ArbG Essen, Beschluss vom 04.11.2014 - 2 BV 42/14
Fundstelle
openJur 2015, 17247
  • Rkr:

1.) § 3 Abs. 4 Satz 1 WO verlangt nicht, dass das Wahlausschreiben zu jeder Tages- und

Nachtzeit jedem interessierten Betriebsangehörigen zugänglich sein muss. Mit einem

Aushang des Wahlausschreibens am Schwarzen Brett des Betriebsrats in dem täglich

für 11 ¾ Stunden geöffneten Speisesaal des Betriebs genügt der Wahlvorstand seinen

gesetzlichen Verpflichtungen.

2.) Der Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, zusätzlich zum Aushang des Wahlausschreibens

über das im Betrieb gebräuchliche Network-Mail-System (NMS) die Beschäftigten vorab

darauf hinzuweisen, dass und wo der Aushang des Wahlausschreibens erfolgt.

3.) Arbeitnehmer, die am Wahltag wegen Urlaub, Freischicht o. ä. zufällig nicht im Betrieb

anwesend sind, gehören ebenso wenig wie Arbeitnehmer, die am Wahltag in Nacht- oder

Spätschicht eingeplant sind, zu den in § 24 Abs. 2 WO genannten Wahlberechtigten, die

"nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses" voraussichtlich im Zeitpunkt der

Wahl nicht im Betrieb anwesend sein werden.

Verfahrensgang :

Die beim LAG Düsseldorf eingelegte Beschwerde - 6 TaBV 20/15 - wurde zurückgenommen

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Antragstellerinnen zu 1. und 2. bilden innerhalb der Betriebsstätte Fachklinik S in Essen einen Gemeinschaftsbetrieb. Die Fachklinik S ist mit 455 Betten einer der größten Einrichtungen ihrer Art in Nordrhein-Westfalen.

Die Antragstellerinnen beschäftigen dort insgesamt 350 wahlberechtigte Arbeitnehmer.

In der Amtsperiode 2010 - 2014 bestand im Gemeinschaftsbetrieb der Antragstellerinnen ein neunköpfiger Betriebsrat. Dieser bestellte am 30. Oktober 2013 einen aus der Arbeitnehmerin Heidrun L., dem Arbeitnehmer Markus T. sowie dem Arbeitnehmer Peter H. als Wahlvorstandsvorsitzenden bestehenden dreiköpfigen Wahlvorstand.

Am 03. Januar 2014 erließ der Wahlvorstand das Wahlausschreiben, in welchem er mitteilte, dass in dem Betrieb 282 Frauen und 68 Männer beschäftigt seien und dass deshalb der Betriebsrat aus neun Mitgliedern zu bestehen habe, wobei den Männern als Geschlecht in der Minderheit zwei Mindestsitze zustünden. Der Wahlvorstand bestimmte den Zeitraum vom 03. März 2014 - in der Zeit von 06:30 bis 09:00 und 11:30 bis 14:00 Uhr - bis Dienstag, den 04. März 2014 - in der Zeit von 09:00 bis 11:00 sowie 14:00 bis 16:00 Uhr - zum Tag der Stimmabgabe und setzte für die Einreichung von Vorschlagslisten eine Frist bis zum 17. Januar 2014 um 18:00 Uhr.

Das Wahlausschreiben wurde vom Wahlvorstand am 03. Januar 2014 um 14:15 Uhr im Schaukasten des Betriebsrats im Speisesaal des Betriebes ausgehängt. Die üblichen Öffnungszeiten des Speisesaals sind von 07:00 Uhr bis 18:45 Uhr.

Mit Aushang vom 07. Februar 2014 machte der Wahlvorstand die Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Freie Liste" durch Aushang im Betrieb bekannt und teilte mit, dass die Wahl zum Betriebsrat, da nur eine gültige Vorschlagsliste eingereicht worden sei, als Mehrheitswahl ("Personenwahl") stattfinden werde.

Bei der vom 03. bis 04. März 2014 durchgeführten Betriebsratswahl wurden für die Bewerber

Arndt C. 103 Stimmen

Heidrun L. 97 Stimmen

Frank X. 87 Stimmen

Wolfgang V. 82 Stimmen

Markus T. 79 Stimmen

Hans-Peter H. 71 Stimmen

Margarethe O. 62 Stimmen

Oliver U. 61 Stimmen

Sabine I. 52 Stimmen

abgegeben.

Hierüber verhält sich die Wahlniederschrift vom 04. März 2014.

Mit Aushang vom 10. März 2014 machte der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt.

Mit ihrem am 21. März 2014 bei Gericht eingegangenen Antrag machen die Antragstellerinnen die Anfechtung der Betriebsratswahl wegen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens geltend.

Sie vertreten die Auffassung, aufgrund der begrenzten Öffnungszeiten des Speisesaals - von 07:00 Uhr bis 18:45 Uhr - hätten nicht alle Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt, von dem Erlass des Wahlausschreibens Kenntnis zu nehmen. In der Fachklinik erfolge der Pflegedienst auch in Nachtschichten. Die Nachtschicht beginne um 21:00 Uhr und ende am nächsten Morgen um 06:25 Uhr. In dem Zeitraum vom 03.01.2014 bis zum 17.01.2014 (Ende der gesetzten Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen und Einsprüchen gegen die Wählerliste) hätten insgesamt 21 Arbeitnehmer aufgrund des Schichtdienstes das ausschließlich im Speisesaal ausgehängte Wahlausschreiben nicht während ihrer Arbeitszeit zur Kenntnis nehmen können. Darüber hinaus habe die Wählerliste zusammen mit dem Text der Wahlordnung in der Zeit von 09:00 bis 15:00 Uhr in einem gesonderten Raum ausgelegen. Die 21 Arbeitnehmer des Schichtdienstes hätten auch keine Möglichkeit gehabt, von der Wählerliste und dem Text der Wahlordnung Kenntnis zu nehmen, da ihre Arbeitszeit in dem fraglichen Zeitraum außerhalb der zur Einsichtnahme zur Verfügung stehenden Zeit gelegen habe.

Aufgrund der Tatsache, dass die Stimmabgabe vom Wahlvorstand auf Rosenmontag und Fastnachtsdienstag festgesetzt worden sei, seien, für den Wahlvorstand aufgrund der Schicht- und Urlaubsplanung ersichtlich, auch insgesamt 22 Wahlberechtigte nicht im Dienst gewesen, weil sie frei gehabt, Urlaub genommen hätten oder als Nachtwache bzw. im Spätdienst im Einsatz gewesen seien. Die Schichtpläne würden jeweils vier Wochen im Voraus erstellt und sodann dem Betriebsrat zugleitet. Da der Wahlvorstand nur aus Betriebsratsmitgliedern bestanden habe, sei diesem bekannt gewesen, welche Wahlberechtigten zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl aufgrund der Schichtplanung keinen Dienst gehabt hätten. Gleichwohl habe der Wahlvorstand nicht die Zusendung von Briefwahlunterlagen an die genannten 22 Arbeitnehmer veranlasst.

Grundsätzlich beanstanden die Antragstellerinnen, der Wahlvorstand habe -anders als 2010 bei der vorangegangenen Betriebsratswahl - die Beschäftigten nicht vorab über das im Betrieb gebräuchliche Network-Mail-System (NMS), den sog. "gelben Zettel", über den erfolgten Aushang des Wahlausschreibens und damit über die Einleitung der Betriebsratswahl informiert. Nicht alle Mitarbeiter der Antragstellerinnen nutzten den Speisesaal, und die in Nachtschicht tätigen Arbeitnehmer hätten gar nicht die Möglichkeit hierzu. Auffällig sei, dass der Betriebsrat sowohl vor als auch unmittelbar nach der Betriebsratswahl stets auf den "gelben Zettel" als internes elektronisches Kommunikationssystem zurückgegriffen, ausgerechnet zur extrem wichtigen Einleitung der Betriebsratswahl 2014 auf eine entsprechende Mitteilung per NMS jedoch verzichtet habe. Tatsächlich hätten hierdurch nicht alle Wahlberechtigten frühzeitig Kenntnis von der bevorstehenden Betriebsratswahl gehabt. Es sei davon auszugehen, dass der seinerzeit noch amtierende alte Betriebsrat genau dies beabsichtigt habe - offenbar um zu verhindern, dass eine weitere Vorschlagsliste zur Betriebsratswahl eingereicht bzw. Beschäftigte, die dem Gremium noch nicht angehörten, ebenfalls zum Betriebsrat kandidieren würden. Tatsächlich hätten bei der Betriebsratswahl dann auch nur Personen kandidiert, die bereits dem alten Betriebsrat angehört hätten.

Die antragstellenden Unternehmen beantragen,

die Betriebsratswahl vom 03.03.2014 und 04.03.2014

für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung macht der Betriebsrat geltend, die Bestellung des Wahlvorstands sei unstreitig bereits im Oktober 2013 erfolgt und durch Aushang vom 30.10.2013 entsprechend bekannt gemacht worden. Dadurch habe im Betrieb bereits weit vor dem Aushang des Wahlausschreibens Kenntnis davon bestanden, dass ein Wahlvorstand bestellt und eine Betriebsratswahl durchgeführt werde. Ebenso wie das Wahlausschreiben selbst sei dieser Aushang im Speisesaal erfolgt, wo sich der Schaukasten des Betriebsrats befinde. Aufgrund der üblichen Öffnungszeiten hätten alle Beschäftigten ohne Schwierigkeit die Möglichkeit der Kenntnisnahme von den Aushängen des Betriebsrats im Speisesaal, der übrigens seit Jahren für Bekanntmachungen des Betriebsrats genutzt werde.

Durch den Aushang am Schwarzen Brett des Betriebsrats sei auch gewährleistet, dass das Wahlausschreiben nicht abgenommen werden könne, weil das Schwarze Brett hinter Glas verschlossen sei. Die weit überwiegende Anzahl der Beschäftigten nutze regelmäßig den Speisesaal, um sich Brötchen zu holen, dort Kaffee zu trinken oder zu essen. Hingegen komme es nicht darauf an, ob der Ort, an dem das Wahlausschreiben aushänge, tatsächlich regelmäßig von allen Arbeitnehmern aufgesucht werde. Dies sei an keiner Stelle im Betrieb gewährleistet. Es reiche aus, dass die Wahlberechtigten üblicherweise ohne jede Schwierigkeit von dem Aushang Kenntnis nehmen könnten. Dies sei im Speisesaal für sämtliche Mitarbeiter, auch die Beschäftigten der Nachtschicht, gewährleistet.

Dass darüber hinaus keine elektronische Bekanntmachung erfolgt sei, sei kein Fehler, der zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen könne. Nach wie vor sehe das Betriebsverfassungsgesetz die Möglichkeit einer elektronischen Bekanntmachung als fakultativ vor; es gebe aber keine Verpflichtung hierzu. Insoweit gebe es im Betrieb auch keine Üblichkeit. Allein der Umstand, dass der sog. "gelbe Zettel" im Jahre 2010 insoweit genutzt worden sei, begründe eine solche Üblichkeit nicht. Der Betriebsrat sei demzufolge nicht verpflichtet gewesen, das Wahlausschreiben gleichzeitig auch elektronisch bekannt zu machen. Die im Wahlausschreiben festgesetzten Fristen seien richtig berechnet, es sei bekanntlich zulässig, die Fristen zur Einreichung von Wahlvorschlägen und Einsprüchen gegen die Wählerliste am Tag des Fristablaufs vor 24:00 Uhr enden zu lassen. Der festgesetzte Fristablauf dürfe nur nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der ganz überwiegenden Mehrheit der Arbeitnehmer liegen, und dies sei vorliegend gewährleistet gewesen. Die weit überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer beende ihre Arbeit spätestens gegen 18:00 Uhr.

Die Festlegung des Wahltermins sei ebenfalls nicht zu beanstanden, Rosenmontag und Veilchendienstag seien normal Arbeitstage im Betrieb der Antragstellerinnen, für die es keine abweichende Besetzung gebe. Zwar könne es sein, dass einzelne Arbeitnehmer an den beiden für die Stimmabgabe zur Verfügung stehenden Tagen nicht im Dienst gewesen seien; den Wahlvorstand treffe aber keinerlei Verpflichtung, die Schichtpläne im Hinblick darauf, welche Personen konkret anwesend seien, durchzusehen. Im Übrigen sei dem Wahlvorstand die Schichtplangestaltung unbekannt. Auch der Betriebsrat kenne nur die Sollpläne, nicht jedoch die jeweiligen Istpläne für einen bestimmten Tag, da sich etwa aufgrund von Krankheiten, Urlaub etc. regelmäßig Änderungen gegenüber den Sollplänen ergäben. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Beschäftigten der Nachtschicht offenkundig auch von der anstehenden Betriebsratswahl gewusst hätten, denn ein Viertel der Nachtdienstmitarbeiter habe Briefwahl beantragt gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten zum Gegenstand der mündlichen Anhörung gemachten Akteninhalt Bezug genommen.

B.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

I.

1. Das geltend gemachte Begehren wird von den Antragstellerinnen zutreffend im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren verfolgt. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne der §§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, 2 a Abs. 2, 80 Abs. 1 ArbGG.

2. Das - im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren stets erforderlich und von Amts wegen zu prüfende (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 81 Rz. 23 - 32; Bader/Creutzfeld/Friedrich, ArbGG, 5. Aufl., § 81 Rz. 4; Düwell/Lipke/Reinfelder, ArbGG, 3. Aufl., § 81 Rz. 24 - 28; Grunsky/ Waas/Benecke/Greiner, ArbGG, 8. Aufl., § 80 Rz. 18, § 81 Rz. 19 - 21; Hauck/Helml, ArbGG, 3. Aufl., § 81 Rz. 9; Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl., § 81 Rz. 87 - 96) - Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag ergibt sich daraus, dass die Beteiligten darüber streiten, ob die am 03. und 04. März 2014 durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam gewesen ist.

3. Die Antragsberechtigung der antragstellenden Unternehmen folgt aus § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist Beteiligter an einem Beschlussverfahren, wer von der in dem Verfahren ergehenden Entscheidung materiellrechtlich in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen sein kann (vgl. BAG vom 25. September 1986 - 6 ABR 68/84 - AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972; BAG vom 11. November 1998 - 4 ABR 40/97 - AP Nr. 18 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 23. Juni 2010 - 7 ABR 3/09 - NZA 2010, 1361 = AP Nr. 17 zu § 81 SGB IX = DB 2010, 2511 = EzA § 99 BetrVG 2001 Einstellung Nr. 14). Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, wer Beteiligter im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur: BAG vom 15. Januar 1992 - 7 ABR 23/90 - AP Nr. 41 zu § 40 BetrVG 1972).

Danach war neben den Antragstellerinnen nur der Betriebsrat am Verfahren zu beteiligen, da dieser von der im vorliegenden Verfahren ergehenden Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wäre.

4. Die Wahl ist binnen zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 10. März 2014 angefochten worden (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Die Antragsschrift ist fristgerecht am 21. März 2014 bei Gericht eingegangen.

II.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen haben hier nicht vorgelegen.

1. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO ist ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum letzten Tage der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten.

Dieser Vorschrift hat der Wahlvorstand genügt, indem er das Wahlausschreiben im Speisesaal des Gemeinschaftsbetriebs der Antragstellerinnen, der unstreitig von 07:00 Uhr bis 18:45 Uhr geöffnet und allen Wahlberechtigten zugänglich ist, ausgehängt hat. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben im Speisesaal am Schwarzen Brett des Betriebsrats ausgehängt hat, wo der Betriebsrat betriebsüblich sämtliche für die Arbeitnehmerschaft bestimmten Aushänge üblicherweise bekannt macht. Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen ist es hingegen nicht erforderlich, dass jeder Wahlberechtigte zu jeder Tages- und Nachtzeit, wann es ihm gerade in den Sinn kommt, ans Schwarze Brett gehen und den Aushang zur Kenntnis nehmen kann. Der Speisesaal in der Fachklinik ist täglich immerhin 11 ¾ Stunden geöffnet, so dass für sämtliche Beschäftigten ausreichend Zeit besteht, die sie interessierenden Aushänge am Schwarzen Brett des Betriebsrats zur Kenntnis zu nehmen.

Soweit die Antragstellerinnen darauf verwiesen haben, für die Beschäftigten der Nachtschicht, die ihren Dienst in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:25 Uhr versehen, habe die Möglichkeit, während ihrer nächtlichen Arbeitszeit den Speisesaal aufzusuchen und am dort befindlichen Schwarzen Brett das Wahlausschreiben bzw. sonstige Aushänge des Wahlvorstand zu "studieren", nicht bestanden, verkennen sie, dass § 3 Abs. 4 Satz 1 WO nicht verlangt, dass das Wahlausschreiben zu jeder Tages- und Nachtzeit jedem interessierten Betriebsangehörigen zugänglich sein muss. Auch die in der Nachtschicht tätigen Arbeitnehmer, deren Nachtschicht unstreitig um 06:25 Uhr endet, hatten - wie alle anderen Wahlberechtigten auch - die Möglichkeit, das Wahlausschreiben zwischen 07:00 Uhr bis 18:45 Uhr im Speisesaal zur Kenntnis zu nehmen.

Dass Beschäftigte der Nachtschicht zu diesem Zweck - ein pünktliches Schichtende vorausgesetzt - ca. 35 Minuten hätten zuwarten bzw. den Betrieb zu einem außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit gelegenen Zeitpunkt hätten aufsuchen müssen, steht dem nicht entgegen. Insofern bedarf auch die weitergehende Frage, ob der Arbeitgeber im Fall einer etwaigen Wahrnehmung ihres diesbezüglichen Rechts durch Wahlberechtigte die diesen hierdurch entstandene Zeitversäumnis und sonstige Kosten nicht nach § 20 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als Kosten der Wahl zu erstatten gehabt hätte, vorliegend keiner Beantwortung. Die Antragstellerinnen übersehen in diesem Zusammenhang, dass es auch in anderen Betrieben z. B. dem Sicherheits- und Nachtdienstpersonal nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO nicht ermöglicht werden muss, jederzeit während ihrer persönlichen, von der Mehrheit der Beschäftigten deutlich abweichenden Arbeitszeit Zugang zum Schwarzen Brett zu erhalten, wenn nur dort das Wahlausschreiben aushängt. Auch in einem Betrieb, in welchem "rund um die Uhr" im Schichtsystem gearbeitet wird, ist der Wahlvorstand nicht verpflichtet, einigen wenigen Beschäftigten, die in der Nachtschicht arbeiten, den Zugang zum Schwarzen Brett auch während ihrer höchstpersönlichen Arbeitszeit zu eröffnen. Es ist vielmehr im Streitfall interessierten Wahlberechtigten durchaus zuzumuten gewesen, das Wahlausschreiben während der ca. zwölfstündigen Öffnungszeit des Speisesaals am dort befindlichen Schwarzen Brett zur Kenntnis zu nehmen.

2. Der Wahlvorstand hat auch nicht dadurch gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen, indem er - anders als anlässlich der vorangegangen regelmäßigen Betriebsratswahl des Jahres 2010 - nicht vorab über das im Betrieb gebräuchliche Network-Mail-System, den sog. "gelben Zettel", alle Beschäftigten darauf hingewiesen hat, dass und wo das Wahlausschreiben ausgehängt war.

§ 3 Abs. 4 Satz 2 WO sieht zwar vor, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt machen kann; eine diesbezügliche gesetzliche Verpflichtung des Wahlvorstands begründet die Vorschrift indes nicht. Im Übrigen hat nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen der Wahlvorstand zur Betriebsratswahl des Jahres 2010 das Wahlausschreiben auch nicht über das NMS "bekannt gemacht", d.h. den Beschäftigten in vollem Wortlaut zur Verfügung gestellt, sondern diese lediglich davon in Kenntnis gesetzt, dass das Wahlausschreiben durch Aushang am Schwarzen Brett des Betriebsrats erlassen worden sei und am Schwarzen Brett eingesehen werden könne. Dass der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl 2014 einen solchen Hinweis per NMS unterlassen hat, mag zwar dazu geführt haben, dass einzelne Beschäftigte, die sich für Aushänge am Schwarzen Brett des Betriebsrats weniger interessieren, das seit Anfang Januar 2014 dort aushängende Wahlausschreiben nicht oder erst spät zur Kenntnis genommen haben, eine gesetzliche Verpflichtung des Wahlvorstands, die Tatsache, dass am Schwarzen Brett des Betriebsrats im Speisesaal an allgemein zugänglicher Stelle das Wahlausschreiben ausgehängt worden sei, allen Beschäftigten zusätzlich per NMS mitzuteilen, lässt sich der Wahlordnung in ihrer aktuellen Fassung indes nicht entnehmen.

Demzufolge lässt sich insoweit zwar konstatieren, dass es wohl für etliche Wahlberechtigte hilfreich gewesen wäre, wäre eine solche Information parallel per NMS erfolgt; ein zur Wahlanfechtung berechtigender Verstoß gegen gesetzliche Pflichten des Wahlvorstands lässt sich an Hand der Tatsache, dass der Wahlvorstand 2014 von einem solchen zusätzlichen Service abgesehen hat, jedoch nicht begründen.

3. Entgegen der Annahme der Antragstellerinnen war der Wahlvorstand auch nicht verpflichtet, den von diesen namentlich benannten 22 Arbeitnehmern, die an den beiden Tagen der Stimmabgabe dienstfrei oder Urlaub hatten bzw. im Spät- oder Nachdienst eingeplant waren, unaufgefordert Briefwahlunterlagen zuzusenden.

a) Nach § 24 Abs. 2 WO erhalten Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte), die in § 24 Abs. 1 WO bezeichneten Briefwahlunterlagen, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf.

Die Vorschrift setzt positive Kenntnis des Wahlvorstands davon voraus, dass einzelne Beschäftigte nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich im Zeitpunkt der Wahl nicht im Betrieb anwesend sein werden. Das ist der Fall, wenn der betreffende Arbeitnehmer aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses regelmäßig oder überwiegend nicht im Betrieb anwesend ist. Diese Voraussetzungen erfüllen z.B. Arbeitnehmer, die als Telearbeiter, als Montagearbeiter oder als Angestellte im Außendienst (Reisende) außerhalb des Betriebes tätig sind, nicht jedoch Arbeitnehmer, die am Wahltag wegen Urlaub, Freischicht o.ä. zufällig nicht im Betrieb anwesend sind (vgl. Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 27. Aufl., § 24 WO 2001, Rz. 10; Anuschek, Betriebsratswahl, 4. Aufl., D IV 1b (1), S. 137; Kreutz/Jacobs in GK-BetrVG, 10. Aufl., § 24 WO Rz. 10; Richardi/Thüsing, BetrVG, 14. Aufl. § 24 WO 2001, Rz. 7).

b) Danach gehörten die von den Antragstellerinnen benannten Arbeitnehmer der Spät- oder Nachtschicht bereits deshalb nicht zu dem in § 24 Abs. 2 WO genannten Personenkreis, weil diese unstreitig am Wahltag im Betrieb anwesend gewesen sind. Arbeitnehmer, die ihre tägliche Arbeit regelmäßig im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und beenden, gehören ebenso wenig zu dem in § 24 Abs. 2 WO genannten Personenkreis wie Schichtdienstleistende (vgl. LAG Niedersachsen vom 09. März 2011 - 17 TaBV 41/10 - AiB 2013, 653 [Rz. 38]).

Die Beschäftigten, die als Nachtwache oder im Spätdienst an den für die Stimmabgabe festgesetzten Tagen eingeplant gewesen sind, hatten im Übrigen auch tatsächlich die Möglichkeit, ihre Stimme während ihrer Schicht bzw. im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an diese im Betrieb persönlich abzugeben. Denn der Wahlvorstand hat ausweislich des Wahlausschreibens die Stimmabgabe für Montag, den 03. März 2014 in der Zeit von 06:30 bis 09:00 Uhr sowie von 11:30 bis 14:00 Uhr und für Dienstag, den 04. März 2014 in der Zeit von 09:00 bis 11.00 Uhr sowie 14:00 bis 16:00 Uhr ermöglicht. Demzufolge hätten selbst Beschäftigte der Nachschicht, die um 06:25 Uhr endet, am Montag, den 03. März 2014 im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an das Schichtende ihre Stimme persönlich im Wahllokal abgeben können, ohne hierzu die Möglichkeit der Briefwahl in Anspruch nehmen zu müssen, wie die Antragstellerinnen fälschlich angenommen haben.

c) Ebenso wenig treffen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 WO auf die Arbeitnehmer zu, die am Wahltag wegen Urlaub, Freischicht o.ä. zufällig nicht im Betrieb anwesend gewesen sind, denn bei diesen hat es sich eben nicht um "im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses" im Betrieb nicht anwesende Wahlberechtigte gehandelt.

d) Abgesehen davon, dass es somit bereits an den grundlegenden gesetzlichen Voraussetzungen gefehlt hat, unter welchen § 24 Abs. 2 WO eine Verpflichtung des Wahlvorstands zur Übersendung der in § 24 Abs. 1 WO genannten Unterlagen begründet, haben die Antragstellerinnen aber auch übersehen, dass ein Wahlvorstand generell nicht gehalten ist, Dienst- und Einsatzpläne daraufhin akribisch auszuwerten, welche Beschäftigten dort an den Tagen der Stimmabgabe nicht verplant sind und sich somit möglicherweise in Urlaub bzw. Freischicht befinden. Nach ganz herrschender Meinung besteht keine diesbezügliche Nachforschungspflicht des Wahlvorstands (vgl. Fitting, a.a.O., § 24 WO 2001, Rz. 14; Homburg in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 12. Aufl., § 26 WO Rz. 13; Kreutz/Jacobs in GK-BetrVG, a.a.O., § 24 WO Rz. 11). Vielmehr sind solche Wahlberechtigten nach § 24 Abs. 1 WO selbst gehalten, erforderlichenfalls beim Wahlvorstand ein Verlangen auf Briefwahl zu äußern.

Dass im vorliegenden Fall ein derartiges Verlangen von einem der 22 namentlich genannten Beschäftigten geäußert worden wäre und der Wahlvorstand diesem nicht entsprochen hätte, haben die Antragstellerinnen jedoch selbst nicht behauptet.

4. Die von ihnen bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens gegen die Betriebsratswahl erhobenen weiteren Bedenken haben die Antragstellerinnen nach eingehender Erörterung in der mündlichen Anhörung der Beteiligten am 04.11.2014 nicht weiter aufrechterhalten, so dass hierauf nicht mehr einzugehen ist.

Nach allem konnte das Wahlanfechtungsbegehren daher keinen Erfolg haben.

C.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 2 Abs. 2 GKG i.V. m. § 2 a Abs. 1 ArbGG).

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen diesen Beschluss kann von den antragstellenden Unternehmen (= Arbeitgeberinnen)

B e s c h w e r d e

eingelegt werden.

Für den Betriebsrat ist gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.

Die Beschwerde muss

innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses

beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 schriftlich oder in elektronischer Form eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein.

Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Ein Beteiligter, der als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

gez. B a c h l e r

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