LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 14.07.2014 - 16 S 46/14
Fundstelle
openJur 2015, 1905
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Februar 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cottbus - Az. 37 C 15/13 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die in der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft xxx am 18. Juni 2013 unter TOP 6 (Jahresabrechnung), TOP 9 (Entlastung der Verwalterin) und TOP 20 (Kontenumstellung auf den Namen der WEG) gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.

Der Beschluss zu TOP 20 wird gemäß § 21 Abs. 8 WEG durch folgenden Beschluss ersetzt:

„Die Gelder der Wohnungseigentümergemeinschaft sind auf Bankkonten zu verwahren, deren Inhaber die Wohnungseigentümergemeinschaft xxx ist. Die Verwalterin wird angewiesen, unverzüglich entsprechende Konten anzulegen oder die vorhandenen Bankkonten umstellen zu lassen.“

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wohnungseigentümer und streiten in zweiter Instanz noch über die Wirksamkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung über die Art und Weise der Kontenführung für die Gemeinschaft. Während die Klägerin die Führung eines Kontos auf den Namen der Gemeinschaft für geboten hält, ist nach Auffassung der Beklagten die Fortführung als offenes Treuhandkonto auch weiterhin nicht zu beanstanden.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft xxx. Auf der am 18. Juni 2013 durchgeführten Eigentümerversammlung wurden verschiedene Beschlüsse gefasst, u.a. wurde zu TOP 20 ein Antrag auf Umstellung der Konten (Hauskonto, Instandhaltungsrücklagenkonto) auf den Namen der WEG als teilrechtsfähigen Verband mehrheitlich abgelehnt (Protokoll Anlage K 2 = Bl. 58 d.A.).

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die zu TOP 6 (Jahresabrechnung 2012), TOP 9 (Entlastung der Verwalterin) und TOP 20 (Kontenumstellung) gefassten Beschlüsse angefochten. Sie hat zugleich beantragt, den zu TOP 20 gestellten und sodann abgelehnten Antrag durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zu ersetzen. Sie hat die Auffassung vertreten, nur eine solche Kontenführung entspreche den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die zu TOP 6 und 9 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt und die Klage hinsichtlich TOP 20 abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zwar möglich und zweckmäßig, aber nicht zwingend geboten, die Konten auf den Namen der Gemeinschaft zu errichten. Es fehle an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung, sodass auch eine Festhaltung an der bisherigen Praxis der Führung eines von dessen Vermögen getrennten Kontos durch den Verwalter den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspreche.

Gegen die Abweisung ihrer Klage zu TOP 20 wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist weiterhin der Ansicht, die Umstellung der Konten sei zwingend geboten, und verweist auf die insoweit nahezu einhellige Auffassung im juristischen Schrifttum.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Cottbus vom 20. Februar 2014 den in der Eigentümerversammlung der WEG xxx am 18. Juni 2013 zu TOP 20 gefassten Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären und folgenden Eigentümerbeschluss gemäß § 21 Abs. 8 WEG durch Urteil zu ersetzen:

"Die Gelder der Wohnungseigentümergemeinschaft sind auf Bankkonten zu verwahren, deren Inhaber die Wohnungseigentümergemeinschaft xxx ist. Die Verwalterin wird angewiesen, unverzüglich entsprechende Konten anzulegen oder die vorhandenen Bankkonten umzustellen."

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat. Sie meinen, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Kontoführung für zwingend geboten gehalten hätte, so hätte er dies in den letzten Novellen zum WEG deutlich gemacht. Das Instrument des offenen Treuhandkontos sei in der Bankpraxis eingeführt und habe sich bewährt. Auch in anderen gesetzlichen Vorschriften finde sich die Verpflichtung, bestimmte Vermögenswerte von den Werten eines Verwalters o.ä. getrennt zu verwahren. Auch dort sei das offene Treuhandkonto eingeführt und üblich. Die Beklagten behaupten schließlich, der Guthabenzinssatz von derzeit 2,5 % werde bei einer Neuanlage ganz ersichtlich nicht mehr erreicht werden können, wenn ein neues Konto eröffnet werden müsse.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der fristgerecht angefochtene Beschluss zu TOP 20 war für ungültig zu erklären und gemäß § 21 Abs. 8 WEG durch die beantragte Regelung zu ersetzen. Die Führung der Konten der Gemeinschaft nicht auf ihren Namen, sondern auf den Namen des Verwalters entspricht entgegen der Annahme des Amtsgerichts regelmäßig nicht mehr den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung i.S.d. § 21 Abs. 3 WEG, wenn eine Weiterführung des bisherigen offenen Treuhandkontos nicht wegen der Besonderheiten des Einzelfalles ausnahmsweise geboten ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

1. Der Beschluss zu TOP 20, durch den der Antrag abgelehnt worden war, die Konten der Gemeinschaft künftig nicht mehr als Treuhandkonten des Verwalters für die Gemeinschaft, sondern unmittelbar im Namen der Gemeinschaft führen zu lassen, entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Nach der Entscheidung des BGH vom 2.6.2005 (V ZB 32/05), in der die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft anerkannt worden ist, wird im juristischen Schrifttum, zurückgehend auf einen Aufsatz von Hügel (DNotZ 2005, 753, 760), nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass die Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder künftig nur noch auf einem eigenen Konto der Gemeinschaft erfolgen dürfe und ein auf den Namen des Verwalters geführtes offenes Treuhandkonto nicht mehr zulässig sei. Das offene Treuhandkonto sei unsicherer, da die Wohnungseigentümer gegenüber dem Zugriff eines Gläubigers des Verwalters Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben müssten und im Falle der Insolvenz des Verwalters ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO nur dann bestehe, wenn nachgewiesen werden könne, dass sämtliche Gelder auf dem Konto auch tatsächlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörten. Die nicht mehr gebotene rechtliche Zuordnung zum Vermögen des Verwalters verstoße dann auch gegen das Trennungsgebot nach § 27 Abs. 5 Satz 1 WEG (so mit leichten Differenzierungen die nunmehr ganz herrschende Auffassung im Schrifttum: Merle in: Bärmann, WEG, 12. Auflage 2014, § 27 Rn. 239; Heinemann in: Jennißen, WEG, 3. Auflage 2012, § 27 Rn. 104; Bärmann/Pick, WEG, 19. Auflage 2010, § 27 Rn. 60; Knop in: Timme, WEG, 2010, § 27 Rn. 117; Abramenko in: Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Auflage 2011, § 27 Rn. 30; Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Verhouten, WEG, 10. Auflage 2013, § 27 Rn.55; Spielbauer in: Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage 2012, § 27 Rn. 47; Bassenge in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 27 WEG Rn. 10; Geiben in: jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, § 27 Rn. 64; Hügel in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 1.5.2014, § 27 Rn. 10; dem folgend: AG Strausberg, Urteil vom 11. März 2009 - 27 C 12/08 - ZMR 2009, 53). Demgegenüber wird seit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der WEG nur noch vereinzelt in der Literatur (Engelhardt in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 27 Rn. 16) und Rechtsprechung (AG Kassel, Urteil vom 16. November 2010 - 803 C 4530/10 - ZMR 2012, 230; kurz nach der BGH-Entscheidung und ohne diese bereits zu berücksichtigen: OLG Hamburg, Beschluss vom 26. September 2006 - 2 Wx 78/05 - ZMR 2007, 59 Rn. 11) die Auffassung vertreten, das Treuhandkonto sei auch weiterhin zulässig. Es wird darauf verwiesen, dass die Nachteile des Treuhandkontos nicht so gravierend seien, dass seine Führung im Falle einer entsprechenden Mehrheitsentscheidung als Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung angesehen werden könnte (AG Kassel, aaO).

Die Kammer schließt sich der ganz überwiegenden Literaturauffassung jedenfalls für den Regelfall an, in welchem die Kontoumstellung vom offenen Treuhandkonto des Verwalters auf ein eigenes Konto der Gemeinschaft ohne erhebliche Nachteile, insbesondere finanzielle Art durchgeführt werden kann.

Nach § 27 Abs. 5 Satz 1 WEG ist der Verwalter verpflichtet, eingenommene Gelder von seinem Vermögen gesondert zu halten. Solange die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht anerkannt war, war die Führung eines offenen Treuhandkontos notwendig, aber auch ausreichend. Nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der WEG ist die Einrichtung eines eigenen Kontos, das am wirksamsten gegen den Zugriff der Gläubiger des Verwalters geschützt ist, möglich. Nur die Wahl dieser am stärksten gesicherten Anlageform genügt dann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift dem Trennungsprinzip und damit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Insoweit ist es - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - auch unerheblich, ob der Gesetzgeber diese Frage bei der letzten Novellierung des WEG gesehen, aber ungeregelt gelassen hat, wenn die teleologische Auslegung des Gesetzes - wie hier - bereits zu dieser Rechtsfolge führt. Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht der von den Beklagten vorgenommene Vergleich mit anderen Rechtsnormen, die ebenfalls eine getrennte Anlage von Geldbeträgen verlangen, aber die Einrichtung eines offenen Treuhandkontos genügen lassen. Die Verwaltung des Vermögens der WEG durch den Verwalter unterscheidet sich erheblich von den von den Beklagten benannten Fällen der Stellung einer Kaution durch den Mieter und der Verwaltung von Kundengeldern durch einen Bauträger oder ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen. In den aufgeführten Fällen sollen Vermögenswerte auf einen anderen übertragen werden, im Falle der Kaution als Sicherheit, im Falle der Zahlung an den Bauträger, um das Bauvorhaben zu fördern, und beim Wertpapierhandelsunternehmen zur Geldanlage. Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft geht es demgegenüber um die Verwaltung des eigenen Vermögens, die nach der Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit eben keine Übertragung auf einen Dritten mehr erfordert.

Etwas anderes mag dann gelten, wenn die Einrichtung eines eigenen Kontos der Gemeinschaft zu erheblichen Nachteilen führen würde. Dies kann der Fall sein, wenn die Umstellung des bisherigen Treuhandkontos auf ein Eigenkonto der Gemeinschaft zu erheblichen Zinsnachteilen führe würde. Die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung mögen es dann für eine Übergangszeit gestatten, an der bisherigen Anlageform festzuhalten, wenn und solange die konkreten Nachteile der Kontenumstellung die abstrakten Gefahren bei der Festhaltung an der alten Anlageform überwiegen. Auf solche Nachteile berufen sich die Beklagten erstmalig in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 12. Juni 2014, ohne allerdings Einzelheiten hierzu vorzutragen oder das Vorbringen unter Beweis zu stellen. Weder ist vorgetragen noch sonst ersichtlich, zu welchem Zinssatz eine Neuanlage bei den in Betracht kommenden Kreditinstituten erreichbar wäre, noch wie hoch die angelegten Geldbeträge sind und damit der zu erwartende Verlust sein würde. Darüber hinaus ist das von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 30. Juni 2014 bestrittene Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich, da es bereits in erster Instanz hätte vorgebracht werden müssen.

2. Da die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung vorliegend die Umstellung auf Konten der Gemeinschaft gebieten, hat die Kammer die gebotene Maßnahme gemäß § 21 Abs. 8 WEG angeordnet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. § 49 Abs. 2 WEG war nicht anzuwenden, da die Kammer ein grobes Verschulden der Verwalterin nicht feststellen kann, deren Festhaltung an der bisherigen Praxis eines offenen Treuhandkontos sowohl von der Mehrheit der Eigentümer als auch vom Amtsgericht im angefochtenen Urteil gebilligt worden ist. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage war die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 49 a Abs. 1 Satz 2 GKG nach dem Interesse der Klägerin an der begehrten Entscheidung, das die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht auf 4.000 € beziffert.