AG Bonn, Urteil vom 13.05.2013 - 113 C 204/12
Fundstelle
openJur 2015, 6112
  • Rkr:

Werden Leistungen wegen Flugverspätung nach der Fluggastrechte VO Ar. 12 von der Fluggesellschaft erbracht, so sind diese auf Minderungsansprüche nach § 651 d BGB anzurechnen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht Minderungsansprüche aus einem Reisevertrag geltend.

Sie buchte für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Kreuzfahrt an/bis Dubai inklusive Hin- und Rückflug, die vom 24.02. bis zum 02.03.2012 dauerte und insgesamt 2.842,20 € kostete.

Der Reiseablauf änderte sich; insoweit einigten sich die Parteien außergerichtlich.

Der Rückflug fand 25 Stunden später als ausgeschrieben statt. Für diese Änderung verlangt die Klägerin Minderung von fünf Prozent des anteiligen Tagesreisepreises ab der fünften Stunde Verspätung. Vorprozessual zahlte das Flugunternehmen, die B C, nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 jeweils 600,00 € an die Klägerin und deren Ehemann.

Gegenüber der Beklagten meldete die Klägerin mit Schreiben vom 09.03.2012 auch Minderungsansprüche wegen der Verspätung an. Die letzte Mahnung stammt vom 29.08.2012.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Leistungen der B C auf den Minderungsanspruch anzurechnen sind.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 426,30 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 23.03.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Reise war zwar mangelhaft und der Klägerin stand ein Minderungsanspruch gegen die Beklagte zu. Dieser ist jedoch erloschen, weil die Ausgleichszahlung der B C nach Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf den Anspruch zu verrechnen war.

Das erkennende Gericht folgt damit der ganz herrschenden Lehre, der sich mittlerweile auch Führich angeschlossen hat (Reiserecht, 5. Auflage 2005, § 36 Rz. 212 b), die Zustimmung verdient.

Die Verordnung beschränkt die Anrechnung nicht auf verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche, denn sie spricht nur von Schadensersatzansprüchen (Leffers, RRa 2008, 260; Bollweg, RRa 2009, S. 13).

Der Begriff "Schadensersatz" in der deutschen Übersetzung erfasst auch Minderungsansprüche. Dies ergibt sich aus dem Begriff "compensation" der englischen Fassung. Dieser Begriff ist zum einen weiter zu verstehen als der deutsche Begriff Schadensersatz und zum anderen an anderer Stelle mit "Entschädigung" oder "Ausgleichsleistung" übersetzt worden (Leffers, RRa 2008, 260; zustimmend Bollweg, RRa 2009, 13, 14 f.). Eine Unterscheidung zwischen Schadensersatz- und Minderungsansprüchen kennt die Verordnung nicht (Leffers, RRa 2008, 260).

Für die Anrechnung spricht die Entstehungsgeschichte der Verordnung. Sie sollte dazu dienen, Ärgernisse oder große Unannehmlichkeiten bei der Luftbeförderung auszugleichen. Genau diese Umstände begründen im deutschen Recht Minderungsansprüche (Leffers, RRa 2008, 259). Die Anrechnungsklausel in § 12 der Verordnung entstand auf deutsche Initiative, um Doppelentschädigungen auszuschließen. Diese waren nach deutschem Recht denkbar, weil es für Pauschalreisen eine Sonderregelung gibt (Bollweg, RRa 2009, 14).

Es sollte vermieden werden, dass Überkompensationen entstehen. Dieses Ziel ist nur dann erreichbar, wenn Zahlungen auch auf Minderungsansprüche angerechnet werden können (Leffers, RRa 2008, 260 f.; Bollweg, RRa 2009, 15).

Die überwiegende Rechtsprechung bejaht die Möglichkeit, Leistungen nach der Verordnung auf Minderungsansprüche anzurechnen (AG Bremen, Urteil vom 08.05.2007, 4 C 7/07; AG Rostock, Urteil vom 14.01.2013, 47 C 256/12). Andere Entscheidungen sind nicht einschlägig, denn sie betreffen die Anrechnung auf Schadensersatzansprüche (LG Darmstadt, Urteil vom 06.04.2011, 7 S 122/10; AG Köln, Urteil vom 18.08.2006, 121 C 502/05; AG Rüsselsheim, Urteil vom 10.08.2011, 3 C 237/11).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 708 Ziffer 11, 713 ZPO.

Die Berufung wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO vorliegen.

Streitwert: Bis 600,00 €