VG Bayreuth, Beschluss vom 09.07.2015 - B 1 S 15.446
Fundstelle
openJur 2015, 18575
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ...1992 geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.

Dem Antragsteller war die Fahrerlaubnis der Klasse B erstmals im Februar 2010 durch das Landratsamt Vogtlandkreis erteilt worden.

Mit Urteil des Amtsgerichts Chemnitz, Az. 9 Ls 463 Js 12573/09 jug., rechtskräftig seit dem 22.12.2010, wurde der Antragsteller u.a. wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe Jena verurteilt und seine Fahrerlaubnis entzogen. Zugleich wurde sein Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 13 Monaten verhängt. Nach den Gründen des Urteils lag der Verurteilung des Antragstellers eine Tat vom 03.05.2010 zugrunde. Der Antragsteller sei als Führer eines Kraftfahrzeuges in Erscheinung getreten, obwohl er infolge vorangegangenen erheblichen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Beim Linksabbiegen sei er infolgedessen nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und gegen zwei Poller sowie gegen einen geparkten Pkw gestoßen. Der Sachschaden habe rund 9.500,00 EUR betragen. Die mittlere Blutalkoholkonzentration beim Antragsteller habe im Tatzeitpunkt mindestens 1,18 ‰ betragen. Obwohl der Antragsteller den Unfall bemerkt habe, habe er die Unfallstelle mit seinem Pkw verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Durch die Tat habe er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

Das Landratsamt Lichtenfels erteilte dem Antragsteller die Fahrerlaubnis im Mai 2012 neu, nachdem dieser u.a. eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem besonderen Aufbauseminar gemäß §§ 36, 43 FeV vorgelegt hatte.

Im März 2015 wurde dem Landratsamt Lichtenfels bekannt, dass gegen den Antragsteller ein Bußgeld in Höhe von 120,00 EUR verhängt worden war (rechtskräftig seit dem 24.02.2015), nachdem dieser die Vorfahrt eines von rechts kommenden Fahrzeuges missachtet hatte und es zu einem Unfall gekommen war. Die zugrundeliegende Tat vom 08.01.2015 ist nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem mit 1 Punkt bewertet.

Mit Schreiben vom 13.04.2015 gab das Landratsamt Lichtenfels dem Antragsteller auf, zur Klärung von Zweifeln an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B ein medizinisch-psychologisches Gutachten bis zum 01.06.2015 mit folgender Fragestellung vorzulegen:

„Ist trotz der aktenkundigen wiederholten Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften zu erwarten, dass Herr ... künftig nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?“

Die Mutter des Antragstellers legte das medizinisch-psychologische Gutachten der DEKRA (Versanddatum 11.05.2015) am 12.05.2015 beim Landratsamt Lichtenfels vor. Daraufhin hörte dieses den Antragsteller mit Schreiben vom 20.05.2015 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Der Antragsteller ließ dem durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28.05.2015 entgegentreten.

Mit Bescheid vom 16.06.2015 entzog das Landratsamt Lichtenfels dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S (Nr. 1.) und ordnete an, seinen Führerschein beim Landratsamt Lichtenfels – Führerscheinstelle – abzugeben (Nr. 2.). Zugleich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 3.) und ein Zwangsgeld für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheines angedroht (Nr. 4.).

Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens habe sich auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG gestützt. Demnach habe das Landratsamt Lichtenfels in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle anzuordnen, wenn innerhalb der Probezeit nach Entzug und Neuerteilung der Fahrerlaubnis eine weitere schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen und in das Fahreignungsregister eingetragen worden sei. Bei der Vorfahrtsverletzung handele es sich um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung (Nr. 1.2 der Anlage 12 zur FeV). Nachdem durch das medizinisch-psychologische Gutachten vom 11.05.2015 die Fahreignungszweifel nicht hätten ausgeräumt werden können, habe das Landratsamt Lichtenfels auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen müssen. Die Fahrerlaubnis sei ihm deshalb zu entziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG). Die Anordnung des Sofortvollzuges gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sei im überwiegenden öffentlichen Interesse notwendig (wird im Einzelnen begründet). Darüber hinaus wird im Bescheid insbesondere die Zwangsgeldandrohung besonders erläutert.

Mit am 26.06.2015 beim Landratsamt Lichtenfels eingegangenem Schreiben gab der Antragsteller sein Führerscheindokument ab, nachdem sein Bevollmächtigter bereits mit Schreiben vom 23.06.2015 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.06.2015 erhoben hatte.

Mit am 25.06.2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis nachsuchen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei aus der Sicht des Antragstellers rechtswidrig. Aufgrund des im Jahre 2010 einmaligen Trunkenheitsdeliktes im Zusammenhang mit einer nicht einschlägigen Vorfahrtsverletzung vom 08.01.2015 sei schon die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht veranlasst gewesen, da aus einem einmaligen Vorfall kein gelegentliches derartiges Verhalten geschlussfolgert werden könne. Im Übrigen habe der Antragsteller zwischen dem 03.05.2012 und dem 08.01.2015 tadelfrei am Straßenverkehr teilgenommen.

Bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 03.05.2012 sei von einer unbedingten Fahreignung ausgegangen worden. Deshalb könnten nur neuere, nach der Neuerteilung eingetretene tatsächliche Anhaltspunkte Anlass für eine spätere Nachuntersuchung geben. Eine gleichwohl angeforderte Untersuchung sei nicht rechtsprechungskonform.

Die von der Gutachterin zitierten vorgeblichen Einstellungsmängel des Antragstellers seien jedoch bezogen auf das geahndete Geschehen aus dem Jahre 2010 und stellten keine neuen Anhaltspunkte dar.

Die Gutachterin führe u.a. aus, dass „die heutigen Darstellungen und Wertungen noch kein Äquivalent für die Spezifik der Vorgeschichte darstellen“ und eine „oberflächliche Verarbeitung des aktenkundigen Fehlverhaltens darstellen“. Sie zitiere dafür u.a. einen im Einzelnen genannten Beleg. Die Frage sei hier gewesen, warum der Antragsteller den Unfallort verlassen habe. Der Antragsteller habe also wiedergegeben, was er damals gedacht habe und nicht seine heutige Einstellung dazu.

In Bezug auf eine weitere Antwort des Antragstellers anlässlich seiner Untersuchung wird darauf hingewiesen, dass die Frage gewesen sei, warum der Antragsteller im Wissen der überschrittenen Promillegrenze trotzdem gefahren sei. Auch hier habe er seine Erinnerungen aus dem Jahre 2010 wiedergegeben. Auch die weiteren Fragen der Gutachterin beschäftigten sich überwiegend mit der Trunkenheitsfahrt von 2010 und die Antworten des Antragstellers dazu seien vorfallsbezogen gewesen. Soweit die Gutachterin in der Stellungnahme zu den Vorsätzen des Antragstellers für die zukünftige Vermeidung erneuter Delikte darauf verweise, dass sich diese auf pauschaler Ebene bewegten, ohne ausreichende Konkretheit im Umgang mit ähnlichen Situationen, die aus der Vorgeschichte ersichtlich seien, fehle dazu eine Begründung. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Äußerungen des Antragstellers die Gutachterin dazu veranlasst hätten. Vielmehr habe er konkrete und keineswegs pauschale Ausführungen gemacht (S. 10 des Gutachtens). Die Gutachterin hinterfrage im Kern die einmalige Alkoholbedingtheit aus dem Jahre 2010. Die Vorfahrtsmissachtung Anfang 2015 sei dazu nicht einschlägig.

Die Gutachterin halte es für erforderlich, dass sich Einstellungsänderungen stabilisieren müssten, die Deliktsgeschichte aufgearbeitet sowie eine selbstkritische Problemsicht erworben werde und rege zur Hilfestellung die Inanspruchnahme einer verkehrspsychologischen Beratung an. Selbst unterstellt, es läge in der Tat der mit dem Gutachten zum Ausdruck kommende Eignungsmangel vor, verletze die Entziehung der Fahrerlaubnis den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn ein Kraftfahrer im Zeitpunkt der MPU-Begutachtung als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei, nach dem Gutachten aber die begründete Erwartung bestehe, dass der Eignungsmangel allein durch die Teilnahme an einem bestimmten Kurs ausgeräumt werde. Eine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis komme dann nur bei Teilnahmeverweigerung bzw. Nichtvorlage eines regelmäßigen Teilnahmenachweises in Frage. Sofern die Gutachterin die Inanspruchnahme einer verkehrspsychologischen Beratung empfehle, sehe sie darin die begründete Erwartung der Ausräumung des Eignungsmangels, so dass der Entzug der Fahrerlaubnis sich als unverhältnismäßig darstelle.

Der Antragsteller stelle nicht in Abrede, dass alle Eintragungen im Fahreignungsregister zu berücksichtigen seien. Nur sei die Fragestellung der Gutachterin derart gewesen, dass diese vorfallsbezogene Einstellungen und nicht gegenwärtige zum Erstdelikt eruiert habe. Auf die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit gehe das Landratsamt Lichtenfels nicht ein.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23.06.2015 gegen den Bescheid des Landratsamtes Lichtenfels vom 16.06.2015 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Bescheid sei rechtmäßig unter Anordnung des Sofortvollzugs ergangen. Zum Schutz der Allgemeinheit sei es notwendig, einen ungeeigneten Kraftfahrer so schnell wie möglich von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen. Die Interessen des Antragstellers hätten in diesem Fall zurückzustehen. Gemäß dem MPU-Gutachten der DEKRA hätten die Eignungszweifel nicht ausgeräumt werden können. Die Anordnung des Gutachtens sei rechtmäßig gewesen. Im Straßenverkehrsgesetz sei selbst geregelt, welche Arten von Zuwiderhandlungen die Rechtsfolgen des § 2a StVG i.V.m. Anlage 12 zur FeV auslösten. Es müsse sich entweder um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung oder um zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen handeln. Bei einer Verletzung der Vorfahrtsvorschriften handele es sich um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung. Dem liege ersichtlich die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass jeder Vorfahrtsverstoß, weil er abstrakt die Verkehrssicherheit gefährde, im Rahmen des § 2a StVG erheblich sei. Diese gesetzlich vorgegebene Zuordnung und Bewertung der einzelnen Zuwiderhandlungen dürfe durch den Begriff „in der Regel“ in § 2a Abs. 5 StVG nicht modifiziert und im Einzelfall zur Disposition der Verkehrsbehörde gestellt werden. Ausnahmen von der in dieser Bestimmung aufgestellten Regel hätten deshalb anderweitige Anknüpfungspunkte als die Art oder die Bedeutung der Zuwiderhandlung. Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen von der Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, rechtfertigen könnten, lägen nicht vor bzw. seien nicht vorgetragen worden.

Die medizinisch-psychologische Untersuchung sei gerade wegen einer erneuten Zuwiderhandlung angeordnet worden. Es stehe außer Frage, dass bei der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung als auch bei der Untersuchung selbst, auch vorhergehende Zuwiderhandlungen Berücksichtigung finden müssten. Das Landratsamt Lichtenfels habe das Gutachten einer kritischen Würdigung unterzogen. Es sei nachvollziehbar und nachprüfbar, im Ergebnis schlüssig. Die Bedenken des Antragstellers könnten nicht geteilt werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde auf die rechtliche Würdigung im angefochtenen Bescheid verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die übermittelten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

II.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da der Widerspruch des Antragstellers nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen noch Folgendes auszuführen:

Erweist sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so muss ihm die Verwaltungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis entziehen. Im Hinblick auf den sicherheitsrechtlichen Charakter des Straßenverkehrsrechts ist bei der Beurteilung der Fahreignung die Vermeidung künftiger Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Teilnahme der zu beurteilenden Person am Straßenverkehr von wesentlicher Bedeutung. Dementsprechend fehlt bei einem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe die Fahreignung, wenn nach einer in der Probezeit erfolgten Entziehung der Fahrerlaubnis, der anschließenden Wiedererteilung und nachfolgenden erneuten Begehung einer schwerwiegenden oder von zwei weniger schwerwiegenden Zuwiderhandlungen im Sinne der Anlage 12 zur Fahrerlaubnis-Verordnung auf der Grundlage eines verwertbaren medizinisch-psychologischen Gutachtens (vgl. § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG) zu erwarten ist, dass der Betreffende auch künftig gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird.

Dies hat das Landratsamt Lichtenfels im Falle des Antragstellers ohne Rechtsfehler angenommen und musste ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen. Bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis stand der Behörde auch kein Ermessen zu.

Soweit geltend gemacht wird, bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2012 sei von einer unbedingten Fahreignung ausgegangen worden, so dass nur nachträgliche neue Anhaltspunkte Anlass für eine „spätere Nachuntersuchung“ gäben, ist festzustellen, dass mit der Vorfahrtsverletzung, die nach Nr. A.2.1 der Anlage 12 zur FeV als schwerwiegende Zuwiderhandlung zu werten ist, gerade eine solche „erneute“ Zuwiderhandlung vorlag, die die Behörde veranlassen musste, dem Antragsteller innerhalb der noch laufenden Probezeit (vgl. § 2a Abs. 1 Satz 1, Sätze 5 – 7, Abs. 2a StVG) die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle aufzugeben. Besondere Umstände des Einzelfalls, die die Behörde hätten veranlassen können, hiervon ausnahmsweise abzusehen, sind nicht ersichtlich.

Der Antragsteller hat weiter monieren lassen, dass das beigebrachte Gutachten zu pauschal und nicht hinreichend begründet sei bzw. auf unzureichenden Fragestellungen der Gutachter beruhe. Dies trifft jedoch nicht zu. Das Gutachten der DEKRA vom 11.05.2015, dem als neue Tatsache eine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.1983 – 7 C 69.81BVerwGE 65, 157), weist keine erkennbaren Mängel auf, was insbesondere dann anzunehmen wäre, wenn unzutreffende tatsächliche Voraussetzungen zugrunde gelegt worden oder unlösbare Widersprüche enthalten wären bzw. Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter bestehen würden oder wenn ihnen spezielles Fachwissen fehlen würde, das für die Beantwortung einer besonders schwierigen Fachfrage erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.1995 – 8 B 167.94 – juris).

Das Gutachten gibt gut nachvollziehbar die Antworten des Antragstellers auf Fragestellungen sowohl zu dem aktenkundigen Geschehen als auch zu seinen Vorsätzen bzw. Strategien zur Vermeidung künftiger Auffälligkeiten im Straßenverkehr wieder und bewertet diese. Soweit in der Tat auch Erinnerungen an früheres Geschehen abgefragt und im Gutachten darstellt werden, ist nicht ersichtlich, dass die Gutachter bei ihrer Würdigung dies unzutreffend eingeordnet hätten. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die zusammenfassende Befundwürdigung und abschließende Stellungnahme unverständlich oder ohne hinreichenden Bezug zu den Antworten des Antragstellers wäre. Vielmehr stellen die Gutachter an mehreren Passagen ihrer Darstellung des Ergebnisses nachvollziehbar dar, auf welchen Grundlagen sie zu ihren Schlussfolgerungen gelangen (siehe S. 13/14 des Gutachtens mit teilweise wörtlichen Zitaten aus den Antworten des Antragstellers).

Schließlich dringt der Antragsteller mit seiner Argumentation nicht durch, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hätte ihm die Fahrerlaubnis (einstweilen) belassen werden müssen, da die begründete Erwartung bestehe, dass allein durch die Teilnahme an einem bestimmten Kurs bestehende Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeräumt werden könnten. Die vom Antragsteller bemühte Rechtsprechung ist zu Fallgestaltungen ergangen, in denen sich bereits aus dem Gutachten ergab, dass alleine durch die Teilnahme an einem bestimmten (Nachschulungs-)Kurs ein im Zeitpunkt der Begutachtung (noch) bestehender Eignungsmangel innerhalb kurzer Zeit würde ausgeräumt werden können (VGH Kassel, B.v. 31.1.1989 – 2 TH 3096/88 – ZfSch 1993, 359; VG Saarland, B.v 9.4.1996 – 5 F 13/96 – juris). Hier liegen die Dinge dagegen so, dass im Gutachten keine Rede davon ist, dass alleine durch die Teilnahme an einem bestimmten Kurs, d.h. ohne erneute Begutachtung, davon ausgegangen werden könne, dass die Fahreignung wiederhergestellt werden würde. Vielmehr wurde dem Antragsteller die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe (z.B. eines Verkehrspsychologen) dringend empfohlen; die Deliktsgeschichte müsse weiter aufgearbeitet und eine angemessene, selbstkritische Problemsicht erworben, Verhaltensalternativen entwickelt und Einstellungsänderungen stabilisiert werden. Erst danach werde eine erneute Begutachtung für sinnvoll gehalten. Dies spricht im Falle des Antragstellers deutlich gegen einen Automatismus dahin, dass alleine durch die Teilnahme an einem ganz bestimmten Kurs ohne weiteres von einer Wiedergewinnung der Fahreignung ausgegangen werden könnte.

Schließlich hat das Landratsamt Lichtenfels die Anordnung des Sofortvollzugs in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass sich in typisierten Fallkonstellationen die Begründung in zulässiger Weise darauf beschränken kann, die für die jeweilige Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Vollziehungsanordnung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese typische Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Insbesondere gilt dies im Bereich des hier einschlägigen Sicherheitsrechts. Bei Vorschriften zur Abwehr von Gefahren für die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs fällt das besondere öffentliche Vollzugsinteresse gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen. Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 11 CS 07.2210; B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548 – juris). Legt man dies zugrunde, können die Ausführungen auf S. 4 des streitgegenständlichen Bescheids in keiner Weise beanstandet werden, nachdem hier gerade – mit zutreffenden Erwägungen – die typischerweise anzutreffende Interessenlage aufgezeigt wird.

Insgesamt überwiegt auch bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen eigenständigen Interessenabwägung des Gerichts das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs deutlich das Interesse des Antragstellers, vorerst weiterhin Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen zu dürfen.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach allem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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