Hessisches LAG, Urteil vom 18.03.2014 - 15 Sa 1315/13
Fundstelle
openJur 2015, 6792
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 – 16 Ca 1599/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung.

Die Beklagte ist Anbieter von kartengestützten Zahlungslösungen und individuellen Kundenbindungsprogrammen. Sie hat einen französischen Mutterkonzern. Die Altersstruktur der im Betrieb der Beklagten Beschäftigten rangiert zwischen den Geburtsjahrgängen 1952 bis 1987. Sie beschäftigt Menschen aus vielen Nationen – zB. aus Indien, Kroatien, Iran, Portugal etc.. Bis zum Jahr 2010 beschäftigte die Beklagte einen Mitarbeiter, der in Russland geboren wurde.

Die am 7. September 1961 im heutigen Russland geborene Klägerin absolvierte dort ein Studium und schloss dieses mit der Qualifikation einer Systemtechnik-Ingenieurin ab. Ihr wurde durch das Land Schleswig-Holstein die Gleichwertigkeit dieses Studiums mit einem an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik Deutschland durch Diplomprüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik bescheinigt. De Klägerin bewarb sich bereits mehrfach erfolglos bei der Beklagten mindestens seit dem Jahr 2010.

Mit einer Stellenanzeige suchte die Beklagte „einen Softwareentwickler (m/w) Schwerpunkt Java“ (Bl. 5 d.A.). Es heißt in der Stellenausschreibung ua.: „Sehr gute Englischkenntnisse runden Ihr Profil ab.“ Die Beklagte bot „eine fundierte Einarbeitung sowie eine eigenverantwortliche Tätigkeit in einem dynamischen fachlichen Umfeld.“ Die Klägerin bewarb sich am 15. Januar 2013 bei der Beklagten (Bl. 6 d.A.). In ihrem Bewerbungsschreiben führte sie ua. aus:

„Seit 1.04.2003 bin ich arbeitslos und bemühe mich um Erhaltung bzw. Entwicklung meiner Qualifikation. Mit diesem Zweck habe ich zu Hause selbständig Windows- und Internet-Anwendungsentwicklung mit J#.NET, Visual C++.Net, Visual C#.NET, ASP.NET erlernt.“

Am 16. Januar 2013 fand mit der weiteren Stellenbewerberin A ein Bewerbungsgespräch statt. Am 24. Januar 2013 hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Einstellung dieser Bewerberin an (Bl. 123 d.A.). Der Betriebsrat stimmte der Einstellung am 29. Januar 2013 zu.

Am 4. Februar 2013 2006 erhielt die Klägerin folgende Absage von der Beklagten:

„Sehr geehrte Frau B,herzlichen Dank für die Übersendung Ihrer Unterlagen und Ihr Interesse an unserem Unternehmen Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir die Stelle zwischenzeitlich besetzt haben. Wir hoffen, dass Sie auch künftig unsere Stellenanagebote verfolgen und sich so vielleicht ein erneuter Kontakt ergibt. Für Ihre berufliche Zukunft wünschen wir Ihnen viel Erfolg.“

Mit ihrer Klage, die am 6. März 2013 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen ist, begehrt die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von € 10.000,00 nebst Zinsen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und russischen Herkunft diskriminiert worden, indem sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Sie hat behauptet, die Stelle sei zum Zeitpunkt der Absage noch nicht vergeben gewesen, denn die Stellenausschreibung sei am 5. Februar noch auf der Internetseite von C und am 18. Februar 2013 noch auf der Homepage der Beklagten der Niederlassung D ausgeschrieben gewesen, obwohl die Beklagte die Stellenausschreibung bei C selbst habe aus dem Internet nehmen können. Sie hat behauptet, aus den allgemeinen Statistiken in der IT-Branche ergebe sich, dass dort überwiegend Männer in Vollzeit arbeiteten. Sie hat gemeint, die Formulierung „Tätigkeit in einem dynamischen fachlichen Umfeld“ indiziere eine Diskriminierung wegen ihres Alters. Sie hat gemeint, der Hinweis auf eine „fundierte Einarbeitung“ indiziere die Suche nach jüngeren Bewerbern. Als ein Indiz für die Diskriminierung wegen der Herkunft hat sie die Anforderung nach sehr guten Englischkenntnissen angesehen.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,00 Euro Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6. März 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin die Regelungen des AGG ausnutze, um sich ungerechtfertigt zu bereichern, Sie hat behauptet, der ausgeschriebene Arbeitsplatz sei bereits vor Eingang der Bewerbungsunterlagen der Klägerin einer anderen Bewerberin angeboten worden, die die Stelle auch angenommen habe. Sie hat behauptet, die Bewerberin sei ihr aufgrund deren früherer Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin bereits bekannt gewesen. Sie hat behauptet, die eingestellte Bewerberin sei auch besser qualifiziert als die Klägerin, denn Klägerin habe sich JAVA selbst beigebracht und keinen beruflichen Bezug zu dieser Programmiersprache und –umgebung. Aufgrund ihrer langjährigen Einstellungspraxis und der vielen aus anderen Nationen stammenden Mitarbeiter sei auch kein Indiz für eine Diskriminierung aus einem der beiden anderen von der Klägerin angeführten Gründe anzunehmen.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des Vortrages der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 – 16 Ca 1599/13 - gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 72 bis 74 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit vorgenanntem Urteil abgewiesen. Es hat angenommen, durch die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch sei der Klägerin zwar eine Einstellungschance versagt worden. Diese Benachteiligung sei hingegen nicht wegen des Geschlechts, des Alters oder der Herkunft der Klägerin erfolgt. Für diese Annahme habe die Klägerin nicht ausreichend Indizien vorgetragen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 18. März 2014 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie hält an ihrer Auffassung fest und meint, sie habe hinreichend Indizien für die von ihr angenommene Diskriminierung wegen des Geschlechts, des Alters und der Herkunft dargelegt und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, dass die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe wegen ihrer gerichtlichen Aktivitäten eine Diskriminierung wegen ihrer politischen und sonstigen Anschauung.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 – 16 Ca 1599/13 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 10.000,00 Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. März 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Wegen des vollständigen Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird im Übrigen auf den Parteischriftsatz der Klägerin vom 12. November 2013 (Bl. 82 – 87 d.A.), die Berufungsbegründung (Bl. 100 – 128 d.A.) und die Berufungsbeantwortung (Bl. 119 - 122 d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 18. März 2014 (Bl. 142 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. September 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist statthaft, §§ 64 Abs. 2 lit. c), 8 Abs. 2 ArbGG sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG.

II.

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat.

1. Streitgegenstand ist ausschließlich ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Soweit die Klägerin in ihrem selbst gefertigten (Partei-)Schriftsatz vom 23. Januar 2014 ergänzend auch den Ersatz ihr zugefügter ideeller Schäden wegen Verletzung ihrer Rechte aus Art. 21 und 15 EUGRC begehrt, ist dies unbeachtlich, weil Parteischriftsätze im Anwaltsprozess (§ 11 Abs. 4 ArbGG) unbeachtlich sind (vgl. Münchener Kommentar/Toussaint, ZPO, 4. Aufl., 2013, § 78, Rn 38). Die Kammer hatte daher zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage allein auf die anwaltliche Berufungsbegründung und den Parteischriftsatz der Klägerin vom 12. November 2013 abzustellen, weil die Prozessbevollmächtigte auf diesen in der Berufungsbegründung Bezug genommen hat. Da die Berufungsbegründung eine eigene, anwaltliche Aufarbeitung des Parteivorbringens erkennbar enthält, wird dieses Vorgehen zudem den Anforderungen an Schriftsätze im Anwaltsprozess gerecht (vgl. Münchener Kommentar/Toussaint, a.a.O.).

2. Der Klägerin steht kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu.

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Dies wird zwar in § 15 Abs. 2 AGG nicht ausdrücklich benannt, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Arbeitgeber sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach § 6 Abs. 1 AGG (= Beschäftigte) beschäftigen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG). Als Beschäftigte iSd. AGG gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Die Klägerin hatte sich auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle für ein Beschäftigungsverhältnis beworben. Der Begriff „Bewerberinnen und Bewerber“ iSd. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG setzt außer dem formalen Erfordernis einer Bewerbung weder das Vorliegen einer subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung noch die objektive Eignung für die in Aussicht genommene Stelle voraus (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17).

b) Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG verstoßen hat.

aa) Die Klägerin macht eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG geltend. Eine solche liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin durch die Beklagte in Bezug auf den Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) eine weniger günstige Behandlung erfahren hat als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, weil sie im Anschluss an ihre Bewerbung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Mit der Bewerberin A hat die Beklagte hingegen am 16. Januar 2013 ein Vorstellungsgespräch geführt. Bereits die Nichteinladung der Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch stellt eine weniger günstige Behandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar, weil ihr damit die Chance auf Einstellung versagt worden ist (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 35, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

bb) Die Klägerin hat nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass sie die weniger günstige Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe erfahren hat.

Da die weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgen muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft und dadurch motiviert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist ferner, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Dagegen setzt eine Benachteiligung weder ein schuldhaftes Handeln noch eine Benachteiligungsabsicht voraus (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 28, AP AGG § 22 Nr. 3 = EzA AGG § 22 Nr. 3).

c) Sowohl nach dem deutschen Zivilprozessrecht einschließlich des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens als auch nach dem Verständnis des europäischen Rechts trägt derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Die Darlegungslast entspricht dabei grundsätzlich der Beweislast, dh. derjenige, dem die Beweislast obliegt, muss zunächst die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen. Zu diesen gehört bei der Geltendmachung eines Anspruches auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot auch die Tatsache, dass die ungünstigere Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist.

Der im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren geltende Beibringungsgrundsatz verlangt einen schlüssigen Tatsachenvortrag der Parteien. Für einen solchen genügt es nicht, wenn eine Partei lediglich Mutmaßungen aufstellt. Unzulässig ist es grundsätzlich, wenn eine Partei eine Behauptung lediglich „ins Blaue hinein“ aufstellt, ohne dass sie tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Behauptung darlegt (BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - Rn. 15, AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Hinsichtlich der inneren Tatsache, nämlich der Kausalität zwischen Nachteil und einem oder mehreren der in § 1 AGG genannten Gründe, hat der Gesetzgeber in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, welche sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift ua. Art. 8 der Richtlinie 2000/43/EG und Art. 10 der Richtlinie 2000/78/EG umsetzen (vgl. BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - aaO und BT-Drucks. 16/1780 S. 47). In § 22 AGG ist bestimmt, dass dann, wenn im Streitfalle die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Aus § 22 AGG folgt, dass es weiterhin nicht ausreichend für ein schlüssiges Klagevorbringen ist, wenn diejenige Partei, welche sich auf eine Benachteiligung beruft, im Prozess lediglich vorträgt, sie erfülle ein Merkmal gemäß § 1 AGG und wegen dieses Merkmals habe sie eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren (vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 10; Däubler/Bertzbach - Bertzbach 2. Aufl. § 22 Rn. 30; MüKoBGB/ Thüsing 6. Aufl. § 22 AGG Rn. 8; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 22). Allein ein solcher Vortrag würde entweder eine bloße Mutmaßung oder eine unzulässige Behauptung „ins Blaue hinein“ darstellen. Dies gilt vor allem deshalb, weil jeder Mensch zwangsläufig mehrere der in § 1 AGG genannten Merkmale aufweist. Durch § 22 AGG wird in Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben allerdings bestimmt, dass der Beschäftigte/die Beschäftigte keine Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, die einen zwingenden Schluss auf die Kausalität zwischen einem Grund gemäß § 1 AGG und der ungünstigen Behandlung zulassen. Es genügt für die Erfüllung der Darlegungslast hinsichtlich der Kausalität, dass die sich benachteiligt fühlende Person Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist.

d) Die Berufungskammer würdigt die Darlegungen der Klägerin – ebenso wie das Arbeitsgericht – als nicht ausreichend, § 286 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin ist ihrer sich aus § 22 AGG ergebenden Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Sie hat weder jeweils für sich noch in der Gesamtschau Umstände vorgetragen, die als Indizien ausreichen, um die ungünstigere Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu vermuten.

aa) Die von der Beklagten veröffentlichte Stellenausschreibung verstieß nicht gegen § 11 iVm. § 7 Abs. 1 AGG. Sie war geschlechtsneutral formuliert und enthielt darüber hinaus keine Hinweise darauf, dass lediglich Personen einer bestimmten Altersgruppe oder Herkunft gesucht werden. Damit begründet die Stellenausschreibung für sich betrachtet keine Vermutung für eine gesetzwidrige Benachteiligung der Klägerin (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 34, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).

1.1) Entgegen der Behauptung der Klägerin ist die Stelle nicht als Vollzeitstelle ausgeschrieben. Vielmehr enthält die Stellenanzeige keine Angaben dazu, ob die Stelle in Teil- oder in Vollzeit angeboten wird oder ausgeübt werden kann.

1.2) Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung die Auffassung vertritt, typische Auswirkungen hätten auf bestimmte ethnische Gruppen die Forderungen in der Stellenausschreibung, die englische Sprache sehr gut zu beherrschen und dies benachteilige insbesondere Menschen nicht deutscher Herkunft, so teilt die Kammer diese Auffassung schon deswegen nicht, weil bereits Menschen mit englischer Herkunft – also nicht deutscher Herkunft – durch diese Anforderung gerade nicht benachteiligt werden.

Bei der Beurteilung, ob einer Stellenausschreibung auf Grund ihrer Formulierung Indizwirkung im Sinne von § 22 AGG für eine mittelbare Diskriminierung zukommt, ist auf die Stellenanzeige als Ganzes abzustellen. Enthält die Stellenanzeige selbst - und damit für den Bewerber erkennbar - Hinweise darauf, dass eine bestimmte Stellenanforderung, aus der man den Schluss auf eine mittelbare Diskriminierung ziehen könnte, sachlich gerechtfertigt im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG sein könnte, so ist dies bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob im Einzelfall nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung besteht.

Im vorliegenden Falle entfaltet die Stellenanzeige nach Überzeugung der Berufungskammer eine solche Indizwirkung nicht. Bereits aus ihr selbst wird nämlich in ausreichendem Maße deutlich, dass die Anforderung „sehr gute englische Sprachkenntnisse“ nicht aus diskriminierenden Motiven heraus aufgestellt wurde. So stellt sich die Beklagte selbst als Dienstleister vor und die Stelle ist bereits zum Teil in englischer Sprache benannt. Des Weiteren wird in der Stellenanzeige deutlich, dass es hier nicht um eine reine Programmiertätigkeit im „stillen Kämmerlein“ der Beklagten geht, sondern, dass der Bewerber auch in internationalen Kundenunternehmen eingesetzt werden soll. Dies deutet zumindest die sachliche Rechtfertigung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG für die Anforderung „sehr gute englische Sprachkenntnisse“ in ausreichendem Maße an. Es ist nämlich grundsätzlich ein rechtmäßiges Ziel, an einen Arbeitnehmer bestimmte Anforderungen in der Sprachbeherrschung zu stellen. Darauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend verwiesen (vgl. hierzu BAG vom 28.01.2010 – 2 AZR 764/08). ohne dass sich die Berufung mit dieser Argumentation des Arbeitsgerichts weiter befasst.

1.3) Soweit die Klägerin sich auf die Formulierungen „dynamisches fachliches Umfeld“ beruft, lässt diese Formulierung nicht erkennen, dass sich die Ausschreibung lediglich an jüngere Bewerberinnen und Bewerber richtet, denn der Begriff „dynamisch“ ist insbesondere wegen des Zusatzes „fachliches Umfeld“ schon gar nicht auf Personen, sondern auf die zu erwartende Arbeitsumgebung bezogen. Es ist also damit bereits nichts über die Bewerber gesagt. Ein Altersbezug ergibt sich hieraus bezogen auf die Bewerber bereits nicht.

1.4) Der Hinweis auf eine „fundierte Einarbeitung“ weist entgegen der Auffassung der Klägerin ebenfalls nicht auf die Suche nach jüngeren Bewerbern hin. Eine fundierte Einarbeitung ist altersunabhängig geeignet, sowohl jüngeren wie älteren neu eingestellten Arbeitnehmern den Einstieg in eine neue Berufstätigkeit zu erleichtern. Der in der Stellenausschreibung enthaltene Hinweis, eine solche anbieten zu wollen, lässt daher keinen Rückschluss auf die Suche nach nur jüngeren Bewerbern zu.

bb) Der Einwand der Klägerin die Beklagte habe sie aufgrund ihrer selbst bestimmten Altersgrenze im Unternehmen nicht in Betracht gezogen, ist nicht tragfähig. Zwischen den Parteien ist im Berufungsrechtszug nicht streitig, dass die Altersstruktur der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer die Geburtsjahrgänge von 1952 bis 1987 umfasst.

cc) Auch würdigt die Kammer den Vortrag der Klägerin, sie sei aufgrund ihres Vornamens nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden und daher bestehe ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft, als nicht hinreichend, um von der Darlegung von Indizien für eine Diskriminierung ausgehen zu können. Der Familienname der Klägerin lässt keinerlei Rückschluss auf eine nicht deutsche Herkunft zu. Es handelt es sich um einen vielerorts in Deutschland geläufigen Familiennamen. Allein aufgrund ihres Vornamens sind nach Auffassung der Kammer in Ansehung des Familiennamens keine Rückschlüsse auf ihre Herkunft möglich, selbst wenn der Vorname der Klägerin dem russischen Herkunftsraum zuzuordnen ist. Denn es ist nicht unüblich Kindern deutscher Herkunft und Nationalität nichtdeutsche Vornamen zu geben. Dies gilt auch für den Geburtsjahrgang der Klägerin, in dem vorwiegend nordische Namen als nicht ursprünglich deutsche Vornamen vergeben wurden.

dd) Der Umstand, dass die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist, lässt nicht darauf schließen, dies sei in irgendeiner Weise kausal auf einen in § 1 AGG genannten Grund zurückzuführen, also entweder auf ihr Geschlecht, ihr Lebensalter oder ihre Herkunft. Die Merkmale Geschlecht, Alter und ethnische Herkunft weist jeder Mensch auf. Es gibt bei den unter § 1 AGG aufgeführten Gründen keine von vornherein „diskriminierungsanfälligen“ Merkmale. Vielmehr stehen die gesetzlich aufgezählten Gründe gleichwertig nebeneinander. Von daher kann die Berufung der Klägerin auf die Merkmale „Frau“, „Lebensalter über 50“ und „russischer Herkunft“ für sich allein keine Vermutung für eine ungünstige Behandlung gerade wegen dieser oder eines dieser Gründe begründen. Es hätten vielmehr von der Klägerin weitere Umstände vorgetragen werden müssen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass diese Merkmale oder jedenfalls eines dieser Merkmale (mit-)ursächlich für die nachteilige Behandlung waren. Ein solcher weiterer Umstand liegt nicht bereits darin, dass die Klägerin für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, dh. die in der Stellenausschreibung gewünschten Anforderungen erfüllt hat – wobei sie selbst in ihrer Bewerbung nicht angegeben hat, über die gewünschten „sehr guten Englischkenntnisse“ zu verfügen, sondern lediglich angegeben hat, sie beherrsche Englisch gut. Dass ein Bewerber, der zwar nahezu sämtliche in der Stellenausschreibung genannten Anforderungen erfüllt, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, sondern eine Absage erhält, begründet - aus objektiver Sicht - nicht den ersten Anschein, dass dies auf einem der Gründe des § 1 AGG beruht (vgl. MüKoBGB/Thüsing 5. Aufl. § 22 AGG Rn. 12). Im Übrigen reicht auch das bloße Bestreiten der Klägerin, die eingestellte Bewerberin sei besser qualifiziert gewesen, nicht aus, um eine Wahrscheinlichkeit dafür zu begründen, dass ein nach § 1 AGG unzulässiger Grund für die Absage der Beklagten (mit-)ausschlaggebend gewesen ist. Selbst dann, wenn die Klägerin nach „objektiven Kriterien“ die „Beste“ gewesen sein sollte, kann eine Ablehnung auch aus Gründen erfolgt sein, die keine verbotene Diskriminierung darstellen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, dass die Beklagte als nicht-öffentliche Arbeitgeberin nicht dem aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Prinzip der „Bestenauslese“ (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 36, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17) unterliegt. Würde allein der Umstand, dass ein objektiv geeigneter Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist, ein Indiz darstellen, welches eine Benachteiligung des Bewerbers aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe vermuten lässt, so würde dies dazu führen, dass der Arbeitgeber jeden Bewerber, der aufgrund seiner Bewerbungsunterlagen als für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet erscheint, zu einem Vorstellungsgespräch einladen müsste, widrigenfalls er den nach § 22 AGG gegebenen Nachweis der Nichtdiskriminierung zu führen hätte. Dass auch der Gesetzgeber von einer solchen generellen Pflicht des Arbeitgebers, geeignete Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einzuladen, nicht ausgeht, zeigt die nur zu Gunsten schwerbehinderter Bewerber geltende Sonderregelung des § 82 Satz 2 SGB IX, welche wiederum nur öffentliche Arbeitgeber verpflichtet.

ee) Das pauschale Vorbringen der Klägerin, in der IT-Branche würden Frauen diskriminiert, entfaltet keine Indizwirkung für den Benachteiligungsgrund (BAG 25. April 2008 – 8 AZR 287/08 – Rn 49 – juris).

ff) Auch Umstände im Zusammenhang mit der Ablehnung der Bewerbungen der Klägerin begründen keine Vermutung für eine ungünstige Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe. Aussagen im Zusammenhang mit einer Absage können allerdings das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes indizieren.

Es kann dahinstehen, ob die Stelle zum Zeitpunkt der Absage bereits besetzt war in dem Sinne, dass ein anderer Bewerber oder eine andere Bewerberin die Stelle bereits eingenommen hatte. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Beklagte bereits vor der schriftlichen Absage an die Klägerin vom 4. Februar 2013 den Betriebsrat zur beabsichtigten Einstellung der Bewerberin A angehört und der Betriebsrat dieser Einstellung bereits am 29. Januar 2013 zugestimmt hatte. Damit war die Stelle zumindest aus Sicht der Beklagten vergeben. Die Formulierung „besetzt haben“ drückt nichts anderes aus. Diese Formulierung begründet auch nicht den Anschein, die Beklagte habe die Bewerbung der Klägerin deswegen nicht berücksichtigt, weil sie zuvor festgestellt hatte, die Klägerin sei eine Frau mit über 50 Jahren und russischer Herkunft.

Dass die Stellenausschreibung nach der der Klägerin erteilten Absage immer noch im Internet veröffentlicht war, ist ebenfalls kein Indiz für das Vorliegen eines unzulässigen Benachteiligungsgrundes. Allein aus einer nicht rückgängig gemachten Veröffentlichung einer Stellenanzeige nach einer bereits erteilten Absage ergibt sich grundsätzlich keine Vermutung für das Vorliegen eines unzulässigen Benachteiligungsgrundes (BAG 25. April 2008 – 8 AZR 287/08 – Rn. 54, juris).

gg) Auch die Tatsache, dass die Beklagte der Aufforderung der Klägerin, ihr Auskunft über den eingestellten Bewerber oder die eingestellte Bewerberin zu geben bzw. ihr die Gründe für die getroffene Personalauswahl zu nennen oder die Bewerbungsunterlagen dieser Person vorzulegen, nicht entsprochen hat, ist kein Indiz für die Vermutung, dass einer der in § 1 AGG genannten Gründe (mit-)ursächlich für die weniger günstige Behandlung der Klägerin gewesen ist (BAG 25. April 2008 – 8 AZR 187/08 – Rn. 55 ff, juris).

III.

Die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

IV.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.