LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.01.2015 - 8 Sa 663/14
Fundstelle
openJur 2015, 9891
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 19. März 2014 – 7 Ca 82/13 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zustande gekommen ist, und daneben, soweit im Berufungsverfahren von Belang, um Auskunftsansprüche zur Höhe eines vergleichbaren Arbeitnehmers und um Differenzlohn.

Die Beklagte ist ein Automobilhersteller. Am Konzernsitz in A.-Stadt befindet sich neben der Technischen Entwicklung, dem Vertrieb und der Verwaltung ein großer Teil der Produktion. Auf dem Prüfgelände der B.-AG in C.-Stadt (im Folgenden: Prüfgelände) lässt die Beklagte Erprobungsfahrten mit eigenen Fahrzeugen von Testfahrern der Firma D.-GmbH (im Folgenden: E.) durchführen. Eigene Arbeitnehmer beschäftigt die Beklagte mit Testfahrten nur in A.-Stadt und F.-Stadt. Die Beklagte und die B.-AG gehören demselben Konzern an; die Beklagte ist berechtigt, das Prüfgelände kostenfrei zu nutzen. Auf ihm werden Fahrzeuge aller Marken des G.-Konzerns im Dauerfahrversuch getestet.

Der Kläger, der Ende 1999 einen Arbeitsvertrag mit der E. geschlossen hat, ist einer von mehreren Testfahrern, die auf der Grundlage eines von der Beklagten und der E. abgeschlossenen Rahmenvertrages auf dem Prüfgelände eingesetzt werden und dort Erprobungsfahrten durchführen. Er testet überwiegend für die Marke H.. Sogenannte Dauerläufe auf öffentlicher Straße machen einen zeitlichen Umfang von etwa 10 v.H. seiner Tätigkeit aus; sogenannte Pressefahrten, die es jetzt nicht mehr gibt, fanden bis zur Einreichung der Klage in einem Umfang von etwa 20 v.H. seiner Arbeitszeit statt. Alle Erprobungsfahrten erfolgen nach konzerneinheitlichen Vorgaben der Beklagten, die in mehreren Dokumenten niedergelegt und mit der E. vereinbart worden sind. Für die Erprobung der Fahrzeuge werden Einzelaufträge erteilt.

Der Rahmenvertrag, auf den im Übrigen verwiesen wird (Bl. 162 bis 170 d. A.), lautet auszugsweise (lexikalische und grammatikalische Fehler wie im Original):

㤠2

Vertragsgegenstand

1. E. führt Dauerfahrversuch-, Test- und Erprobungsfahrten mit Fahrzeugen durch, die im Eigentum von H. stehen oder E. von H. zur Verfügung gestellt werden. Zu den von E. zu erbringenden Tätigkeiten gehören außerdem die Kontrolle, die Abarbeitung und die Meldung von Ereignissen im Rahmen der Dauerfahrversuche, insbesondere das Auslesen des Fehlerspeichers, sowie eine Fahrleistungs- und Verbrauchsmessung. Weiterhin stellt E. alle Betriebsdaten in das von H. zur Verfügung gestellte EDV-System ein und indiziert alle Mängel im entsprechenden EDV-System.

2. Die Verfahrensweise, die Durchführung und die Arten der Test- und Erprobungsfahrten ergeben sich aus den Lastenheften, welches als Anlagen 1 und 2 Bestandteile des Vertrages werden.

3. E. steht bei der Abarbeitung der Einzelaufträge dafür ein, dass die Leistungen fachmännisch, qualitativ einwandfrei und termingerecht entsprechend den technischen Vorschriften und Anforderungen von H. sowie den Prüf- und Benutzungsvorschriften des Prüfgeländes I.-Stadt ausgeführt werden.

4. Die Organisation und Durchführung der Fahrten, die zeitliche Disposition für den Einsatz der Mitarbeiter (Fahrer und Lagerist) und deren Eignung stehen im ausschließlichen Verantwortungsbereich von E. und werden durch einen Schichtleiter von E. koordiniert.

5. Der Umfang, die Dauer und die Spezifikation der Test- und Erprobungsfahrten ergeben sich aus den Einzelaufträgen.

§ 3

Vertragsdurchführung

1. E. wird jeden Einzelauftrag in Abstimmung mit H. durchführen und H. laufend über die Durchführung informieren. Die Unterrichtung erfolgt schriftlich.

2. Die Vertragspartner werden jeweils einen Schichtleiter und einen Stellvertreter benennen, die für die technische und termingerechte Durchführung der Arbeiten verantwortlich sind. Ausschließlich der Schichtleiter ist berechtigt, alle zur technischen und termingerechten Durchführung erforderlichen Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen.

3. H. stellt E. die für die Durchführung eines Einzelauftrages erforderlichen Unterlagen und Hilfsmittel teilweise und für die Dauer des jeweiligen Einzelauftrages zur Verfügung. Sie sind unverzüglich bei Beendigung des Einzelauftrages auf eigene Kosten und Gefahr von E. an H. zurückzugeben. E. erhält von H. nur für das Prüfgelände I.-Stadt außerdem einen ASAP-Standard PC, welcher bei Beendigung des Vertragsverhältnisses an H. zurückzugeben ist.

4. E. wird die Fahrzeuge mit Betriebsstoffen wie Kraftstoff, Luft, Öl und Wasser im erforderlichen Umfang versorgen. Mit Ausnahme von Kraftstoff und Spezialölen wird E. die Betriebsstoffe selbst beschaffen. E. wird für jedes Fahrzeug eine Tankkarte erhalten, die es ermöglicht, dass E. die Fahrzeuge an Betriebstankstellen des G.-Konzerns betankt. Sofern möglich, sind die Fahrzeuge ausschließlich über Betriebstankstellen zu betanken. Die Kosten für Kraftstoff und Öl trägt H.. Sie werden gegebenenfalls gegen Nachweis ohne Aufschlag erstattet.

5. E. wird den jeweiligen Verbrauch an Betriebsstoffen in die von H. zur Verfügung gestellten Fahrtenbücher eintragen und den Kraftstoffverbrauch pro 100 km Fahrstrecke sowie einen ggf. angefallenen Ölverbrauch ermitteln. E. wird sämtliche bei den Fahrten ermittelten Verbrauchs- und Verschleißdaten unverzüglich in das jeweils vorhandene elektronische Schadenserfassungssystem eintragen. Für Fahrversuche auf dem Prüfgelände I.-Stadt gilt, dass Beanstandungen, Wahrnehmungen und Mängel die von Mitarbeitern von E. festgestellt werden, werden unverzüglich schriftlich aufbereitet und dem H.-Schichtleiter vorgelegt. Es erfolgt dann eine gemeinsame Bewertung durch E. und H..

6. Tagesberichte werden über den von H. zur Verfügung gestellten elektronischen Kommunikationsweg an H. versendet. Dies gilt für I.-Stadt wie für den Straßendauerlauf.

7. Für Fahrversuche auf dem Prüfgelände I.-Stadt gilt für Mängel und Schäden, die an den Fahrzeugen während der Durchführung der vertragsgegenständlichen Arbeiten entstehen, dass diese durch H. mit eigenem Personal und auf eigene Kosten durchgeführt werden, sofern sich aus §7 nichts anderes ergibt.

8. E. führt außerdem für jedes Fahrzeug ein Fahrtenbuch in Schriftform. In diesem Fahrtenbuch muss der Name des Fahrers, die gefahrenen Kilometer und der Zweck der Fahrt vermerkt werden. Dies gilt auch für die Fahrzeuge, die für Kurierfahrten genutzt werden. Bei Abweichung zwischen den Eintragungen in den elektronischen Systemen und dem Fahrtenbuch gilt das Fahrtenbuch. Das Fahrtenbuch ist außerdem die Grundlage für die Vergütung.

9. H. ist berechtigt, jederzeit die Erweiterung, Änderung oder Einschränkungen eines Einzelauftrages zu verlangen. Wird ein Einzelauftrag eingeschränkt oder abgebrochen, kann E. nicht den Ersatz des entgangenen Gewinns verlangen. Von E. bis zum Abbruch ordnungsgemäß erbrachte Leistungen werden bis zu diesem Zeitpunkt bezahlt.

...

12. Die Einweisung der E.-Mitarbeiter auf die geltenden Sicherheitsbestimmungen führt E. eigenverantwortlich durch. Entsprechendes gilt für die notwendigen Sicherheitsbelehrungen, E. stellt H. von allen Ansprüchen, die aus oder im Zusammenhang mit einer Verletzung der in dieser Ziffer beschriebenen Pflichten von Mitarbeitern von E. gegen H. gemacht werden, frei.

...

14. Mit Abschluss des ersten Einzelauftrags erklärt E., über das zur Durchführung der in § 2 1) beschriebenen Test- und Erprobungsfahrten notwendige Know how und qualifizierte Personal zu verfügen.

...“

Das in § 2 Ziffer 2. des Rahmenvertrages in Bezug genommene Lastenheft Versuchswagenfahrer (dortige Anlage 1) beschreibt u.a. die einzelnen Prüfprogramme mit sogenannten Einsatzarten und Vorgaben über die Beladung, die zu fahrende Strecke und deren Reihenfolge, die Geschwindigkeit der Fahrt, Zeit, Art und Ort der Bremsmanöver sowie die Überprüfung der Motorengeräusche; es gibt vor, wie der Betankungsvorgang auszusehen hat (und vieles andere mehr). Auf seinen genauen Wortlaut wird ebenso wie auf den der in § 2 Ziffer 2. des Rahmenvertrages verwiesenen Anlage 2 (Lastenheft: Durchführung von Dauerläufen auf öffentlicher Straße im Auftrag der H.-AG in Fremdvergabe an Fa. E.) Bezug genommen (Bl. 388 bis 407, 408 bis 415 d. A. des Parallelverfahrens 8 Sa 637/14 [7 Ca 79/13 Arbeitsgericht Braunschweig]).

Als Ergänzung einer Fahreranweisung der B.-AG, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, gibt es Verhaltensvorschriften zur Sicherheit auf dem Prüfgelände mit Regeln zum Funkverkehr, zu Besonderheiten bei der Benutzung der Schnellbahn, für die Benutzung des Geländes sowie zum Verhalten bei Unfällen und Fahrzeugausfällen. Ebenfalls existiert eine Fahrerdienstanweisung der E., auf die gleichfalls Bezug genommen wird (Anlage B 1). In Fahrtenbüchern werden der Name des Fahrers, die gefahrenen Kilometer und der Zweck der Fahrt sowie Dauer, An- und Abfahrtszeit notiert. Aus ihnen ist ersichtlich, wie die Testfahrten auszuführen sind. Sonderwünsche zum Verlauf eines 100.000-Kilometer-Zykluss, die die Beklagte oder ihre Konzernmutter veranlassen, finden sich in einer Klarsichtfolie, welche auf der Rückseite des Fahrtenbuches angebracht ist.

Vor Ort halten sich abwechselnd einer von zwei Arbeitnehmern der E. und der Beklagten als Koordinatoren auf. Die Beklagte beschäftigt auf dem Prüfgelände ihren Leiter der Abteilung Dauerlauferprobung und dessen Stellvertreter. Beide haben ein eigenes Büro. Sie übernehmen Anweisungen aus A.-Stadt zu der Frage, welche Fahrzeuge in welcher Reihenfolge mit welcher Priorität gefahren werden sollen. Daneben befindet sich auf dem Gelände in einem anderen Gebäude ein Büroraum mit zwei Schreibtischen; an dem einen sitzt entweder der Projektleiter oder der Schichtleiter, beide Leiter der E.. Bevor die Klagen eingereicht worden sind, saß bis November 2013 an dem anderen Schreibtisch im Wechsel einer von 17 Schichtleitern der Beklagten, die für eine oder zwei Wochen aus A.-Stadt oder F.-Stadt kamen und für die Werkstatt zuständig waren. Sie sind ehemalige Testfahrer der Beklagten. Seit Herbst 2013 arbeiten in der Werkstadt nur noch Arbeitnehmer der E..

Die Testfahrten werden im Dreischichtbetrieb durchgeführt. Die Zahl der zu testenden Autos legt die Beklagte fest. Ob sie daneben auch vorgibt, wie viele Testfahrer für die jeweilige Schicht benötigt werden, ist im Berufungsverfahren streitig geworden. Jedenfalls aber gestaltet die E. die Fahrereinsatzplanung. Die Testfahrzeuge werden von einer Spedition auf das Prüfgelände geliefert. Streitig ist, ob die Schichtleiter der Beklagten bis November 2013 Aufträge für Transporte angenommen und an die Fahrer weitergegeben haben.

Der Arbeitsablauf während einer Schicht gestaltet sich folgendermaßen: Bei Schichtbeginn stempelt jeder Fahrer ein. Das Zeiterfassungsgerät befindet sich im Eingangsbereich des Gebäudes und steht im Eigentum der E.. Der Fahrer begibt sich sodann in das Büro, das bis November 2013 als Pausenraum, ab Dezember 2013 als Schichtwechselraum bezeichnet wurde. Dort verteilt der für die E. anwesende Leiter die Fahrer auf die Fahrzeuge, die zuvor von dem Leiter der Beklagten oder seinem Stellvertreter nach einer von ihm erstellten Prioritätenliste für Tests ausgesucht worden sind. Die im Schichtwechselraum aufbewahrten Ordner mit Fahranweisungen zur Erläuterung der einzelnen Fahrstrecken (EWP usw.) und technischen Informationen wurden nach Einreichung der Klagen entfernt. Der Raum schließt direkt an die Werkstatt an.

Nach ihrer Einteilung holen sich die Fahrer für das ihnen zugeteilte Fahrzeug das hinterlegte Fahrtenbuch. Ihm ist der genaue Prüfauftrag zu entnehmen. Vor Fahrbeginn hat der Fahrer das Fahrzeug auf Einsatztauglichkeit und Verkehrssicherheit zu überprüfen.

Die Fahrer sind während der Schicht im Fahrzeug per Funk verbunden mit einem Arbeitnehmer der Konzernmutter von I.. Bei Störungen oder Defekten wird das Fahrzeug in die Werkstatt überführt. Streitig ist, ob ausschließlich der Leiter der Beklagten oder sein Stellvertreter entscheiden, wie es mit dem Fahrzeug weitergehen soll.

Die während der Testfahrten erhobenen Daten werden von einem im Fahrzeug fest installierten Datenlogger aufgezeichnet und zugleich auf einer Speicherkarte festgehalten. Diese haben die Fahrer vor Beginn der Fahrt einzusetzen und nach der Fahrt an einen Arbeitsplatzrechner der Beklagten anzuschließen, der im Büro steht und die Daten ausliest. So können sie sofort nach A.-Stadt oder F.-Stadt weitergeleitet und eingesehen werden. Daten über Störungen und andere während der Fahrt aufgetretene Besonderheiten haben die Fahrer manuell einzugeben und einen schriftlichen Fahrbericht nach einem feststehenden Muster zu fertigen. Die Fahrer haben je eine Namenskennung, die der Beklagten die Zuordnung des Fahrers zur Schicht und zum Fahrzeug ermöglicht. Die Daten dienen der E. nicht als Abrechnungsgrundlage. Dafür wird ein anderer Arbeitsplatzrechner benutzt, an dem sich die Fahrer an- und abmelden, mit ihrem Werksausweis identifizieren und eintragen müssen, welches Fahrzeug sie wann, wie lange und mit welcher Kilometeranzahl gefahren haben. Auch Stand- und eventuelle Ausfallzeiten sind dort anzugeben.

Die Fahrer müssen an Sicherheitsschulungen teilnehmen. Streitig ist, ob die Schulungen bis zur Einreichung der Klagen von Arbeitnehmern der Beklagten durchgeführt wurden. Unstreitig ist, dass die Beklagte einige Fahrer im Juni 2010 im Rahmen einer sogenannten Hochvoltsensibilisierung schulte. Die dort vermittelten Kenntnisse sind erforderlich, um Elektrofahrzeuge testen zu können.

Für Schäden wurde die E. von der Beklagten in etwa 50 Fällen in Anspruch genommen, die aus einer Regressliste, auf die Bezug genommen wird (Anlage B 3), ersichtlich sind. Darüber hinausgehende Regresse sind streitig. Bei Motorschäden durch Verschalten oder Falschbetankungen werden der E. keine Kosten in Rechnung gestellt, auch wenn die Schäden von den Testfahrern schuldhaft verursacht wurden. Viele Schäden werden nicht repariert; die Fahrzeuge werden auch im beschädigten Zustand bis zum Dauerlaufende weiter bewegt.

Neben den Testfahrten auf dem Prüfgelände wird auch Werkzeug der Beklagten transportiert. Das Transportgut wird von Beschäftigten der Beklagten in J.-Stadt übernommen und bis zum Prüfgelände gebracht.

Die E. verfügt über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung mit der Anschrift „D.-GmbH, K.-Straße, L.-Stadt“ - das ist der Hauptsitz -, die das Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen am 14. Januar 1997 unbefristet verlängert hat (Anlage B 6 der Klagerwiderung).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es liege verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor. Der Vertrag sehe nur die Durchführung von Fahrten vor; ein Erfolg sei nicht geschuldet. Das Ergebnis sei im Vorhinein nicht festzustellen. Die Nähe des Dienstvertrages zur Arbeitnehmerüberlassung indiziere, dass diese vorliege. Die Vorgaben beschrieben den Arbeitsablauf bis ins letzte Detail, so dass sie nicht mehr nur werkbezogen seien. Die Beklagte sei vor Ort präsent, um arbeitsorganisatorisch den Ablauf der Erprobungsfahrten zu gewährleisten und bei   Problemen sofort eingreifen zu können. Wegen der Bedeutung der Testfahrten für die Qualitätsanforderungen und den Bestand des Unternehmens müsse die Beklagte die Tätigkeit der Fahrer selbst steuern. Die Schichtpläne und der gesamte Arbeitseinsatz der Testfahrer zum Arbeitsort, dem Arbeitsablauf und der Arbeitsintensität würden nach Vorgaben der Beklagten erstellt. Die Einsatzplanung der E. zeige, dass die Beklagte eine bestimmte Anzahl Fahrer anfordere und sodann über sie verfüge.

Nach teilweiser Rücknahme der Klage hat der Kläger zuletzt noch beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft nach § 13 AÜG über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines solchen Testfahrers zu erteilen, der als fest angestellter Arbeitnehmer bei der Beklagten tätig ist;

2. festzustellen, dass spätestens seit dem 01.07.2013 zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem der Kläger als Testfahrer nach Maßgabe der bei der Beklagten üblichen Bedingungen eingestellt ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger an rückständigem Gehalt 12.660,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 31.07.2013 auf den Betrag von 1.582,00 € sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz auf den Betrag von weiteren 1.582,00 € brutto seit Klagzustellung und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz auf den verbleibenden Restbetrag nach Zustellung der Klagänderung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, es liege ein wirksamer Werkvertrag zwischen ihr und der E. vor. Weder seien die Testfahrer in ihre betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert noch erteile sie ihnen arbeitsvertragliche Weisungen. Anweisungen während der Testfahrten seien werkbezogen und fachlich veranlasst. Es handele sich allein um Vorgaben zur Ausführung des Werkes. Der Kläger werde allein von der E. eingesetzt und eingeteilt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen den Parteien sei kein Arbeitsverhältnis nach den §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG zustandegekommen. Dem darlegungs- und beweispflichtigen Kläger sei es nicht gelungen, das Vorliegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung darzulegen. Auch habe er nicht anhand anderer konkret benannter Einzelfälle nachvollziehbar dargelegt, welche Weisungen von Arbeitnehmern der Beklagten wann ihm gegenüber als Ausdruck einer durchgehend geübten Vertragspraxis erteilt worden seien. Nach dem Inhalt des Rahmenvertrages handele es sich um einen Werkvertrag, bei den jeweiligen Einzelaufträgen um Werkleistungen. Der Vertrag sei dadurch gekennzeichnet, dass sich die E. zur Herbeiführung eines bestimmten Arbeitsergebnisses verpflichtet habe. Eine davon abweichende tatsächliche Vertragsdurchführung sei nicht erkennbar.

Gegen dieses ihm am 5. Mai 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Mai 2014 Berufung eingelegt, die er innerhalb der verlängerten Frist am 7. August 2014 begründet hat.

Der Kläger verbleibt bei seiner bereits in erster Instanz vorgetragenen Auffassung und meint, es liege verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor. Das Fahren des Fahrzeugs und die erfolgreiche Abfassung des Prüfprogramms könnten nicht getrennt werden. Deshalb liege ein Dienstvertrag vor, der Arbeitnehmerüberlassung indiziere. Die von der E. zu erbringenden Leistungen richteten sich nach dem Bedarf der Beklagten; es fehle an einem abgrenzbaren, der E. als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, die E. sei auf die Zuweisung von Aufträgen angewiesen. Mit dieser Abhängigkeit von der Organisationsmacht und den einseitigen Weisungen der Beklagten gehe die mangelnde unternehmerische Struktur der E. auf dem Prüfgelände einher. Die Beklagte bestimme erst durch ihre Anweisungen den Gegenstand der von den Fahrern zu erbringenden Leistungen und organisiere damit Arbeit und Einsatz. Als Dienst- oder Werkvertragsunternehmer müsse die E. die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen organisieren. Das aber tue sie nicht.

Es habe in erheblichem Umfang sogenannte Messfahrten gegeben, bei denen neben dem Fahrer ein Arbeitnehmer der Beklagten gesessen und während der Messfahrt Anweisungen gegeben habe, wie und in welchem Umfang die Fahrtätigkeit auszuüben sei. Das habe dazu geführt, dass in nicht unerheblichem Umfang die Arbeitnehmer der Beklagten den Fahrer und seine Kollegen aufgefordert hätten, den Ablauf der Messfahrten nicht durch die zustehenden Pausen zu gefährden, sondern diese zu verlegen. Solche Messfahrten seien nach Einreichung der Klage nicht mehr durchgeführt worden. Gleichermaßen habe es sogenannte Missbrauchsfahrten gegeben, die Schäden, wie z. B. Wildschäden, simulierten. Auch diese Fahrten seien unter Aufsicht von zwei Arbeitnehmern der Beklagten, in der Regel einem Mechaniker und einem Ingenieur, durchgeführt worden. Dabei seien den Fahrern entsprechende Anweisungen gegeben worden. Auch bei der Erprobung von Doppelkupplungsgetrieben habe situativ sofort auf Schäden oder Fehler reagiert werden müssen; diese Probefahrten seien nicht statisch verlaufen. Arbeitnehmer der Beklagten seien hierfür immer vor Ort gewesen.

Damals habe es auf dem Prüfgelände eine große Fahrzeughalle mit mehreren Hebebühnen gegeben, von denen die E. ca. sechs für die Kategorie „Mechanik, Bremsen und Reifen“, die Firma M. zwei für die „Elektrik der Fahrzeuge“ und drei die Firma N. als für die Abteilung „Motor“ zuständig benutzt hätten. Die B.-AG habe Hebebühnen zum Reparieren und zur Wartung von Getrieben benutzt. In der Halle habe es damit arbeitsübergreifende Arbeitsabläufe gegeben. Habe ein Fahrer während einer Testfahrt einen Defekt festgestellt, habe er diesen der Beklagten direkt gemeldet oder sei sogleich zu einem Arbeitnehmer der jeweiligen Firma in die Fahrzeughalle gegangen, um den Schaden dort beheben zu lassen. Die E. sei nach Einreichung der Klagen gezwungen worden, die Halle einschließlich des Werkzeugs und der Einrichtung zu kaufen. Von Montag bis Freitag ab 16:30 Uhr bis 20:00 Uhr und sonnabends sei im Übrigen nur ein Leitender der Beklagten vor Ort gewesen, von der Firma E. niemand.

Der Kläger bestreitet, von der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erfasst zu sein; vorgelegt sei nur eine Erlaubnisurkunde der E. in L.-Stadt. Er bestreitet eine Meldung seiner Person zur Arbeitnehmerüberlassung und Meldungen zu seiner statistischen Erfassung für Arbeiten auf dem Prüfgelände in C.-Stadt. Die vorgelegten Formblätter enthielten nicht einmal einen Prüfvermerk. Vorsorglich bestreitet der Kläger, dass eine mögliche Arbeitnehmerüberlassungsurkunde für das Prüfgelände jahrzehntelang zur Anwendung gekommen sei. Er ist der Auffassung, eine solche sei unwirksam nach § 2 Abs. 5 AÜG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 19.03.2014 - 7 Ca 82/13 - abzuändern und

1. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, dem Kläger und Berufungskläger Auskunft nach § 13 AÜG über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines solchen Testfahrers zu erteilen, der als festangestellter Arbeitnehmer bei der Beklagten und Berufungsbeklagten tätig ist;

2. festzustellen, dass spätestens seit dem 01.07.2013 zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem der Kläger und Berufungskläger als Testfahrer nach Maßgabe der bei der Beklagten und Berufungsbeklagten üblichen Bedingungen eingestellt ist;

3. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger und Berufungskläger an rückständigem Gehalt 20.572,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 31.07.2013 auf den Betrag von 1.582,00 €, seit Klagzustellung auf den Betrag von weiteren 1.582,00 €, seit Zustellung der Klagänderung auf den Betrag von 12.660,00 € brutto und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz auf den verbleibenden Restbetrag in Höhe von 4.747,50 € seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom  15. Oktober 2014 und des Schriftsatzes vom 9. Januar 2015, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 431 bis 487 d. A.; 536 bis 552 d. A.). Insbesondere verbleibt sie bei ihrer Auffassung, ein Arbeitsverhältnis zu dem Kläger könne nicht begründet werden, wenn die E., wie vorliegend, nur über eine vorsorgliche Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung verfüge. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft; sie ist von dem Kläger frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 ArbGG, §§ 519,  520 Abs. 1 und 3 ZPO). Damit ist sie insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zwischen den Parteien besteht nicht seit dem  1. Juli 2013 ein Arbeitsverhältnis nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Das Vorliegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ist nicht dargelegt. Weder der Rahmenvertrag vom 9. Oktober 2003 noch seine tatsächliche Ausführung lassen auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis schließen. Die Grenzen eines Werkvertrages sind (noch) nicht überschritten. Die Beklagte hat nicht in die Arbeitsorganisation der E. eingegriffen. Ihre Anweisungen sind fachlicher Art und der ordnungsgemäßen Erstellung des Werks geschuldet. Der Kläger arbeitet auf dem Prüfgelände als Erfüllungsgehilfe der E.. Daraus folgt das Fehlen eines Auskunftsanspruchs über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Beschäftigten nach § 13 AÜG und eines möglichen Zahlungsanspruchs.

1.

Die Abgrenzung einer Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis eines Arbeitsverhältnisses zum Einsatz eines Erfüllungsgehilfen im Rahmen von Dienst- und Werkverträgen erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach folgenden Kriterien:

a)

Eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (BAG vom 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10, juris Rn. 26; vom 6. August 2003 - 7 AZR 180/03, AP AÜG § 9 Nr. 6 = EzA AÜG § 1 Nr. 13; vom 13. August 2008 - 7 AZR 269/07, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121). Nicht jeder in diesem Sinne drittbezogene Arbeitseinsatz unterfällt dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet (BAG vom 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10, juris Rn. 27). Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat (BAG vom 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10, juris Rn. 27; vgl. auch BAG vom 13. August 2008 - 7 AZR 269/07, juris Rn. 14).

b)

Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst (BAG vom 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10, juris Rn. 27; vgl. auch BAG vom 13. August 2008 - 7 AZR 269/07, juris Rn. 14).

c)

Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung maßgebend, weil sich aus ihr am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG vom 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10, Rn. 28, juris; vgl. auch BAG vom 13. August 2008 - 7 AZR 269/07, juris Rn. 15; vom 10. Oktober 2007 - 7 AZR 487/06, juris Rn. 35; vom 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 - juris Rn. 42). Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt (BAG vom 6. August 2003 - 7 AZR 180/03, AP AÜG § 9 Nr. 6 = EzA AÜG § 1 Nr. 13).

2.

Danach sind das Vertragsverhältnis der Beklagten zur E. als Werkvertrag, die Einzelaufträge als Werkleistungen zu qualifizieren. Ein für Arbeitnehmerüberlassung ggf. indizielles Dienstverhältnis liegt nicht vor. Arbeitnehmerüberlassung lässt sich auch bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungs- und Beweislast des Klägers (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 1. August 2013 - 2 Sa 6/13, NZA 2013,1017) und unter Berücksichtigung der vorgetragenen abweichenden Vertragsgestaltung nicht feststellen. Weder ist der Kläger in den Betrieb der Beklagten eingegliedert noch arbeitet er allein nach ihren arbeitsrechtlichen Weisungen. Die im Laufe der Erprobungsfahrten von Arbeitnehmern der Beklagten ihm und den anderen Testfahrern gegebenen Weisungen sind im Wesentlichen entweder der fachgemäßen Ausführung der Werkleistung geschuldet oder lassen schon nicht erkennen, dass sie der Beklagten zuzurechnen sind. Dabei kann unterstellt werden, dass sich die von dem Kläger vorgetragenen einzelnen Beispiele nicht nur als untypische Einzelfälle, sondern als beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis darstellen. Die Vertragspflicht der E. endet nicht bereits, nachdem sie die Fahrer ausgewählt und der Beklagten zur Verfügung gestellt hat. Ihr verbleibt bei der Vertragsausführung ein unternehmerischer Spielraum. Denn sie ist und war für die Einteilung der Schichten verantwortlich und hat sie auch vorgenommen. Des Weiteren ist sie zuständig für die Verteilung der Fahrer auf die zu erprobenden Fahrzeuge.

a)

Der Rahmenvertrag ist als Werkvertrag ausgestaltet. Geschuldet wird nicht nur die Fahrleistung als solche (§ 611 BGB). Vielmehr wird entscheidend auf die durch die Erprobungsfahrten erhobenen Daten und damit auf ein Arbeitsergebnis abgestellt.

aa)

Im Unterschied zum Dienstvertrag wird gemäß § 631 Abs. 1 BGB der Unternehmer durch den Werkvertrag zur Herstellung des versprochenen Werkes verpflichtet. Dabei kann Gegenstand des Werkvertrages sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein (§ 631 Abs. 2 BGB). Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird (BGH vom 6. Juni 2013 - VII ZR 355/12 - juris Rn. 9; vom 16. Juli 2002 - X ZR 27/01, BGHZ 151, 330, 332 f.; vom 25. Mai 1972 - VII ZR 49/71, WM 1972, 947).

bb)

Die E. schuldet ihrem Auftraggeber einen Erfolg. Nach dem Inhalt des Rahmenvertrages ist sie verpflichtet, nach einer ganz bestimmten Methode Erprobungsfahrten beanstandungsfrei durchzuführen und die so erhobenen Daten abzuliefern. Damit schuldet sie ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführendes Werk, nämlich Daten, die durch einen erfolgreichen Verlauf von Erprobungsfahrten ermittelt wurden.

(1)

Zwar verpflichtet § 2 Ziff. 1. Satz 1 Rahmenvertrag die E. zunächst (nur) zur Durchführung von Dauerfahrversuchs-, Test- und Erprobungsfahrten mit Fahrzeugen der Beklagten, mithin zu Dienstleistungen. Gegenstand des Rahmenvertrages sind nach seinem § 2 Ziff. 1. Satz 2 aber darüber hinaus auch die Kontrolle, die Abarbeitung und die Meldung von Ereignissen im Rahmen der Dauerfahrversuche, insbesondere das Auslesen des Fehlerspeichers sowie eine Fahrleistungs- und Verbrauchsmessung. Damit schuldet die E. über die Dienstleistung hinaus ein bestimmtes Arbeitsergebnis.

Dies steht auch im Vordergrund der Vertragsbeziehung. Denn die Datenermittlung ist für die Beklagte und die Entwicklung ihrer Produkte von entscheidender Bedeutung. Die Daten sind Grundlage der Qualitätsanforderungen, die sie an ihre Fahrzeuge stellt. Auf sie stützt sie ihre weiteren Berechnungen zur Qualität und Sicherheit ihrer Fahrzeuge. Von der Qualitätssicherung hängt für die Beklagte nicht nur der wirtschaftliche Erfolg ab: Sie haftet ihren Käufern für technische Mängel.

(2)

Einem Werkvertrag steht nicht entgegen, dass vertraglich vereinbart wurde, nach der Anzahl der gefahrenen Kilometer abzurechnen. Die Beklagte schuldet nämlich nicht die Zahlung aller gefahrenen Kilometer, sondern nur die Zahlung der für das Testergebnis „brauchbaren“ Kilometer. Das sind diejenigen, die nach ihren Vorgaben absolviert wurden. Die Beklagte ist berechtigt, qualitativ nicht einwandfreie Leistungen nachholen zu lassen. Somit schuldet die E. nicht lediglich ein Bemühen, sondern einen Erfolg.

(3)

Das Erfordernis, dass im Lastenheft minutiös beschrieben wird, wie die Erprobungsfahrten im Einzelnen auszuführen sind, und der Rahmenvertrag feststehende Prüfprogramme enthält, die der E. bei der Vertragsausführung kaum Spielraum lassen, lässt gleichfalls nicht den Schluss auf eine arbeitsrechtliche Weisungsunterworfenheit zu. Weisungen des Bestellers sind im Rahmen von Werk- und Dienstverhältnissen möglich; das gilt auch für Absprachen zu Zeit und Inhalt der Leistungserbringung (BAG vom 15. April 2014 - 3 AZR 395/11 - juris Rn. 27).

(4)

Für das Vorliegen eines Werkvertrages spricht hingegen, dass die E., wenn auch nur in geringem Umfang, so jedenfalls doch zu einem Teil bei Schäden in Anspruch genommen werden kann.

b) Auch die tatsächliche Vertragsausführung legt keine Arbeitnehmerüberlassung nahe. Weder lässt sich feststellen, dass der Kläger in den Betrieb der Beklagten eingegliedert ist, noch dass er seine Arbeit allein nach arbeitsrechtlichen Weisungen der Beklagten in deren Interesse ausführen musste.

aa) Gegen die Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten spricht bereits, dass er und die anderen Fahrer nicht am Firmensitz der Beklagten und ihrem Betrieb tätig werden. Sie arbeiten auf dem Prüfgelände der B.-AG.

bb) Die Fahrer haben ihre Arbeit auch nicht allein nach arbeitsvertraglichen Weisungen der Beklagten ausgeführt. Der Werkbesteller ist im Rahmen eines Werkvertrages berechtigt, dem Werkunternehmer selbst oder auch dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen zur Ausführung des Werks zu erteilen (BAG vom 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10, juris). Nur hierauf beziehen sich die Weisungen, die den Fahrern von Arbeitnehmern der Beklagten auf dem Prüfgelände erteilt wurden. Sie betreffen die fachgemäße Ausführung der Fahrten, um einwandfreie Messdaten zu erhalten, oder allein Fragen zum technischen Zustand der Fahrzeuge. Auf die zutreffenden und sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu wird, soweit die Argumente im Berufungsverfahren wiederholt und nur anders beurteilt werden, Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden. Das Landesarbeitsgericht macht sich jene Gründe nach erneuter Prüfung zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

cc)

Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen.

(1) Dass die Fahrten nach einem einheitlichen Schema durchgeführt werden, ergibt sich aus der Natur des geschuldeten Ergebnisses und ist damit werkbezogen. Würden die Daten nicht nach der von der Beklagten beschriebenen genau festgelegten Methode einheitlich erhoben, wären sie für die Beklagte nicht verwertbar. Die Testmethode beruht damit nicht auf arbeitsrechtlichen Weisungen an die Fahrer. Deren Arbeitseinsatz wird nicht von der Beklagten „gesteuert“. Die durch die Prüfprogramme feststehenden Arbeitsinhalte sind erforderlich, um die Qualitätsstandards der Produkte einzuhalten. Die Beklagte als Automobilhersteller ist darauf angewiesen, dass ihre Fahrzeuge die von ihr garantierten Qualitätsanforderungen erfüllen. Das kann sie nur, wenn sie die Prüffahrten nach von ihr im Einzelnen vorgegebenen und minutiös eingehaltenen Richtlinien durchführen lässt. Nur diesem Ziel dienen die im Berufungsverfahren vorgetragenen Beispielsfälle.

(2)

Schulungen, auch wenn sie teilweise von Arbeitnehmern der Beklagten geleitet wurden, dienten der Ausbildung und bezogen sich auf das fachliche Wissen der Testfahrer. Anhaltspunkte dafür, dass die Schulungen darüber hinaus in den arbeitsrechtlichen Entscheidungsspielraum der E. eingegriffen hätten, sind nicht ersichtlich. Es wird nicht behauptet, Schulungen hätten zum Ziel gehabt, Veränderungen der Pausenzeiten, Urlaubsregelungen, Krankheitsvertretung, der Einteilung in Schichten oder der Verteilung der Fahrer auf die Fahrzeuge vorzunehmen.

(3)

Entsprechendes gilt für die in der Vergangenheit im Pausenraum ausliegenden Ordner. Sie enthalten überwiegend Fahranweisungen, sodass ihre Inhalte wiederum nur die fachgerechte Ausführung der Prüffahrten betreffen, um ein vertragsgemäßes Arbeitsergebnis zu erhalten.

(4)

Dies gilt auch für die auf dem Prüfgelände geltenden Sicherheitsvorschriften. Abgesehen davon, dass diese nicht von der Beklagten stammen, sondern von der B.-AG als Eigentümerin des Prüfgeländes, sind sie auch nicht als arbeitsvertragliche Anweisungen zu beurteilen. Sie dienen der möglichst gefahrlosen Benutzung des Prüfgeländes und sind zwingend erforderlich. Nicht nur die Arbeit der Testfahrer ist gefährlich, sondern schon der Aufenthalt auf dem Prüfgelände. Die Sicherheitsvorschriften dienen der Unfallverhütung und gelten für alle Benutzer. Die auf dem Prüfgelände durchgeführten Erprobungsfahrten sind nicht mit gewöhnlichem Autofahren zu vergleichen. Mit ihnen sollen die Grenzen der Belastbarkeit der Fahrzeuge getestet werden, bevor sie in den Verkauf gelangen. Das Fahren unter solchen Umständen beinhaltet ein hohes Unfallrisiko. Ein Pkw gilt schon im Allgemeinen als gefährlich; deshalb hat der Gesetzgeber bereits für seine normale Nutzung im Straßenverkehr strenge Schutz- und Haftungsvorschriften aufgestellt. Dementsprechend stellen die Sicherheitsanforderungen auf dem Prüfgelände keine arbeitsrechtlichen Weisungen dar.

(5) Auch soweit die Fahrer auf die sogenannten Mess- oder Missbrauchsfahrten abstellen, können keine arbeitsrechtlichen Weisungen festgestellt werden. Die Anweisungen dienen wiederum nur dem Erhalt eines fachlich einwandfreien Messergebnisses und beziehen sich daher allein auf die Ausführung der Erprobungsfahrt. Die Überwachung der mitfahrenden Arbeitnehmer der Beklagten muss als Fachaufsicht gewertet werden.

(a)

Nichts anderes ergibt sich aus den Ausführungen der Fahrer hierzu in der Berufungsverhandlung. Auch unterstellt, der mitfahrende Beschäftigte der Beklagten habe den Fahrer während der Fahrt mehrfach aufgefordert, den Ablauf der Messfahrten nicht durch die ihm zustehende (von der E. festgelegte) Pause zu gefährden, wäre die Aufforderung keine arbeitsvertragliche Anweisung, sondern wäre allein der ordnungsgemäßen Erhebung der Daten geschuldet, ein Hinweis, die Arbeitsergebnisse fachlich einwandfrei zu erstellen (wörtlich: „nicht zu gefährden“). Eine Unterbrechung hätte dieses Risiko mit sich gebracht. Gegebenenfalls hätte die Erprobungsfahrt wiederholt werden müssen.

(b)

Auch im Übrigen kann die Aufforderung nicht als arbeitsrechtlich bindende Anweisung erkannt werden. Der Kläger erklärt nicht, weshalb er in solchen Fällen nicht seinen für die Pausenregelungen zuständigen Schichtleiter angesprochen hat, und weshalb er solche Äußerungen von Dritten als für sich bindend ansehen musste.

(c)

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang mündlich vorgetragen hat, es sei oftmals vorgekommen, dass ihm sein Schichtleiter bei Problemen mit den Fahrzeugen und auf seine Fragen, was nun zu tun sei, erklärt habe, „weiß ich doch auch nicht“, „geh in die Werkstatt und frage da“, handelt es sich erneut um die Klärung werkbezogener Fachfragen. Sie sind nicht arbeitsrechtlicher Art. Inwieweit arbeitsrechtliche Weisungen durch Arbeitnehmer der Beklagten in der Werkstatt, unterstellt, es habe solche gegeben, der E. zugerechnet werden müssen, wird nicht erklärt.

(d)

Eine entsprechende Wertung gilt für den Tatbestand, dass die Fahrer während der Schicht im Fahrzeug per Funk mit einem Arbeitnehmer der Konzernmutter von I. verbunden sind.

(6)

Der Einwand, am Wochenende und in der Zeit ab 16:00 Uhr seien weder der Leiter der E. noch sein Stellvertreter auf dem Prüfgelände anwesend gewesen, steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Denn zu dieser Zeit waren die arbeitsrechtlich notwendigen Arbeitsanweisungen erteilt: Die Arbeitnehmer waren in ihre Schichten eingeteilt, die Fahrer auf die zu testenden Fahrzeuge verteilt, Urlaubsfragen geregelt. Dass die Weisungsbefugnis in dieser Zeit auf Arbeitnehmer der Beklagten übergegangen wäre, behauptet der Kläger nicht.

(7)

Unerheblich ist, ob die Beklagte vorgab, wie viele Fahrer pro Schicht benötigt werden. Auch unterstellt, dies wäre der Fall, wäre eine solche Anweisung der ordnungsgemäßen Erstellung des Werks geschuldet. Die Fahrer haben in der mündlichen Verhandlung selbst bestätigt, die Anzahl der Fahrer folge der Anzahl zu prüfender Fahrzeuge, denn es sei doch klar, dass nicht zwei Fahrer in einer Schicht zehn Fahrzeuge testen könnten.

(8)

Soweit behauptet wird, Herr O. sei Ansprechpartner für alle Probleme gewesen, auch derer der Fahrer, wird nicht genügend danach differenziert, inwieweit solche Probleme arbeitsrechtliche Anweisungen betrafen oder sich nur auf die fachliche Ausführung der Arbeit bezogen. Es fehlt auch an Vortrag zu Umständen, die darauf hinweisen, dass solche Anweisungen - unterstellt, es habe sie gegeben, - der E. zuzurechnen wären. Das gilt entsprechend für den Vortrag des Klägers zu den Gegebenheiten vor Einreichung der Klage in der Fahrzeughalle, in der defekte Fahrzeuge repariert werden. Auch hier wird schon nicht erklärt, inwieweit Erklärungen Dritter arbeitsrechtliche Anweisungen betrafen oder sich nur auf die fachliche Ausführung der Arbeit bezogen.

3. Da es bereits an der Feststellung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages fehlt, kann unentschieden bleiben, ob der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nach §§ 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG jedenfalls eine am 14.01.1997 unbefristete Verlängerung der ab 08.11.1991 vom Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen erteilten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung entgegensteht.

4. Aus der Abweisung des Klageantrages zu 1) folgt die Abweisung auch der Auskunftsansprüche und entsprechend möglicher Zahlungsansprüche.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

IV. Wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage war die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

          Stöcke-Muhlack                                   Doering                               Bertram

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