Hessisches LAG, Urteil vom 16.04.2014 - 18 Sa 966/13
Fundstelle
openJur 2015, 239
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Insolvenzverwalter macht Ansprüche aus Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung geltend.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A, B (folgend: Schuldnerin), das Insolvenzverfahren wurde durch das Amtsgericht Bersenbrück am 22. Februar 2010 eröffnet (- 9 IN 1/10 -). Zur Wiedergabe des Inhalts des Eröffnungsbeschlusses wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen (Bl. 84-86 d.A.). Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens war am 08. Januar 2010 bei dem Insolvenzgericht eingegangen.

Die Beklagte ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK-Bau) mit Sitz in Wiesbaden, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Ihr oblag nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) der Einzug der Sozialkassenbeiträge gemäß § 18 VTV von den Arbeitgebern des Baugewerbes mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland für bis einschließlich 31. Dezember 2009 entstandene Beiträge.

Die Schuldnerin unterlag als baugewerblicher Betrieb dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), gab Meldungen ab, leistete Beiträge und erhielt Erstattungen.

Der Kläger erhob gegen die Beklagte vor dem Landgericht Wiesbaden Anfechtungsklage, gestützt auf § 133 Abs. 1 InsO, und begehrte Rückzahlung von an die Beklagte in der Zeit von 26. Februar 2009 bis 12. Oktober 2009 gezahlter Sozialkassenbeiträge in einer Gesamthöhe von zuletzt 8.470,69 €. Zuvor war ihm Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Klage bewilligt worden (vgl. Beschluss LG Wiesbaden vom 21. Juni 2012, Bl. 72 f. d.A.). Wegen der Zusammensetzung der Klageforderung wird auf die Klageschrift, dort Punkt 3. (S. 3-5, Bl. 78-80 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte hat auf die Anfechtung einen Betrag von 3.339,57 € nach §§ 143 Abs. 1, 131 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt. Diesem Betrag lagen weitere Zahlungen der Schuldnerin vom 10. Oktober 2009, 21. Oktober 2009, 10. November 2009 und 21. Dezember 2009 zu Grunde.

Das Landgericht Wiesbaden verwies den Rechtsstreit durch Beschluss vom 23. August 2012 (Az. 10 O 105/12, Bl. 175-177 d.A) an das Arbeitsgericht Wiesbaden.

Die Schuldnerin hatte schon 2007 Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten. Wegen der Umsätze des Beitragskontos bei der Soka-Bau in der Zeit ab 01. Januar 2008 wird Bezug genommen auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 01. Juni 2012 im PKH-Verfahren überreichte Aufstellung (Bl. 46-53 d.A.). Zur Wiedergabe der Tabelle nach § 175 InsO wird auf die Anlage 2 zum PKH-Antrag verwiesen (Bl. 3-9 des Beihefts, LG Wiesbaden). 30 Gläubiger haben Forderungen in einer Gesamthöhe von ca. 535.000,00 € angemeldet.

Der Kläger hat behauptet, bei der Schuldnerin habe bereits am 25. Februar 2009 Zahlungsfähigkeit bestanden. Sie sei nicht in der Lage gewesen, fällige Zahlungsforderungen zu erfüllen. Sie habe auch bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Beitragsrückstände seit 01. Januar 2005 gehabt, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen werden konnten. Die Fa. C habe Lieferungen und Leistungen seit 17. Juni 2009 zur Tabelle angemeldet. Die Beklagte habe wegen relativ geringfügiger Forderungen über einen Zeitraum von fast einem Jahr die Zwangsvollstreckung betreiben müssen und lediglich Teilzahlungen erhalten. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dies indizierte eine Zahlungsunfähigkeit, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz iSd. § 133 Abs. 1 InsO und die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit und der Benachteiligung anderer Gläubiger. Gerade der Umstand, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht bei Fälligkeit beglichen würden, sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein erhebliches Indiz für die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens. Die Beitreibung der Ansprüche durch die Beklagte erfülle das Merkmal der Inkongruenz für die daraufhin erbrachten Leistungen. Die Inkongruenz bilde auch im Rahmen der Prüfung des § 133 Abs. 1 InsO ein starkes Beweiszeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe wegen der fortlaufenden Beitragsmeldungen der Schuldnerin gewusst, dass diese noch gewerblich tätig war und noch weitere Gläubigerforderungen bestehen müssten. Es werde bestritten, dass zahlungsfähige Schuldner zur Schonung ihrer Kreditlinie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beklagten in Kauf nähmen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.470,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 22. Februar 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, das Verhalten der Schuldnerin habe kein Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zugelassen. Es habe einer häufigen Vorgehensweise im Baugewerbe entsprochen, statt eines Bankkredits Rückstände bei der Zusatzversorgungskasse auflaufen und titulieren zu lassen, die relativ geringen Zinsen zu entrichten sowie die Forderungen mit Erstattungsansprüchen verrechnen zu lassen. Sie hat behauptet, die Rückstände der Schuldnerin hätten – bei einem Beitragsvolumen von ca. 50.000,00 € jährlich – im Jahr 2007 5,27%, im Jahr 2008 26,34% und im Jahr 2009 22,85% der Forderungen betragen. Dies sei nicht außergewöhnlich und kein Anzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die angefochtenen Leistungen der Schuldnerin seien kongruent gewesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch am 18. Juli 2013 verkündetes Urteil teilweise stattgegeben. Dem Kläger stehe eine Anspruch in Höhe von 3.965,50 € wegen der Teilzahlungen zu, die seit 08. Juni 2009 an die Beklagte geflossen seien. Es handele sich um anfechtbare Rechtshandlungen. Die Schuldnerin habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, da sie wusste, dass sie ihre Verbindlichkeiten nicht mehr ausgleichen konnte. Zu Lasten der Beklagten sei nach § 133 Abs.1 Satz 2 InsO davon auszugehen, dass sie seit der Teilzahlung vom 26. Mai 2009 an den Gerichtsvollzieher in Höhe von 750,00 € wusste, dass Zahlungsunfähigkeit drohte. Für Leistungen bis einschließlich 26. Mai 2009 hat das Arbeitsgericht eine Kenntnis der Beklagten von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Benachteiligung anderer Gläubiger verneint.

Zur Wiedergabe des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und die vollständigen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 218-225 d.A.).

Das Urteil ist beiden Parteien am 22. Juli 2013 zugestellt worden. Der Kläger hat gegen dieses Urteil mit am 12. August 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangener Berufungsschrift Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, dem 23. September 2013, bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat ebenfalls eingehend am 12. August 2013 Berufung eingelegt. Sie hat ihre Berufung mit einem Schriftsatz begründet, welcher am 11. Oktober 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht einging, nachdem sie zuvor rechtzeitig die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zu diesem Tag beantragt hatte.

Mit der Berufung nimmt der Kläger Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er macht geltend, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Beklagte schon im Februar 2009 die Umstände der Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung kannte. Die Zahlung der Schuldnerin vom 25. Februar 2009 sei inkongruent, da an den Gerichtsvollzieher erfolgt.

In Bezug auf die Berufung der Beklagten vertritt der Kläger die Auffassung, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schon im Februar 2009 bestand, da fällige Verbindlichkeiten bis zur späteren Insolvenzeröffnung nicht mehr zurückgeführt wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei dann von einer Zahlungseinstellung auszugehen, es müsse keine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 18. Juli 2013 - 5 Ca 1426/12 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.470,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 22. Februar 2010 zu zahlen

sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 18. Juli 2013 - 5 Ca 1426/12 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen

sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt ebenfalls Bezug auf ihren Vortrag im ersten Rechtszug. Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keine ausreichenden Beweisanzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorgetragen. Sie habe durch die Zahlung vom 26. Mai 2009 keine Kenntnisse von Indiztatsachen erwerben können, da der Scheck ohne Beanstandung eingelöst wurde. Sämtliche Leistungen seien kongruent gewesen, die Schuldnerin habe fortlaufend Beitragsschulden gemeldet, es seien außerdem weitere Zahlungen des Unternehmens erfolgt.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien vorgetragenen Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 16. April 2014 Bezug genommen (Bl. 286 d.A.).

Gründe

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Berufung der Beklagten sind gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie sind form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden teilweise aufzuheben und die Klage insgesamt anzuweisen.

Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass bei der Schuldnerin schon am 25. Februar 2009 Zahlungsunfähigkeit drohte oder bestand und die Beklagte ab diesem Zeitpunkt oder bis zum 08. Oktober 2009 von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und deren Vorsatz wusste, andere Gläubiger zu benachteiligen (§ 133 Abs. 1 ZPO). Es besteht daher keine Rückzahlungspflicht nach §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO für die durch Rechtshandlungen der Schuldnerin erhaltenen Leistungen.

1.

Es kann nicht festgestellt werden, dass bei der Schuldnerin schon am 25. Februar 2009 Zahlungsunfähigkeit drohte. Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO) ist auszugehen, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein wird, bestehende Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen.

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Zahlungsunfähigkeit schon zum Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung bestand.

a)

Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Dies ist jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet. Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus der Gesamtschau mehrerer darauf hinweisender Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind solche Indizien vorhanden, muss die genaue Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten nicht dargelegt und festgestellt werden, ebenso keine Unterdeckung von mindestens 10% der Gesamtverbindlichkeiten (BGH Urteil vom 29. März 2012 – IX ZR 40/10NZI 2012, 663; BGH Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10DB 2011, 1688).

b)

Diese Voraussetzungen werden durch den Vortrag des Klägers nicht erfüllt.

aa)

Ein Zahlungsstillstand kann auch zu bejahen sein, wenn nur wenige Forderungen offenstehen, diese aber mit Rücksicht auf den Geschäftsbetrieb des Schuldners einen maßgeblichen Betrag ausmachen (BGH Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10DB 2011, 1688).

Die Schuldnerin hatte nach den Darlegungen des Klägers bei der Beklagten Ende Februar 2009 Verbindlichkeiten durch Beitragsrückstände in einer Höhe von 11.641,48 €, die sie auch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglich. Die Beiträge für Februar und März 2009, welche insgesamt 6.196,35 € dieses Betrags ausmachen, waren nach § 22 Abs. 1 VTV (in den bis 31. Dezember 2009 maßgeblichen Fassungen des Tarifvertrags) noch nicht fällig. Danach lagen noch keine erheblichen Außenstände vor. Bei der Schuldnerin handelte es sich um ein Bauunternehmen, welches nach den Beitragsmeldungen an die Beklagte durchschnittlich fünf bis sechs Arbeitnehmer beschäftigte. Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch dem Umstand, dass Beiträge zu dem Sozialkassenverfahren nicht oder nicht zeitnah gezahlt werden, keine indizielle Bedeutung für eine Zahlungsunfähigkeit beigemessen werden. Es kam vielmehr – zumindest bis zur Erhöhung der auf Beitragsschulden nach dem VTV zu entrichtenden Zinsen seit dem 01. Juli 2013 – nicht selten vor, dass Zahlungen an die Beklagte - bzw. mittlerweile die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (U-LAK) - gegenüber anderen Zahlungsverpflichtungen nachrangig erfüllt wurden. Zinsen fielen nach § 24 VTV (in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung des VTV, von 01. Dezember 2010 bis 30. Juni 2013: § 23 VTV) nur in Höhe der gesetzlichen Zinsen an. Die Beklagte ist keine Einrichtung öffentlichen Rechts, Sozialkassenbeiträge sind keine Sozialversicherungsbeiträge, ihre rechtzeitige Zahlung wird nicht über § 266a StGB gesichert. Insoweit kann gerade keine Parallele zwischen der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und von Sozialkassenbeiträgen gezogen werden (anders: OLG Frankfurt Urteil vom 13. April 2006 – 26 U 37/05 – veröffentlicht in juris). Beitragsrückstände konnten sich bis Ende 2008 außerdem durch die Verrechnungen verringern, welche die Beklagte mit Erstattungsansprüchen der Arbeitgeber nach § 13 VTV (in den Fassungen des Tarifvertrags bis 30. Juni 2012) vornahm.

Auch die Entwicklung des Beitragskontos (s. mit Schriftsatz der Beklagten vom 01. Juni 2012 im PKH-Verfahren überreichte Aufstellung, Bl. 46-53 d.A.) lässt keinen Schluss auf eine Zahlungseinstellung zu. Die Salden der Schuldnerin sind erst ab Mitte März 2009 angestiegen. Ein Saldo von 22.726,70 € am 19. März gegenüber 18.365,62 € zum Jahreswechsel ließ keinen Schluss auf eine drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte, wie mit den Parteien anlässlich der Verhandlung vor der Kammer am 16. April 2014 erörtert, zum 31. Dezember 2008 ihre Praxis eingestellt hatte, Erstattungsansprüche der Arbeitgeber fortlaufend mit deren Beitragsschulden zu verrechnen. Ab dem 01. Januar 2009 war ein „Saldo“ des Beitragskontos daher in Relation zu den nicht aufrechenbaren Gegenansprüchen des Arbeitgebers zu setzen. Zum Anderen sind durch die Aufgabe der Verrechnungspraxis bei einer Vielzahl von baugewerblichen Arbeitgebern die Beitragsschulden gestiegen. Die Entwicklung des Beitragskontos der Beklagten war danach nicht ungewöhnlich.

bb)

Beitragsrückstände in einer Höhe von weniger als 12.000,00 € sind im Verhältnis zu den Insolvenzforderungen von insgesamt ca. 535.000,00 € nicht erheblich. Darüber hinaus sind keine Verbindlichkeiten der Schuldnerin feststellbar, die bereits im Februar 2009 bestanden und bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr erfüllt wurden. Es bestehen keine Beweisanzeichen dafür, dass ein erheblicher Teil fälliger Verbindlichkeiten nicht bezahlt werden konnte (vgl. BGH Urteil vom 06. Dezember 2012 – IX ZR 3/12DB 2013, 167).

Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, dass die Schuldnerin auch fällige Zahlungen an die Berufsgenossenschaft nicht mehr erbringen konnte, wird dies durch die zur Akte gereichten Unterlagen nicht bestätigt. Es sind zwar Beitragsrückstände gegenüber der Berufsgenossenschaft seit 2005 zur Insolvenztabelle gemeldet worden. Aus den mit der Anmeldung der Forderung durch die BG Bau eingereichten Unterlagen (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 22. August 2012, Bl. 150-161 d.A.) ergibt sich aber, dass offensichtlich wegen oder in zeitlicher Nähe zur Insolvenzeröffnung eine Neuberechnung der Beiträge erfolgte, die zu Nachforderungen von Beiträgen der Schuldnerin zur Berufsgenossenschaft ab 01. Januar 2005 führten. Diese Neuberechnung war aber im Februar 2009 noch nicht erfolgt, denn die Schuldnerin muss für Beitragsrückstände der Jahre 2005 bis 2009 keine Säumniszuschläge entrichten, diese sind erst ab 2009 angefallen. Dies heißt, dass die später zur Insolvenztabelle angemeldeten Nachforderungen noch gar nicht fällig waren.

Die von dem Kläger angeführten Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Fa. C für Warenlieferungen, die zur Insolvenztabelle angemeldet wurden (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 22. August 2012, Bl. 163-173 d.A.), waren erst im Juli 2009 fällig. Die älteste nicht bezahlte Rechnung datiert vom 30. Juni 2009.

Die Überprüfung der zur Insolvenztabelle angemeldeten weiteren Forderungen (Anlage 2 zum PKH-Antrag, Bl. 3-9 des Beihefts, LG Wiesbaden) ergibt, dass diese – soweit erkennbar – zum Teil ab August 2009 (Nr. 4, Nr. 28), ab September 2009 (Nr. 15, Nr. 22), ab Oktober 2009 (Nr. 3, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 16) oder noch später (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 21; Nr. 25, Nr. 29, Nr. 30) fällig wurden. Soweit bei dieser Feststellung eine Einschränkung wegen möglicher Gehaltsrückstände gemacht werden muss, sind diese streitig, beziehen sich teilweise auf die Geschäftsführer und lassen nicht erkennen, wann sie erstmalig geltend gemacht wurden.

2.

Soweit daher allenfalls angenommen werden kann, dass ab Juli/August 2009 Beweisanzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bestanden, rechtfertigt der Vortrag des Klägers aber keine Vermutung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu Lasten der Beklagten.

a)

Nach dieser Vorschrift darf die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners widerleglich vermutet werden, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Es genügt, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH Urteil vom 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13DB 2013, 2676; BGH Urteil vom 07. November 2013 - IX ZR 248/12DB 2013, 2678; BGH Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - ZIP 2009, 526). Solche Tatsachen stellen aber nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen. Es sind auch die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen (BGH Urteil vom 13. August 2009 – IX ZR 159/06DB 2009, 2207; BGH Urteil vom 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03 - ZIP 2007, 2084).

Ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Vorsatz, die anderen Gläubiger zu benachteiligen, und die Erkennbarkeit einer solchen Zielrichtung für den Gläubiger liegt vor, wenn eine inkongruente Deckung gewährt wird (BAG Urteil vom 21. November 2013 – 6 AZR 159/12DB 2014, 249; BAG Urteil vom 12. September 2013 – 6 AZR 980/11ZIP 2014, 37; BGH Urteil vom 24. Oktober 2013 – IX ZR 104/13DB 2013, 2676; BGH Urteil vom 19. September 2013 – IX ZR 4713 – DB 2013, 2496; BGH Urteil vom 06. Dezember 2012 – IX ZR 3713 – DB 2013, 167).

b)

Das Kriterium der Inkongruenz kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht bejaht werden. Die Beklagte hat von der Schuldnerin nach dem 26. Mai 2009 bis einschließlich 08. Oktober 2009 Teilleistungen durch Überweisungen erhalten, ohne dass Vollstreckungsmaßnahmen erforderlich waren.

Die Leistungen entsprachen dem Inhalt des Schuldverhältnisses, sie wurden nur mit Mitteln erlangt, die jedem Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche vom Gesetz zur Verfügung gestellt werden (vgl. BGH Urteil vom 19. September 2013 – IX ZR 4713 – DB 2013, 2496; BAG Urteil vom 21. November 2013 – 6 AZR 159/12DB 2014, 249). Die Beklagte hatte Versäumnisurteile oder Vollstreckungsbescheide gegen die Schuldnerin erwirkt, auf diese erfolgten Teilzahlungen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hatten nur zu den zeitlich früheren Zahlungen vom 25. Februar 2009 und 26. Mai 2009 geführt, zu diesen Zeitpunkten bestanden keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine drohende Zahlungsunfähigkeit, wie ausgeführt. Soweit die Beklagte der Schuldnerin vor der Zahlung vom 01. April 2009 in Aussicht gestellt hatte, sie müsse die Kosten des Mahnverfahrens nicht tragen, falls sie vor dem Erlass eine Vollstreckungsbescheids die Forderung vollständig ausgleiche, liegt darin keine unangemessene Ausübung von Druck, die zu einer Inkongruenz führt, vergleichbar der Drohung mit einem Insolvenzantrag (s. BGH Urteil vom 19. September 2013 – IX ZR 4713 – DB 2013, 2496; BGH Urteil vom 25. Oktober 2012 – IX ZR 117/11DB 2012, 2687).

Allein der Umstand, dass die Schuldnerin nicht vollständig, sondern nur in Abschlägen zahlte, genügt nicht, um auf eine Absicht der Benachteiligung anderer Gläubiger schließen zu lassen. Wie ausgeführt, ist die Beklagte nicht einem Sozialversicherungsträger gleichzustellen und ist bis zu einer Änderung des VTV mit einer deutlichen Erhöhung der Zinsen auf Beitragsrückstände (seit 01. Juli 2013: § 20 VTV) im Zweifel eher nachrangig bedient worden. Andere Anhaltspunkte außer dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber ihr selbst waren der Beklagten nach dem Vortrag des Klägers nicht bekannt. Bitten um Ratenzahlung oder Stundung durch die Schuldnerin, die auf Zahlungsschwierigkeiten schließen ließen, sind nicht vorgetragen worden.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen gem. § 91 Abs. 1 ZPO iVm § 46 Abs. 2 ArbGG.

Zur Zulassung der Revision besteht kein nach § 72 Abs. 2 ArbGG begründeter Anlass.