BGH, Beschluss vom 24.01.2008 - IX ZB 120/07
Fundstelle
openJur 2011, 7406
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 21. Mai 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.024 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller war Insolvenzverwalter in dem am 21. Oktober 2003 eröffneten und am 25. Mai 2005 gemäß § 213 Abs. 1 InsO eingestellten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M. (fortan: Schuldner), der als Sachverständiger für Schallschutz selbstständig tätig war und diese Tätigkeit auch während des Insolvenzverfahrens fortsetzte.

Der Insolvenzverwalter hat die Festsetzung seiner Vergütung beantragt und einen Zuschlag von 50 v.H. auf den Regelsatz begehrt. Mit Beschluss vom 21. November 2006 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht durch Beschluss vom 21. Mai 2007 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Fortführung des Geschäftsbetriebs sei als Erhöhungstatbestand zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV). Dabei sei insbesondere zu beachten, dass das Geschäft über den relativ langen Zeitraum von 19 Monaten fortgeführt worden sei. Auch wenn es sich um ein "Ein-Mann-Unternehmen" gehandelt habe, sei die Tätigkeit des Insolvenzverwalters nicht auf die bloße Überwachung beschränkt gewesen. Dass die Fortführung des Geschäftsbetriebs zu einer Vergrößerung der Masse geführt habe, spreche nicht von vornherein gegen die Gewährung eines Zuschlags. Vielmehr sei insoweit eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob die durch den erzielten Überschuss entstehende Erhöhung der Vergütung ausreiche, um den Mehraufwand und die Haftungsrisiken des Insolvenzverwalters auszugleichen. Im vorliegenden Fall habe die Masseanreicherung keinen adäquaten Ausgleich bewirkt.

Vergütungserhöhend falle auch die Verwaltung des dem Schuldner gehörenden Hausgrundstücks ins Gewicht. Dass es sich vorliegend nur um ein Anwesen gehandelt habe, sei unerheblich. Entscheidend sei nicht die Anzahl der verwalteten Objekte, sondern der Umfang der Hausverwaltung.

Ein Zuschlag gebühre dem Insolvenzverwalter schließlich deswegen, weil sich die Zusammenarbeit mit dem Schuldner als besonders schwierig dargestellt habe.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 576 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 575 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

1. Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Ausführungen des Beschwerdegerichts mit den Grundsätzen nicht vereinbar sind, die der Senat zur Erhöhung der Regelvergütung nach § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 InsVV aufgestellt hat. Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist festzusetzen, wenn der Verwalter das Unternehmen des Schuldners fortgeführt hat und die Masse dadurch nicht entsprechend größer geworden ist. Beide Tatbestandsmerkmale müssen kumulativ gegeben sein. Von einer "entsprechend" größeren Masse ist auszugehen, wenn die Erhöhung der Vergütung, die sich aus der Massemehrung ergibt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 InsVV), ungefähr den Betrag erreicht, der dem Verwalter bei unveränderter Masse über einen Zuschlag (§ 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 InsVV) zustände. Denn der Insolvenzverwalter, der durch die Betriebsfortführung eine Anreicherung der Masse bewirkt, darf vergütungsmäßig nicht schlechter stehen, als wenn die Masse nicht angereichert worden wäre. Ist die aus der Massemehrung sich ergebende Erhöhung der Vergütung niedriger als der Betrag, der über den Zuschlag ohne Massemehrung verdient wäre, hat das Insolvenzgericht einen Zuschlag zu gewähren, der die bestehende Differenz in etwa ausgleicht. Höher darf er nicht sein. Andernfalls würde der Insolvenzverwalter für seine Bemühungen um die Betriebsfortführung doppelt honoriert. Dies ist zu vermeiden (BGH, Beschl. v. 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, ZIP 2007, 784, 786; v. 22. Februar 2007 - IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826).

Danach ist eine Vergleichsrechnung durchzuführen. Dazu ist der Wert, um den sich die Masse durch die Unternehmensfortführung vergrößert hat, und die dadurch bedingte Zunahme der Regelvergütung mit der Höhe der Vergütung zu vergleichen, die ohne die Massemehrung über den dann zu gewährenden Zuschlag erreicht würde.

Die angefochtene Entscheidung lässt nicht erkennen, dass eine solche Vergleichsrechnung angestellt worden ist. Nach dem eigenen Vortrag des Insolvenzverwalters hat die Masse durch die Unternehmensfortführung um 68.796,32 € zugenommen; nach der Behauptung des Schuldners - der freilich auch Beträge mit berücksichtigt, die der Insolvenzverwalter durch Anfechtung zur Masse gezogen hat - liegt die Zunahme sogar bei gut 130.000 €. Legt man die Angaben des Insolvenzverwalters zugrunde, hat er über die höhere Berechnungsgrundlage eine Regelvergütung von 31.382,89 € verdient. Ohne die Massemehrung hätte sich die Regelvergütung auf 28.077,66 € belaufen. Damit hat sich die Betriebsfortführung für den Insolvenzverwalter bereits über die höhere Berechnungsgrundlage durch eine um 3.305,25 € höhere Vergütung ausgezahlt. Auf den Ausgangswert (ohne Massemehrung) bezogen entspricht dies einem Zuschlag von knapp 12 v.H. Da das Beschwerdegericht die einzelnen Zuschlagstatbestände nicht quantifiziert hat, lässt sich nicht feststellen, ob es für die Unternehmensfortführung ohne die Massemehrung einen höheren Zuschlag für gerechtfertigt angesehen hätte. Damit fehlt es an den einen Zuschlag rechtfertigenden Feststellungen.

2. Zu beanstanden ist auch die Vergütungserhöhung wegen der Verwaltung des Hausgrundstücks.

Nach § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2 InsVV ist eine den Regelsatz übersteigende Vergütung auch dann festzusetzen, wenn der Verwalter "Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist". Die Verwendung des Plurals "Häuser" besagt nicht, dass die Verwaltung eines einzelnen Objekts nicht zuschlagsfähig ist (Graeber, Vergütung in Insolvenzverfahren von A-Z Rn. 245). Häuserverwaltungen werden generell nicht von der Regelvergütung des Insolvenzverwalters abgedeckt (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 4. Aufl. § 3 InsVV Rn. 20; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. § 3 InsVV Rn. 5; Hess, Insolvenzrecht § 3 InsVV Rn. 82; Kübler/ Prütting/Eickmann/Prasser, InsO § 3 InsVV Rn. 38; HK-InsO/Irschlinger, 4. Aufl. § 3 InsVV Rn. 9; Graeber, aaO).

Eine Häuserverwaltung liegt jedoch nur vor, wenn der Insolvenzverwalter einen Aufwand treiben musste, der sich als Immobilienbewirtschaftung beschreiben lässt. Unter dem genannten Aspekt sind zuschlagsfähig die Vermietung, die Sicherung und die Erhaltung der Immobilie (Haarmeyer/ Wutzke/Förster, aaO Rn. 21; FK-InsO/Lorenz, 4. Aufl. § 3 InsVV Rn. 14; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 3 InsVV Rn. 11), auch die Sicherstellung der Energie- und Wasserversorgung sowie die Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten (Graf-Schlicker/Mäusezahl, InsO § 3 InsVV Rn. 13).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, denen sich das Landgericht angeschlossen hat, besaß der Schuldner ein Wohn- und Geschäftshaus. Um die fortdauernde Nutzung im Rahmen der Betriebsfortführung und als Wohnraum für den Schuldner zu gewährleisten, musste der Insolvenzverwalter mit der Grundpfandrechtsgläubigerin die Zahlung einer Nutzungsentschädigung vereinbaren und deren laufende Entrichtung überwachen. Diese Tätigkeit fällt, soweit dadurch die Betriebsfortführung gesichert wurde, unter § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 InsVV. Im Übrigen ist sie jedoch keine Immobilienbewirtschaftung gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2 InsVV. Sie hat insbesondere keine hinreichende Ähnlichkeit mit einer "kalten Zwangsverwaltung", für die ebenfalls ein Zuschlag zugebilligt wird (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Rn. 22; FK-InsO/ Lorenz, aaO). Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Insolvenzverwalter mit den Grundpfandgläubigern vereinbart, dass er die Mieten einzieht und an die Grundpfandgläubiger verteilt. Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter nichts eingezogen. Seine Bemühungen, damit die Grundpfandgläubigerin - zumindest zeitweise - zu einem Stillhalten zu veranlassen und dem Schuldner die Wohnung zu erhalten, sind deshalb durch die Regelvergütung abgegolten.

3. Demgegenüber bleibt die Rüge hinsichtlich der Vergütungserhöhung wegen der mangelnden Kooperation seitens des Schuldners erfolglos.

Der Regelvergütung liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuldner seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht im Insolvenzverfahren nachkommt. Daher ist eine Mitwirkungsverweigerung durch den Schuldner, die zu einer nicht unerheblichen Mehrbelastung des Insolvenzverwalters führt, durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV zu berücksichtigen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Rn. 63; MünchKomm-InsO/Nowak, aaO Rn. 22; Kübler/Prütting/ Eickmann/Prasser, aaO Rn. 41; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren 2. Aufl. Rn. 246; Graeber, aaO Rn. 333; FK-InsO/Lorenz, aaO Rn. 26; Breutigam/Blersch/Goetsch, aaO Rn. 24; vgl. auch BGHZ 146, 165, 178).

Der Tatrichter hat festgestellt, dass der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten häufig verletzt hat. Der Schuldner hat eingeräumt, dass er "es bald unterließ, Rechnungen für von ihm verauslagte Betriebskosten hereinzureichen". Dagegen bringt die Rechtsbeschwerde nichts vor.

Dr. Gero Fischer Dr. Ganter Dr. Kayser Prof. Dr. Gehrlein Dr. Detlev Fischer Vorinstanzen:

AG Mainz, Entscheidung vom 21.11.2006 - 281 IN 111/03 -

LG Mainz, Entscheidung vom 21.05.2007 - 8 T 48/07 -