OLG München, Beschluss vom 12.11.2015 - 34 Wx 259/15 Kost
Fundstelle
openJur 2015, 18940
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen - Grundbuchamt - vom 28. Juli 2015 (Geschäftswertfestsetzung) wird zurückgewiesen.

Gründe

Zu Urkunde vom 9.12.2013 übertrug der 1959 geborene Christoph Z. Grundbesitz an die Beteiligte zu 1, eine (Familien-)Verwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zum Kaufpreis von 4 Mio. Euro (Ziff. III.). Nach Ziff. IV. der Urkunde behielt sich der Verkäufer als weitere Gegenleistung neben dem Kaufpreis auf seine Lebensdauer den Nießbrauch am gesamten verkauften Grundbesitz vor, der aus drei Grundstücken nebst einem Miteigentumsanteil bestand. Am 16.1.2014 wurden die am 11.12.2013 beantragten Auflassungsvormerkungen im Grundbuch eingetragen. Nach Endvollzug mit Eigentumsumschreibung und Nießbrauchseintragung am 16.7.2014 setzte der Kostenbeamte des Grundbuchamts den Wert für die Eigentumsumschreibung mit 8 Mio. € und den Wert für die Eintragung des Nießbrauchs mit 4 Mio. € an. Die Kostenschuldnerin - Beteiligte zu 1 - beanstandete zunächst den aus ihrer Sicht überhöhten Ansatz für den Nießbrauch; dieser sei höchstens mit 1,5 Mio. € zu bewerten (Jahresmietertrag von 150.000 € x 10 Jahre). Mit Schreiben vom 3.12.2014 vertrat sie die Ansicht, der Mietertrag sei pro Jahr mit maximal 95.000 € anzusetzen.

Der dazu angehörte Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse (Beteiligter zu 2) kam auf der Grundlage dreier im Zwangsversteigerungsverfahren erholter und beigezogener Gutachten in seiner Stellungnahme vom 22.5.2015 für die Bewertung des Nießbrauchs zu dem Ergebnis, dass dieser mit 2.482.610 € anzusetzen sei.

Der berichtigte Kostenansatz vom 3.7.2015 geht von diesem Nießbrauchswert aus, den die Beteiligte zu 1, anschließend an ihre Bewertung mit maximal 95.000 € (Schreiben vom 3.12.2014), weiterhin für übersetzt hielt.

Auf das hierauf eingeleitete Verfahren hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28.7.2015 die Geschäftswerte für die Eintragung des Eigentumswechsels - „damit auch“ für die Eintragung der Eigentumsvormerkung - auf 6.482.610 € und für die Eintragung des Nießbrauchs auf 2.482.610 € festgesetzt. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen die Stellungnahme des Beteiligten zu 2 vom 22.5.2015 zu eigen gemacht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 12.8.2015. Diese meint, der Nießbrauch komme als Belastung überhaupt nicht zum Ansatz, vielmehr reduziere sich der Wert des Grundbesitzes durch den vorbehaltenen Nießbrauch. Wesentlich sei grundsätzlich der - tatsächliche - Wert zum Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der tatsächliche Wert dessen, was an Nutzungen gezogen werden könne. Erzielbar sei ein Jahresreinertrag (aus Vermietung) in Höhe von maximal 150.000 € (abzüglich 7 % anzusetzender Kosten = 139.000 €). Der Nießbrauch stelle keine Dienstbarkeit und keine wiederkehrende Leistung o. ä. dar, so dass nicht der 10-fache, sondern nur der einfache Jahreswert angesetzt werden dürfe.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Im Beschwerdeverfahren hatten die Beteiligten ergänzend Gelegenheit zur Äußerung. Namentlich wendet die Beteiligte zu 1 ein, dass die Erträge aus den drei Objekten deutlich überhöht angesetzt seien (Objekt Am St.: statt 41.500 € ein Reinertrag von 18.682,38 €; Objekt Sch.-straße: statt 143.205 € maximal 90.052,83 €; Objekt L.-Auen: statt 63.556 € maximal 51.877,45 €; insgesamt 160.612,66 €). Insgesamt errechnet sie zuletzt einen Jahresreinertrag von 160.612,66 €.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist erfolglos.

Anzuwenden ist das Kostenrecht in der Fassung des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.7.2013 (BGBl I S. 2586), das am 1.8.2013 in Kraft getreten ist (Art. 50 KostRModG).

Danach findet gegen die Festsetzung des Geschäftswerts - wie im Beschluss des Amtsgerichts vom 28.7.2015 vorgenommen - die Beschwerde nach § 83 Abs. 1 GNotKG statt. Diese ist in zulässiger Form und Frist eingelegt (§ 83 Abs. 1 Sätze 3 bis 5, § 81 Abs. 5 Sätze 1, 2 und 4 GNotKG; § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Zu entscheiden hat nach § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG der Einzelrichter des Senats.

Die Geschäftswerte für die Eintragung des Eigentumswechsels und des Nießbrauchs erweisen sich als zutreffend (1.). Ebenfalls nicht zu beanstanden ist der festgesetzte Geschäftswert für die Auflassungsvormerkung (2.).

1. Eigentumsumschreibung/Nießbrauchseintragung

a) Der Wert der Sache, auch von Grundbesitz, bestimmt sich beim Kauf nach § 47 Satz 1 GNotKG durch den Kaufpreis. Jedoch ist der Wert der vorbehaltenen Nutzungen (zu solchen zählt etwa ein Nießbrauchsvorbehalt; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG § 47 Rn. 17) hinzuzurechnen (Satz 2). Der Kaufvertrag weist als Gegenleistungen eindeutig eine entsprechende „Aufteilung“ des Werts in Barbetrag (Ziff. III.) und vorbehaltene Nutzungen (Ziff. IV.) auf. Demnach ist dem Barbetrag von 4 Mio. € der Wert des Nießbrauchs hinzuzurechnen.

b) Für den Nießbrauchswert maßgeblich ist die Vorschrift des § 52 GNotKG. Denn der Nießbrauch ist Unterfall einer Dienstbarkeit in Form eines dauernden Nutzungsrechts (vgl. § 1030 BGB als Titel 2. von Abschnitt 4. in Buch 3. - Sachenrecht; vgl. Leiß in Fackelmann/Heinemann GNotKG § 52 Rn. 8; Korintenberg/Schwarz GNotKG 19. Aufl. § 52 Rn. 27). Ergänzend kann sich der Senat auf die vom Beteiligten zu 2 aufgeführte Begründung des Gesetzgebers beziehen (BT-Drucks. 17/11471 (neu) vom 14.11.2012, S. 171).

Die von der Beschwerdeführerin erwähnte Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1988, 395) ist nicht einschlägig. Sie betrifft die Streitwertbemessung nach GKG für die Einräumung eines Nießbrauchs im Weg einer zivilgerichtlichen Klage. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen das Grundbuchrecht gehört (Neie in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG § 1 Rn. 8), gelten hingegen ausschließlich die Bewertungsvorschriften des GNotKG (§ 1 Abs. 1).

Das bedeutet namentlich, dass sich der auf die Lebensdauer des Berechtigten beschränkte Wert entsprechend seinem damaligen Lebensalter bei Entstehung des Rechts (durch Eintragung im Grundbuch) mit dem 10-fachen Jahreswert berechnet (§ 52 Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 GNotKG).

c) § 52 Abs. 5 GNotKG bestimmt mit 5 % des Werts des betroffenen Gegenstands als Jahreswert einen bloßen Hilfswert (Leiß in Fackelmann/Heinemann § 52 Rn. 22). Vorrangig ist - sofern möglich - die anderweitige Wertbestimmung. Mit den Beteiligten geht der Einzelrichter des Senats davon aus, dass die im Zwangsversteigerungsverfahren erholten Wertgutachten (siehe Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt § 46 Rn. 22 und 35) mit Stichtagen zum 27.7.2005, 15.1. 2010 und 29.2.2012 für die nur überschlägig zu berechnenden Geschäftswerte grundsätzlich noch Verwendung finden können. Dazu im einzelnen:

(1) Objekt L.-Auen:

Es handelt sich um ein (im Wesentlichen) gewerblich genutztes (bebautes) Grundstück, das zutreffend nach der Ertragswertmethode bewertet wird (vgl. Senat vom 17.6.2015, 34 Wx 61/15, juris). Das für Juli 2005 erstellte Gutachten weist einen Jahresrohertrag von 68.340 € und - abzüglich Bewirtschaftungskosten von 13 % - einen Jahresreinertag von 59.456 € aus. Es ist nicht ersichtlich und dazu auch nichts vorgebracht, dass sich die Marktsituation vor Ort markant verschlechtert hätte. Deshalb vermag die vorgelegte Mietaufstellung für Februar 2010 die gutachterliche Bewertung nicht zu entkräften, zumal der Sachverständige mit zurückhaltenden Ansätzen bewertet (Hallen: statt 8 €/m² mit 6,50 €/m²; Büroraum: in der Spanne zwischen 7,10 €/m² und 9,50 €/ m² mit 7,25 € m²) bzw. für die vorhandenen Wohnräume (bewertet mit 6,95 €/m² bzw. 5,90 €/m²) mit guter Datenlage zu Vergleichswohnraum gearbeitet hat (vgl. Gutachten zu 5.3, S. 22 f.).

Zutreffend berücksichtigt das Grundbuchamt von den gesamten Bewirtschaftungskosten nur solche, die nach dem Vertrag (Ziff. IV.) der Nießbraucher zu tragen hat (vgl. Diehn in Bormann/ Diehn/Sommerfeldt § 52 Rn. 12; Korintenberg/Schwarz § 52 Rn. 43). Demnach sind nur die Instandhaltungskosten mit 7 % wertmindernd anzusetzen.

(2) Objekt Am St.:

Es handelt sich um ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in einer vom Sachverständigen als „gut“ bezeichneten Wohnlage mit einer Gesamtwohnfläche von 208,66 m²; der Verkehrswert für 2012 wurde mit 830.000 € ermittelt und ist als solcher nicht in Zweifel gezogen.

Nach Ansicht des Senats ist hier zutreffend der Auffangwert gemäß § 52 Abs. 5 GNotKG angesetzt. Denn ein anderer Wert lässt sich nicht „verhältnismäßig leicht“ beziffern (siehe Hartmann Kostengesetze 45. Aufl. § 52 Rn. 18). Das Objekt wird als Wohnung offensichtlich von Gesellschaftern der Beteiligten zu 1 genutzt. Auch etwa vorhandene (schriftliche) Mietverträge wären nicht geeignet, mit genügender Sicherheit Auskunft über einen angemessenen und nachhaltig erzielbaren Zins zu geben. Von weitergehenden Ermittlungen war deshalb abzusehen.

Der gesetzliche Wert gemäß § 52 Abs. 5 GNotKG dient der Vereinfachung. Kommt er zur Anwendung, sind Abzüge wie die in der Beschwerde erwähnten (Verwaltungs- und Erhaltungsaufwand) nicht vorzunehmen (Leiß in Fackelmann/Heinemann § 52 Rn. 39); der dann mit 5 % des Werts des betroffenen Gegenstands errechnete Wert ist vielmehr zwingend (Diehn in Bormann/ Diehn/Sommerfeldt § 52 Rn. 9).

Für die Annahme eines niedrigeren Wertes wegen Unbilligkeit (vgl. § 52 Abs. 6 Satz 3 GNotKG: “nach den besonderen Umständen des Einzelfalls“) sind keine genügenden Anhaltspunkte vorhanden.

(3) Objekt Sch.-Straße:

Es handelt sich um ein mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebautes Grundstück, das vorrangig zur Ertragswerterzielung geeignet und bestimmt ist, so dass die Ertragswertmethode auch im Bereich der Geschäftsbewertung herangezogen werden kann (vgl. Senat vom 17.6.2015; ebenso LG München II vom 22.1.2008, 6 T 5648/07, juris). Das für Januar 2010 erstellte Gutachten weist einen Jahresrohertrag von 153.984 € und - abzüglich Bewirtschaftungskosten von 12 % - einen Jahresreinertag von 135.506 € aus.

Zutreffend berücksichtigt das Grundbuchamt von den gesamten Bewirtschaftungskosten wertmindernd nur die Instandhaltungskosten mit 7 % (siehe zu (1)).

Bei der Bewertung der nachhaltig erzielbaren Erträge schließt sich der Senat der Sachverständigenschätzung im vorliegenden Gutachten an. Es ist auch hier nicht ersichtlich und dazu nichts Konkretes vorgebracht, dass sich die Marktsituation vor Ort seit 2010 markant verschlechtert hätte. Das Objekt wird gemischt genutzt und weist vielfältige Raumangebote auf; deshalb wirken sich etwaige rückläufige Erträge in einem Segment nicht unbedingt auf andere Segmente aus. Mit anderen Worten erscheint bei einer derartigen Immobilie das Vermietungsrisiko merklich geringer als bei einem einseitig strukturierten Objekt. Das Gutachten trifft auch in diesem Fall zurückhaltende Ansätze, teilweise liegt es bei der Bewertung des nachhaltig erzielbaren Mietpreises unter den aktuell tatsächlich erzielten Preisen (Ziff. 5.4, S. 26 - 28). Deshalb vermag die vorgelegte Mietaufstellung (die Bruttomieten ausweist) zum Stichtag 15.6.2013 die gutachterliche Bewertung (die ersichtlich Ansätze ohne durchlaufende Nebenkosten enthält) nicht zu entkräften.

Der Einwand der Beteiligten zu 1, mangels Fertigstellung des Rückgebäudes im Zeitpunkt des Erwerbs sei unberechtigt (teils) nur fiktive Miete angesetzt, ist nicht stichhaltig.

Der Zeitpunkt der Wertberechnung ergibt sich aus § 59 GNotKG; es ist also regelmäßig auf den Zeitpunkt der jeweiligen den Verfahrensgegenstand betreffenden ersten Antragstellung abzustellen; anders ausgedrückt ist der maßgebliche Bewertungszeitpunkt für die Sache bzw. den Grundbesitz derjenige der Fälligkeit der Gebühr (Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 7 und 78). Der Antrag auf Endvollzug der Kaufvertragsurkunde vom 9.12.2013 mit Eintragung von Eigentumswechsel und Nießbrauch ging am 15.7.2014 beim Grundbuchamt ein (§ 13 Abs. 2 GBO). Laut Beschwerdevorbringen wurde das Objekt aber gerade im Juni/Juli 2014 und somit im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr fertiggestellt.

2. Eintragung der Auflassungsvormerkungen

Einer Korrektur bedarf auch nicht die Festsetzung für die Eintragung der Vormerkungen. Weil Zeitpunkt der Wertberechnung derjenige der Fälligkeit der Gebühr ist und sich dieser aus der Antragstellung beim Grundbuchamt ergibt (§ 59 GNotKG; § 13 Abs. 2 GBO), kommt es zwar grundsätzlich auf das Datum des Antragseingangs am 11.12.2013 an (siehe II. 1. c) (3)). Die Erweiterungsbauten im Objekt Sch.-Straße mit gewerblich genutztem Atrium und drei Reihenhäusern waren im Dezember 2013 noch nicht fertiggestellt. Allerdings weist schon das zum Stichtag 15.1.2010 erstellte Verkehrswertgutachten die zusätzliche Bebauung in entsprechender und dann letztlich auch umgesetzter Planung aus (Ziff. 3.5.3, 4.2, 4.4 und 5.4). Es ist auch offensichtlich, dass bei Fertigstellung Mitte 2014 die Bauarbeiten im Dezember 2013 längst begonnen hatten und deren Abschluss im kommenden Jahr absehbar war. Dann liegen aber für eine (positive) Wertveränderung in späterer Zeit bereits im Dezember 2013 konkrete Anhaltspunkte vor, die es erlauben, die Abweichung bereits in der Gegenwart (also zum Stichtag 11.12.2013) zu berücksichtigen (vgl. Korintenberg/Fackelmann § 59 Rn. 36).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (vgl. § 83 Abs. 3 GNotKG).

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