VG Berlin, Beschluss vom 23.07.2012 - 35 KE 19.12
Fundstelle
openJur 2015, 3094
  • Rkr:
Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 67,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) nach § 165 i.V.m. § 151 VwGO, über die aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 13. Juli 2012 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO der Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden hatte, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat in dem angegriffenen Beschluss vom 14. Mai 2012 die mit dem Kostenfestsetzungsantrag der Erinnerungsgegnerin (und vormaligen Beklagten) vom 23. März 2012 geltend gemachten außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens VG 29 K 77.11 zutreffend mit 67,50 Euro angesetzt.

Nach der Kostenentscheidung aus dem Urteil vom 19. Januar 2012 in dem Klageverfahren VG 29 K 77.11 hat die Erinnerungsführerin (und vormalige Klägerin) die Kosten des Klageverfahrens zu tragen. Diese umfassen nach § 162 Abs. 1 VwGO neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

Bei den von der Erinnerungsgegnerin geltend gemachten Reisekosten ihres Ter-minsvertreters in der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2012 in Höhe von 41,50 Euro nebst Tagegeld in Höhe von 6,00 Euro handelt es sich um Aufwendungen der Erinnerungsgegnerin. Entgegen der Annahme der Erinnerungsführerin waren diese auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO.

5Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen dann, wenn ein verständiger, weder besonders ängstlicher noch besonders unbesorgter Beteiligter in der Lage des Anspruchstellers die Aufwendungen im Hinblick auf die Bedeutung und rechtliche oder sachliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14. August 2003 - OVG 2 O 15/01 -, Rn. 2; zit. nach juris; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 17. Auflage 2011, § 162 Rn. 3 m.w.Nachw.; s. auch BayVGH, Beschluss vom 21. November 1996 - VGH 22 A 94.40014 -, Rn. 11; zit. nach juris, wonach die zugrunde liegende Handlung „objektiv betrachtet für eine sachdienliche Prozessführung erforderlich und geeignet“ gewesen sein muss). Danach sind Reisekosten zum Zweck der Terminswahrnehmung - auch durch Behördenvertreter - grundsätzlich erstattungsfähig (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14. August 2003, a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 162 Rn. 4; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner <Hrsg.>, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, Loseblatt, Stand: 22. Lfg. Sept. 2011, § 162 Rn. 18; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 15. Auflage 2010, § 162 Rn. 5; Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 13. Auflage 2010, § 162 Rn. 6; ferner z.B. auch BayVGH, Beschluss vom 23. Mai 2003 - VGH 22 A 99.40012 -, Rn. 1; VG München, Beschluss vom 22. Juli 2011 - VG M 17 M 10.4792 -, Rn. 8; VG Gießen, Beschluss vom 3. März 2009 - VG 6 O 74/09.GI -, Rn. 2; VG Sigmaringen, Beschlüsse vom 17. Juli 2008 - VG 1 K 971/08 -, Rn. 3, und vom 11. März 2004 - VG 4 K 2526/98 -, Rn. 11; VG Augsburg, Beschluss vom 16. August 2006 - VG Au 3 K 04.1661 -, Rn. 10; alle zit. nach juris).

Soweit die Erinnerungsführerin einwendet, die Erinnerungsgegnerin hätte sich im Termin am 19. Januar 2012 durch einen ortsansässigen Bediensteten vertreten lassen können, die Kosten für die Anreise eines Behördenvertreters aus Halle (Saale) könnten ihr daher nicht zur Last fallen, so dringt sie hiermit nicht durch.

7Zwar entspricht der Beschränkung der Erstattungsfähigkeit auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten das Gebot einer sparsamen Prozessführung. Danach ist jeder Beteiligte gehalten, die Kosten seiner Prozessführung an der Wahrnehmung seines berechtigten prozessualen Interesses auszurichten. Er ist verpflichtet, seine Kosten so niedrig zu halten, wie sie sich bei Berücksichtigung seiner vollen Belange, jedoch unter Beachtung einer möglichst wirtschaftlichen Prozessführung ergeben. Diese Verpflichtung des Beteiligten, die Kosten der Prozessführung, die er im Fall seines Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt, ist letztlich Ausdruck des Gebots der prozessualen Rücksichtnahme auf den Gegner (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14. August 2003, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 21. November 1996, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben ist die Anreise eines Bediensteten der Erinnerungsgegnerin bzw. - genauer - der sie im Klageverfahren vertretenden Behörde, des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), aus Halle (Saale) indes nicht zu beanstanden.

9Die Erinnerungsgegnerin hat vorgetragen, dass das BADV in Berlin nicht über einen Beschäftigten verfügte, der mit der Streitsache des Verfahrens VG 29 K 77.11 vertraut war. Das Gericht hat keine Veranlassung, an dieser Angabe zu zweifeln. Das aus dem Gebot der prozessualen Rücksichtnahme gegenüber dem Gegner folgende Gebot einer sparsamen Prozessführung gebietet es aber nicht, dass sich die Behörde im Termin durch einen mit der Sache zuvor nicht befassten, ortsansässigen Bediensteten vertreten lassen muss und hierdurch womöglich ein erhöhtes Risiko des Unterliegens im Prozess hat. Eine derart weitreichende Rücksichtnahme liefe dem berichtigten Interesse der Behörde an einer effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zuwider und kann von ihr daher nicht erwartet werden. Verfügt die Behörde - wie das BADV - neben ihrem Hauptsitz noch über weitere Dienstsitze, so trägt der andere Beteiligte das Risiko höherer Prozesskosten, das sich im Fall seines Unterliegens aus der tatsächlichen Behördenorganisation ergibt. Der Behörde kann schlechterdings nicht angelastet werden, dass sie die Entscheidung, wen sie als Terminsvertreter entsendet, an ihrer inneren Organisation ausrichtet und nicht umgekehrt.

Aus der von der Erinnerungsführerin angeführten Regelung in § 6 Abs. 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) lässt sich nichts anderes ableiten. Hierbei handelt es sich um eine bloße Zuständigkeitsvorschrift, die die Organisation des BADV unberührt lässt, jedenfalls aber ohne Einfluss auf das Kostenerstattungsrecht bleibt.

Auch dass das BADV in Halle (Saale) gar nicht über einen Dienstsitz verfügt, steht der Erstattung der Reisekosten nicht entgegen. Insoweit hat die Erinnerungsgegnerin vorgetragen, dass der Terminsvertreter dort seinen Wohnsitz habe und der Fahrantritt von dort aufgrund der Terminierung der mündlichen Verhandlung auf 10:00 Uhr unter zeitökonomischen Gründen nahe gelegen habe. Die Kosten für eine (Bahn-) Fahrt von Halle (Saale) nach Berlin sei lt. Internet jedoch deckungsgleich mit denen für eine Fahrt von Leipzig - dem tatsächlichen Dienstort des Terminsvertreters - nach Berlin. Letzteres trifft nach einer Internetrecherche des Gerichts auf der Homepage der Deutschen Bundesbahn (<http://www.bahn.de>) zu. Mithin hat die Anreise aus Halle (Saale) - anstatt vom Dienstort Leipzig - keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Der Höhe nach entsprechen die geltend gemachten Reisekosten den Vorgaben des Bundesreisekostengesetzes (BRKG), die nach Ansicht des Gerichts - jedenfalls soweit es um Kosten für Bahnfahrten und Tagegeld geht - auch im Rahmen des § 162 Abs. 1 VwGO anwendbar sind. Zwar gelten die Reisekostengesetze des Bundes und der Länder (unmittelbar) nur im Verhältnis zwischen Bedienstetem und Behörde, doch entstehen der Behörde Reisekosten in der durch das jeweilige Reiskostengesetz bestimmten Höhe. Da nicht der Bedienstete selbst, sondern die Behörde Kostengläubiger ist, sind die Reisekosten in diesem Umfang festzusetzen (vgl. VG Gießen, Beschluss vom 3. März 2009, a.a.O.; VG Sigmaringen, Beschluss vom 11. März 2004, a.a.O., Rn. 11 ff.; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 162 Rn. 19 m.w.Nachw.; str.; a.A. z.B. Schmidt, in: Eyermann, a.a.O., wonach sich die Höhe des Aufwendungsersatzes nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz <JVEG> bestimmt).

Die von der Erinnerungsgegnerin des Weiteren geltend gemachte Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen findet ihre Grundlage in § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Danach können juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden anstelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern (§ 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Dieser beträgt derzeit 20,00 Euro. Ein Kostenausspruch des Gerichts, wie er nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren zu treffen ist, ist nicht Voraussetzung für die Erstattung.

14Die von der Erinnerungsführerin vorgetragenen Einwände gegen die Geltendmachung der Pauschale im vorliegenden Fall greifen nicht durch. Insbesondere kann die Pauschale entgegen dem Vorbringen der Erinnerungsführerin nicht nur beansprucht werden, wenn die Behörde einen Rechtsanwalt beauftragt hatte. Eine derartige Beschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO noch entspricht sie dem Sinn und Zweck der Regelung, die der Verwaltungsvereinfachung und Angleichung an das Rechtsanwaltsvergütungsrecht dienen sollte (vgl. nur VG Gera, Beschluss vom 19. August 2010 - VG 2 Nc 1752/09 Ge -, Rn. 6; zit. nach juris). Dabei ist § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO nach Auffassung des Gerichts dahingehend zu verstehen, dass der Behörde ein Wahlrecht zusteht, ob sie anstelle der tatsächlichen notwendigen Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den Höchstsatz der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG geltend macht; und zwar selbst dann, wenn die tatsächlichen Auslagen geringer sind als der Höchstsatz der Pauschale, weil auch in diesem Fall ein Verwaltungsaufwand für die Ermittlung und Berechnung der Aufwendungen gespart wird (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 14. März 2012 - VG 35 KE 3.12 u. VG 35 KE 4.12 -, Rn. 4 ff.; zit. nach juris).

Die in dem angegriffenen Beschluss vom 14. Mai 2012 ausgesprochene Verzinsung beruht auf § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Danach ist auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 39 f., 52 ff. GKG.