LG Köln, Beschluss vom 22.04.2013 - 28 O 575/10
Fundstelle
openJur 2016, 4580
  • Rkr:
Tenor

Gegen den Schuldner wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 20.08.2010 - Az. 28 O 575/10 - ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 250,00 € ein Tag Ordnungshaft verhängt.

Der weitergehende Ordnungsmittelantrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten tragen die Gläubigerin zu 6/7 und der Schuldner zu 1/7.

Gründe

I.

Mit einstweiliger Verfügung vom 20.08.2010, 28 O 575/10 - dem Schuldner zugestellt am 27.08.2010 - hat die erkennende Kammer dem Schuldner im Beschlusswege unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, zwei konkrete Kartenausschnitte der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen, wie unter der URL http://anonym1 und anonym2.

Der Schuldner hatte zuvor diese Kartenausschnitte der Gläubigerin im Rahmen eines Immobilienangebotes auf der Internetseite immobilensout24.de zur Beschreibung der Lage des von ihm angebotenen Objektes genutzt. Schon auf die vorgerichtliche Abmahnung löschte der Schuldner das Angebot bei Immobilienscout, das auf die Kartenausschnitte verlinkt war. Eine Löschung der Kartenausschnitte selbst erfolgte jedoch nicht. Im weiteren Verlauf zahlte der Schuldner an die Klägerin EUR 4.460,82 und teilte mit Schreiben vom 30.10.2010 mit, dass die Angelegenheit für ihn damit abgeschlossen sei.

Nunmehr begehrt die Gläubigerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner, weil die streitgegenständlichen Kartenausschnitte noch am 30.01.2013 sowie am 12.02.2013 unter den konkreten URL abrufbar waren.

Sie ist der Auffassung, dass der Schuldner gegen das Verbot der einstweiligen Verfügung der Kammer verstoßen habe, weil die besagten Kartenausschnitte unter den jeweiligen URL weiterhin öffentlich zugänglich seien. Das Ordnungsgeld solle mindestens EUR 3.500,00 betragen. Bei der Bemessung sei zu berücksichtigen, dass es sich um zwei Lichtbilder handele, für die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Lizensierung jeweils EUR 2.020,00 hätten gezahlt werden müssen.

Die Gläubigerin beantragt,

gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gemäß des Beschlusses vom 20.08.2010 - 28 O 575/10 - ein empfindliches Ordnungsgeld zu verhängen, ersatzweise Ordnungshaft.

Der Schuldner beantragt,

den Ordnungsmittelantrag zurückzuweisen.

Er verteidigt sich damit, mit der Löschung seines Angebotes auf der Internetseite immobilienscout24.de alles erforderliche getan zu haben, dass die Kartenausschnitte der Gläubigerin nicht mehr abgerufen werden können. Dass sie noch direkt über Eingabe der URL aufrufbar gewesen seien, sei ihm, der kein Computerspezialist sei, nicht bekannt gewesen. Dies wisse er erst durch das vorliegende Verfahren, woraufhin er Immobilienscout24 aufgefordert habe, die Kartenausschnitte vom Server zu löschen. Ihn treffe daher kein Verschulden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

1. Gegen den Schuldner war gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld festzusetzen, weil er dem Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 20.08.2010 schuldhaft zuwider gehandelt hat.

a) Der Schuldner hat objektiv gegen das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung verstoßen, indem die streitgegenständlichen Kartenausschnitte über die konkrete URL weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich waren.

Dabei schließt sich die Kammer der von dem Oberlandesgericht Hamburg (04.08.2008 - 5 U 124/07, juris RN 30 ff betreffend die Frage der Wiederholungsgefahr; 08.02.2010 - 5 W 5/10, juris RN 2 f zu § 19 a UrhG) als auch dem Landgericht Berlin (30.03.2010 - 15 O 341/09, ZUM 2010, 609 ff) vertretenen Auffassung an, dass derjenige, der von einer bestimmten, von ihm begangenen Urheberrechtsverletzung Kenntnis hat und der sich zur Unterlassung weiterer Verletzungen verpflichtet hat, sich nicht darauf beschränken darf, nur den unmittelbarsten, üblichsten, nicht aber auch den direkten Weg zur unerlaubten Nutzung des geschützten Werkes zu beseitigen. Denn durch die Verletzungshandlung wird die Verpflichtung begründet, das verletzte Werk umfassend aus dem durch die Urheberrechtsverletzung in ihrer konkreten Form eröffneten Zugriffsbereich zu entfernen. Hierzu zählt auch, das Werk von allen Servern, Verzeichnissen und aus allen Speichern, in denen es enthalten sein könnte, dauerhaft zu entfernen.

Denn § 19 a UrhG setzt lediglich voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende geschützte Werk eröffnet wird. § 19 a UrhG gewährt nämlich dem Rechteinhaber ein Bereithaltungsrecht. Maßgebliche Handlung ist somit das Zugänglichmachen des Werkes. Dieses liegt auch trotz Löschung einer Verlinkung dann noch vor, wenn auf das geschützte Werk von Dritten weiterhin zugegriffen werden kann, z.B. durch Direkteingabe der betreffenden URL. Entscheidend ist in Fällen wie dem vorliegenden nämlich, dass das urheberrechtlich geschützte Werk faktisch der Öffentlichkeit weiter zugänglich ist. Eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass ein tatsächlicher Zugriff durch Dritte realistisch ist, verlangt § 19 a UrhG nicht. Die Einrichtung einer URL, um von jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit einen Inhalt aufrufen zu können, der auf einem mit dem Internet verbundenen Server gespeichert ist, ist typischerweise und nach Funktionsweise des Internets dazu bestimmt, diesen Inhalt mit Hilfe eben dieser URL aufzufinden. Damit ist der Tatbestand des § 19a UrhG bereits erfüllt.

b) Der Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot erfolgte auch schuldhaft. Wer zur Unterlassung verpflichtet ist, hatte alle erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Rechtsverletzung zu verhindern. Dies hat der Schuldner vorliegend nicht getan und damit fahrlässig gehandelt. Denn der Zugriff auf das verletzte Werk ist nur unzulänglich beseitigt worden. Weitere Kontrollmaßnahmen und Entfernungsmaßnahmen, die auf der Hand lagen, sind nicht durchgeführt worden. Der Schuldner wusste um die genaue URL, auf welcher die in Rede stehenden Lichtbilder vorhanden waren (s. hierzu auch LG Hamburg, 07.11.2008 - 308 O 101/08, ZUM 2009, 253 ff m. w. N. aus der Rspr.). Es war daher naheliegend, nach der "Löschung" des eigenen Angebotes ebenfalls zu überprüfen, ob die Lichtbilder unter den angegebenen Pfaden noch abrufbar waren. Gegebenenfalls hätte der Schuldner dritte Fachunternehmen hinzuziehen können und müssen, um dem Unterlassungsgebot gerecht zu werden.

2. Gegen den Schuldner war danach ein Ordnungsgeld festzusetzen, dessen Höhe die Kammer angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falls mit EUR 500,00 für angemessen und ausreichend hält. Der weitergehende Ordnungsmittelantrag - die Gläubigerin begehrt ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens EUR 3.500,00 - war daher zurückzuweisen.

a) Die Höhe des Ordnungsgeldes orientiert sich an der Schwere des Verstoßes und dessen Bedeutung für den Gläubiger sowie an dem Zweck des Ordnungsgeldes, den Schuldner durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots anzuhalten. Dem entspricht das Ordnungsgeld in der ausgesprochenen Höhe.

Zu Lasten des Schuldners war dabei zu berücksichtigen, dass dieser auch nach mehr als 2 Jahren noch gegen die einstweilige Verfügung verstößt. Zu seinen Gunsten war jedoch zu berücksichtigen, dass der Schuldner mit der Löschung seines eigenen Angebotes, das auf die streitgegenständlichen Kartenausschnitte verlinkt war, bestrebt war, dem Unterlassungsgebot Genüge zu tun. Er hat lediglich leicht fahrlässig verkannt, dass er allein durch die Löschung seines Angebotes die Unterlassungsverpflichtung nicht vollständig erfüllt, weil auch dann die Kartenausschnitte unter ihrer eigenen URL noch abrufbar bleiben. In einer solchen Situation ist ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,00 aus Sicht der Kammer vollkommen ausreichend, um den Schuldner, der sein Versehen inzwischen erkannt und beseitigt hat, zukünftig zur Beachtung des gerichtlichen Unterlassungsgebotes anzuhalten. Auch die Interessen der Gläubigerin rechtfertigen kein höheres Ordnungsgeld: diese ist über 2 Jahre nicht gegen den Schuldner vorgegangen, was auf einen allenfalls geringfügigen Verletzungsgrad hindeutet und damit korrespondiert, dass die Abrufbarkeit über die reine URL ohne begleitendes Angebot bereits sachlich deutlich eingeschränkt ist. Dass es sich um zwei Lichtbilder handelte, führt ebenfalls nicht zu einem höheren Ordnungsgeld, da der Verstoß gegen die einstweilige Verfügung, der das Ordnungsgeld auslöst, insoweit auf einem einheitlich Versehen des Schuldners basiert.

Nach alledem ist ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,00 erforderlich aber auch ausreichend, um den Schuldner zukünftig zur Beachtung des gerichtlichen Unterlassungsgebotes anzuhalten und genügt insoweit dem Unterlassungsinteresse der Gläubigerin. Da dieses maßgeblich ist für die Frage des Ordnungsgeldes, ist für dessen Bemessung auch unerheblich, welche Lizenz für die Kartennutzung hätte gezahlt werden müssen. Die Umstände des Einzelfalles rechtfertigen ein höheres Ordnungsgeld nicht. Der entsprechende Antrag war daher zurückzuweisen.

b) Die Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 891, 92 ZPO.

4. Streitwert: EUR 3.500,00