BGH, Beschluss vom 25.10.2007 - I ZB 19/07
Fundstelle
openJur 2011, 6352
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 5. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Rechtsbeschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner wegen rückständiger Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Sie hat den Gerichtsvollzieher beauftragt, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen. Dem Auftrag liegt ein dem Schuldner zugestelltes und mit einer Vollstreckungsklausel versehenes Schreiben vom 19. Juli 2006 zugrunde, das mit "Leistungsbescheid" überschrieben ist. Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dem Schriftstück mit Datum vom 19. Juli 2006 nicht um eine Ausfertigung des Verwaltungsakts (Leistungsbescheids) i.S. von § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X handele.

Die von der Gläubigerin eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag weiter, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die beantragte Zwangsvollstreckungsmaßnahme durchzuführen. Der Schuldner hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Durchführung der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme setze nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung die Vorlage einer mit einer Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Leistungsbescheids voraus. Ob diesem Erfordernis genügt sei, müsse gemäß § 900 Abs. 1 ZPO auch im Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geprüft werden. Im vorliegenden Fall fehle es an der Vorlage einer mit einer Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Leistungsbescheids. Vorzulegen sei eine ordnungsgemäße Ausfertigung des Original-Beitragsbescheids, also der Leistungsbescheid als solcher in einer den Ausfertigungsanforderungen entsprechenden Abschrift. Der "Bescheid" vom 19. Juli 2006 genüge diesen Anforderungen nicht.

Der Arbeitgeber habe der Einzugsstelle gemäß § 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV rechtzeitig einen Beitragsnachweis einzureichen, der nach § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gelte. Allein dieser sei zu Vollstreckungszwecken auszufertigen, mit der Klausel zu versehen und dem Schuldner zuzustellen. Einen diesen Anforderungen genügenden Leistungsbescheid habe die Gläubigerin dem Gerichtsvollzieher nicht vorgelegt.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das dem Gerichtsvollzieher von der Gläubigerin zu Vollstreckungszwecken vorgelegte, mit "Leistungsbescheid" überschriebene Schriftstück mit Datum 19. Juli 2006 stellt keine ordnungsgemäße Ausfertigung des Original-Leistungsbescheids dar.

a) Einer Behörde stehen gemäß § 66 SGB X zwei Vollstreckungsmöglichkeiten zur Verfügung: Sie kann die Vollstreckung gemäß § 66 Abs. 1 SGB X nach den jeweils einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder oder nach § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung vornehmen. Im vorliegenden Fall hat die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher mit der Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung beauftragt.

Entscheidet sich die Behörde, einen Verwaltungsakt in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung zu vollstrecken, so gelten für die Durchführung der Zwangsvollstreckung die §§ 704 ff. ZPO (v. Wulffen/Roos, SGB X, 5. Aufl., § 66 Rdn. 12). Als Vollstreckungstitel kommt nur der Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) selbst in Betracht. Eine abgekürzte oder auszugsweise Wiedergabe genügt nicht (v. Wulffen/Roos aaO § 66 Rdn. 17; Krasney in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Loseblattausgabe Stand 2007, § 66 SGB X Rdn. 24). Die Durchführung der Zwangsvollstreckung setzt voraus, dass die vollstreckbare Ausfertigung des Leistungsbescheids (§ 724 ZPO analog) mit einer Vollstreckungsklausel nach § 725 ZPO versehen wird. Bei der Ausfertigung muss es sich um eine richtig wiedergegebene Abschrift der Urschrift handeln, die dazu bestimmt ist, die Urschrift im Rechtsverkehr zu vertreten. Die vollstreckbare Ausfertigung ist stets eine Papierurkunde. Eine elektronische Ausfertigung nach § 317 Abs. 5 ZPO ist für die vollstreckbare Ausfertigung ungeeignet, weil § 733 ZPO vorschreibt, dass grundsätzlich nur eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen ist. Eine elektronische Ausfertigung kann dagegen (einschließlich der Signatur) beliebig oft vervielfältigt werden, ohne dass es noch möglich wäre, zwischen Original und Kopie zu unterscheiden (Münch-Komm.ZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 725 Rdn. 2). Des Weiteren ist erforderlich, dass die auf der Ausfertigung des Leistungsbescheids vermerkte Vollstreckungsklausel von dem zuständigen Bediensteten unterschrieben worden ist.

b) Diesen Anforderungen wird das dem Schuldner zugestellte, mit einer Vollstreckungsklausel versehene und mit "Leistungsbescheid" überschriebene Schriftstück vom 19. Juli 2006, auf das die Gläubigerin die beantragte Zwangsvollstreckungsmaßnahme stützen möchte, nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der vom Arbeitgeber einzureichende Beitragsnachweis gemäß § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gilt. Vollstreckungstitel ist demnach der vom Arbeitgeber eingereichte Beitragsnachweis. Wird der Beitragsnachweis - wie nunmehr nach dem Gesetz allein möglich (§ 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV) - in elektronischer Form eingereicht, so hat die Behörde hiervon eine Ausfertigung in Papierform herzustellen, die für die Vollstreckung mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Das von der Gläubigerin vorgelegte Schreiben mit Datum vom 19. Juli 2006 stellt keine Ausfertigung eines Beitragsnachweises dar. Es ist deshalb für die Durchführung der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme ungeeignet.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da für die Gläubigerin im vorliegenden Verfahren nach § 2 Abs. 1 GKG i.V. mit § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X Kostenfreiheit besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2005 - IX ZB 189/02, NJW-RR 2006, 718).

Bornkamm Pokrant Büscher Schaffert Bergmann Vorinstanzen:

AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 10.01.2007 - M 2866/06 -

LG Frankenthal, Entscheidung vom 05.02.2007 - 1 T 16/07 -