LG Dortmund, Urteil vom 01.07.2015 - 5 O 35/15
Fundstelle
openJur 2015, 20680
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.283,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der N GmbH & Co. KG von dem Beklagten die Rückzahlung von Ausschüttungen in Höhe von 16.283,88 EUR.

Die N GmbH & Co. KG (im Folgenden Insolvenzschuldnerin) ist ein Schiffsfond mit Sitz in M. Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin war insbesondere der Erwerb und der Betrieb des Motorschiffs N2. Das Kommanditkapital der Insolvenzschuldnerin, welche etwa knapp 200 Kommanditisten hat, beträgt 9.840.000,00 EUR.

Der Beklagte erklärte am 16.12.1997 gegenüber der Treuhänderin H Gesellschaft für Konzeption, Beratung, Vermittlung und Betreuung privater Investitionen GmbH aus N3 (Treuhandkommanditistin) seinen Beitritt zur Insolvenzschuldnerin mit einer Beteiligung von 100.000,00 DM zuzüglich 5 % Agio (Beitrittserklärung vom 16.12.1997, Anl. K1).

Die Treuhänderin übernahm gemäß A.1. des Treuhandvertrages, welcher als Anl. K2 vorliegt, in Verbindung mit § 6 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages der Insolvenzschuldnerin (Anl. K3) sowie der Beitrittserklärung (Anl. K1) für den Beklagten die förmliche Stellung als Kommanditistin im Handelsregister.

Im Treuhandvertrag (Anl. K2) heißt es unter A.3.3.2.:

"Der Anleger trägt das anteilige wirtschaftliche Risiko in Höhe seiner Beteiligung. Er haftet nur in Höhe seiner Einlage. Eine Nachschussverpflichtung ist ausgeschlossen, sofern und soweit er seine Einlage geleistet und nicht wieder entnommen oder zurückerhalten hat. Die sich aus der Beteiligung ergebenden steuerlichen Wirkungen betreffen ausschließlich den Anleger."

B.5.1. des Treuhandvertrages lautet:

"Der Anleger stellt die H von allen Verbindlichkeiten frei, die der H im Zusammenhang mit der treuhänderischen Übernahme und/oder Verwaltung seiner Beteiligung entstehen."

In § 15 Abs. 1 des Gesellschaftervertrages (Anl. K3) heißt es:

"Am Gewinn und Verlust der Gesellschaft sind die Kommanditisten im Verhältnis ihrer gezeichneten Einlagen (Kommanditanteil ohne Agio) beteiligt."

In den Folgejahren wurden an den Beklagten insgesamt 16.283,88 EUR ausgeschüttet (vgl. Zahlungsübersicht, Anl. K4):

06.09.2000: 3.000,00 DM, also 1.533,88 EUR

18.11.2004: 1.250,00 EUR

27.10.2005: 3.000,00 EUR

31.10.2006: 3.500,00 EUR

30.10.2007: 3.500,00 EUR

24.11.2008: 3.500,00 EUR

Summe 16.283,88 EUR

Die Insolvenzschuldnerin erwirtschaftete in den Jahren 1998 bis 2002 insgesamt keine Gewinne. Stattdessen erwirtschaftete sie bilanzielle Verluste von insgesamt etwa 12.918.000,00 EUR. In den Jahren 2003 bis 2007 erwirtschaftete die Insolvenzschuldnerin Gewinne in Höhe von insgesamt 3.689.000,00 EUR. Wegen der Einzelheiten zu Gewinn- und Verlustbilanzen der Insolvenzschuldnerin wird auf die Ausführungen des Klägers in der Klageschrift vom 13.01.2015, dort S. 3 f., sowie auf die als Anl. K 5 bis K 15 auszugsweise vorliegenden Jahresabschlüsse der Insolvenzschuldnerin der Jahre 2000 bis 2010 Bezug genommen.

Unter dem 23.11.2012 stellte die Insolvenzschuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Durch Beschluss des Amtsgerichts M vom 08.02.2013 zum Aktenzeichen - # IN ...#/... - wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Bestellungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 08.02.2013, Anl. K19).

Die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen betragen vorläufig 1.816.618,57 EUR (vgl. Schlussverzeichnis, Anl. K16). Der aktuelle Massebestand der Insolvenzschuldnerin beträgt 1.049.952,78 EUR (vgl. Kontoauszüge, Anl. K17). Weitere Konten oder Massen sind nicht vorhanden.

Mit Schreiben vom 08.01.2014, 03.02.2014, 23.05.2014 und 12.11.2014 (Anl. K20 bis K23) forderte der Kläger den Beklagten mehrfach erfolglos zur Rückzahlung der an ihn erfolgten Ausschüttungen auf.

Der Kläger behauptet, das Kapitalkonto des Beklagten sei durch die Auszahlungen unter die vereinbarte Haftungssumme von 100.000,00 DM gefallen. Das Haftungskapital sämtlicher Kommanditisten und somit auch das Konto des Beklagten sei seit Beginn an deutlich unter den Haftbetrag und aufgrund der Ausschüttungen noch weiter unter die jeweiligen Hafteinlagen gesunken. Auch durch spätere Jahresüberschüsse in den Jahren 2003 bis 2010 sei zu keinem Zeitpunkt der ursprüngliche Stand der Hafteinlagen wieder erreicht worden.

Der Kläger behauptet weiter, mit Vereinbarung vom 16.04.2013 habe ihm die H GmbH deren Freistellungsansprüche gegen die Anleger wirksam abgetreten.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.283,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet eine ordnungsgemäße Abtretung des Freistellungsanspruchs an die Insolvenzschuldnerin. Weder aus der Klageschrift noch aus der Abtretungserklärung seien die Vertretungsverhältnisse der Treuhandgesellschaft ersichtlich. Die Vertretungsverhältnisse werden bestritten.

Er ist der Ansicht, die Freistellungserklärung im Treuhandvertrag sei nicht hinreichend verständlich. Die unter B.5.1. verwandte Klausel halte einer Überprüfung nach § 305c Abs. 1 BGB nicht stand.

Schließlich ist der Beklagte der Ansicht, nicht alle Ausschüttungen ließen die Haftung wieder aufleben. Die Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs. 4 AGB werde durch die Haftsumme, die Höhe des ausgezahlten Betrages und das Ausmaß dadurch gegebenenfalls entstehender Haftungssummenunterdeckungen begrenzt.

Hinsichtlich des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze und die zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 und 2 HGB i.V.m. § 398 BGB und die hierauf geltend gemachten Zinsen zu.

1.

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich aus §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 und 2 HGB i.V.m. § 398 BGB.

a)

Ein unmittelbarer Anspruch des Klägers gegen den beklagten Treugeber aus § 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 und 2 HGB scheitert in Ermangelung einer formellen Kommanditisteneigenschaft des Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.1980 - II ZR 250/78, BGHZ 76, 127, 130; Urt. v. 11.11.2008 - XI ZR 468/07, BGHZ 178, 271 Rn. 21; Urt. v. 12.02.2009 - III ZR 90/08, NZG 2009, 380 Rn. 35; Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 148/08, ZIP 2009, 1266 Rn. 15; Urt. v. 22.03.2011 - II ZR 271/08, BGHZ 189, 45-56).

b)

Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf Rückzahlung der ausgeschütteten Beträge aus abgetretenem Recht der Treuhandkommanditistin zu.

aa)

Die Treuhänderin hat den ihr gegen den beklagten Treugeber zustehenden Freistellungsanspruch wirksam an den Kläger nach § 398 BGB abgetreten.

Die Abtretung ist nicht gemäß § 399 Fall 1 BGB ausgeschlossen. Zwar verändert der Freistellungsanspruch infolge der Abtretung seinen Inhalt, da er sich in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Eine solche Veränderung des Leistungsinhalts hindert die Abtretung aber nicht, wenn der Freistellungsanspruch gerade an den Gläubiger der zu tilgenden Schuld abgetreten wird (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1954 - I ZR 34/53, BGHZ 12, 136, 141 f.; Urt. v. 05.05.2010 - III ZR 209/09, ZIP 2010, 1295 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. 2015, § 399 Rn. 4 m.w.N.). Als solcher ist hinsichtlich der sich aus der Kommanditistenhaftung gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB ergebenden Ansprüche im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft der Insolvenzverwalter anzusehen (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.03.2011 - II ZR 271/08, BGHZ 189, 45-56; OLG Köln, NZG 2009, 543, 544; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 1694, 1695 f. m.w.N.). Gemäß § 171 Abs. 2 HGB ist er zur Durchsetzung der Ansprüche gegen Kommanditisten ermächtigt, während die Gesellschaftsgläubiger, die materiellrechtliche Anspruchsinhaber bleiben, daran gehindert sind, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen. Berechtigte Interessen des Schuldners des Freistellungsanspruchs, deren Schutz das Abtretungsverbot nach § 399 Fall 1 BGB bezweckt, werden durch die Abtretung an den Insolvenzverwalter anstelle des Gesellschaftsgläubigers nicht beeinträchtigt.

Die Parteien haben die Abtretung auch nicht vertraglich ausgeschlossen, § 399 Fall 2 BGB. Eine solche Abrede ergibt sich insbesondere nicht aus B.5.1. des Treuhandvertrages (Anl. K2), der den Freistellungsanspruch der Treuhandkommanditistin regelt.

Anhaltspunkte, die ein konkludent vereinbartes Abtretungsverbot nahe legen, sind nicht ersichtlich. Die Abtretung ist ferner weder sittenwidrig noch stellt sie eine unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB dar. Infolge der Abtretung verwirklicht sich vielmehr nur das mit dem Treuhandvertrag verbundene Ziel, dass die wirtschaftlichen Folgen der Kommanditbeteiligung die Treugeber selbst treffen.

Soweit der Beklagte bestreitet, dass eine ordnungsgemäße Abtretung erfolgt sei und insofern die Vertretungsbefugnisse der Treuhänderin in Zweifel zieht, ist dieser Vortrag vor dem Hintergrund, dass als Anl. K18 eine Abtretungserklärung vorliegt, zu pauschal und damit unbeachtlich.

bb)

Infolge der Abtretung des Freistellungsanspruchs steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch zu.

Gegen die Treuhandkommanditistin ist ein Anspruch des Klägers aus §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 und 2 HGB begründet.

Durch die Ausschüttungen an die über die Treuhandkommanditistin beteiligten Treugeber hat die Insolvenzschuldnerin die Einlage im Sinne von § 172 Abs. 4 HGB teilweise zurückbezahlt (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2011 - II ZR 271/08, BGHZ 189, 45-56; BGH, Urt. v. 20.10.1975 - II ZR 214/74, WM 1976, 130, 131; Urt. v. 28.01.1980 - II ZR 250/78, BGHZ 76, 127, 130).

Der Anspruch aus § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 und 2 HGB ist zwar nicht begründet, soweit die Haftsumme zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht benötigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.03.1958 - II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 56 f.; Urt. v. 11.12.1989 - II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344). Diese Voraussetzung ist hier indes erfüllt. Die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können, übersteigen vorliegend die Summe aller Ausschüttungen.

Der Rückzahlungsanspruch des Klägers umfasst alle Ausschüttungen; sie waren sämtlich haftungsbegründend nach § 172 Abs. 4 HGB.

Der Umfang, in dem die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt, ist in dreifacher Hinsicht, nämlich durch die Haftsumme, die Höhe des ausgezahlten Betrags und durch das Ausmaß der dadurch gegebenenfalls entstehenden Haftsummenunterdeckung begrenzt (vgl. MüKoHGB/Schmidt, 3. Aufl. 2012, §§ 171, 172 Rn. 65). Die Ausschüttungen in Höhe von 16.283,88 EUR sind die niedrigste Position. Die Haftsumme des Beklagten beträgt 100.000,00 DM, d.h. 51.129,20 EUR. Die Haftsummenunterdeckung übersteigt diese noch. Das Kapitalkonto des Beklagten ist vorliegend infolge der Ausschüttungen und der zugeschriebenen Verluste rechnerisch sogar negativ. Da die Insolvenzschuldnerin in den ersten Geschäftsjahren 1997 bis 1999 handelsbilanzielle Verluste von 23.679.000,00 DM, d.h. 12.106.880,45 EUR, auswies, die gemäß § 15 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (Anl. K3) den Kapitalkonten der Treugeber im Verhältnis ihrer Anteile zugewiesen worden sind, lag bereits bei der ersten Ausschüttung am 06.09.2000 eine erhebliche Haftungssummenunterdeckung vor (bei einem Verlustanteil von ca. 60.500,00 EUR pro Kommanditist ergibt sich für den Beklagten zum 31.12.1999 ein Kapitalkontostand von etwa - 9.370,00 EUR). Diese hat sich durch die dem Kapitalkonto in den Jahren 2000, 2001 und 2002 zugewiesenen Verluste und die in den Jahren 2004, 2005, 2006, 2007 und 2008 erfolgten Ausschüttungen noch weiter vertieft. Die Gewinne in 2003 (702.000,00 EUR), 2004 (343.000,00 EUR), 2005 (691.000,00 EUR), 2006 (1.407.000,00 EUR) und 2007 (546.000,00 EUR), die dem Kapitalkonto des Beklagten anteilig zugewiesen wurden, haben dieses nicht ansatzweise auf einen Stand von 34.845,32 EUR (Haftsumme abzüglich Ausschüttungen) bzw. gar auf den Stand der Haftungssumme aufzufüllen vermocht.

Der beklagte Treugeber ist schließlich verpflichtet, die Treuhänderin von Verbindlichkeiten, die dieser im Zusammenhang mit der treuhänderischen Übernahme der Beteiligung als Treuhandkommanditistin entstehen, - und somit auch von der soeben dargestellten Forderung - freizustellen.

Dies folgt schon aus §§ 675, 670 BGB. Bei dem Treuhandverhältnis handelt es sich um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 675 Rn. 27). Nach § 675 Abs. 1 BGB findet unter anderem § 670 BGB auf entgeltliche Geschäftsbesorgungen Anwendung. Gemäß § 670 BGB sind dem Beauftragten die zum Zwecke der Ausführung des Auftrags notwendigen Aufwendungen vom Auftraggeber zu ersetzen.

Insofern kann dahinstehen, ob es sich bei der vertraglichen Vereinbarung B.5.1. des Treuhandvertrages (Anl. K2) um eine - wie vom Beklagten vertreten - nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung handelt.

2.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2014 gemäß § 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB analog zu. Der Mahnbescheid vom 16.12.2014 ist dem Beklagten am 18.12.2014 zugestellt worden.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.