VG München, Urteil vom 08.07.2015 - M 6b K 14.4420
Fundstelle
openJur 2015, 18632
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Rundfunkgebühren und Rundfunkbeiträgen sowie deren Vollstreckung.

Die Klägerin wurde seit dem ... März 1995 unter der Teilnehmernummer ... als Rundfunkteilnehmerin geführt. Sie war zeitweise von der Rundfunkgebührenpflicht befreit, zuletzt bis ... Januar 2011. Über den Ablauf der Gebührenbefreiung und die Notwendigkeit der Vorlage eines neuen Befreiungsantrags und des Nachweises der Befreiungsgründe informierte sie der Beklagte mit Schreiben vom ... Dezember 2010.

Der Akte des Beklagten ist eine Zahlungserinnerung vom ... Mai 2011 sowie ein Gebührenbescheid vom ... Juli 2011 für den Zeitraum Februar 2011 bis April 2011 über a... EUR Rundfunkgebühren und einen Säumniszuschlag von b... EUR, insgesamt c... EUR, zu entnehmen. Für beide Schreiben findet sich der Vermerk „Sendung zugestellt, Rückgabe über Briefkasten“.

Ein Gebührenbescheid vom ... August 2011 für den Zeitraum Mai 2011 bis Juli 2011 über c... EUR ist mit dem Vermerk „Empfänger unter der ang. Anschrift nicht zu ermitteln oder unbekannt“ an den Beklagten zurückgegangen. Mit Bescheid vom ... März 2012 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin erneut für den Zeitraum Mai 2011 bis Juli 2011 einen ausstehenden Betrag in Höhe von c... EUR, bestehend aus a... EUR Rundfunkgebühren und b... EUR Säumniszuschlag, fest.

Mit Bescheid vom ... Mai 2012 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum August 2011 bis April 2012 einen ausstehenden Betrag in Höhe von d... EUR, bestehend aus e... EUR Rundfunkgebühren und b... EUR Säumniszuschlag, fest. Zu dieser Sendung findet sich in der Akte des Beklagten der Vermerk "Sendung zugestellt, Rückgabe über Briefkasten", ebenso wie zu einem Mahnschreiben des Beklagten vom ... Juli 2012, betreffend die Gebührenbescheide vom ... Juli 2011, ... März 2012 und ... Mai 2012. Mit Schreiben vom ... August 2012 nahm der Beklagte auf das Mahnschreiben vom ... Juli 2012 Bezug und kündigte die Zwangsvollstreckung an.

Mit Bescheid vom ... August 2012 setzte der Beklagte für den Zeitraum Mai 2012 bis Juli 2012 einen rückständigen Betrag in Höhe von c... EUR fest. Dieser ging mit dem Vermerk "Empfänger unter der ang. Anschrift nicht zu ermitteln oder unbekannt" an den Beklagten zurück.

Mit Schreiben vom ... Februar 2014 wurde die Klägerin zur Beitragsnummer ... darauf hingewiesen, dass sie bisher unter der Teilnehmernummer ... als Rundfunkteilnehmerin angemeldet gewesen sei. Das benannte Teilnehmerkonto weise einen Rückstand von ... EUR auf. Da die Klägerin auf dem Postweg nicht mehr zu erreichen gewesen sei, hätten ab November 2012 keine Zahlungsaufforderungen mehr zugesandt werden können. Aus technischen Gründen sei das Teilnehmerkonto ... zum Ende des Monats Oktober 2012 abgemeldet und gleichzeitig ab November 2012 das Beitragskonto ... für die Wohnung der Klägerin eingerichtet worden. Dieses Beitragskonto weise einen offenen Betrag von g... EUR auf.

Mit Gebühren-/Beitragsbescheid vom ... Mai 2014 (Beitragsnummer ...) setzte der Antragsgegner einen ausstehenden Betrag in Höhe von h... EUR, bestehend aus i... EUR Rundfunkgebühren für den Zeitraum Mai 2012 bis Oktober 2012 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von b... EUR, fest. Mit Schreiben vom ... Juli 2014 wurde die Klägerin vom Beklagten hierzu gemahnt.

Mit Vollstreckungsersuchen vom ... August 2014 ersuchte der Beklagte das Amtsgericht A... um Vollstreckung von insgesamt j... EUR. Dem im Ersuchen enthaltenen Ausstandsverzeichnis sind die zugrunde gelegten Bescheide vom ... Juli 2011, ... März 2012, ... Mai 2012 und ... Mai 2014 und die jeweils festgesetzten Teilbeträge zu entnehmen. Darüber hinaus sind dem Bescheid vom ... Juli 2011 k... EUR Kosten zugeordnet. Mit Schreiben des Gerichtsvollziehers vom ... September 2014 wurde die Klägerin zum ... Oktober 2014 zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen.

Nachdem die Klägerin trotz Zahlungserinnerungen nicht zahlte, setzte der Beklagte unter der Beitragsnummer ... mit Festsetzungsbescheid vom ... September 2014 gegenüber der Klägerin für den Zeitraum November 2012 bis April 2014 einen ausstehenden Betrag in Höhe von l... EUR, bestehend aus m... EUR Rundfunkgebühren (für November und Dezember 2012), n... EUR Rundfunkbeiträgen sowie b... EUR Säumniszuschlag, fest.

Per E-Mail teilte eine Frau A... im Namen der Klägerin am ... September 2014 dem Beklagten mit, dass man ein Schreiben ohne Unterschrift als rechtsunwirksam und anonym ansehe und dass Gebührenfestsetzung beantragt werde. Es läge dem Beklagten ein Schreiben des Grundsicherungsamts vor, wonach die Klägerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung mit Merkzeichen ... für immer befreit sei. Das Grundsicherungsamt habe die Bescheinigung nicht immer wieder erneut zugesandt, da man davon ausgegangen sei, dass man sich deutlich genug ausgedrückt habe. Der Ordnung halber habe der zuständige Sachbearbeiter einen ausgefüllten Befreiungsantrag zugeschickt. Die Klägerin sei schwer krank und "mehr im Krankenhaus als daheim". Sie habe das Amt beauftragt, alle Anträge für sie auszufüllen und abzusenden. Es liefen Strafanzeigen gegen Nachbarn, die sich ständig in der Wohnung der Klägerin aufhielten, es werde Eigentum und täglich auch die Post aus dem Briefkasten geraubt. Die Klägerin habe keine Post vom Beklagten erhalten, andernfalls hätte sie sich gemeldet. Es werde gebeten, den Pfändungsbeschluss sofort zurückzunehmen.

Mit E-Mail vom ... September 2014 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Vertrag vorzulegen und den "betrügerbrief" zurückzunehmen.

Mit E-Mail vom ... September 2014 wandte sich ein Herr A... an den Beklagten und wies im Namen der Klägerin auf eine anhängige Klage sowie auf ihren schlechten Gesundheitszustand hin. Derzeit liege die Klägerin an Sauerstoffgeräten, da sie in akuter Lebensgefahr schwebe. Sie sei "schwerstbehindert, a... % mit ...". Ihr Zustand verschlechtere sich. Sie habe keine Mahnungen erhalten. Bislang sei kein rechtswirksames Schreiben vorgelegt worden. Es werde letztmalig ersucht, die "anonymen Nachrichten" handschriftlich zu unterzeichnen. Da der öffentlich-rechtliche Vertrag, auf den der Beklagte sich stütze, in Rechte Dritter eingreife, sei er nur mit Zustimmung des Dritten wirksam. Der Vertrag sei ohne Einwilligung der Klägerin geschlossen worden.

Mit am ... September 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz wandte sich die Klägerin im Klagewege und mit einem Eilantrag, der im Verfahren ... mit Beschluss vom ... Dezember 2014 abgelehnt wurde, gegen die Erhebung und Beitreibung von Rundfunkgebühren. Als Anlage überreichte sie u.a. das Vollstreckungsersuchen des Beklagten vom ... August 2014 sowie den Festsetzungsbescheid vom ... September 2014.

Zur Begründung verwies sie auf ihre a... prozentige Schwerbehinderung mit Merkzeichen ... Sie erhalte Grundsicherung und sei damit generell befreit. Der Sachbearbeiter habe alljährlich an den Beklagten geschrieben, was dieser jedoch bestreite. Schreiben an die Klägerin seien nicht unterschrieben. Dies führe zur Nichtigkeit. Ein solches Schreiben habe sie einmal erhalten, wegen fehlender Unterschrift aber zurückgeschickt. Ansonsten habe sie nie Post oder sonstiges "von Deutschlandradio" erhalten. Der Gerichtsvollzieher wolle am ... Oktober 2014 vollstrecken, obwohl die Klägerin weder Mahnung noch andere Schreiben erhalten habe.

Einer eingereichten Anlage ist zu entnehmen, dass sich die Klägerin als Zwangsangemeldete betrachte und davon ausgehe, dass ein Vertrag zu Lasten Dritter eine strafbare Handlung darstelle. Sie habe sich nicht angemeldet, keinen Vertrag abgeschlossen und wolle den "Service" nicht in Anspruch nehmen. Der Rundfunkbeitrag sei eine Zwangssteuer. Diese und die zugrundeliegende Pflichtmitgliedschaft lasse sich die Klägerin nicht gefallen. Für Polit- und Parteipropaganda lasse sie sich keine Gebühren abnehmen. Die Klägerin überreichte darüber hinaus ein ärztliches Attest vom ... September 2014, wonach sie an einer schweren, lebensbedrohlichen COPD mit respiratorischer Insuffizienz leide.

Mit Schriftsatz vom ... Oktober 2014 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Der Klageantrag sei dem Beklagten zu Folge dahingehend auszulegen, dass die Klägerin eine Verpflichtungsklage erheben wolle, die darauf gerichtet sei, die Vollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis vom ... August 2014 für unzulässig zu erklären. Weiter sei davon auszugehen, dass die Klägerin sich mit einer Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid vom ... September 2014 wenden wolle.

Die Vollstreckungsvoraussetzungen für die im Ausstandsverzeichnis aufgeführten Bescheide lägen vor, insbesondere sei die Zustellung der Bescheide erfolgt, indem sie durch Zusendung gemäß Art. 17 BayVwZVG ersetzt worden sei. Die Postauslieferungen seien ausweislich der sogenannten Historyaufstellung am ... Juli 2011, ... März 3012, ... Mai 2012 und ... Mai 2014 erfolgt. Die Klägerin könne sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht darauf berufen, die Bescheide nicht erhalten zu haben, da dies auf ihre Pflichtwidrigkeit zurückzuführen wäre. Obwohl den Beklagten keine Obliegenheit zur Nachforschung treffe, habe er mehrfach die Anschrift der Klägerin erfragt. Diese habe sich nicht geändert. Es sei Aufgabe des Rundfunkteilnehmers dafür zu sorgen, dass ihm Post unter seiner Wohnanschrift zugestellt werden könne. Die gehäuften Zustellungsprobleme sprächen dafür, dass die Klägerin keine hinreichenden Empfangsvorkehrungen getroffen habe bzw. nicht sichergestellt habe, dass sie auf dem Postwege erreichbar sei. Damit habe sie erheblich gegen ihre Mitwirkungspflichten als Rundfunkteilnehmerin verstoßen und den Zugang vereitelt. Die objektive Pflichtwidrigkeit genüge, ein Verschulden der Klägerin müsse der Beklagte, weil dies in einem Massenverfahren wie dem Rundfunkgebühreneinzug unzumutbar wäre, nicht nachweisen. Die Bescheide seien damit mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbar. Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe seien unbeachtlich, da sie nicht erst nach Erlass der zu vollstreckenden Verwaltungsakte entstanden seien. Ein Anspruch auf Befreiung stehe der Klägerin im Übrigen nicht zu, weil es für den Zeitraum ab Februar 2011 an einem Befreiungsantrag fehle. Insoweit sei die Klägerin beweispflichtig.

Auch die Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Festsetzungsbescheid vom ... September 2014 sei formell rechtmäßig. Er lasse den Beklagten als die den Bescheid erlassende Stelle ohne weiteres erkennen. Die fehlende Unterschrift sei im Sinne des Art. 37 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz zulässig. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Ein Anspruch auf Befreiung stehe ihr nicht zu. Es fehle auch insoweit an einem Antrag und dem Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen.

Am ... Juli 2015 wurde in der Sache mündlich verhandelt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung und auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren ... sowie die vom Beklagten vorgelegten Akten verwiesen.

Gründe

Über den Rechtstreit konnte trotz der Abwesenheit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom ... Juli 2015 entschieden werden. Die Klägerin ist ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Termin ordnungsgemäß geladen worden, verbunden mit dem Hinweis, dass im Falle ihres Nichterscheinens ohne sie verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin verfolgt zum einen im Klagewege die Einstellung der Zwangsvollstreckung der im Vollstreckungsersuchen vom ... August 2014 aufgeführten Forderungen. Die Klage ist insoweit bereits unzulässig.

1.1. Da die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am ... Juli 2015 erklärt hat, dass die im Ausstandsverzeichnis zum Vollstreckungsersuchen vom ... August 2014 dem Bescheid vom ... Juli 2011 zugeordneten Kosten von k... EUR vom Beklagten nicht mehr geltend gemacht und beigetrieben werden, ist die Klage insoweit unzulässig geworden. Das Rechtsschutzbedürfnis ist in Bezug auf den auf Einstellung der Zwangsvollstreckung dieser Kosten gerichteten Klageteil entfallen.

1.2. Das Klageziel hinsichtlich der verbleibenden Forderungen, wie sie sich aus dem Ausstandsverzeichnis zum Vollstreckungsersuchen vom ... August 2014 ergeben, lässt sich nicht mit einer Anfechtungsklage gegen die Gebührenbescheide vom ... Juli 2011, ... März 2012, ... Mai 2012 und ... Mai 2014 erreichen. Eine solche Klage wäre wegen Verfristung unzulässig. Denn die Bescheide sind vor Klageerhebung bestandskräftig geworden, da die Klägerin innerhalb der jeweiligen Rechtsmittelfrist von einem Monat ab Zugang keinen Rechtsbehelf eingelegt hat (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO, §§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Klägerin kann mit ihrer Behauptung, sie habe bis auf ein Schreiben, das sie wegen fehlender Unterschrift zurückgegeben habe, keine Sendungen vom Beklagten erhalten, nicht durchdringen.

Die für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungsgesetz – VwZVG – notwendige Zustellung wurde durch den Beklagten in zulässiger Weise ersetzt, indem die Bescheide der Klägerin durch einfachen Brief verschlossen zugesandt wurden (Art. 17 Abs. 1 VwZVG). Gemäß Art. 17 Abs. 2 VwZVG gilt in diesem Fall die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass das zuzusendende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (vgl. auch Art. 41 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Unter Bekanntgabe versteht man hierbei, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass dieser bei gewöhnlichem Verlauf und unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (vgl. etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 41 Rn. 7). Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Dies gilt auch in Massenverwaltungsverfahren wie dem der Rundfunkgebühren- bzw. Rundfunkbeitragserhebung. Auch wenn der Beklagte bei der Zustellung der Gebührenbescheide mit einfachem Brief – wie hier – weder den Tag der Aufgabe zur Post auf den bei den Akten verbliebenen Urschriften vermerkt noch die Absendung in einer Sammelliste eingetragen hat (Art. 17 Abs. 4 VwZVG), genügt er seiner Nachweispflicht (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) im Normalfall ausreichend durch Beweis des ersten Anscheins, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger den Bescheid tatsächlich erhalten haben muss (BayVGH, B.v.11.5.2011 – 7 C 11.232 – juris, B.v. 24.10.2007 – 7 CE 07.2317NVwZ-RR 2008, 220; VG Würzburg, U.v. 28.9.2010 – W 3 K 10.843 – juris m.w.N.).

Hinsichtlich der Gebührenbescheide vom ... März 2012 und ... Mai 2014, die nach dem Inhalt der Akten des Beklagten an diesen nicht (als unzustellbar) zurückgingen, sind Tatsachen, die für einen Zugang bei der Klägerin sprechen, ersichtlich gegeben. Zu Recht macht der Beklagte insoweit geltend, dass nach der History-Aufstellung zum Teilnehmerkonto ... der Klägerin alle vier streitgegenständlichen Bescheide (und weitere Schreiben) an die Klägerin versandt worden sind. Der Akte des Beklagten ist darüber hinaus zu entnehmen, dass sämtliche Schreiben übereinstimmend mit der unverändert gebliebenen Anschrift der Klägerin versehen und damit korrekt adressiert waren. Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Bescheide vom ... März 2012 und ... Mai 2014 dennoch nicht erhalten haben könnte. Dass man ihr die Post raube, ist nicht ausreichend substantiiert dargelegt und in der dargelegten Weise auch nicht nachvollziehbar.

Die Bescheide vom ... Juli 2011 und ... Mai 2012 wurden ausweislich der Akte des Beklagten zugestellt, jedoch über den Briefkasten zurückgegeben. Hierunter ist - wie auch schon der Wortsinn der jeweiligen Vermerke nahelegt - nach den Ausführungen der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom ... Juli 2015 zu verstehen, dass die betreffenden Briefe vom Postboten zwar in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurden, anschließend jedoch mit einem „Zurückvermerk“ wieder in den öffentlichen Briefkasten gelangt seien. Demnach ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte und zumal die Klägerin eine entsprechende Vorgehensweise für zumindest ein Schreiben sogar selbst einräumt, auch hinsichtlich der Bescheide vom ... Juli 2011 und ... Mai 2012 davon auszugehen, dass die Bescheide der Klägerin postalisch zugegangen sind und sie vom Inhalt Kenntnis genommen hat oder hätte nehmen können. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts erfolgt, soweit gesetzlich nicht ausnahmsweise etwas anderes bestimmt ist, grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Bereitschaft des Adressaten zur Kenntnisnahme. So ist ein Schreiben auch dann als zugegangen anzusehen, wenn der Empfänger einen bei ihm eingegangenen Brief ungeöffnet liegen lässt oder entsorgt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2014, § 41 Rn. 19a).

1.3. Das Gericht versteht das Klagebegehren der Klägerin in Anbetracht der Bestandskraft der Gebührenbescheide vom ... Juli 2011, ... März 2012, ... Mai 2012 und ... Mai 2014 als Antrag im Sinne des Art. 21 VwZVG (§ 88 VwGO). Die Klägerin erhebt nämlich verschiedene Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Gebührenforderungen. Hierüber hat nach Art. 21 VwZVG der Beklagte als Anordnungsbehörde im Sinne dieser Vorschrift zu entscheiden. Für den gerichtlichen Rechtsschutz nach erfolgloser Geltendmachung ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (s. BayVGH, B.v. 3.2.2012 – 6 C 12.221, B.v.27.3.2012 – 6 CE 12.458 – juris jeweils m.w.N.).

Die Klage hat jedoch auch mit dieser Auslegung keinen Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie schon mangels vorherigen Antrags nach Art. 21 VwZVG beim Beklagten unzulässig wäre. Jedenfalls sind die sich aus Art. 21 Satz 2 VwZVG ergebenden Voraussetzungen nicht erfüllt. Sämtliche Einwendungen der Klägerin, insbesondere sie sei nicht rundfunkgebührenpflichtig, u.a. weil es sich bei den zugrundeliegenden Staatsverträgen um drittbelastende Verträge handele, denen sie nicht zugestimmt habe, außerdem weil sie aus Härtegründen zu befreien sei, basieren nicht auf erst nach Erlass der zu vollstreckenden Verwaltungsakte entstandenen Gründen (z.B. Erfüllung, Verzicht oder Erlass) und hätten bereits mit förmlichen Rechtsbehelfen gegen die der Vollstreckung zugrundeliegenden Gebührenbescheide geltend gemacht werden müssen (s. Art. 21 Satz 2 VwZVG).

2. Die Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid vom ... September 2014 ist zwar zulässig, jedoch unbegründet und daher ebenfalls erfolglos. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

2.1. Die Festsetzung von Rundfunkgebühren für die Monate November und Dezember 2012 und eines Säumniszuschlags von b... EUR erfolgte zu Recht.

Der Gebührenbescheid ist nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte als die bescheiderlassende Stelle ohne weiteres erkennbar. Der Umstand, dass im Sinne des Art. 37 Abs. 5 BayVwVfG an Stelle einer Unterschrift der Hinweis auf die maschinelle Erstellung angebracht ist, ist in einem Massenverfahren wie demjenigen der Erhebung von Rundfunkgebühren bzw. jetzt -beiträgen in Anbetracht des Grundsatzes der Sparsamkeit der Verwaltung nicht zu beanstanden (s. hierzu auch VG München, U.v. 17.6.2015 – M 6b K 14.5462 – juris).

Der Beklagte hat mit Festsetzungsbescheid vom ... September 2014 auch materiell rechtmäßig für den Zeitraum November und Dezember 2012 m... EUR Rundfunkgebühren festgesetzt.

Voranzustellen ist, dass gemäß § 14 Abs. 11 des seit dem 1. Januar 2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrags – RBStV – (GVBl. 12/2011, S. 258 ff.) die Vorschriften des Rundfunkgebührenstaatsvertrags auf Sachverhalte anwendbar bleiben, nach denen bis zum 31. Dezember 2012 noch keine Rundfunkgebühren entrichtet oder erstattet wurden.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkgebühren ist damit der Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV in der bis 31.12.2012 gültigen Fassung). Ihm kommt nach der Zustimmung durch den Landtag des Freistaates Bayern mit Beschluss vom 12. Dezember 1991 Gesetzeswirkung zu (s. GVBl S 451/472; zuletzt geändert durch den am 1.6.2009 in Kraft getretenen 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag [GVBl. S. 193 ff.]). Es handelt sich nicht um einen den Grundsätzen der Privatautonomie unterliegenden Vertrag zu Lasten Dritter.

Die Klägerin war unbestritten Rundfunkteilnehmerin gemäß § 1 Abs. 2 RGebStV in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung. Eine Anzeige des Endes des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes erfolgte im oder für den relevanten Zeitraum nicht. Sie schuldete o... EUR monatlich für ein Fernsehgerät (auch Hörfunk- und Fernsehgerät, s. § 2 Abs. 2 RGebStV in der bis 31.12.2012 gültigen Fassung, § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag in der bis 31.12.2012 gültigen Fassung). Hieraus ergeben sich für November und Dezember 2012 m... EUR rückständige Rundfunkgebühren, die die Klägerin ausweislich der sie betreffenden Kontenunterlagen des Beklagten nicht - jeweils rechtzeitig in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils 3 Monate - bezahlt hat. Die Klägerin hat folglich Anlass für die Festsetzung der rückständigen Rundfunkgebühren mit dem streitgegenständlichen Bescheid geboten.

Auch die Festsetzung eines Säumniszuschlags in Höhe von b... EUR erfolgte entsprechend § 6 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung von Rundfunkgebühren (Satzung) zu Recht.

Einwendungen der Klägerin zum Vorliegen eines Befreiungsanspruchs sind schon deshalb unbehelflich, weil sie für die streitgegenständlichen Zeiträume keinen Befreiungsantrag gestellt hat (s. § 6 Abs. 1, 3 und 5 RGebStV). Im Übrigen wurden auch keine Nachweise für das Vorliegen von Befreiungsgründen vorgelegt.

2.2. Der Bescheid vom ... September 2014 ist auch in Bezug auf die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen formell und materiell rechtmäßig. Der Beklagte ist berechtigt, von der Klägerin für den festgesetzten Zeitraum Januar 2013 bis April 2014 rückständige Rundfunkbeiträge zu fordern. Als Inhaberin einer Wohnung ist die Klägerin verpflichtet, Rundfunkbeiträge zu entrichten.

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Rundfunkbeiträge ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – (in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.6.2011 [GVBl S. 258], § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [GVBl S. 566], in der Fassung durch Art. 6 Nr. 8 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 7.6.2011). Auch diesem kommt durch die Zustimmung des Bayerischen Landtags (Zustimmungsbeschluss vom 17.5.2011) Gesetzeswirkung zu (s. Art. 72 Abs. 2 Bayerische Verfassung – BV – und BayVfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris).

Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag in Höhe von - im streitgegenständlichen Zeitraum - 17,98 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV).

Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, Inhaberin einer Wohnung gewesen zu sein. Sie war demnach Beitragsschuldnerin und für den festgesetzten Zeitraum verpflichtet, einen monatlichen Rundfunkbeitrag in Höhe von o... EUR zu zahlen. Die Beiträge waren festzusetzen, da die Klägerin die Rundfunkbeiträge trotz deren Fälligkeit nicht rechtzeitig und vollständig gezahlt hat (§ 10 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 3 RBStV).

Die Einwendungen der Klägerin sind auch in Bezug auf die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen nicht durchgreifend. Die Voraussetzungen für ihre Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht lagen nicht vor (s. § 4 Abs. 1, 4 und 7 RBStV).

Auch ihren grundsätzlichen Erwägungen gegen den Rundfunkbeitrag als solchen kann nicht gefolgt werden. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag begegnet insbesondere keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 15. Mai 2014 auf zwei Popularklagen hin unanfechtbar und für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend (Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG) u.a. entschieden, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung mit der Bayerischen Verfassung – BV – vereinbar sei (E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris). Die Norm verstoße nicht gegen die Rundfunkempfangsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitssatz oder das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Rn. 62). Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die zu regeln in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. Sie sei sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern werde als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben (Leitsatz Nr. 2). Die Abgabe habe den Charakter einer Vorzugslast; dem stehe nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig seien. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwinge den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollten (Leitsatz Nr. 3). Im privaten Bereich werde mit der Anbindung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (§ 3 Abs. 1 RBStV) die Möglichkeit der Rundfunknutzung als abzugeltender Vorteil sachgerecht erfasst (Leitsatz Nr. 4).

Wegen der weiteren Einzelheiten und Begründungen wird auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 verwiesen.

Zwar hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung unmittelbar nur die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit der Bayerischen Verfassung überprüft. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit sich die mit den jeweiligen Normen der Bayerischen Verfassung korrespondierenden Regelungen des Grundgesetzes von diesen dermaßen unterscheiden sollten, dass mit der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nicht zugleich feststünde, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag auch nicht gegen die übereinstimmenden Normen des Grundgesetzes verstößt ( vgl. Art. 142 GG).

Ergänzend ist anzumerken, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof seine Prüfung bei Popularklageverfahren auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung erstreckt, selbst wenn sie von der Antragspartei nicht als verletzt bezeichnet worden sind oder wenn sie keine Grundrechte verbürgen (Rn. 60).

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung (§ 2 RBStV), unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Sie verletze weder die Informationsfreiheit (Rundfunkempfangsfreiheit) noch die allgemeine Handlungsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor (BayVGH, U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707, s. Pressemitteilung hierzu vom 30.6.2015 unter www.vgh.bayern.de).

Die erkennende Kammer folgt der vorgenannten Rechtsprechung.

Soweit die Klägerin noch vorträgt, für „Polit- und Parteipropaganda“ nicht zahlen zu wollen und damit letztlich die Erfüllung des Programmauftrags in Frage stellt, greift ihr Einwand ebenfalls nicht durch. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist nicht zu prüfen und zu entscheiden, ob dies in der Sache zutrifft.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO.

4. Wegen der für alle bayerischen Gerichte und Behörden geltenden Bindungswirkung des Art. 29 VfGHG hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung mehr (vgl. OVG RHPF, B.v. 29.10.2014 – 7A 10820/14 – juris). Die Berufung war daher nicht zuzulassen.  

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 744,77 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).