OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17.02.2011 - 6 UF 14/11, 6 UF 11/11
Fundstelle
openJur 2011, 13779
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 F 385/10

Die Sache darf auch dann an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen werden, wenn die ursprüngliche Zustimmung zum Alleinsorgeantrag des anderen Elternteils durch die Beschwerde widerrufen worden ist.

(Leitsätze: die Mitglieder des 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht - Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 1.500 €.

5. Hinsichtlich der Beschwerde des Antragsgegners gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes in der angefochtenen Entscheidung ist eine Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist insoweit gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Das Amtsgericht - Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße hat durch den angefochtenen Beschluss die elterliche Sorge für das Kind A...-S... E... auf die Mutter allein übertragen, nachdem diese das beantragt und der Vater dem Antrag zugestimmt hatte (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde hat der Vater seine Zustimmung zur Übertragung der elterlichen Sorge zurückgezogen.

Das zulässige Rechtsmittel führt zu einem vorläufigen Erfolg.

Der vom Antragsgegner erklärte Rückzug seiner Zustimmung zur Übertragung der Alleinsorge auf den anderen Elternteil ist wirksam. Nach allgemeiner Auffassung kann die Erklärung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch noch im Beschwerdeverfahren nach §§ 58 ff. FamFG widerrufen werden (vgl. MK-BGB § 1671 Rn. 63; Schwab FamRZ 1998, 457, 461; s.a. BGH DAVorm 2000, 704), weil es sich auch hier um eine Tatsacheninstanz handelt und das Verfahren - anders als bei der Rechtsbeschwerde (§ 72 FamFG) - nicht auf die Prüfung von Rechtsfehlern beschränkt ist.

Der Senat hält es für angebracht, die nun erforderlich gewordene Prüfung, ob die von der Mutter des Kindes begehrte Alleinsorge dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB), dem Familiengericht als der sachnäheren Instanz zu übertragen. Nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG darf eine solche Aufhebung und Zurückverweisung vorgenommen werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges in der Sache noch nicht entschieden hat. Gemeint sind hier zwar in erster Linie die Fälle, in denen das Erstgericht einen gestellten Antrag für unzulässig hält oder die eigene Zuständigkeit verneint (vgl. Bork/Jacoby/Schwab, FamFG § 69 Rn. 19). Aber auch der vorliegende Sachverhalt ist nicht anders zu beurteilen, denn nach der in 1. Instanz gegebenen Situation war das Familiengericht grundsätzlich ohne Richtigkeitskontrolle, Auswahlermessen oder Prüfung der Motive der Eltern an deren übereinstimmenden Willen gebunden; es war lediglich die Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB zu erwägen (zum Ganzen s. OLG Rostock FamRZ 1999, 1599; Palandt, BGB 70. Aufl. § 1671 Rn. 11), wofür aber in vorliegendem Fall offensichtlich keine Anhaltspunkte bestanden.

Dagegen ist nunmehr gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl umfassend zu prüfen. In dieser „Sache“ hat das Familiengericht bisher noch nicht entschieden. Die von ihm vorgenommene Anhörung des Kindes hatte lediglich den damals übereinstimmenden Elternwillen zum Hintergrund. Die nunmehr zu erwägenden Gründe des Kindeswohls, wie sie in der Stellungnahme des Jugendamts vom 10. Februar 2011 (Bl. 36 d.A.) Anklang finden, waren damals weder in dieser Form bekannt, noch mussten sie nach dem oben Ausgeführten berücksichtigt werden.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG ist in einem solchen Fall ein Zurückweisungsantrag eines Beteiligten nicht erforderlich (Zöller, ZPO 28. Aufl. § 69 FamFG Rn. 7); möglicherweise ursprünglich abweichende Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG 2. Aufl. § 69 Rn. 26) haben in der endgültigen Fassung keinen Ausdruck gefunden. Von der Durchführung eines Termins im Beschwerdeverfahren ist abzusehen, da aus der Sicht des Senats keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

Der Senat hält es für insgesamt angemessen, dem Beschwerdeführer, der überzeugende Gründe für seinen Sinneswandel nicht vorgebracht hat, mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten (§§ 81, 84 FamFG). Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) besteht nicht.

Den Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamFG auf 1.500 € fest, weil hier nicht die eigentliche Sorgerechtsregelung zu treffen ist, sondern lediglich formale Fragen zu entscheiden sind. Hinsichtlich der Beschwerde des Antragsgegners gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts 1. Instanz stellt der Senat gemäß § 59 Abs. 1 S. 5, Abs. 3, § 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG fest, dass eine Entscheidung in der Sache nicht veranlasst ist. Für die Sorgerechtsregelung aufgrund übereinstimmenden Elternwillens hätte zwar gemäß § 45 Abs. 3 FamFG ebenfalls eine Absenkung des Regelwertes von 3.000 € erwogen werden können (vgl. Schulte-Bunert/ Weinreich a.a.O., § 45 FamGKG Rn. 4). Wegen § 31 Abs. 1 FamGKG wird aber nach Zurückverweisung der Sache ohnehin über den Verfahrenswert des fortzuführenden ersten Rechtszuges neu zu befinden sein.