BGH, Urteil vom 28.05.2008 - VIII ZR 133/07
Fundstelle
openJur 2011, 5242
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin vom 5. April 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Kläger mieteten 1955 von dem Vorvermieter der Beklagten eine Wohnung in B. . Gemäß § 16 Ziff. 2 des Mietvertrages hatte der Vermieter die sich aus "der normalen Abnutzung ergebenden Schönheitsreparaturen" zu tragen. Hierzu vereinbarten die Mietvertragsparteien in einer Zusatzvereinbarung vom 1. September 1969 zum Mietvertrag:

"... dass der Mieter nach Durchführung von Schönheitsreparaturen, die durch normale Abnutzung notwendig wurden, Anspruch auf Auszahlung des hierfür in der Miete vorgesehenen Betrages gemäß den jeweils gültigen Berechnungsverordnungen hat."

Die Beklagte war seit dem 1. Dezember 1996 die Vermieterin der Kläger. Die Kläger zahlten an sie von Dezember 1996 bis einschließlich August 2005 eine monatliche Schönheitsreparaturkostenpauschale in Höhe von 27,60 €. Mit Schreiben vom 13. September 2005 teilten die Kläger der Beklagten über deren Hausverwaltung mit, dass sie wieder Schönheitsreparaturen durchgeführt hätten, und forderten die Beklagte zur Erstattung der Kosten auf. Die Beklagte lehnte die Erstattung ab und verwies mit Schreiben vom 20. September 2005 auf den Verkauf des Hausgrundstücks mit der Mietwohnung der Kläger an eine namentlich benannte, neue Eigentümerin. Die Eintragung der Erwerberin in das Grundbuch erfolgte am 21. Februar 2006.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 21. August 2006, der bei Gericht am Folgetag eingegangen ist, Klage auf Zahlung von 2.890 € nebst Zinsen erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Zahlungsanspruch weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2007, 1254 f.) hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Ein etwaiger Anspruch der Kläger auf Erstattung der Schönheitsreparaturkostenpauschalen sei verjährt. Bei dem sich aus der Zusatzvereinbarung vom 1. September 1969 ergebenden Anspruch auf Auszahlung der in der Miete enthaltenen Schönheitsreparaturkostenpauschale im Falle mieterseitiger Renovierung handele es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch im Sinne des § 539 Abs. 1 BGB, der gemäß § 548 Abs. 2 BGB der kurzen Verjährung von sechs Monaten unterliege. Es handele sich dagegen nicht um einen den allgemeinen Verjährungsregeln unterliegenden Rückerstattungsanspruch wegen eines nicht abgewohnten Teils einer im Voraus entrichteten Miete im Sinne des § 547 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwar laute die Zusatzvereinbarung, dass der Mieter einen Anspruch auf Auszahlung "des hierfür in der Miete vorgesehenen Betrages" habe, so dass es dem Wortlaut nach nahe liege, darin "im Voraus entrichtete Miete" im Sinne des § 547 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen. Da aber die Zahlungen nach dem Willen der Parteien erkennbar für die Durchführung der grundsätzlich dem Vermieter obliegenden Schönheitsreparaturen geleistet worden seien und dem Vermieter die Verwendung dieser Gelder nicht habe freigestellt sein sollen, sei § 547 BGB hier nicht anwendbar. Geltend gemacht werde der Ersatz mieterseitiger Aufwendungen auf die Mietsache. Es mache rechtlich keinen Unterschied, ob der Mieter die ihm tatsächlich entstandenen Kosten ersetzt verlange oder aber einen zur Kostendeckung der Schönheitsreparaturen ursprünglich an den Vermieter entrichteten Pauschalbetrag zurückverlange. § 548 BGB gelte auch für etwa konkurrierende Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Deliktsrecht oder Bereicherungsrecht. Ferner drängen die Kläger nicht mit ihrer Auffassung durch, § 548 Abs. 2 BGB sei nicht einschlägig, weil das Mietverhältnis nicht beendet worden sei, sondern mit der neuen Eigentümerin fortdauere. Unter der Beendigung des Mietverhältnisses sei nur die rechtliche, nicht die tatsächliche Beendigung zu verstehen.

Die Verjährungsfrist habe nach Eintragung der neuen Eigentümerin im Grundbuch, die am 21. Februar 2006 erfolgt sei, am 21. August 2005 (richtig: 2006) geendet, so dass die erst am folgenden Tag eingegangene Klage die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB habe hemmen können. Die Verjährungsfrist sei auch nicht zwischenzeitlich nach § 203 BGB gehemmt gewesen. Schließlich verstoße die Berufung auf die Verjährung auch nicht gegen Treu und Glauben.

II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, den etwaigen Rückzahlungsanspruch der Kläger gemäß § 548 Abs. 2 BGB als verjährt anzusehen.

1. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es sich bei dem von den Klägern geltend gemachten Rückzahlungsanspruch um einen Aufwendungsersatzanspruch im Sinne von § 548 Abs. 2 BGB handelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Insbesondere stellt die Zusatzvereinbarung vom 1. September 1969, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, keine Vereinbarung einer im Voraus zu entrichtenden Miete im Sinne von § 547 Abs. 1 BGB dar, deren Rückforderung der allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 195 BGB unterläge.

(1) Eine Mietvorauszahlung ist jede Mieterleistung, durch die die Miete ganz oder teilweise für eine bestimmte Zeit im Voraus als erbracht gilt (BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - XII ZR 344/97, NJW 2000, 2987, unter 2 a). Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es nicht darauf an, ob die Verwendung der Zahlungen des Mieters dem Vermieter freigestellt sein sollte oder nicht. Sofern die Vertragschließenden vereinbaren, die Verwendungen des Mieters auf die Mietsache mit der Miete zu verrechnen, stellt dies eine Mietvorauszahlung dar mit der Folge, dass trotz Vorliegens eines Aufwendungsersatzanspruchs im Sinne von § 539 BGB die dazugehörige Sondervorschrift des § 548 Abs. 2 BGB mit der kurzen Verjährung außer Kraft gesetzt wird und es bei der normalen Verjährungsdauer verbleibt (BGHZ 54, 347, 349 f. - zu §§ 547, 558 BGB aF). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich bei den Leistungen des Mieters um "zurückzahlbare Vorleistungen" handelt (BGHZ, aaO). Dies ist hier nicht der Fall. Nach der Zusatzvereinbarung vom 1. September 1969 sollte kein Betrag für Schönheitsreparaturen im Voraus geleistet werden, der dann sukzessive wieder abgewohnt werden konnte, sondern es wurde ein monatlicher Pauschalbetrag vereinbart für die sich aus der normalen Abnutzung der gemieteten Räume ergebenden Schönheitsreparaturen.

(2) Auch wenn innerhalb des annähernd zehnjährigen Mietverhältnisses zwischen den Parteien trotz der monatlich von den Klägern erbrachten Pauschale von 27,60 € keine Schönheitsreparaturen durch die Beklagte durchgeführt worden sein sollten, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Durch die Zusatzvereinbarung vom 1. September 1969 wurde die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht geändert. Sie wurde nicht auf die Kläger übertragen. Grundsätzlich stand es den Klägern jederzeit frei, die Beklagte auf Durchführung der Schönheitsreparaturen, die durch die normale Abnutzung erforderlich wurden, in Anspruch zu nehmen. Dass sie dies offensichtlich nicht getan haben, rechtfertigt nicht, ihre monatlich erbrachten Schönheitsreparaturkostenpauschalen im Nachhinein als nicht verbrauchte Vorausleistungen im Sinne von § 547 BGB anzusehen. Aus diesem Grund hat auch - entgegen der Ansicht der Revision - keine Abrechnung über "Aufwendungsvorschüsse" bei jeder Veräußerung einer Mietwohnung stattzufinden. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für etwaige konkurrierende Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB).

bb) Unter Ansprüchen des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen im Sinne des § 548 Abs. 2 BGB sind schließlich nicht nur die gesetzlichen Aufwendungsersatzansprüche des Mieters, sondern auch solche, die - wie hier - auf einer Vereinbarung der Mietvertragsparteien beruhen, zu verstehen (Senatsurteil vom 2. Oktober 1985 - VIII ZR 326/84, NJW 1986, 254, unter 2 a).

b) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass mit der Veräußerung des Mietobjekts, die am 21. Februar 2006 durch Eintragung im Grundbuch vollzogen wurde, das Mietverhältnis zwischen den Parteien im Sinne von § 548 Abs. 2 BGB beendet worden ist. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Frage der "Beendigung des Mietverhältnisses" nicht auf das tatsächliche Ende des Mietverhältnisses (etwa durch Auszug der Mieter), sondern auf die rechtliche Beendigung an (BGH, Urteil vom 19. März 1965 - V ZR 268/62, WM 1965, 527, unter I C für ein Pachtverhältnis; BGH, Urteil vom 12. Juni 1991 - XII ZR 17/90, NJW 1991, 3031, unter 3; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 548 Rdnr. 33; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 548 Rdnr. 39; Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht, 9. Aufl., § 548 BGB Rdnr. 66; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 548 Rdnr. 26; Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., § 548 Rdnr. 12).

Es besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Sie folgt dem Wortlaut der Norm des § 548 Abs. 2 BGB und entspricht dem Zweck der Regelung, nämlich eine möglichst rasche und abschließende Bereinigung gegenseitiger Ansprüche aus dem beendeten Mietvertrag zu begünstigen (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 1974 - VIII ZR 233/72, NJW 1974, 743, unter III 2 a). Sie führt auch nicht zu einer unbilligen Benachteiligung des Mieters. Die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten wird dadurch gerechtfertigt, dass die Verjährung von Ansprüchen während des laufenden Mietverhältnisses nicht wie sonst üblich mit ihrer Entstehung beginnt, sondern, um das Mietverhältnis nicht unnötig zu belasten, erst mit Beendigung des Mietverhältnisses (BGH, Urteil vom 19. März 1965, aaO, unter I A).

Aus § 566 BGB folgt nichts anderes. Danach tritt zwar im Falle der Veräußerung des vermieteten Wohnraums der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Der Erwerber ist dabei - entgegen der Meinung der Revision - aber nicht Rechtsnachfolger des Veräußerers, sondern es findet ein unmittelbarer Rechtserwerb kraft Gesetzes statt (Senatsurteil vom 9. Februar 2005 - VIII ZR 22/04, NJW 2005, 253, unter II 2 a). Das Mietverhältnis mit dem bisherigen Vermieter wird dadurch in der Weise beendet, dass bereits entstandene und fällig gewordene Ansprüche dem bisherigen Vermieter verbleiben und vertragliche Ansprüche des Mieters, die - wie hier - vor dem Eigentumswechsel fällig geworden sind, sich grundsätzlich gegen den bisherigen Vermieter richten, während der Erwerber nur hinsichtlich solcher Ansprüche aktiv- und passivlegitimiert ist, die nach dem Eigentumswechsel entstehen oder fällig werden.

2. Die Frist des § 548 Abs. 2 BGB beginnt bei einer Veräußerung der Mietsache jedoch erst mit Kenntnis des Mieters von der Veräußerung zu laufen (BGH, Urteil vom 19. März 1965, aaO, unter I C; Staudinger/Emmerich, aaO, Rdnr. 37; Blank/Börstinghaus, aaO, Rdnr. 29; Palandt/Weidenkaff, aaO, Rdnr. 12). Ohne dieses zusätzliche Erfordernis könnten andernfalls die Ansprüche des Mieters verjähren, ohne dass er etwas von den tatsächlichen Voraussetzungen des Verjährungsbeginns erfährt (BGH, aaO; Schmidt-Futterer/ Gather, aaO, Rdnr. 69). Wird das Grundstück veräußert, so tritt der Erwerber gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag ein. Entscheidend sind Auflassung und Eintragung in das Grundbuch (§§ 925, 873 BGB). Zu diesem Zeitpunkt endet das Mietverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Mieter. Beide stehen sich nicht mehr als Vertragspartner gegenüber (Schmidt-Futterer/Gather, aaO). Für die Kenntnis des Mieters von der Veräußerung ist daher auf den Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch abzustellen. Erst wenn der Mieter hinreichend sichere Kenntnis von der Eintragung des Erwerbers hat, ist der Beginn der kurzen Verjährungsfrist von nur sechs Monaten gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es daher erforderlich, dass die Kläger Kenntnis von der Eintragung der Erwerberin des Hausgrundstücks in das Grundbuch erlangt haben. Die Feststellung des Berufungsgerichts, den Klägern sei die Veräußerung durch das Antwortschreiben der Hausverwaltung der Beklagten vom 20. September 2005 bekannt gewesen, reicht insoweit nicht aus. Unzutreffend ist auch die Würdigung, der Mieter müsse mit Kenntnis von der Veräußerung mit der baldigen Eintragung in das Grundbuch rechnen und sich im Zweifel selbst nach dem Eintragungszeitpunkt erkundigen. Fragwürdig ist insoweit schon die Erwägung des Berufungsgerichts, nach einer angekündigten Veräußerung sei mit einer baldigen Eintragung zu rechnen. Diese kann sich aus den unterschiedlichsten Gründen verzögern. Da die Eintragung des Erwerbers in der Sphäre des Vermieters und nicht des Mieters liegt und es dem Vermieter gewöhnlich leicht möglich ist, etwa durch Mitteilung des Grundbuchamts, von der Eintragung des Erwerbers Kenntnis zu erlangen, ist es nicht gerechtfertigt, dem Mieter die Obliegenheit aufzuerlegen, sich selbst diese Kenntnis zu verschaffen.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Kenntnis der Kläger von der Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ball Dr. Wolst Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Vorinstanzen:

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 13.11.2006 - 11 C 288/06 -

LG Berlin, Entscheidung vom 05.04.2007 - 62 S 338/06 -