FG München, Urteil vom 09.06.2015 - 6 K 1824/13
Fundstelle
openJur 2015, 12322
  • Rkr:
Tenor

1. Dem Beklagten wird aufgegeben, geänderte Körperschaftsteuerbescheide 2004 und 2005 zu erlassen und für das Jahr 2004 eine Gewinnerminderung von ... € und für das Jahr 2005 eine Gewinnerhöhung von ... € anzusetzen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I. Die Klägerin ist    eine Anstalt des öffentlichen Rechts.

Den Steuererklärungen und Bilanzen der Klägerin liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

-Rückstellung für Abfindungsleistungen bei der AltersteilzeitrückstellungDie Klägerin hat mit verschiedenen Mitarbeitern Verträge über Altersteilzeit abgeschlossen. Grundlage dieser Verträge ist das Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996 (AltTZG) und der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998. Nach § 5 Abs. 7 TV ATZ haben die Mitarbeiter einen tariflichen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung wegen der zu erwartenden Rentenkürzung aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente (sog. Nachteilsausgleich). Die Abfindung wird zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gezahlt.

Die künftigen Abfindungszahlungen bei der Altersteilzeitrückstellung hat die Klägerin ab Abschluss des jeweiligen Altersteilzeitvertrages in voller Höhe, jedoch abgezinst auf den Zeitpunkt der Auszahlung (Zinssatz 5,5 %) in ihren Handels- und Steuerbilanzen gewinnmindernd als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten passiviert.

Rückstellungen für Zuwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums

Die Klägerin gewährt ihren Mitarbeitern Jubiläumszuwendungen sowohl nach den jeweils geltenden Tarifverträgen als auch nach übertariflichen Sonderzahlungen und bildet dafür Rückstellungen. Im Streitjahr 2005 wurde diese Rückstellung in der Handels- und Steuerbilanz gebildet, wenn das maßgebende Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat und die Zuwendung das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt.

Die Klägerin hat den steuerlichen Ansatz der Rückstellung nach dem sog. Pauschalwertverfahren nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 12. April 1999, BStBl I 1999, 434 und den darin vorgegebenen Teilwerten in Höhe von    € ermittelt. Dem Pauschalwertverfahren liegen die Richttafeln 1998 von Prof. Heubeck zugrunde.

Für die Jahre 2001 bis 2005 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Im Rahmen dieser Außenprüfung überprüfte das beklagte Finanzamt (FA) folgende Sachverhalte:

-Die Rückstellung für Altersteilzeit und die Rückstellung für Abfindungen für die Jahre 2004 und 2005 änderte das FA insofern ab, als die Rückstellung entsprechend dem BMF-Schreiben vom 28. März 2007, BStBl I 2007, 297, ratierlich anzusammeln sei und nicht bereits bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages in voller (abgezinster) Höhe. Dies gelte auch für die Abfindungsleistung. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe hierzu bisher nicht Stellung genommen. Die Auffassung des FA führte für das Jahr 2004 durch den Streitpunkt Rückstellung für Abfindungsleistung zu einer Gewinnerhöhung von    € und für das Jahr 2005 zu einer Gewinnminderung von     €.-Die Rückstellungen für Zuwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums beließ das FA unverändert.Nach der Außenprüfung erließ das FA am   (geänderte) Körperschaftsteuerbescheide 2004 und 2005.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch macht die Klägerin geltend:

-Die vom FA vorgenommene Kürzung der Altersteilzeit-Rückstellung sei rückgängig zu machen.-Die Rückstellung zum 31. Dezember 2005 für Zuwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums sei mit dem Wert nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 8. Dezember 2008, BStBl I 2008, 1013 in Höhe von   € anzusetzen. Das BMF habe mit diesem Schreiben die Teilwerte an die geänderte (höhere) Lebenserwartung entsprechend den „Richttafeln 2005 G“ von Prof. Heubeck angepasst.Diesen Anträgen der Klägerin folgte das FA nicht und wies die Einsprüche insoweit mit Einspruchsentscheidung vom               als unbegründet zurück.

Die Rückstellungen für Abfindungen aus Altersteilzeit seien ratierlich aufzubauen. Die Rückstellungen für Dienstjubiläen seien grundsätzlich mit dem zulässigen Handelsbilanzwert zu übernehmen. Die Klägerin habe in der Steuerbilanz 2005 den zulässigen Handelsbilanzwert angesetzt. Dieser Bilanzansatz sei vor Ergehen des BMF-Schreibens vom 8. Dezember 2008, a.a.O., nicht fehlerhaft gewesen. Gleichzeitig mit der Einspruchsentscheidung änderte das FA die Körperschaftsteuerbescheide aus anderen Gründen.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend:

-Abfindungsleistungen bei der AltersteilzeitrückstellungDer TV ATZ gelte für alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) fallen (§ 1 TV ATZ). Neben dem im AltTZG und dem TV ATZ vorgesehenen laufenden Aufstockungsbeträgen sehe § 5 Abs. 7 TV ATZ eine zusätzliche Abfindung vor, wenn der Mitarbeiter vorzeitig eine Rente in Anspruch nehme und daher eine Rentenkürzung hinzunehmen habe. Damit werde die Idee der Altersteilzeit durch den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung (Block- oder Teilzeitmodell) und durch eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgesetzt.

Die Bilanzierung der Leistungen des Arbeitgebers für die Altersteilzeit im Blockmodell sei durch das BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 110/01, BStBl II 2007, 251 entschieden worden. Die Verpflichtungen des Arbeitsgebers seien ratierlich vom Beginn der Beschäftigungsphase bis zum Eintritt in die Freistellungsphase anzusammeln. Zur Bilanzierung einer zusätzlich vereinbarten Abfindung nehme der BFH keine Stellung.

Die Rückstellung für Abfindungen sei ab Vertragsabschluss in voller Höhe zu passivieren und mit 5,5 % abzuzinsen.

Vereinbare ein Mitarbeiter mit seinem Arbeitgeber über die Altersteilzeit hinaus eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, erhalte der Mitarbeiter dafür vom Arbeitgeber eine gesonderte Abfindung. Diese Abfindung stehe nicht im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung während der Beschäftigungsphase, sondern sei – wie jede andere Abfindung – ein Ausgleich für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen Nachteile. Die Abfindung werde von der Klägerin als finanzieller Ausgleich dafür geleistet, dass der Arbeitnehmer auf seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis verzichtet und dieses früher als gesetzlich vorgesehen beendet. Eine entsprechende Vereinbarung könne auch geschlossen werden, wenn der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Altersteilzeit vorausgehe. Umgekehrt bedeute die Vereinbarung der Altersteilzeit nicht zwingend eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Abfindungen aus der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses seien mit Vertragsabschluss sofort in voller (abgezinster) Höhe zu passivieren.

-Rückstellungen für DienstjubiläumDie Jubiläumsrückstellungen könnten in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2005 gemäß dem BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2008, a.a.O., mit    € angesetzt werden. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz werde durchbrochen, wenn für die Steuerbilanz eigene Ansätze gelten. Darüber hinaus werde auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung verwiesen. Bei Erstellung der Handelsbilanz zum 31. Dezember 2005 hätten die „Richttafeln 2005 G“ vorgelegen und seien berücksichtigt worden. Für die steuerliche Berechnung der Jubiläumsrückstellung wäre ebenfalls eine Anpassung an die „Richttafeln 2005 G“ und damit an aktuelle Parameter geboten gewesen. Durch Anwendung der Pauschalwerte aus dem BMF-Schreiben vom 8. Februar 1999, a.a.O., seien indes die überholten Parameter zur Berechnung der Rückstellung herangezogen worden, weil es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, die Pauschalwerte nach den neueren Parametern zu berechnen. Die Veröffentlichung dieser neuen auch für den Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 gültigen Parameter erst am 8. Dezember 2008 könne der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.Nach der Rechtsprechung des BFH sei für die Frage einer Bilanzberichtigung die objektive Rechtslage maßgebend (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317). Für die rückwirkende Berücksichtigung der Jubiläumsrückstellung sei folglich entscheidend, dass die bisherigen Ansätze auf Basis der „Richttafeln 1998“ objektiv falsch seien.

Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom   verwiesen.

Der während des Klageverfahrens ergangene Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom               beeinflusst die streitigen Fragen nicht.

Die Klägerin beantragt,das zu versteuernde Einkommen bei der Körperschaftsteuer  2004 um    € zu mindern und das zu versteuernde Einkommen bei der Körperschaftsteuer 2005 um   € zu erhöhen sowie die jeweilige Körperschaftsteuer entsprechend zu ändern,hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Zur Klageerwiderung verweist das FA im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Der Bilanzansatz für die Jubiläumsrückstellungen sei zulässig gewesen. Daher handle es sich nicht um einen Bilanzierungsfehler, so dass eine Bilanzberichtigung nicht möglich sei. Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung zur Bilanzberichtigung ergebe sich nichts Anderes.

Zum weiteren Vorbringen des Beklagten wird auf den Schriftsatz vom   verwiesen.

Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Gründe

II. Der Klageantrag ist auch insoweit zulässig, als eine Gewinnerhöhung geltend gemacht wird, da sich die im Tenor gewährten Bilanzansätze für Rückstellungen 2004 auf das Jahr 2005 steuerlich auswirken (von Groll in Gräber, FGO, 7. Auflage § 40 Rz. 90). Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist zu bejahen, da die Frage der Verrechnung einer Rückstellung für Dienstjubiläen mit diesen Auswirkungen ansonsten in einem zweiten Prozess geklärt werden müsste.

Die Klage ist begründet. Die Rückstellung für die Verpflichtung zur Abfindung des sog. Nachteilsausgleichs ist mit dem vollen abgezinsten Wert zu bilanzieren. Die Jubiläumsrückstellung ist im Wege der Bilanzberichtigung mit dem objektiv richtigen Wert anzusetzen.

1.Als steuerpflichtige Körperschaft unterlag die Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) mit jenem Einkommen der Besteuerung, das sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergibt. Danach ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dabei ist bei Gewerbetreibenden wie der Klägerin, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Da diese Verpflichtung zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört, gilt sie auch für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine betrieblich veranlasste und in der Vergangenheit wirtschaftlich verursachte, aber dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten, sofern wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit besteht oder entstehen wird und der Steuerpflichtige in Anspruch genommen wird (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BStBl II 2006, 371).

Rückstellungen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG mit dem Wert der vermutlichen Inanspruchnahme zu bewerten und mit dem abgezinsten Wert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG). Bei der Bewertung sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe f EStG).

Für die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung eines Arbeitgebers in einer Vereinbarung über Altersteilzeit, dem jeweiligen Arbeitnehmer in der Freistellungsphase einen bestimmten Prozentsatz des bisherigen Arbeitsentgelts zu zahlen, ist nach der Rechtsprechung des BFH für diese Verpflichtung bereits während der vorangehenden Beschäftigungsphase eine ratierlich aufzubauende Rückstellung zu bilden (Blockmodell). Denn Verbindlichkeiten, die nach Beendigung eines schwebenden Geschäfts zu erfüllen sind, sind bereits während dessen Laufzeit zu passivieren (BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 110/04, BStBl II 2007, 251). Die wirtschaftlichen Ursachen für die Verpflichtung zur Leistung der gesamten Vergütung in der Freistellungsphase (50 v.H. des Entgelts vor Beginn der Altersteilzeit und Aufstockungsbeträge i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG) werden vom Arbeitnehmer durch seine in der Beschäftigungsphase erbrachte Arbeitsleistung ratierlich und zeitanteilig erworben. Dem entsprechend ist der Rückstellungsbetrag zeitanteilig vom Beginn der Beschäftigungsphase bis zu deren Umwandlung in die Freistellungsphase aufzubauen (vgl. auch BMF-Schreiben vom 11. November 1999, BStBl I 1999, 959).

Jubiläumsrückstellungen sind unter Berücksichtigung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu bewerten. Grundlage dieser Berechnung sind die Richttafeln von Heubeck (BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 II R 122/91, BStBl II 1995, 14; Schubert in Beck’scher Bilanzkommentar, 9. Auflage, § 249 Rz. 100 sowie die hierzu ergangenen BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2008, BStBl I 2008, 1013 und BMF-Schreiben vom 12. April 1999, BStBl I 1999, 434).

Für die Besteuerung ist nach der Rechtsprechung des BFH abgesehen von im Einzelfall gebotenen Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) generell die objektive Rechtslage maßgebend. Die Besteuerung knüpft an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an (§ 38 AO), nicht aber an Rechtsansichten des Steuerpflichtigen, und erfolgt materiell-rechtlich ohne Rücksicht auf deren Vertretbarkeit oder Verschulden des Steuerpflichtigen. Entsprechen Bilanzansätze objektiv nicht den jeweils maßgebenden speziellen bilanzsteuerrechtlichen Vorschriften oder den handelsrechtlichen GoB, ist das Finanzamt unabhängig von einem Recht oder einer Pflicht des Steuerpflichtigen zur Berichtigung der Bilanz gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG zu einer eigenständigen Gewinnermittlung berechtigt und verpflichtet. Grund hierfür ist, dass stets die objektive richtige Rechtslage zugrunde zu legen ist. Dies gilt auch für den Betriebsvermögensvergleich (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317; vgl. Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Rz. 409).

2.a) Nach den oben genannten Grundsätzen ist die Rückstellung für die Abfindungsleistungen nach dem ATZG und dem TV ATZ mit dem vollen abgezinsten Wert zu bilanzieren. Die Rückstellung ist nicht ratierlich aufzubauen.Einen Widerspruch zu der Rechtsprechung des BFH und dem entsprechenden BMF-Schreiben, wonach Verpflichtungen des Arbeitgebers für laufende Zahlungen im Rahmen des so genannten Blockmodells nach dem ATZG ratierlich aufzubauen sind, sieht der Senat hierin nicht.

Der Grund für den ratierlichen Aufbau der Rückstellung für laufende Gehaltszahlungen im Rahmen des Blockmodells bei der Altersteilzeit liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darin, dass die wirtschaftlichen Ursachen für die Verpflichtung zur Leistung der gesamten Vergütung in der Freistellungsphase vom Arbeitnehmer durch seine in der Beschäftigungsphase erbrachte Arbeitsleistung ratierlich und zeitanteilig erworben werden. Dies ist mit der Abfindung für den Nachteilsausgleich für die Rentenminderung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ nicht vergleichbar. Diese Abfindung hat ihren Grund im Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung, in deren Folge der Arbeitnehmer eine Rentenminderung hinzunehmen hat. Die Abfindung hat allein die vorzeitige Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente aufgrund einer Teilzeitvereinbarung zur Voraussetzung. Damit wird die Abfindung nicht – anders als die Gehaltszahlungen im Blockmodell - durch Arbeitsleistung nach und nach erworben. Die Abfindung Nachteilsausgleich für die Rentenminderung knüpft für die Berechnung der Abfindungshöhe zwar an die monatliche Vergütung an; dies ist indes keine zusätzliche Entlohnung, sondern lediglich eine Berechnungsgrundlage für die Abfindungshöhe. Diese Abfindung bildet - wirtschaftlich betrachtet – einen Ausgleich für die Nachteile der Rentenkürzung der Arbeitnehmer, die die gesetzliche Rente vorzeitig in Anspruch nehmen. Damit ist der Nachteilsausgleich eine Abfindung aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. zur unterschiedlichen Bilanzierung von Abfindung und Entlohnung Schubert in Beck’scher Bilanzkommentar, 9. Auflage, § 249 Rz. 100, 154). Auch nach dem Wortlaut der Regelung des § 5 Abs. 7 Satz 2 TV ATZ ist der Nachteilsausgleich eine Abfindung.

b) Der Ansatz der Rückstellung für Jubiläumszuwendungen ist im Wege der Bilanzberichtigung zu erhöhen. Der bisherige Bilanzansatz für die Rückstellung ist objektiv unrichtig.

Die Klägerin hat die – dem Grunde nach zu Recht bilanzierten - handels- sowie steuerrechtlichen Jubiläumsrückstellungen nach dem Pauschalwertverfahren bewertet. Die Richttafeln von Heubeck, die in diesem Pauschalwertverfahren als Rechnungsgrundlage zugrunde gelegt werden, entsprechen den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik und damit den GoB. Die Richttafeln von Heubeck, veröffentlicht mit BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2008 (BStBl I 2008, 1013) haben die Richttafeln des BMF-Schreibens vom 12. April 1999 (BStBl I 1999, 434)  abgelöst. Die neuen Richttafeln erfassen die Gegebenheiten zum streitigen Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 zutreffender und ermöglichen es, den Wert der zu diesem Zeitpunkt zu bilanzierenden Jubiläumsrückstellung genauer zu berechnen als die bisherigen Richttafeln (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 II R 122/91, BStBl II 1995, 14 ebenfalls zur Frage der Ablösung von Richttafeln). Entscheidend ist nicht, dass die (neueren) Richttafeln erst Ende 2008 veröffentlicht wurden, sondern dass die Werte aus den Richttafeln 2005 die tatsächlichen Verhältnisse zur Bewertung der Jubiläumsrückstellungen zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 zutreffend abbilden. Das BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2008 erklärt in Rz. 21 die neueren Richttafeln für den Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 für anwendbar.

Auf die „Richtigkeit“ der Bewertung der Jubiläumsrückstellung im Zeitpunkt der Bilanzerstellung und den Bilanzansatz in der Handelsbilanz kommt es nach der neueren Rechtsprechung zur objektiven Richtigkeit der Bilanzansätze nicht an. Denn das Finanzamt ist im Rahmen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz (und deren einzelnen Ansätze) zugrunde liegt, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl II 2013, 317).

3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.4.Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.5.Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.