzlich einen Immissionswert IW = 0,15 fest. Im Einzelfall kann der Immissionswert bei entsprechender Begründung auf bis zu 0,25 erhöht werden (dazu b). Eine Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls ist vorliegend nicht erfolgt (dazu c). Bei einem neuen Genehmigungsverfahren dürfte die unterschiedliche Geruchsqualität von Tierhaltung und Biogasanlage zu berücksichtigen sein (dazu d).

a) Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften die GIRL in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 als Orientierungshilfe herangezogen werden; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, juris Rn. 49 ff., m. w. N.

b) Einen Immissionswert für den Außenbereich, in dem sowohl das Vorhaben des Beigeladenen als auch das maßgebliche Wohnhaus liegen, regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen. Dabei ist im Gegensatz zur Auffassung des Beigeladenen auch im Außenbereich grundsätzlich der für das Dorfgebiet geltende Immissionswert von 0,15 maßgeblich. Die Bestimmung eines höheren Immissionswerts für landwirtschaftliche Gerüche setzt das Vorliegen besonderer Einzelfallumstände voraus.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl 2014, 318 = juris Rn. 8, und Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, juris Rn. 53, m. w. N.

Soweit der Beigeladene sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und des 7. Senats des beschließenden Gerichts beruft,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. März 2009 - 7 D 129/07.NE -, BRS 74 Nr. 22 = juris Rn. 126; Schl-H. OVG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 1 LB 6/10 -, NordÖR 2011, 284 = juris Rn. 23,

übersieht er, dass diese - in Übereinstimmung mit dem Vorstehenden - ebenfalls eine Erhöhung des Immissionswertes von den speziellen Randbedingungen des Einzelfalls abhängig machen.

Bei der Prüfung, ob unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls eine Erhöhung des Immissionswerts von 0,15 im Außenbereich gerechtfertigt ist, ist die Feststellung einer Außenbereichslage daher nur notwendige, aber für sich allein nicht hinreichende Bedingung. Insoweit bedarf es vielmehr einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat. Hierbei ist es aus rechtlicher Sicht ausreichend, aber auch erforderlich, dass sich der maßgebliche Immissionswert und die Einzelfallbeurteilung jedenfalls aus der Begründung des Bescheids oder aus den zulässigerweise in Bezug genommenen Antragsunterlagen ergeben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 56, und Urteil vom 1. Juni 2015 ? 8 A 1760/13 -, juris Rn. 79 ff., jeweils m. w. N.; vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 27. März 2014 ? 22 ZB 13.692 -, juris Rn. 10 ff.

c) Die von dem Vorhaben ausweislich des vorgelegten Gutachtens einschließlich der Vorbelastung ausgehenden Geruchsimmissionen (IGb = 0,20) an dem nächstgelegenen Wohnhaus P. Nr. überschreiten den für Tierhaltungsgerüche im Außenbereich regelmäßig zulässigen Immissionswert IW = 0,15. Somit bedarf es einer einzelfallbezogenen Bewertung der besonderen Randbedingungen durch die Genehmigungsbehörde. Diesem Erfordernis genügt der Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2012 erkennbar nicht. Ausweislich der Auflage 5.4 der Anlage 2 zum Genehmigungsbescheid dürfen die von der Anlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen einen Wert von 0,25 gemäß GIRL an der nächsten, nordöstlich gelegenen Wohnbebauung im Außenbereich nicht überschreiten. Diese Festlegung eines Immissionswertes für den Außenbereich beinhaltet keine Auseinandersetzung mit den besonderen Randbedingungen des Einzelfalls. Nichts anderes gilt für die bloße Feststellung unter Punkt B.II.2 der Begründung des Bescheids, die Genehmigungsvoraussetzungen seien eingehalten.

Das unter Nr. 6) der Anlage 1 zum Genehmigungsbescheid zulässigerweise in Bezug genommenen Geruchsgutachten der Landwirtschaftskammer NRW vom 2. Februar 2011 setzt sich mit den besonderen Randbedingungen ebenfalls nicht auseinander. Es beschränkt sich unter Punkt 5.2 (Bewertung) auf die Wiedergabe der Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL. Hiernach seien Geruchsimmissionen durch Tierhaltung im Außenbereich häufig anzutreffen, so dass der Wohnbebauung nicht der gleiche Schutzanspruch zukomme. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung könne ein Immissionswert von bis zu 25 % zur Beurteilung heranzuziehen sein. Dieser Wert werde eingehalten. Eine Einzelfallprüfung unterbleibt aber. Dementsprechend wird auch nicht zwischen landwirtschaftlichen Gerüchen und Gerüchen aus Biogasanlagen unterschieden (s. dazu auch unter d)).

Erweist sich die Geruchsimmissionsbelastung aus diesem Grund als unzulässig, kommt es auf die Frage, ob landwirtschaftliche Gerüche i. S. d. Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, nur solche aus bauplanungsrechtlich als landwirtschaftlicher Tierhaltung i. S. d. § 201 BauGB nicht mehr an.

d) Der Senat weist im Hinblick auf ein mögliches weiteres Genehmigungsverfahren ergänzend darauf hin, dass eine Erhöhung des zulässigen Immissionswerts für landwirtschaftliche Gerüche auf 0,25 dann nicht in Betracht kommen dürfte, wenn mit dem Geruchsimmissionsgutachten davon auszugehen sein sollte, dass keine relevante Vorbelastung durch andere landwirtschaftliche Betriebe vorliegt.

Weiterhin müsste ein "auf der sicheren Seite liegendes" Geruchsimmissionsgutachten berücksichtigen, dass die Geruchsimmissionen von Biogasanlagen regelmäßig keine landwirtschaftlichen, sondern gewerbliche Gerüche darstellen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 71.

Gelten in einem Beurteilungsgebiet für Tierhaltungsgerüche und Industrie- und Gewerbegerüche unterschiedliche Immissionswerte, reicht es für die Feststellung, dass die Geruchsbelastung an einem Immissionsort zumutbar ist, nicht aus, wenn die beide Geruchstypen erfassende Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionspunkt den höheren Immissionswert einhält. Zusätzlich muss der jeweilige Immissionswert auch bezogen auf den jeweiligen Geruchstyp eingehalten werden und das "Gesamtkontingent" darf nicht überschritten werden. Die vom LANUV NRW vorgeschlagene, von dem sogenannten "GIRL-Expertengremium" für das Dorfgebiet entwickelte Prüfregel

(ITH : IWTH) + (IG/I : IWG/I) ? 1,0

ermöglicht in diesem Zusammenhang eine sichere Beurteilung dieser weiteren Vorgabe auch im Außenbereich. Dabei ist zu berechnen, welche Anteile ihres Immissionswerts die beiden Geruchskategorien jeweils ausschöpfen. Die erste Klammer betrifft Gerüche aus der Tierhaltung und gibt den Anteil der ermittelten Immissionsbelastung (ITH) an dem zulässigen Immissionswert für Tiergerüche (IWTH) an; die zweite Klammer betrifft Gerüche aus Industrieanlagen und Gewerbebetrieben und gibt den Anteil der ermittelten Immissionsbelastung (IG/I) an dem zulässigen Immissionswert für gewerbliche bzw. industrielle Gerüche (IWG/I) an. Die Summe beider Anteile darf den Wert von 1,0 nicht überschreiten.

Vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 62 ff.

II. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art auf, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten liegen vor, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Januar 2008 ? 8 A 90/08 -, NWVBl 2008, 275 = juris Rn. 21, und vom 15. November 2011 - 8 A 2066/11 -, juris Rn. 4; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 106.

Die von dem Beigeladenen geltend gemachten Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art liegen - unabhängig von der Frage, ob die hierzu erfolgten Darlegungen den an sie zu stellenden Erfordernissen genügen - nicht vor. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, können sowohl die Frage der Einhaltung der Klagefrist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG wie auch die Frage der (Un-)Zulässigkeit der Geruchsimmissionen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Bezug auf den anzusetzenden Immissionswert ohne weiteres im Zulassungsverfahren geklärt werden.

III. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, noch nicht geklärten und für die Rechtsmittelentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, die eine obergerichtliche Entscheidung geboten sein lässt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 = juris Rn. 2 (zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Januar 2008 - 8 A 90/08 -, NWVBl 2008, 275 = juris Rn. 23, und vom 25. März 2010 - 8 A 935/09 -, juris Rn. 43; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 127, 142.

Soweit der Beklagte und der Beigeladene die Frage aufwerfen, welche Anforderungen konkreter Natur an das Kennenkönnen der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 4 UmwRG zu stellen sind und insbesondere welcher Qualität und welchen Umfangs die erkennbaren Baumaßnahmen sein müssen, ist diese Frage einer allgemeinen, über den Einzelfall hinausgehenden Klärung nicht zugänglich.

Vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Aspekts BVerwG, Beschluss vom 13. November 1987 - 5 B 152.86 -, Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 10 = juris Rn. 5; Beschluss vom 22. November 1993 - 1 B 184/93 -, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 134 = juris Rn. 5; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 127.

Wann sich bei Anwendung der zum Baunachbarrecht entwickelten Rechtsprechung aufgrund von Bauarbeiten aufdrängen muss, dass eine Entscheidung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ergangen ist, kann über eine abstrakte Betrachtung hinaus nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.

Die von dem Beklagten weiterhin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, welche Auswirkungen eine organisatorische Pflicht habe, den Informationsaustausch innerhalb einer anerkannten Vereinigung sicherzustellen, würde sich - wie bereits ausgeführt - in einem Berufungsverfahren so nicht stellen. Selbst wenn man eine solche Pflicht annähme, hätte die Jahresfrist des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG jedenfalls nicht vor Januar 2013 zu laufen begonnen. Gleiches gilt für die von dem Beigeladenen als grundsätzlich bezeichnete Frage, ob Gerüche aus landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung nach der GIRL unterschiedlich zu bewerten seien. Diese Frage wäre vorliegend, wie ausgeführt, nicht entscheidungserheblich. Sie ist im Übrigen zwischenzeitlich durch den Senat bereits geklärt worden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, juris Rn. 71 ff.

Soweit der Beigeladene schließlich geltend macht, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung weiche hinsichtlich des Begründungserfordernisses für eine Überschreitung eines Immissionswertes von 0,15 im Außenbereich von dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2010,

- 1 LB 6/10 -, NordÖR 2011, 284 = juris Rn. 23,

ab, ist dies - wie bereits ausgeführt - nicht der Fall. Im Übrigen hat der Senat in seinem Urteil vom 1. Juni 2015,

- 8 A 1760/13 -, juris Rn. 77 ff.,

bereits geklärt, dass es einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde bedarf, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat.

IV. Das angegriffene Urteil beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.

Ein Verstoß gegen die aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgende Aufklärungspflicht des Gerichts liegt nicht vor.

Diesbezüglich ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die ordnungsgemäße Geltendmachung eines solchen Verstoßes voraussetzt, dass der Beteiligte im Prozess auf die Durchführung der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er rügt, hingewirkt hat oder sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 = juris Rn. 4, und vom 23. Juli 2003 - 8 B 57.03 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 330 = juris Rn. 2.

Für die Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist die materiellrechtliche Auffassung der Vorinstanz zu Grunde zu legen. So kann ein Aufklärungsmangel nur vorliegen, wenn die nicht aufgeklärte Tatsache nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Oktober 1972 ? VI B 57.71 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 92, vom 31. Juli 1989 - 7 B 104.89 -, NVwZ 1990, 65 = juris Rn. 10, und vom 24. September 1996 - 1 B 165.96 -, juris Rn. 8; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 197.

Auf die von dem Beigeladenen für erheblich gehaltene Frage des Charakters und der Historie der nächstgelegenen Bebauung im Außenbereich kam es nach der - zutreffenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht an. Für eine Erhöhung des Immissionswertes über 0,15 hinaus fehlt es bereits an einer einzelfallbezogenen Bewertung durch die Genehmigungsbehörde.

Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht, wie der Beklagte geltend macht, in dem Ergehen eines Sach- statt eines Prozessurteils. Nach der - ebenfalls zutreffenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts war die Klage zulässig, so dass ein Urteil in der Sache schon aus diesem Grund verfahrensfehlerfrei ergangen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei orientiert sich der Senat an Nr. 1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013,

abzurufen unter http://www.BVerwG.de/medien/pdf/ streitwertkatalog.pdf,

und setzt auch für das Berufungszulassungsverfahren einen Streitwert von 15.000,- Euro an.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).