KG, Beschluss vom 04.11.2014 - 2 Ws 298/14 - 161 AR 16/14
Fundstelle
openJur 2014, 24818
  • Rkr:

Verstößt ein Vorstandsmitglied einer Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausübung seiner Tätigkeit gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit liegt darin regelmäßig ein Pflichtenverstoß im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.

Eine Vermögensbetreuungspflicht und damit ein täterschaftliches Handeln scheiden jedoch aus, wenn der Tatbeitrag sich auf das Aushandeln einer das Vorstandsmitglied selbst betreffenden Vergütung beschränkt; eine Strafbarkeit als Teilnehmer bleibt davon aber unberührt.

Bei eklatanten Verstößen gegen die vorgenannten Grundsätze liegt die Annahme der Voraussetzungen der §§ 16 und 17 StGB fern.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird der Beschluss der 37. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 24. Juni 2014 aufgehoben. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 23. Februar 2014 wird unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor einer anderen großen Strafkammer des Landgerichts Berlin zur Hauptverhandlung mit der Maßgabe zugelassen, dass der Angeschuldigte C - anders als die weiteren Angeschuldigten nicht der mittäterschaftlichen Untreue, sondern - der Anstiftung zur Untreue hinreichend verdächtig ist.

2. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

A.

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt den Angeschuldigten zur Last, in Berlin im Januar und Februar 2011 gemeinschaftlich die Ihnen durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen die Angeschuldigten zu betreuen haben, Nachteil zugefügt zu haben, wobei die Angeschuldigten einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt und ihre Befugnisse als Amtsträger missbraucht haben sollen (§ 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 4, § 11 Abs. 1 Nr. 2 c, § 25 Abs. 2 StGB).

Es handelt sich im Wesentlichen um den folgenden Tatvorwurf:

Die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C bilden den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (im Folgenden KVB). Der Angeschuldigte Dr. D ist der Vorsitzende der Vertreterversammlung der KVB. Die erste Amtszeit der Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C erstreckte sich zunächst auf den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2010. Am 27. November 2004 schlossen sie mit der KVB, vertreten durch den damaligen Vorsitzenden der Vertreterversammlung, zudem Dienstverträge. Diese sahen jeweils eine Vergütung von 13.500,- € monatlich zuzüglich 1.750,- € monatlich für Kranken- und Altersversicherung, mithin insgesamt 15.250,- € monatlich bzw. 183.000,- € jährlich vor. Vereinbart war eine sechsjährige Vertragslaufzeit. In Bezug auf das Übergangsgeld lautete die Regelung in § 10 Abs. 2 der Verträge jeweils:

,,Setzt (...) nach Beendigung der vorgenannten Vertragslaufzeit ihre (seine) bisherige selbständige ärztliche Tätigkeit hauptberuflich fort, so wird ihr (ihm) die in Anlage 2 vereinbarte Vergütung und Zuschuss für die Dauer von bis zu zwölf Monaten als Übergangsgeld weitergezahlt."

Im November 2010 wurden die Mitglieder der Vertreterversammlung der KVB für die Amtsperiode vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2016 gewählt.

Am 13. Januar 2011 ist dann der Angeschuldigte Dr. D auf der konstituierenden Sitzung der Vertreterversammlung zum Vorsitzenden gewählt worden. Nachdem die sie betreffenden Dienstverträge zwischenzeitlich schon verlängert worden waren, sind am 27. Januar 2011 die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C von der Vertreterversammlung erneut zum hauptamtlichen Vorstand der KVB gewählt worden.

Aufgrund eines zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans, so die Anklage, haben die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C spätestens seit Anfang Januar des Jahres 2011 beabsichtigt, sich in den Besitz der seit dem Jahr 2005 durch Rückstellungen im Haushalt der KVB gebildeten Übergangsgelder zu setzen, die für jeden Angeschuldigten eine (Brutto-) Auszahlungssumme von insgesamt 183.000 € vorsahen. Dabei hätten sie gewusst, dass sie rechtlich auf diese Beträge keinen Anspruch hatten, weil beabsichtigt gewesen sei, die Vorstandstätigkeit nahtlos fortzusetzen, so dass die Bedingung aus der Dienstvertragsregelung (Ausscheiden aus dem Amt und Fortführung der hauptberuflichen Tätigkeit als niedergelassener Arzt) nicht eintreten würde. Unter Einbindung des neugewählten Vorsitzenden der Vertreterversammlung, des Angeschuldigten Dr. D, der in umfassender Kenntnis der gesamten Umstände gehandelt haben soll, hätte in die noch laufenden Dienstverträge ein Passus aufgenommen werden sollen, der es - scheinbar legal - ermöglichte, die Gelder zu vereinnahmen.

In Umsetzung des Plans sind - so die Anklage weiter - am 27. Januar 2011 zwischen dem Angeschuldigten Dr. D und den Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C jeweils gleich lautende, mit „Anpassung des Dienstvertrages" überschriebene Vereinbarungen geschlossen worden. Damit seien zum einen das Enddatum der am 27. November 2004 geschlossenen Dienstverträge auf den 28. Februar 2011 geändert und zum anderen die Dienstverträge um folgende Vereinbarung ergänzt worden:

„Zudem sind die Parteien darüber einig, dass das Übergangsgeld gemäß § 10 Abs. 2 mit Ablauf des 28.02.11 ausgezahlt wird und zwar unabhängig davon, ob es zu einer Neubestellung des Vorstandsmitglieds oder zu einer hauptberuflichen Fortsetzung der selbständigen ärztlichen Tätigkeit kommt."

Mit einer entsprechend der gemeinsamen Tatplanung am 23. Februar 2011 durch die Angeschuldigten Dr. A und Dr. B unterschriebenen Auszahlungsanordnung sei dann Ende Februar 2011 mit der Entgeltabrechnung für März 2011 jeweils ein Bruttobetrag von 183.000 Euro als Übergangsgeld an die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C ausgezahlt worden.

Das Landgericht Berlin hat durch Beschluss vom 24. Juni 2014 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Zur Begründung hat die 37. Strafkammer ausgeführt, dass zwar der objektive Tatbestand der Untreue in der Form des Missbrauchstatbestandes bezüglich aller Angeschuldigten erfüllt sei. Auch seien alle Angeschuldigten Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB. Allerdings könne den Angeschuldigten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass sie das Vermögen der KVB vorsätzlich geschädigt haben. Sie hätte sich vor Auszahlung der inkriminierten Beträge von Rechtsanwalt O und Rechtsanwalt Dr. Z rechtlich umfassend beraten lassen. Anlass dafür, dass die Angeschuldigten an der Einschätzung der Rechtsanwälte hätten zweifeln müssen, habe nicht bestanden. Es könne den Angeschuldigten nicht widerlegt werden, dass sie geglaubt hätten, einen Anspruch auf das Übergangsgeld zu haben. Außerdem wäre aufgrund der Tatsache der rechtlichen Beratung, auf die die Angeschuldigten hätten vertrauen dürfen, ein nicht vermeidbarer Verbotsirrtum gegeben. Rechtsanwalt Z habe von Ende Januar 2011 bis Ende Februar 2011, also bis zur Auszahlung des Übergangsgeldes insgesamt knapp sechs Stunden auf seine diesbezügliche beratende Tätigkeit aufgewendet.

Gegen den Beschluss des Landgerichts hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde eingelegt.

B.

Das nach § 210 Abs. 2 StPO statthafte und zulässig erhobene Rechtsmittel hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht ein hinreichender Tatverdacht gegen die Angeschuldigten.

I.

Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in der Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGHSt 54, 275, 281).

II.

Dies ist vorliegend der Fall. Die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B sowie Dr.D sind der mittäterschaftlichen Untreue, der Angeschuldigte C ist der Anstiftung zur Untreue hinreichend verdächtig.

1. Das Landgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der objektive Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB in der Form des Missbrauchstatbestandes erfüllt ist. Im Einzelnen:

a) Den Angeschuldigten oblag aufgrund ihrer Stellung in der KVB grundsätzlich eine Vermögensbetreuungspflicht.

Zwar macht allein der Bezug einer Verpflichtung zu fremden Vermögensinteressen diese noch nicht zur Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Zu verlangen ist vielmehr, dass den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft (vgl. BVerfG, NJW 2010, 3202, 3214 mit weit. Nachweisen). Maßgeblich ist dafür insbesondere, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (vgl. BVerfG a.a.O.).

Diese Grundsätze zugrunde legend besteht kein Zweifel, dass die Angeschuldigten, eine besonders herausgehobene Pflicht hatten, vermögensfürsorgerische Aufgaben für die KVB wahrzunehmen.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach § 77 Abs. 5 SGB V Körperschaften des Öffentlichen Rechts. Sie haben nach § 75 Abs. 5 SGB V die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Weiterhin obliegt den Vereinigungen u.a. die Abrechnung der Leistungen mit den Ärzten und Psychotherapeuten einerseits und - nach §75 Abs. 2 Satz 1 SGB V - mit den Krankenkassen andererseits. Der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin gehören etwa 6.800 niedergelassene Ärzte und rund 1.600 Psychotherapeuten an. Ausweislich der dem Angeschuldigten C zugeschriebenen Äußerung in der Vertreterversammlung vom 27. Januar 2011 ist die KVB ein Betrieb, „der jedes Jahr 1 Milliarde Euro bewegt“ und über 300 Mitarbeiter beschäftigt (vgl. Seite 2 des Protokolls). Zur Finanzierung ihrer Arbeit erheben die Vereinigungen eine sog. Verwaltungskostenumlage, die die Mitglieder auf ihren jeweiligen Umsatz zu zahlen haben und derzeit bei 2,4 bzw. 3,8 % liegt. Organe der Kassenärztlichen Vereinigungen sind die Vertreterversammlung sowie ein hauptamtlicher Vorstand (§ 79 Abs. 1 SGB V).

Zu den Aufgaben der Vertreterversammlung zählt insbesondere, den Vorstand zu überwachen, Entscheidungen zu treffen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind und den Haushaltsplan festzustellen (§ 79 Abs. 3 SGB V). In Umsetzung dieser bundesgesetzlich vorgegebenen Leitlinien bestimmt § 5 Nr. 3 und 8 der Satzung der KVB dass die Vertreterversammlung die Vergütung der Vorstandsmitglieder festzusetzen und entsprechende Dienstleistungsverträge abzuschließen hat. Der Vorsitzende der Vertreterversammlung - im Tatzeitraum der Angeschuldigte Dr. D - beruft diese zu Sitzungen ein, die er dann auch leitet. Zudem vertritt er die Vertreterversammlung in dienstrechtlichen Fragen gegenüber dem Vorstand (§ 4 Abs. 2, 3 der Satzung); dazu zählen u.a. Verhandlungen über die Ausgestaltung von Dienstverträgen zu führen, den Abschluss dieser Verträge auch sonst vorzubereiten und diese nach Billigung der Vertreterversammlung zu unterzeichnen.

Eine gleichermaßen hervorgehobene Tätigkeit übten die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C aus, da sie im maßgeblichen Zeitraum den hauptamtlichen Vorstand der KVB bildeten. Nach § 79 Abs. 5 SGB V verwaltet der Vorstand die Körperschaft und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich. Auf Grundlage dessen weist die genannte Satzung dem Vorstand die Aufgabe zu, den Haushaltplan aufzustellen (§ 7 Nr. 10), den indes dann die Vertreterversammlung festzustellen hat (s.o.). Zudem hat der Vorstand nach § 7 Nr. 9 Satz 3 der Satzung auch „für die ordnungsgemäße Verwaltung der Mittel“ zu sorgen.

b) Seine Vermögensbetreuungspflicht hat der Angeschuldigte Dr. D durch die Vorbereitung und die Unterzeichnung der Vereinbarung vom 27. Januar 2011 sowie durch die am 22. Februar 2011 erfolgte Zustimmung zur Auszahlung des Übergangsgeldes in Höhe von insgesamt 549.000 Euro pflichtwidrig verletzt.

Dem Angeschuldigten Dr. D oblag es gemäß § 69 Abs. 2 SGB IV in Verbindung mit § 78 Abs. 3 SGB V, die Haushaltswirtschaft in der KVB nach den „Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ zu führen. Diese Grundsätze sind als rechtliche Steuerungsnormen dazu bestimmt, einen äußeren Begrenzungsrahmen für den Entfaltungs- und Gestaltungsspielraum dahin gehend zu bilden, solche Maßnahmen zu verhindern, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbar sind (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 83, 84). Eine strafrechtliche relevante pflichtwidrige Schädigung der zu betreuenden Haushaltsmittel kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ohne entsprechende Gegenleistung Zahlungen erfolgen, auf die im Rahmen vertraglich geregelter Rechtsverhältnisse ersichtlich kein Anspruch bestand (vgl. BGH a.a.O.). So liegt der Fall hier.

Die Dienstverträge für die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C vom 27. November 2004 stellten keine Grundlage für die Zahlung des Übergangsgeldes dar. Zwar war nach § 10 Abs. 2 dieser Verträge nach Beendigung der Vertragslaufzeit für die Dauer von zwölf Monaten ein Übergangsgeld zu zahlen. Dies stand jedoch unter der Bedingung, dass das jeweilige Vorstandsmitglied „die bisherige selbständige ärztliche Tätigkeit hauptberuflich“ fortführt. Diese Bedingung trat zweifellos bei keinem der Angeschuldigten ein, vielmehr führten sie aufgrund ihrer Wiederwahl am 27. Januar 2011 ihre Vorstandstätigkeit nahtlos weiter.

Ebenso wenig konnten die als „Anpassung des Dienstvertrages“ bezeichneten Vereinbarungen vom 27. Januar 2011 die Rechtmäßigkeit der Zahlungen begründen. Zum einen waren diese Vereinbarungen angesichts der bestehenden eindeutigen Regelung in § 10 Abs. 2 der Dienstverträge mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbar und stellten damit selbst eine rechtswidrige Verwendung von Haushaltsmitteln dar. Zum anderen waren sie zum Zeitpunkt der Auszahlung der Übergangsgelder bereits aus formalen Gründen (zumindest schwebend) unwirksam.

Die fraglichen Vereinbarungen wurden von Seiten der KVB vom Vorsitzenden der Vertreterversammlung, dem Angeschuldigten Dr. D, unterzeichnet. Gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB V ist es jedoch allein die Vertreterversammlung, die die Körperschaft gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern zu vertreten hat. Auf der Grundlage dieser Regelung bestimmt die Satzung der KVB, dass die Vertreterversammlung über den Abschluss von Dienstverträgen mit den Vorstandsmitgliedern und über die Vergütungen der Vorstandsmitglieder zu beschließen hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 und 8 der Satzung der KVB). Zwar kann die grundsätzlich der Vertreterversammlung als Gesamtorgan obliegende Zuständigkeit für Abschluss, Änderung und Aufhebung von Dienstverträgen mit den Mitgliedern des Vorstandes satzungsrechtlich - wie in § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB IV für die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger geregelt - dem Vorsitzenden der Vertreterversammlung und seinen Stellvertreter gemeinsam übertragen werden (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 79 SGB V Rdn. 17; Hauck/Noftz, SGB V, § 79 Rdn. 24). Von dieser Möglichkeit hat die KVB jedoch keinen Gebrauch gemacht. § 4 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der KVB und § 3 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung für die Vertreterversammlung der KVB sehen lediglich vor, dass der Vorsitzende und im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter die Vertreterversammlung und die Vereinigung in dienstrechtlichen Fragen gegenüber dem Vorstand vertritt. Eine Delegation der Vertretungszuständigkeit der Vertreterversammlung entsprechend § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V, nämlich auf ihren Vorsitzenden und dessen Stellvertreter gemeinsam, ist weder durch die Satzung der KVB noch durch eine sonstige Regelung erfolgt. Da die Vertretungszuständigkeit einem Vorsitzenden allein nicht übertragen werden kann (vgl. Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung § 33 SGB IV Rdn. 9), ist der hier vorliegende Fall der Änderung der Dienstverträge der Vorstandsmitglieder nicht von der Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der KVB umfasst. Hiervon gingen auch die Angeschuldigten aus.

Die allein als Gesamtorgan zuständige Vertreterversammlung wurde aber erstmals am 24. März 2011 über den Abschluss der Vereinbarungen vom 27. Januar 2011 und die bereits erfolgte Auszahlung der Übergangsgelder in Kenntnis gesetzt, dies obwohl noch am 27. Januar selbst wie auch am 14. Februar 2011 Sitzungen der Vertreterversammlung stattgefunden hatten. Erst am 5. Mai 2011 genehmigte die Vertretersammlung die Auszahlung des Übergangsgeldes. Dies ist für die Tatbestandserfüllung durch den Angeschuldigten Dr. D jedoch ohne Relevanz. Denn zum einen verstieß auch der Beschluss der Vertreterversammlung selbst gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zum anderen schließt - im Gegensatz zur Einwilligung des Treugebers - eine nachträgliche Genehmigung den Tatbestand der Untreue nicht aus, weil sich Tatbestandserfüllung und Rechtswidrigkeit allein nach dem Tatzeitpunkt und nicht nach dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung richten (vgl. OLG Hamm, NStZ 1986, 119; BGH, NJW 2006, 522, 525). Im Übrigen war die Entscheidung der Vertreterversammlung nicht von Dauer, da diese mit Bescheid der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vom 27. Februar 2012 förmlich verpflichtet wurde, ihren Beschluss aufzuheben. Eine gegen den Bescheid gerichtete Klage hat die KVB am 19. Dezember 2012 zurückgenommen.

c) Die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C haben sich dagegen durch die Vorbereitung und durch den Abschluss der Vereinbarung vom 27. Januar 2011 keiner täterschaftlich begangenen Untreue strafbar gemacht, da - in dieser speziellen Konstellation - für sie keine eigene Vermögensbetreuungspflicht bestand (siehe dazu nachfolgend aa). Sie haben den Angeschuldigten Dr. D aber zu dessen Tat gemäß §§ 266, 26, 28 Abs. 1 StGB angestiftet (siehe dazu nachfolgend bb). Ein nachfolgendes täterschaftliches Handeln der Angeschuldigten Dr. A und Dr. B im Sinne des § 266 StGB liegt jedoch darin, dass sie am 23. Februar 2011 die Auszahlung der Übergangsgelder anordneten (siehe dazu nachfolgend cc). Da ihre vorausgegangene Anstiftung durch das mittäterschaftliche Tun verdrängt wird (vgl. Fischer, StGB 61. Aufl., § 26 Rdn. 19), sind die Angeschuldigten Dr. A und Dr. B der täterschaftlichen Untreue hinreichend verdächtig, während es bei dem Angeschuldigten C bei dem Verdacht der Anstiftung zur Untreue verbleibt. Dazu Folgendes:

aa) Zwar haben die Angeschuldigten als Vorstände wie unter B. II. 1. a) ausgeführt grundsätzlich die Pflicht, die Vermögensinteressen der KVB zu wahren, und damit eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Dies gilt jedoch nicht für Entscheidungen, die im weitesten Sinne die Bezüge der Vorstandsmitglieder selbst betreffen. Insofern sind die vom BGH für die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH, NJW 2006, 522, 530) auch auf die hiesige Konstellation zu übertragen. Denn wie das Aktiengesetz die Bezüge der Vorstandsmitglieder aus der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes ausklammert und dem Aufsichtsrat in ausschließlicher Zuständigkeit zuweist (§ 87 Abs. 1 und 2, § 112 AktG), so überträgt § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB V der Vertreterversammlung die Zuständigkeit der Vertretung der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber dem Vorstand. Dies hat seinen Grund nicht nur darin, dass insoweit die Körperschaft zum Ausschluss von Insichgeschäften durch ein anderes Organ als den Vorstand vertreten werden muss. Vielmehr wird - wie bei der Aktiengesellschaft - auch der Tatsache Rechnung getragen, dass bei der Regelung der Vorstandsbezüge die Vermögensinteressen von Körperschaft und Vorstandsmitglied nicht gleichgerichtet sind, sondern typischerweise in die entgegengesetzte Richtung gehen. Ist dieser Entscheidungsbereich aber rechtlich aus den Befugnissen der Vorstandsmitglieder ausgeklammert, so kann diese insoweit auch keine Pflicht zur Betreuung der Vermögensinteressen der Körperschaft treffen (vgl. BGH a.a.O.).

bb) Die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C sind jedoch hinreichend verdächtig, den Angeschuldigten Dr. D zu dessen Tat angestiftet zu haben (§§ 266, 26, 28 Abs. 1 StGB).

Unter „Bestimmen“ im Sinne des § 26 StGB ist die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. In welcher Form und durch welches Mittel die Einflussnahme erfolgt, ist gleich. Die Willensbeeinflussung muss auch nicht die alleinige Ursache für das Verhalten des anderen sein, vielmehr genügt bloße Mitursächlichkeit (vgl. BGH, NStZ 2000, 321, 322 mit weit. Nachweisen).

Nach vorläufiger Würdigung der Beweisergebnisse stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

Bereits mit E-Mail vom 19. Januar 2011 teilte der als Abteilungsleiter Rechnungswesen, Finanzen und Haushalt der KVB tätige Zeuge F dem Angeschuldigten C mit, dass die für die Übergangsentschädigung gebildete Rückstellung bei Wiederwahl des Vorstandes in gleicher Besetzung ertragswirksam aufzulösen sei. Diese Information leitete der Angeschuldigte C an den Angeschuldigten Dr. B noch am selben Tage weiter. Es folgte ein reger Austausch von Ideen, wie die Vorstände, trotz der eindeutigen Formulierung in den Dienstverträgen, die Auszahlung der Übergangsgelder erreichen könnten.

Zwischen dem neu gewählten Vorsitzenden der Vertreterversammlung, dem Angeschuldigten Dr. D, und den Vorstandsmitgliedern hat es dann „harte Verhandlungen“ (vgl. Seite 7 des Ergebnisprotokolls, Geschlossener Teil, aus der Sitzung der Vertreterversammlung der KVB vom 24. März 2011) gegeben, in deren Verlauf die Vorstandsmitglieder die Auszahlung der Übergangsgelder forderten. Sie taten dies, obwohl sie wussten, dass ihnen ein solcher Anspruch nicht zustand, der Angeschuldigte Dr. D zu einer Änderung der Dienstverträge nicht befugt war und - unabhängig davon selbst - eine Vertragsänderung angesichts des eklatanten Verstoßes gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (hier: „Leistung ohne Gegenleistung“) offenkundig rechtswidrig war.

Zwar bestand für die drei angeschuldigten Vorstandsmitglieder in einer Situation, in der sie Forderungen für sich selbst geltend machten, (ausnahmsweise) keine Pflicht die Vermögensinteressen der KVB wahrzunehmen (s.o.) mit der Folge, dass sie sich nicht wegen mittäterschaftlicher Untreue strafbar gemacht haben können. Indes sind sie insoweit der Anstiftung des Dr. D hinreichend verdächtig. Denn das Fehlen einer Vermögensbetreuungspflicht schließt allein ein täterschaftliches Handeln aus; hingegen ist die Teilnahme an der Untreue eines anderen - wie geschehen - ohne weiteres möglich (vgl. BGH NJW 2006, 522, 530 f.). Das Fehlen des genannten persönlichen Merkmals führt bei einem Anstifter allein dazu, dass dessen Strafe nach § 28 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist.

cc) Die Angeschuldigten Dr. A und Dr. B haben jedoch dadurch die ihnen obliegenden Vermögensbetreuungspflichten verletzt, dass sie am 23. Februar 2011 durch ihre Unterschriftsleistung die Auszahlung der Übergangsgelder an die Vorstandsmitglieder anordneten. Sie handelten insoweit auch als Mittäter und nicht nur als Teilnehmer.

Ebenso wie dem Angeschuldigten Dr. D oblag es, den Vorständen Dr. A und Dr. B gemäß § 69 Abs. 2 SGB IV in Verbindung mit § 78 Abs. 3 SGB V, die Haushaltswirtschaft in der KVB nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu führen. Eine strafrechtlich relevante Verletzung dieser Grundsätze stellen Zahlungen ohne entsprechende Gegenleistung dar, auf die ersichtlich kein Anspruch bestand (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 83, 84).

Wie bereits dargestellt, war schon die Änderung der Dienstverträge an sich wegen des handgreiflichen Verstoßes gegen die genannten Grundsätze rechtswidrig; hinzu kommt, dass der Angeschuldigte Dr. D weder befähigt, geschweige denn befugt war, die KVB zu verpflichten (s.o.). Die nachfolgende Unterzeichnung der Auszahlungsanordnung durch die Angeschuldigten Dr. A und Dr. B war ebenfalls im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB pflichtwidrig. Im Gegensatz zum Abschluss der die Auszahlung vorbereitenden Vereinbarung vom 27. Januar 2011 ist die Auszahlung selbst auch nicht durch § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB V oder den entsprechenden Regelungen in der Satzung der KVB aus der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes ausgeklammert, so dass die Vorstandsmitglieder - trotz der Wahrnehmung eigener Interessen - insoweit Vermögensbetreuungspflichten treffen. Die Auszahlungsanordnung kam damit einem „Griff in die Kasse“ der KVB gleich.

d) Durch das Verhalten der Angeschuldigten ist dem Vermögen der KVB auch ein „Nachteil“ im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB entstanden. Dabei spielt es keine Rolle, dass in Höhe der Übergangsentschädigungen Rückstellungen gebildet waren. Denn bei fehlendem Eintritt der für die Zahlung des Übergangsgeldes formulierten Bedingung (hauptberufliche Fortsetzung der selbständigen ärztlichen Tätigkeit) wäre die Rückstellung wieder der KVB zugeflossen. Auch eine möglicherweise durch die sechsjährige Amtszeit der Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C erworbene Rechtsposition im Hinblick auf das Übergangsgeld schließt einen Vermögensnachteil nicht aus. Die Zahlung des Übergangsgeldes ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 2 der Dienstverträge an die Bedingung der hauptberuflichen Fortsetzung der selbständigen ärztlichen Tätigkeit und damit notwendigerweise an ein Ausscheiden aus dem Verstand geknüpft. Eine bedingungslose Anwartschaft haben die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C danach zu keinem Zeitpunkt erworben. Dies entspricht im Übrigen auch der Funktion der Übergangsentschädigung, nämlich der Erleichterung des Überganges zur ausschließlichen vertragsärztlichen Tätigkeit nach der Beendigung des Amtes (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 64/98 R - [juris Rdn. 56] = BSGE 86, 203). Regelungen zum Übergangsgeld gibt es in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens, so zum Beispiel bei Regierungs- und Parlamentmitgliedern. Stets wird für eine Gewährung jedoch das Ausscheiden aus dem Amt vorausgesetzt.

Ein mit der rechtsgrundlosen Auszahlung entstandener Rückzahlungsanspruch der KVB gegen die Vorstandsmitglieder steht der Annahme eines Vermögensnachteils nicht entgegen. Ebenso wenig kommt es für die Feststellung des Vermögensschadens darauf an, welche Aufwendungen die KVB bei einem Ausscheiden der Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C aus ihren Ämtern gehabt hätte. Denn eine Kompensation durch Zugrundelegung hypothetischer Sachverhalte findet bei der Schadensberechnung nicht statt (vgl. BGH, NStZ 2003, 313, 315; NJW 2011, 3528, 3529); maßgeblich ist allein die vermögensmindernde Verfügung an sich, nicht aber das Gesamtergebnis einer Wirtschaftsperiode. (vgl. BGHSt 43, 293; Dierlamm in MK, StGB 2. Aufl., § 266 Rdn. 259 mit weit. Nachweisen). Vor diesem Hintergrund spielt es auch keine Rolle, ob bei Nichtauszahlung des Übergangsgeldes etwaige Verhandlungen über die Anschlussverträge gegebenenfalls zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätten. Dagegen spricht indes schon, dass die Angeschuldigten trotz der ihnen auferlegten Pflicht zur Rückzahlung der Übergangsgelder ihrer Vorstandstätigkeit weiter nachgehen.

2. Die Angeschuldigten Dr. D, Dr. A und Dr. B sind - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch hinreichend verdächtig, (wenigstens bedingt) vorsätzlich in Kenntnis ihrer Vermögensbetreuungspflicht sowohl die Pflichtverletzung begangen als auch die Zufügung des tatbestandsmäßigen Nachteils billigend in Kauf genommen zu haben. Der Angeschuldigte C ist hinreichend verdächtig, in Kenntnis der dem Angeschuldigten Dr. D obliegenden Vermögensbetreuungspflicht sowohl dessen Pflichtverletzung als auch den Vermögensnachteil billigend in Kauf genommen zu haben.

Zwar macht der weite Rahmen des objektiven Tatbestandes der Untreue es nach der Rechtsprechung erforderlich, strenge Anforderungen an den Nachweis der inneren Tatseite zu stellen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Täter - wie vorliegend der Angeschuldigte Dr. D - nicht eigensüchtig gehandelt hat (vgl. BGH, NJW 1991, 990, 991). Zum Vorsatz der Untreue gehört daher auch, dass sich der Täter der Pflichtwidrigkeit seines Handelns bewusst ist (vgl. BGH, a.a.O.). Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand besteht auch insoweit gegen alle Angeschuldigten hinreichender Tatverdacht.

Aus dem sichergestellten E-Mailverkehr im Tatzeitraum geht hervor, dass den Angeschuldigten bewusst war, dass auf die Übergangsgelder bei beabsichtigter Fortführung der Vorstandstätigkeit kein Anspruch bestand. So teilte der Zeuge F dem Angeschuldigten C mit E-Mail vom 19. Januar 2011 mit, dass die für die Übergangsentschädigung gebildete Rückstellung bei Wiederwahl des Vorstandes in gleicher Besetzung ertragswirksam aufzulösen wäre. Der Angeschuldigte C informierte hierüber den Angeschuldigten Dr. B noch am selben Tag. Ebenfalls am 19. Januar 2011 sandte der Angeschuldigte C an den Zeugen F eine

E-Mail mit dem folgenden Wortlaut:

„Ist es haushaltsrechtlich zulässig, die Rücklage für die Abfindung aufzulösen und dem Vorstand anteilig über die Jahre zusätzlich zum Gehalt auszuzahlen als Ausgleich für einen Verzicht auf Übergangsgeld nach der neuen Amtsperiode. Oder ist das zu sehr von einer ordnungsgemäßen Verwendung der Haushaltsmittel entfernt?“

Etwa 90 Minuten danach unterbreitete der Angeschuldigte C dem Angeschuldigten Dr. B folgenden Vorschlag:

„Eine sinngemäße Änderung unsere alten Vertrages bei der Verlängerung bis zum 28. Februar:

Statt: das Übergangsgeld wird in 12 Monatsraten gezahlt ‚ wenn eine Praxistätigkeit ausgeübt wird‘ ergänzen durch ‚ oder wenn die Vorstandstätigkeit fortgesetzt wird‘. Dann würde das Geld nicht einmal in der Gehaltsübersicht des deutschen Ärzteblattes auftauchen.

Um die Zulage umzufärben, könnten wir einen Zuschuss zur Bezahlung des Praxisvertreters vereinbaren. Solange die Praxis ausgeübt wird, zahlt die KV einen Zuschuss in Höhe von ... für den Praxisvertreter; wenn die Praxis aufgegeben wird reduziert sich die 15 Stunden Freistellung auf 5 Stunden; die Mehrarbeit in der KV ist durch Fortzahlung des Zuschusses ausgeglichen.“

Am 25. Januar 2011 wurde dann schließlich seitens des Angeklagten Dr. D Rechtsanwalt Dr. Z mit der „Anpassung des bestehenden Dienstvertrages“ beauftragt. Dessen am 26. Januar 2011 übersandter Entwurf entspricht den am 27. Januar 2011 zwischen den Angeschuldigten getroffenen Vereinbarungen.

Ausweislich ihrer gegenüber der Senatsverwaltung abgegebenen Stellungnahmen vom 21. und 22. Dezember 2011 war allen Angeschuldigten ferner bewusst, dass die Wirksamkeit der Vereinbarungen vom 27. Januar 2011 von der Zustimmung der Vertreterversammlung abhängig ist. Dennoch veranlassten die Angeschuldigten Dr. D, Dr. A und Dr. B vor einer Entscheidung der Vertretersammlung die Auszahlung der Übergangsgelder. Die Vertreterversammlung wurde über die getroffenen Vereinbarungen vom 27. Januar 2011 und die am 23. Februar 2011 angewiesene Auszahlung bis zum 24. März 2011 überhaupt nicht informiert. Weder in der Sitzung der Vertreterversammlung vom 27. Januar 2011 noch in jener vom 14. Februar 2011 fanden die getroffenen Vereinbarungen auch nur Erwähnung. Offenbar kam es den Angeschuldigten darauf an, vor einer Beratung in der Vertreterversammlung mit der Auszahlung der Gelder bereits vollendete Tatsachen schaffen, um auf diese Weise eine nachträgliche Genehmigung gegen - ausweislich des sichergestellten E-Mailverkehrs - erwartete Widerstände durchzusetzen.

Ein vorsätzliches Handeln der Angeschuldigten scheidet auch nicht deswegen aus, weil den Mitgliedern des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten am 26. Januar 2011 per E-Mail der von Rechtsanwalt Dr. Z erarbeitete Entwurf für die Verlängerung der Dienstverträge der Vorstandsmitglieder bis zum 28. Februar 2011 nebst der Klausel zum Übergangsgeld zugeleitet worden war und die Ausschussmitglieder einer solchen Verfahrensweise nicht widersprachen. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 11 der Satzung der KVB ist Aufgabe des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten lediglich die Unterstützung des Vorsitzenden der Vertreterversammlung in den Vorstand betreffenden dienstrechtlichen Angelegenheiten. Entscheidungskompetenzen der Vertreterversammlung werden mit dieser Regelung nicht auf den Ausschuss übertragen, insbesondere nicht die aus § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB V folgende Vertretungszuständigkeit. Dies verdeutlicht nochmals die Regelung in § 20 Abs. 5 der Geschäftsordnung für die Vertreterversammlung der KVB. Danach haben die von der Vertreterversammlung eingesetzten Ausschüsse die Arbeit der Vertreterversammlung (lediglich) vorzubereiten und zu unterstützen. Im Ergebnis hätte selbst eine Zustimmung der Mitglieder des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten die notwendige Zustimmung der Vertreterversammlung nicht ersetzen können, was den Angeschuldigten nach deren Ausführungen gegenüber der Senatsverwaltung auch durchaus bewusst war.

Im Übrigen wurden die Mitglieder des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten nur vordergründig in die Entscheidungen zum Übergangsgeld miteinbezogen. So bekundete die Zeugin Dr. W - die damalige Vorsitzende des Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten - in ihrer polizeilichen Vernehmung am 20. März 2012, dass die Ausschussmitglieder zwar Kenntnis von der fraglichen Vereinbarung hatten, aber davon ausgingen, dass der Anpassungsvertrag vom 27. Januar 2011 in der Vertreterversammlung erst noch diskutiert und beschlossen werden würde. Darüber, dass die Übergangsgelder tatsächlich schon ausgezahlt worden waren, wurde die Zeugin erst unmittelbar vor der Vertreterversammlung vom 24. März 2011 informiert. Der Haushalts- und Finanzausschuss der KVB wurde in die hier fraglichen Abläufe dagegen überhaupt nicht einbezogen. In ihrer polizeilichen Vernehmung am 20. März 2012 führte die Vorsitzende dieses Ausschusses, die Zeugin Dr. S aus, sie habe erst am 24. März 2011 Kenntnis von der Auszahlung des Übergangsgeldes an den Vorstand erhalten. Von den Vereinbarungen vom 27. Januar 2011 habe sie gar erst zu einem (noch) späteren Zeitpunkt erfahren.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Eröffnung des Hauptverfahrens auch nicht aufgrund eines den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtums (§ 16 StGB) oder eines Verbotsirrtums (§ 17 StGB) ausgeschlossen. Dies gilt für die Anordnung der Auszahlung (siehe dazu a) wie für die vorangegangenen Verhandlungen bis zur Ergänzung der Dienstverträge (siehe dazu b) gleichermaßen.

a) Bei der Anordnung der Auszahlung durch die Angeschuldigten Dr. D, Dr. A und Dr. B war diesen bewusst, dass die Vertreterversammlung mit der Forderung, das „Übergangsgeld“ auch „ohne Übergang“ zu gewähren, noch nicht einmal befasst war, geschweige denn gebilligt hatte. Den genannten Angeschuldigten war zudem bekannt, dass - ungeachtet des Fehlens weiterer Voraussetzungen - ohne die Zustimmung ein Rechtsgrund für die Auszahlung nicht bestand und eine Überweisung nicht hätte erfolgen dürfen. Anhaltspunkte für einen - wie auch immer gearteten - Irrtum über die Sach- und Rechtslage waren bei keinem der Angeschuldigten gegeben.

b) Zumindest fernliegend ist auch die Annahme, dass sich die Angeschuldigten bei den - der Auszahlung vorausgegangenen - Verhandlungen und dem Abschluss der Änderungsverträge über die Rechtswidrigkeit der Bewilligung der Übergangsgelder geirrt haben sollten. Angesichts des eindeutigen Zwecks des Übergangsgeldes konnte kein Zweifel daran bestehen, dass ein solches den Angeschuldigten nicht zustand. Es ist offenkundig, dass ein Anspruch auf Übergangsgeld „ohne Übergang“ nicht bestehen konnte. Ebenso offensichtlich ist, dass der Versuch, einen solchen Anspruch „quasi durch die Hintertür“ durch eine Vertragsänderung zu begründen, handgreiflich gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstieß und auch deshalb haushaltsrechtlich unzulässig war, weil für das tatsächliche Begehren der Angeschuldigten, nicht ein Übergangsgeld, sondern eine zusätzliche Gratifikation zu erhalten, tatsächlich gar kein Haushaltstitel vorgesehen war.

c) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass sich vor der Änderung der Dienstverträge und der Auszahlung zwei Rechtsanwälte zu den Übergangsgeldern geäußert haben.

aa) Weit vor den hier in Rede stehenden Tathandlungen, nämlich im Jahr 2008 hatte die KVB Rechtsanwalt O beauftragt, Vorschläge für eine Neufassung der Dienstverträge der Verstandsmitglieder zu unterbreiten. Dabei sollte unter anderem zu einem möglichen Wegfall der Übergangsgeldregelung Stellung genommen werden. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2008 führte Rechtsanwalt O zu diesem Thema lediglich aus, dass die Regelung zum Übergangsgeld „Vergütungscharakter“ habe und eine zusätzliche Gegenleistung für erbrachte Dienste darstelle. Wenn sie für die Zukunft wegfallen solle, erscheine eine entsprechende Erhöhung der Jahresbezüge erforderlich und angemessen. Zur „Auszahlung des Übergangsgeldes“ trotz Fortsetzung der Vorstandstätigkeit äußerte sich Rechtsanwalt O dagegen nicht. Soweit er im anderen Zusammenhang dem Übergangsgeld „Vergütungscharakter“ zugesprochen und darin eine „zusätzliche Gegenleistung“ gesehen hat, ist das für die hier relevante Frage bedeutungslos. Denn unstreitig war das Übergangsgeld an die Bedingung der hauptberuflichen Fortsetzung der selbständigen ärztlichen Tätigkeit geknüpft, zu der es vorliegend bei keinem der angeklagten Vorstandsmitglieder gekommen ist.

bb) Ebenso wenig bestehen verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass die Einbindung von Rechtsanwalt Dr. Z kurz vor Abschluss der Änderungsverträge einen entsprechenden Irrtum ausgelöst haben könnte. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss als Beleg für einen (gar nicht vermeidbaren) Verbotsirrtum aufführt, dass der Rechtsanwalt bis Ende Februar 2011 immerhin knapp sechs Stunden für seine diesbezügliche beratende Tätigkeit aufgewendet habe, übersieht es bereits, dass der zeitliche Aufwand bis zum maßgeblichen Vertragsabschluss allenfalls 1,25 Stunden betrug. Denn ausweislich der Tätigkeitsübersicht des Rechtsanwalts fand am 25. Januar 2011 eine halbstündige telefonische Beratung des Angeschuldigten Dr. D im Hinblick auf die Dienstverträge statt. Am 26. Januar 2011 wandte Rechtsanwalt Dr. Z insgesamt 0,75 Stunden für die „Sichtung von Unterlagen und Entwurf für eine Vereinbarung zur Anpassung des Dienstvertrages der Vorstandsmitglieder sowie Prüfung des modifizierten Entwurfs von Herrn Dr. D und Stellungnahme dazu“ auf. Die späteren in Rechnung gestellten Leistungen stehen dagegen in keinem Zusammenhang mit der Auszahlung der Übergangsgelder. Vor allem hat der Angeschuldigte Dr. D den Rechtsanwalt nicht damit beauftragt, die Rechtmäßigkeit der Zahlung des Übergangsgeldes zu prüfen. Vielmehr hat er den Rechtsanwalt mit Schreiben vom 25. Januar 2010 lediglich darum gebeten, von ihm - dem Angeschuldigten - schon dem Inhalt nach vorgegebene Änderungen in die laufenden Verträge einzuarbeiten.

Die spätere Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Z vom 5. April 2011 sowie das detaillierte schriftliche Gutachten von Prof. Dr. Sp vom 12. März 2012 sind für die Vorsatzfrage schon deshalb ohne Relevanz, da diese den Angeschuldigten erst nach dem Tatzeitraum vorlagen.

4. Schließlich geht die Anklage nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auch zutreffend vom Vorliegen eines besonders schweren Falles der Untreue im Sinne des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 4 StGB aus.

Zum einen haben die Angeschuldigten durch ihr Tun „einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt“. Denn der bei der KVB eingetretene Nachteil übertrifft die Regel-Grenze des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei etwa 50.000 Euro anzusetzen ist (vgl. BGHSt 48, 360), um ein Vielfaches.

Zum anderen haben die Angeschuldigten dabei ihre Stellung als Amtsträger, nämlich unter Ausnutzung der durch ihr Amt gegebenen Handlungsmöglichkeiten missbraucht. Die Eigenschaft als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ergibt sich dabei aus Folgendem:

Die KVB ist gemäß § 77 Abs. 5 SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (s.o.). Allerdings sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht schon auf Grund ihrer Rechtsnatur sonstige Stellen gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Unter einer sonstigen Stelle sind vielmehr behördenähnliche Einrichtungen zu verstehen, die rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken, ohne selbst Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein (vgl. BGH, NJW 2012, 2530, 2531 mit weit. Nachweisen). Die öffentlich-rechtliche Organisationsform hat dabei erhebliche indizielle Bedeutung (vgl. BGH, NJW 2010, 784, 786 mit weit. Nachweisen). Gemessen daran sind die Kassenärztlichen Vereinigungen jedenfalls sonstige Stellen der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs.1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Dabei ergibt sich der spezifisch öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung ihrer Tätigkeit mit behördlichem Handeln rechtfertigt, aus den gesetzlich vorgegebenen Verbandsstrukturen auf Landes- und Bundesebene (§ 77 Abs. 5 SGB V), der Gesetzesbindung der Vereinigungen sowie aus dem Umstand, dass sie bei ihrer Aufgabenerfüllung staatlicher Rechtsaufsicht unterliegen (§ 78 SGB V). Indem sie auf der Grundlage des für sie in § 77 Abs. 1 SGB V formulierten gesetzlichen Auftrags ihren Pflichtmitgliedern (§ 77 Abs. 3 SGB V) Leistungen zu Verfügung stellen, nehmen sie - in mittelbarer Staatsverwaltung - Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr (vgl. BGH, NJW 2012, 2530, 2531).

Gemäß § 77 Abs. 1 SGB V sowie § 3 Abs. 1 der Satzung der KVB sind sowohl der hauptamtliche Vorstand als auch die Vertreterversammlung Organe der Kassenärztlichen Vereinigung. Damit waren alle Angeschuldigten in ihrer Eigenschaft als Vorstand (die Angeschuldigten Dr. A, Dr. B und C) und als Vorsitzender der Vertreterversammlung (Angeschuldigter Dr. D) dazu bestellt, bei dieser sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.

C.

Der Senat hebt die angefochtene Entscheidung auf und eröffnet das Hauptverfahren nach § 210 Abs.3 Satz 1 StPO vor einer anderen Kammer des Landgerichts Berlin. Angesichts der weitgehenden Ausführungen der Strafkammer zur subjektiven Tatseite und zu etwaigen Irrtümern des Angeschuldigten bis zur hilfsweisen Annahme eines gar unvermeidbaren Verbotsirrtums ist zu besorgen, dass sich die Strafkammer bereits festgelegt hat. Es kann deshalb nicht (mehr) erwartet werden, dass sie sich die Auffassung des Eröffnungsbeschlusses innerlich zu eigen machen würde (vgl. BVerfG, StV 2000, 537; Beschluss vom 13. Juni 1993 - 2 BvR 848/93 - juris; OLG Frankfurt, NJW 2005, 1727, 1736).

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer gemäß § 76 Abs. 1 GVG noch über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung zu entscheiden haben wird. Hierüber hat das Landgericht bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung zu befinden (vgl. dazu BT-Drucks. 17/6905 S. 10; Diemer in KK 7. Aufl. §76 GVG Rdn. 2).

D.

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung war nicht veranlasst; sie bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten (vgl. KG, Beschluss vom 19. Mai 2014 - 4 Ws 43/14 -; OLG Hamm, Beschluss vom 24. Januar 2013 - III-3 Ws 13/13 - [juris]).