OLG Hamburg, Urteil vom 15.03.2005 - 7 U 104/04
Fundstelle
openJur 2011, 14427
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 22.10.2004 - 324 O 571/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die mehrere in dem von der Antragsgegnerin verlegten Nachrichtenmagazin "...", Ausgabe Nr. 28, vom 5.7.2005 enthaltene Passagen betreffende Gegendarstellungsverfügung mit dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffenden Gründen, denen der Senat folgt und auf deren Inhalt demgemäß verwiesen wird, bestätigt. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Gegendarstellungsanspruch gemäß § 11 HPG vorlagen, dass insbesondere das maßgebliche Gegendarstellungsbegehren vom 15.9.2004 den formellen und inhaltlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 HPG entsprach, so dass die einstweilige Verfügung vom 22.9.2004 zu Recht erlassen worden ist.

Der Gesichtspunkt, dass die Gegendarstellung zwischenzeitlich verfügungsgemäß abgedruckt worden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn eine - wie hier - lediglich unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erfolgte Veröffentlichung ist nicht als Erfüllung und damit auch nicht als Erledigung der Hauptsache einzustufen (vgl. etwa Löffler/Rieker: Handbuch des Presserechtes 4. Aufl. 28. Kapitel Rdn. 16 m.w.N.).

In Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist folgendes auszuführen:

Auch nach Ansicht des Senates begegnet das Gegendarstellungsbegehren vom 15.9.2004 keinen formellen Bedenken. Soweit die Antragsgegnerin nach wie vor geltend macht, mit Rücksicht auf das nachfolgende Abdruckverlangen vom 5.10.2004 sei für sie unklar gewesen, welcher Abdruck verlangt werden würde, diese Mehrdeutigkeit führe zu einem Fortfall des Rechtsschutzinteresses auch hinsichtlich des Verlangens vom 15.9.2004, ist dem nicht zu folgen. Mit dem Landgericht ist nämlich anzunehmen, dass angesichts des eindeutigen Inhaltes des Begehrens vom 15.9.2004 insoweit keine Unklarheit bei der Antragsgegnerin auftreten konnte. Die insoweit von der Antragsgegnerin angeführte Formulierung im Schreiben vom 5.10.2004 bezieht sich lediglich auf das "Schicksal" dieses nachfolgenden Begehrens für den Fall der Erfüllung des vorausgegangenen Verlangens. Andere förmliche Beanstandungen werden weder von der Antragsgegnerin erhoben noch sind solche sonst ersichtlich.

Auch die von der Antragsgegnerin mit der Berufung weiter verfolgten, insgesamt vier Passagen der Gegendarstellungsverfügung vom 22.9.2004 betreffenden inhaltlichen Beanstandungen greifen nicht durch:

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die erste Passage der streitgegenständlichen Gegendarstellung ("...1963 und 1969") nicht schon deshalb zu beanstanden, weil davon auszugehen ist, dass der Antragstellerin Entschädigung für die Aktien der ...Nachfolgegesellschaft auch im Jahre 1964 zuerkannt worden sei und die Entgegnung deswegen offensichtlich unwahr wäre. Erkennbar bezog sich die Erwiderung nicht auf diese Aktien; dann liegt jedoch keine Unwahrheit vor.

Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die Erwiderung sei offensichtlich unwahr, weil die Entschädigung im Jahr 1963 nicht der Antragstellerin und deren Ehemann, sondern ...zugesprochen worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Antragstellerin hierzu vorgetragen hat, die Aktien seien ihr und ihrem Ehemann vor dem Entschädigungsverfahren schenkungsweise von ...abgetreten worden. Mangels entgegenstehenden weiteren Vorbringens der Antragsgegnerin kann dann jedenfalls keine offensichtliche Unwahrheit bejaht werden. Insbesondere ergibt sich eine solche offensichtliche Unwahrheit auch nicht aus dem Inhalt der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt vom 22.5.1963, zumal dieser in der Tat nur entnommen werden kann, wer die Entschädigungsansprüche seinerzeit prozessual geltend gemacht hat, nicht indes wem sie materiell-rechtlich zustanden. Auch die Formulierung "trotz des positiven Votums der Prüfstelle der ..." führt nicht dazu, die Erwiderung als offensichtlich irreführend und damit als unzulässig zu behandeln. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Schließlich ist die Erwiderung angesichts des nicht ganz einfach gelagerten Sachverhaltes jedenfalls nicht unangemessen lang, zumal insoweit kein kleinkarierter Maßstab anzuwenden ist. Endlich kann nicht angenommen werden, dass der Antragstellerin überhaupt ein Entgegnungsinteresse fehlt. Insoweit ist zu bedenken, dass bei dieser Passage - wie auch bei den folgenden - ohne den Kontext und insbesondere die Gesamtaussage des Artikels unter dem Gesichtspunkt der Belanglosigkeit zweifelhaft sein könnte, ob der Antragstellerin ein Entgegnungsinteresse zusteht. Dem steht jedoch entgegen, dass mit dem Artikel durch die Mitteilung vieler Einzelumstände dem durchschnittlichen Leser der Eindruck vermittelt wird (und erkennbar auch werden soll), die Antragstellerin habe sich in der Entschädigungsangelegenheit jedenfalls nicht korrekt verhalten. Davon ausgehend kann der Antragstellerin dann nicht verwehrt werden, sich in der Gegendarstellung auch mit derartigen Einzelheiten zu beschäftigten und insoweit ggf. auch ergänzend zu erwidern. Für den Leser ist es dann aber durchaus von Belang, ob Entschädigungsansprüche der Antragstellerin durch gerichtliche Entscheidungen oder aber nur durch Entscheidungen der Verwaltungsbehörde zuerkannt worden sind.

Soweit die Antragstellerin hinsichtlich der dritten Passage der Gegendarstellung ("Schiffskoffer") geltend macht, die Erwiderung beziehe sich auf eine in der Erstmitteilung nicht aufgestellte Behauptung bzw. bekämpfe einen durch diese nicht erweckten Eindruck, ist dem nicht zu folgen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wird durch die angegriffene Passage und den Artikelkontext bei der Leserschaft durchaus der Eindruck erweckt, die im aufgefundenen Koffer befindlichen Daimler Benz Aktien bezögen sich auf das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Ausweislich der Formulierung "hierzu stelle ich fest" wird hier auch lediglich ein Eindruck bekämpft. Der Antragsgegnerin ist insoweit einzuräumen, dass dieser Eindruck sich nicht zwingend aus der Erstmitteilung ergibt. Anders als bei Unterlassungsansprüchen muss sich derjenige, der eine Äußerung aufstellt oder verbreitet, dann, wenn diese in unterschiedlichem Sinne aufgefasst werden kann, im Rahmen von Gegendarstellungsansprüchen grundsätzlich jede vertretbare, jedenfalls nicht fernliegende Interpretationsmöglichkeit, also auch jeden nicht fernliegenden Eindruck entgegenhalten lassen. Der Senat, der diese Auffassung auch schon in dem Urteil vom 24.5.2002 - 7 U 34/02 - ("Eigenkapitalquote") vertreten hat, schließt sich insoweit ausdrücklich den überzeugenden und vollständigen Ausführungen von Burkhardt in Wenzel: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung 5. Aufl. § 11 Rdn. 41 an. In der Tat kann der zum Unterlassungsanspruch entwickelte Grundsatz, wonach bei mehreren Deutungsmöglichkeiten derjenige der Vorzug einzuräumen ist, die nicht zu einer Verurteilung des Mediums führt, nicht in das Gegendarstellungsrecht übertragen werden. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Gegendarstellung, der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu dienen. Während der Unterlassungsanspruch zu einer dauernden Beeinträchtigung der Äußerungsfreiheit der Presse führt und für diese daher in der Regel einen gravierenderen Eingriff in die Pressefreiheit darstellt als der Gegendarstellungsanspruch, wenngleich dies in der Praxis von den Medien vielfach anders empfunden wird, will die Gegendarstellung gerade auch den Betroffenen zu Wort kommen lassen. Nur dadurch erhält der Leser die Möglichkeit, sich seine Meinung zu bilden. Im Übrigen wäre es sonst den Medien überlassen, durch möglichst offene Formulierungen den Gegendarstellungsanspruch ins Leere laufen zu lassen. Insbesondere bei zu bekämpfenden Eindrücken wäre das Gegendarstellungsverfahren weitgehend entwertet, wenn es nur bei zwingend erweckten Eindrücken zur Anwendung käme. Dies kann in der Tat auch nach Ansicht des Senats angesichts der neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG AfP 1993, 474, NJW 1998, 1381) nicht zulässig sein. Das dem Schutze des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes dienende Gegendarstellungsinstitut muss vielmehr - wie ausgeführt - auch dann dem Betroffenen zur Verfügung stehen, wenn dieser sich damit gegen einen durch eine Veröffentlichung erweckten Eindruck wehren will, der jedenfalls nicht fernliegend ist. Insoweit wird darauf hingewiesen, dass diese Erwägungen sogar dann zutreffen dürften, wenn es sich um einen die Presse stärker beeinträchtigenden Folgenbeseitigungsanspruch gemäß § 1004 BGB wie etwa eine Richtigstellung, handelt (vgl. etwa Urteil des Senates vom 17.12.2002 - 7 U 67/02 -; bestätigt durch Urteil des BGH vom 9.12.2003 - VI ZR 38/03).

Davon ausgehend ist die Entgegnung zu der dritten Passage der Gegendarstellung nicht zu beanstanden. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die diesbezügliche Formulierung in der Erstmitteilung vom durchschnittlichen Leser dahin verstanden werden kann und von manchen auch so verstanden wird, dass sich die benannten Aktien auf das Verfahren des Oberlandesgerichtes Frankfurt beziehen. Dies ergibt sich nach Ansicht des Senates schon ohne weiteres daraus, dass im Artikel bis zu dieser Passage ausschließlich von dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt und nicht von Verfahren vor anderen Gerichten die Rede ist.

Hinsichtlich dieser Gegendarstellungspassage sind im Übrigen weitere Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinsichtlich des Entgegnungsinteresses wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Soweit die Antragsgegnerin sich mit der Berufung weiterhin gegen die vierte Passage der Gegendarstellung ("Recherche eines Bankangestellten") wendet, greifen auch diese Beanstandungen nicht durch. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wird hier zulässigerweise auf eine in der Erstmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptung erwidert. Die Formulierung "initiieren" ist nämlich in dem tatsächlichen Sinne "den Anstoß geben, in die Wege leiten" zu verstehen (vgl. etwa Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Stichwort: initiieren), sie enthält demnach einen Tatsachenkern, der zu der Einstufung als Tatsachenbehauptung führt.

Mit dem Landgericht, auf dessen Ausführungen insoweit verwiesen wird, ist dann anzunehmen, dass die Erwiderung nicht unzulässig ist, also weder offensichtlich unwahr, noch offensichtlich irreführend. Die Erwiderung ist auch nicht übermäßig lang, vielmehr enthält sie eine dem Vorwurf der Irreführung vorbeugende jedenfalls vertretbare Ergänzung. Endlich ist aus den oben dargelegten Erwägungen auch hier trotz der vermeintlichen Belanglosigkeit ein Erwiderungsinteresse zu bejahen.

Auch die mit der Berufung weiter verfolgten Beanstandungen hinsichtlich der fünften Passage der Gegendarstellung ("Schmierzettel") verfangen nicht. Auch insoweit kann nach wie vor dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht entnommen werden, dass die Gegendarstellungsvoraussetzungen etwa wegen offensichtlicher Unrichtigkeit oder offensichtlicher Irreführung der Entgegnung oder aus anderen Gründen nicht vorliegen. Mangels gewichtigen neuen Vortrages verweist der Senat auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Insoweit ist allerdings noch einmal darauf hinzuweisen, dass sich aus Feststellungen in einem anderen Gerichtsverfahren, welche etwa ein inhaltlich einem Gegendarstellungsbegehren, insbesondere aber einer Erwiderung entgegenstehen könnten, nicht ohne weiteres die Unzulässigkeit des Gegendarstellungsbegehrens, insbesondere die Unwahrheit der Erwiderung, entnehmen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.