OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.01.2015 - 4 Ws 472/14 (V)
Fundstelle
openJur 2015, 5783
  • Rkr:

1. Die Regelung des § 25 Abs. 1 JVollzGB I erlaubt den Gefangenen nicht, in ihren Hafträumen elektrische Zigaretten zu nutzen.

2. Macht ein Gefangener substantiiert ein besonderes Bedürfnis an dem Besitz eines Gegenstands zu seiner Freizeitbeschäftigung geltend, hat die Justizvollzugsanstalt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die Untersagung des Besitzes gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 2 JVollzGB III wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt erforderlich ist.

3. Will ein Gefangener in seinem Haftraum eine elektrische Zigarette nutzen, kann er sich derzeit nicht mit Gewicht allgemein auf gesundheitliche Belange berufen, weil Risiken und Nutzen elektrischer Zigaretten noch nicht hinreichend geklärt sind.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 3. Dezember 2014

abgeändert

und wie folgt neu gefasst:

a) Auf den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wird der Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. November 2014

aufgehoben.

b) Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Antrag des Antragstellers auf Genehmigung des Besitzes einer elektrischen Zigarette oder einer elektrischen Pfeife mit zugehörigen Netzteilen zu entscheiden.

c) Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet

verworfen.

2. Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug hat der Antragsteller zu tragen, jedoch wird die Gebühr für das Verfahren um die Hälfte ermäßigt; dem Antragsteller ist die Hälfte seiner notwendigen Auslagen im ersten Rechtszug aus der Staatskasse zu erstatten. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Rechtsbeschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.

3. Der Gegenstandswert wird für das Verfahren im ersten Rechtszug auf 600 EUR und für Rechtsbeschwerdeverfahren auf 300 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt ... (im Folgenden: Antragsgegnerin). Er beantragte am 2. November 2014 bei der Antragsgegnerin die Genehmigung einer sogenannten E-Zigarette. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag am 4. November 2014 ab, weil eine E-Zigarette ein externes Ladegerät, das mit einem USB-Anschluss versehen sei, benötige. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 9. November 2014, mit dem er auch die Zulassung einer sogenannten E-Pfeife und zugehörigen Netzteil mit oder ohne USB-Anschluss begehrte.

Der Antragsteller hat vorgetragen, er sei Asthmatiker und wolle sich das Rauchen abgewöhnen. Mit der Verwendung von Nikotinpflastern sei ihm dies nicht gelungen. Die Nutzung einer E-Zigarette sei weniger gesundheitsschädlich als das Rauchen von Tabak und zudem zur Raucherentwöhnung geeignet. Dass die E-Zigarette über ein externes Ladegerät und über einen USB-Anschluss verfüge, könne der Zulassung nicht entgegenstehen, weil dies dem Stand der Technik entspreche und die theoretisch bestehenden Missbrauchsmöglichen nicht größer seien als bei Gegenständen, die allgemein für die Freizeitgestaltung zugelassen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Antragstellers vom 9. November 2014 und auf sein am 2. Dezember 2014y eingegangenes Schreiben verwiesen.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm den Besitz einer E-Zigarette oder einer E-Pfeife mit zugehörigem Netzteil zu gestatten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag auf Genehmigung einer E-Zigarette als unbegründet und den auf Genehmigung der E-Pfeife samt zugehöriger Netzteile als unzulässig zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, auf dem Markt würden nur E-Zigaretten angeboten, die ihre Betriebsenergie über ein Netzteil mit USB-Anschluss oder über nicht fest eingebaute Akkumulatoren beziehen würde. Beides könne aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden, weil damit auch andere nicht zugelassene Geräte betrieben werden könnten und die gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe der Akkumulatoren bei bewusster Zerstörung missbraucht werden könnten. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die Zulassung des Besitzes der E-Zigarette richte sich, da sie kein Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V sei, nach § 58 JVollzGB III. Der Besitz einer E-Zigarette würde die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährden (§ 58 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 JVollzGB III) und sei auch nicht gemäß § 58 Abs. 3 JVollzGB III in Verbindung mit der einschlägigen Landessicherheitsvorschrift allgemein zugelassen. Der erst im gerichtlichen Verfahren gestellte Antrag auf Zulassung der E-Pfeife mit zugehörigem Netzteil sei unzulässig, weil der Antragsteller diesbezüglich keinen Antrag bei ihr gestellt habe. Hilfsweise hat die Antragsgegnerin ausgeführt, der Antrag sei zudem unbegründet, weil auch der Betrieb von E-Pfeifen nicht zulassungsfähige Ladegeräte und Netzteile mit USB-Anschluss erfordere. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 19. November 2014 verwiesen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts hat sowohl den Antrag auf Zulassung der E-Zigarette als auch den auf Zulassung der E-Pfeife zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, allerdings mit dem Antrag, die Justizvollzugsanstalt zur erneuten Entscheidung über seine Anträge zu verpflichten. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts erklärten Rechtsbeschwerde vom 16. Dezember 2014 verwiesen.II.

1. Die statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Es ist geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§ 93 JVollzGB III, § 116 Abs. 1 Fall 1 StVollzG).

2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg, denn die Ablehnung des Antrags auf Zulassung des Besitzes einer elektrischen Zigarette oder einer elektrischen Pfeife mit zugehörigen Netzteilen (im Folgenden: E-Zigarette) war rechtswidrig und verletzte das Recht des Antragstellers auf Besitz von Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung gemäß § 58 Abs. 1 JVollzGB III; weil die Entscheidung über den Antrag weiterer Aufklärung bedarf, ist die Antragsgegnerin - nach weiteren Ermittlungen - zur erneuten Entscheidung über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtet (§ 93 JVollzGB III, § 115 Abs. 4 Satz 2 StVollzG).

a) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch zulässig, soweit der Antragsteller ihn im gerichtlichen Verfahren auf die Genehmigung des Besitzes einer elektrischen Pfeife und zugehöriger Netzteile erweitert hat.

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen hat das Oberlandesgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren selbständig zu prüfen. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Landgericht den Antrag als unzulässig, worauf der Wortlaut der Entscheidungsformel des angefochtenen Beschlusses hinweist, oder als unbegründet verworfen hat, wie aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses hervorgeht.

Ein Verpflichtungsantrag setzt zwar gemäß § 93 JVollzGB III, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG voraus, dass die Justizvollzugsanstalt eine zuvor bei ihr beantragte Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs abgelehnt hat (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 109 Rn. 6). Gegenüber der Antragsgegnerin hat der Antragsteller zunächst zwar nur die Zulassung der E-Zigarette beantragt. Dem erst im gerichtlichen Verfahren gestellten Antrag auf Zulassung einer E-Pfeife ist die Justizvollzugsanstalt jedoch hilfsweise auch inhaltlich entgegengetreten und hat zum Ausdruck gebracht, dass sie diesen Antrag mit derselben Begründung, mit der sie sich gegen die Zulassung der E-Zigarette gewandt hat, ablehnen würde. Zudem ist die Antragserweiterung im gerichtlichen Verfahren hier sachdienlich. Sie ermöglicht es, denkbare Alternativen zu prüfen, die dem geltend gemachten Interesse des Antragstellers Rechnung tragen und die Belange der Antragsgegnerin möglichst wenig beeinträchtigten. Demnach sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Verpflichtungsantrags für das Antragsbegehren insgesamt erfüllt.

b) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist in Form des Bescheidungsantrags, auf den der Antragsteller sein Begehren in der Rechtsbeschwerdeinstanz beschränkt hat, begründet.

aa) Zu Recht beurteilt das Landgericht den geltend gemachten Anspruch auf Zulassung einer E-Zigarette nach § 58 JVollzGB III, weil keine spezielleren Regelungen eingreifen.

(1) Aus § 25 Abs. 1 JVollzGB I kann der Antragsteller keinen Anspruch auf Zulassung der E-Zigarette ableiten. Die Vorschrift gestattet den Gefangenen in den Hafträumen - bei gemeinschaftlicher Unterbringung vorbehaltlich des Einverständnisses der anderen dort untergebrachten Gefangenen - das Rauchen. Die Vorschrift erfasst die Nutzung einer E-Zigarette nach ihrem Wortlaut nicht und ist hierauf auch nicht entsprechend anwendbar.

(a) Die Nutzung einer E-Zigarette ist schon begrifflich mangels Verbrennungsvorgangs nicht als Rauchen anzusehen. Unter Rauchen ist das Einatmen des Rauchs, der bei einem Verbrennungsvorgang von Tabakwaren entsteht, zu verstehen. Dagegen werden bei der Nutzung von E-Zigaretten sogenannte Liquids, die Nikotin enthalten, verdampft. Das Liquid wird mittels eines meist batteriebetriebenen Mechanismus erhitzt, so dass die Nutzer den Dampf einatmen können (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. November 2014 - 4 A 775/14, juris Rn. 22 - 26).

(b) Die Nutzung von E-Zigaretten ist auch nicht in entsprechender Anwendung der Regelung des § 25 Abs. 1 JVollzGB I zuzulassen. Der Gesetzgeber des Justizvollzugsgesetzbuchs hat die Nutzung von E-Zigaretten nicht geregelt. Eine entsprechende Anwendung ist zu erwägen, wenn die Nutzung einer E-Zigarette im Vergleich zum konventionellen Rauchen mit eindeutig geringeren Gesundheitsgefahren verbunden ist und unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und Ordnung des Justizvollzugs mit keinen erheblichen Gefahren verbunden ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Zum einen schafft die Gestattung der Nutzung von E-Zigaretten in den Hafträumen der Gefangenen zusätzliche Risiken für die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalten, die möglicherweise nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand kontrolliert werden können. Die Liquids enthalten je nach Art und Hersteller unterschiedliche Bestandteile, die Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen können. Ebenso resultieren aus den Geräten und den zu ihrem Betrieb erforderlichen Ladegeräten oder Akkumulatoren potenzielle Missbrauchsmöglichkeiten.

Zum anderen steht nicht fest, dass die Nutzung von E-Zigaretten im Allgemeinen deutlich weniger gesundheitsschädlich ist als das Tabakrauchen. Die gesundheitlichen Risiken der Nutzung einer E-Zigarette können derzeit noch nicht zuverlässig abgeschätzt werden.

Über die Inhaltsstoffe der Liquids ist wenig bekannt. Charakteristische krebserzeugende Verbrennungsprodukte und Substanzen aus dem Tabakrauch kommen bei E-Zigaretten zwar nicht vor. Dennoch sind E-Zigaretten keine gesundheitlich unbedenklichen Produkte. Ein wichtiger Risikofaktor besteht in der inhalativen Aufnahme von Nikotin. Die langfristigen gesundheitlichen Folgen der Nutzung von E-Zigaretten können erst in einigen Jahren zuverlässig bewertet werden. Zusätzlich können auch von den weiteren Inhaltsstoffen der Liquids wie den Vernebelungsmitteln, Chemikalienzusätzen, beigefügten pharmakologischen Wirkstoffen, verschiedenen Duft- und Aromastoffen und Verunreinigungen gesundheitliche Gefahren ausgehen (Stellungnahme Nr. 016/2012 des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 24. Februar 2012, ergänzt am 21. Januar 2013; vgl. auch Pressemitteilungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom 19. Dezember 2011 - „Gesundheitliche Risiken von E-Zigaretten nicht unterschätzen“ und vom 27. Januar 2014 - „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung rät vom Konsum von E-Shishas ab“).

Wie umstritten der Nutzen der E-Zigarette ist, zeigte sich auch im Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127). Die Richtlinie bezieht elektronische Zigaretten, die zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes verwendet werden können, (Art. 2 Nr. 16 der Richtlinie 2014/40/EU) in die Regulierung des Verkaufs von Tabakerzeugnissen ein, soweit sie nicht Arzneimittel oder Medizinprodukte sind (Art. 20 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/40/EU). Die auf Vorschlag des Europäischen Parlaments erfolgte Einbeziehung der E-Zigarette in den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Entwurf der Richtlinie begründete der federführende Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament wie folgt: „Die Meinungen der Sachverständigen auf dem Gebiet der Eindämmung des Tabakkonsums über E-Zigaretten gehen auseinander. Es herrscht zwar allgemein Konsens darüber, dass eine bessere Regulierung nötig ist, es ist aber nicht geklärt, ob elektrische Zigaretten ein nützlicher Ersatz sind, der die Raucher weniger schädigt, oder einfach nur eine Möglichkeit, damit Raucher auch in rauchfreien Zonen rauchen bzw. Nikotin konsumieren können und/oder ob es sich um ein Einstiegsprodukt handelt, das neue Verbraucher anzieht und sie nach Nikotin und potenziell auch nach Tabak süchtig macht. Es wurden auch Bedenken dahingehend geäußert, dass elektrische Zigaretten das Rauchen wieder 'salonfähig' machen könnten.“ (Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 24. Juli 2013, A7-0276/2013, S. 88).

(2) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass ein Recht zum Besitz einer E-Zigarette nicht aus der Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 JVollzGB III hergeleitet werden kann, weil die Nutzung einer E-Zigarette nicht als medizinische Versorgung angesehen werden kann.

Die nikotinhaltigen Liquids sind keine Arzneimittel und E-Zigaretten keine Medizinprodukte (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. September 2013 - 13 A 2448/12, juris Rn. 24 ff.; die dagegen gerichtete Revision wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 zurück, Pressemitteilung Nr. 68/2014). Schon deshalb können sie nicht Bestandteil der den Gefangenen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 JVollzGB III zustehenden medizinischen Versorgung sein.

Selbst wenn die Liquids als Arzneimittel einzustufen wären, würden sie nicht zur notwendigen medizinischen Versorgung, die die Gefangenen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 JVollzGB III beanspruchen können, gehören. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB III orientiert sich die Beurteilung der Notwendigkeit an der Versorgung gesetzlich Versicherter. Ein wesentliches Indiz für die Notwendigkeit ergibt sich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 ff. SGB V (LT-Drucks. 14/5012, S. 220; Wulf in BeckOK, Strafvollzug BW, § 33 JVollzGB III Rn. 1 (Stand: August 2014); Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 33 JVollzGB III Rn. 1). Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V keinen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, die überwiegend zur Raucherentwöhnung dienen. Auch die besonderen Umstände des Strafvollzugs erfordern keine andere Bewertung.

bb) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Zulassung des Besitzes einer E-Zigarette wegen Gefährdung der Sicherheit der Anstalt gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 JVollzGB III abgelehnt hat, halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

(1) § 58 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 JVollzGB III schließt das Recht zum Besitz von Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung aus, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Nutzung des Gegenstands die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährden würde. Dabei genügt zwar grundsätzlich bereits eine dem Gegenstand innewohnende abstrakte Gefährlichkeit (Spieth in BeckOK Strafvollzug BW, § 58 JVollzGB III Rn. 11 (Stand: August 2014); vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 1994 - 2 BvR 2731/93, juris Rn. 10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. März 2007 - 3 Ws 66/07, juris Rn. 3). Allerdings werden Auslegung und Anwendung des § 58 Abs. 1 und 2 JVollzGB III dadurch bestimmt, dass der Strafvollzug die Grund- und Menschenrechte der Gefangenen zu achten hat (§ 2 Abs. 1 Satz 1 JVollzGB III) und das Leben im Vollzug soweit möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen ist (§ 2 Abs. 2 JVollzGB III); dementsprechend unterliegen Auslegung und Anwendung der Vorschrift in besonderer Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die einem Gegenstand abstrakt-generell zukommende Eignung, in einer die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdenden Weise eingesetzt zu werden, muss deshalb in Beziehung zu den der Anstalt zur Verfügung stehenden und von ihr im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht auch angewendeten Kontrollmöglichkeiten gesetzt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 1994 - 2 BvR 2731/93, juris Rn. 10; Spieth in BeckOK Strafvollzug BW, § 58 JVollzGB III Rn. 11 (Stand: August 2014)).

Macht ein Gefangener substantiiert ein besonderes Bedürfnis an dem Besitz eines Gegenstands zu seiner Freizeitbeschäftigung geltend, hat die Justizvollzugsanstalt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls (Spieth in BeckOK Strafvollzug BW, § 58 JVollzGB III Rn. 12 (Stand: August 2014)) zu prüfen, ob die Untersagung des Besitzes erforderlich ist. Dabei ist das von dem Gegenstand in der konkreten Situation ausgehende Gefahrenpotenzial und das Ausmaß eines eventuell durch die Überlassung an den Gefangenen notwendig werdenden zusätzlichen Kontrollaufwands (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 2518/08, juris Rn. 20) zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Gefahrenpotenzials sind die Schadenswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß, das im Fall eines Missbrauchs des Gegenstands eintreten kann, in den Blick zu nehmen (vgl. Schwind in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 70 Rn. 7). Dabei ist nicht nur auf die dem Gegenstand allgemein innewohnende Missbrauchsmöglichkeit, sondern auch auf mögliche konkrete, individuell aus der Person des Gefangenen folgende Gefahren abzustellen (Spieth in BeckOK Strafvollzug BW, § 58 JVollzGB III Rn. 12 (Stand: August 2014)). In die Beurteilung, welcher zusätzliche Kontrollaufwand und welche Restrisiken im Interesse des Gefangenen hinzunehmen sind, fließt ein, wie nachhaltig und ernsthaft der Gefangene sein Interesse verfolgt (vgl. Spieth in BeckOK Strafvollzug BW, § 58 JVollzGB III Rn. 12 (Stand: August 2014)), welches Gewicht das verfolgte Interesse hat und wie sehr der Gefangene dabei auf den begehrten Gegenstand angewiesen ist. Belangen einzelner Gefangener, die grundrechtlich besonders geschützt sind, ist gegebenenfalls durch Ausnahmen von sonst üblichen Beschränkungen zu begegnen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 2518/08, juris Rn. 20).

(2) Diesen Anforderungen wird die Begründung, mit der die Justizvollzugsanstalt dem Antragsteller den Besitz eine E-Zigarette versagt hat, nicht gerecht. Einem geltend gemachten gesundheitlichen Interesse kann bei der Abwägung erhebliches Gewicht zukommen, zumal der Strafvollzug dem Interesse einer gesunden Lebensführung Rechnung tragen soll (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 JVollzGB III). Da aber, wie vorstehend ausgeführt, Nutzen und Risiken der E-Zigarette nicht abschließend geklärt sind, kann sich derzeit ein Gefangener grundsätzlich nicht mit Gewicht auf gesundheitliche Belange berufen, wenn er eine E-Zigarette nutzen will. Der Antragsteller macht hier aber ein besonderes in seiner Person liegendes Bedürfnis an der Nutzung einer E-Zigarette geltend. Er behauptet, sich das Rauchen abgewöhnen, zumindest aber seinen Nikotinkonsum reduzieren zu wollen. Er leide an Asthma. Mit Nikotinpflastern habe er die Entwöhnung nicht geschafft. Dies erfordert eine eingehendere Auseinandersetzung mit den geltend gemachten Belangen des Antragstellers und gegebenenfalls eine Überprüfung seiner Behauptungen.

Im bisherigen Verfahren wurde nicht näher begründet, welche Missbrauchsrisiken mit der Nutzung einer E-Zigarette gerade auch in Bezug auf den Antragsteller bestehen. Insbesondere hat sich die Antragsgegnerin nicht hinreichend mit den verschiedenen Varianten von E-Zigaretten und E-Pfeifen sowie den zugehörigen Ladegeräten und den sich daraus ergebenden Missbrauchsrisiken auseinandergesetzt. Deswegen ist offen, ob die Antragsgegnerin einem eventuellen Missbrauchsrisiko durch zumutbare organisatorische Maßnahmen wirksam begegnen kann.

(3) Auf die Landessicherheitsvorschrift zum Gewahrsam der Gefangenen an Gegenständen, die den Besitz von Geräten mit einem USB-Anschluss (Ziffer 3.1.1) sowie Ladegeräte und nicht fest eingebaute Akkumulatoren (Ziffer 3.1.8) ausschließt, kann die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht allein stützen.

Die Regelung des § 58 Abs. 3 JVollzGB III stellt zwar klar, dass die Aufsichtsbehörde die Zulassung bestimmter Gerätetypen allgemein regeln kann und allgemeine Richtlinien für die Gerätebeschaffenheit erlassen kann. Diese Vorschrift trägt der raschen Entwicklung des Elektronikmarkts und dem erfahrungsgemäß starken Interesses der Gefangenen an derartigen Gegenständen Rechnung. Sie ermöglicht es der Aufsichtsbehörde, eine landesweit einheitliche Zulassung solcher Geräte in den Justizvollzugsanstalten zu erreichen (LT-Drucks. 14/5012, S. 229).

Da die Landessicherheitsvorschrift, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, als Verschlusssache nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt und dementsprechend nicht veröffentlicht ist, muss sie einen Bescheid mit Außenwirkung sachlich-inhaltlich begründen. Bei der Begründung ihrer Entscheidung kann sie sich von den Erwägungen leiten lassen, die in der Verwaltungsvorschrift enthalten sind oder ihr zu Grunde liegen, weil die Landessicherheitsvorschrift eine Selbstbindung der Verwaltung an die dort geregelten Sachverhalte bewirkt (Wulf in BeckOK Strafvollzug BW, § 1 JVollzGB I Rn. 35 (Stand: August 2014)). Der Verweis auf die Landessicherheitsvorschrift kann die Begründung nicht ersetzen. Gebietet der Einzelfall die Zulassung des Besitzes eines Gegenstands in Abweichung der allgemeinen Regelungen der Verwaltungsvorschrift, hat die Justizvollzugsanstalt zunächst die Entscheidung der Aufsichtsbehörde über die ihr im Innenverhältnis vorbehaltene Zustimmung einzuholen.III.

Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren auf § 121 Abs. 4 StVollzG, § 467 StPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 60 Halbsatz 1, § 52 Abs. 1 GKG.

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