AG Michelstadt, Beschluss vom 05.01.2012 - 41 F 561/08 S
Fundstelle
openJur 2014, 23549
  • Rkr:

Originär muslimisches Scheidungsrecht ist nur auf Griechen muslimischen Glaubens anwendbar, die in Thrazien leben.

Tenor

I. Die am 15. Februar 1991 vor dem Standesbeamten des Standesamts in xxx (Griechenland) (Hellenische Republik)(Heiratsregister Nummer xxx) geschlossene Ehe wird geschieden.

II. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung xxx (Versicherungskonto Nummer xxx) zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 6,2166 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto Nummer 12 xxx bei der Deutschen Rentenversicherung xxx, bezogen auf den 31. Oktober 2008, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung xxx (Versicherungskonto Nummer xxx) zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 3,3363 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto Nummer xxx bei der Deutschen Rentenversicherung xxx, bezogen auf den 31. Oktober 2008, übertragen.

III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I. Scheidung

Die Ehegatten haben am 15.Februar 1991 geheiratet.

Sie sind Angehörige des Staates Griechenland.

Beide Ehegatten hatten bei Zustellung des Scheidungsantrages ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland.

Beide Ehegatten sind muslimischen Glaubens.

Der Ehemann beantragt,

die Ehe zu scheiden.

Die Ehefrau widerspricht der Scheidung.

Der Ehemann ist nicht bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Das angerufene Gericht ist gemäß Artikel 3 der EG Verordnung Nummer 2201/2003 vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nummer 1347/2000 (EheVO II) international zuständig, weil beide Ehegatten bei Zustellung des Scheidungsantrages ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.

Gemäß Artikel 17 Absatz 1 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 1 Nummer 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch wird auf das Recht des Staates Griechenland verwiesen, weil beide Ehegatten Angehörige dieses Staates sind. Eine Rück- oder Weiterverweisung findet nicht statt.

Der Athener Vertrag von 1913 und die griechischen Gesetze 147 vom 05.01. / 01.02. 1914 und 2345 vom 24.06. / 03.07.1920 sahen vor, dass in Bezug auf religiöse Minderheiten deren religiöse Instanzen für die Ehescheidung zuständig sind und ihr religiöses Recht anzuwenden ist.

Das danach grundsätzlich anzuwendende originäre muslimische Scheidungsrecht ist aber im vorliegenden Fall dennoch nicht anwendbar.

Das Gericht hat zu der Frage des anwendbaren Rechts eine Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg eingeholt. Nach der Auskunft vom 28.01.2010 verhält es sich so, dass die genannten Vorschriften zum Schutz religiöser Minderheiten im Anschluss an die Präsidial-Verordnung vom 24.12.1990 und das sie bestätigende Gesetz Nr. 1920/1991 vom 04.02.1991 entsprechend der schon vorher bestehenden allgemeinen Ansicht dahin abgeändert worden sind, dass nur auf die in Thrazien lebenden griechischen Muslime, deren eigenes religiöses Recht durch die entsprechenden religiösen Instanzen anzuwenden ist. Die außerhalb Thraziens lebenden griechischen Staatsbürger muslimischen Glaubens unterstehen dagegen der griechischen weltlichen Gerichtsbarkeit und den allgemeinen staatlichen Gesetzen Griechenlands, also auch dem griechischen Zivilgesetzbuch. Hieraus folgt, dass auch auf die im Ausland lebenden griechischen Staatsbürger muslimischen Glaubens das griechische Recht anzuwenden ist.

Nach der ergänzenden Rechtsauskunft vom 13.07.2011 ändert der von den Ehegatten im Rahmen der Eheschließung unterzeichnete Vertrag vom 15.02.1991 nichts an der Anwendbarkeit griechischen Rechts. Das Versprechen einer Brautgabe hat danach keinerlei Einfluss auf die Scheidung. Es ist allenfalls als Unterhaltsregelung zu qualifizieren.

Nach griechischem Recht ist die Ehe auch ohne die Zustimmung der Antragsgegnerin gemäß Artikel 1439 des griechischen ZGB zu scheiden.

Zwar kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass sich eine starke Zerrüttung der Ehe schon aus Artikel 1439 Abs. 4 ZGB ergibt, wonach dies unwiderlegbar vermutet wird, wenn die Ehegatten seit mindestens vier Jahren ununterbrochen getrennt leben. Zwar haben die Eheleute nach den Angaben des Antragstellers, denen die Antragsgegnerin nicht widersprochen hat, bereits seit Dezember 2005 in der gemeinsamen Wohnung getrennt gelebt. Der Antragsteller ist dann im Mai des Jahres 2007 aus dieser Wohnung ausgezogen. Die Eheleute haben aber gegenüber der zuständigen Meldebehörde mit ihrer Erklärung vom 1. August 2008 den Widerruf des dauernden Getrenntlebens seit dem 25.07.2008 erklärt. Sie haben sodann mindestens eine Woche wieder zusammengelebt. Auch wenn der Antragsgegner kurze Zeit nach der Abgabe der Erklärung vom 1. August 2008 sich wieder von der Antragsgegnerin getrennt hat, reicht die seither verstrichene Zeit nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des Artikels 1439 Abs. 4 ZGB.

Eine Vermutung für die starke Zerrüttung der Ehe ergibt sich gemäß Artikel 1439 Abs. 2 auch nicht daraus, dass der Antragsteller sich inzwischen einer anderen Partnerin zugewendet hat und dass aus dieser Beziehung ein Kind hervorgegangen ist. Die Antragsgegnerin hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2009 erklärt, dass es für sie keine Rolle spiele, dass der Antragsteller jetzt ein Kind von einer neuen Partnerin erwarte.

Das Gericht geht aber deshalb von einer starken Zerrüttung im Sinne des Artikels 1439 Abs. 1 ZGB aus, weil es keine Grundlage für die Fortsetzung eines ehelichen Zusammenlebens unter den Eheleuten erkennen kann.

Während der nunmehr schon drei Jahre andauernden ununterbrochenen Trennung haben sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass die Eheleute dazu bereit wären, sich wieder dauerhaft zu versöhnen. Das Gericht hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass die Entfremdung der Eheleute inzwischen noch stärker geworden ist. Dies zeigt sich deutlich gerade auch am Verhalten der Antragsgegnerin. Während sie am ersten Anhörungstermin, am 8. Oktober 2009 teilgenommen und ihren Standpunkt, die Ehe solle fortgesetzt werden, bei ihrer Anhörung klar deutlich gemacht hat, hat sie sich einen Tag vor dem für den 20.10.2011 bestimmten weiteren Verhandlungstermin wegen einer Erkrankung entschuldigen lassen und hat später mit ihrer schriftlichen Erklärung vom 03.11.2011 mitgeteilt, dass sie beim nächsten Gerichtstermin nicht anwesend sein wird und auf rechtliches Gehör verzichtet. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht mehr persönlich begegnen will, zieht das Gericht den Schluss, dass auch sie die Beziehung als gescheitert ansieht und den Antragsteller nicht mehr liebt. In dieser Einschätzung wird das Gericht dadurch bestärkt, dass die Antragsgegnerin in ihrer schriftlichen Erklärung vom 03.11.2011 keine Gründe dafür benannt hat, warum die Ehe ihrer Auffassung nach fortgesetzt werden sollte. Die Antragsgegnerin hat lediglich erklärt, wenn ihr Ehemann sich scheiden lassen wolle, dann solle er die Scheidung in Griechenland bei dem Mufti einreichen. Diese Erklärung kann das Gericht nur so verstehen, dass auch die Antragsgegnerin an einem Fortbestand der Ehe kein wirkliches Interesse mehr hat und dass es ihr es nur noch darum geht, dass die Scheidung nach muslimischem Recht entschieden wird, weil sie sich hiervon Vorteile verspricht. Die Antragsgegnerin kann dem Antragsteller aber nicht verwehren, in Deutschland die Scheidung nach griechischem Recht zu betreiben.

Nach Erwägung aller Umstände und insbesondere weil sich der Antragsteller dauerhaft einer neuen Partnerin zugewendet hat, die ihm auch ein Kind geboren hat und die Antragsgegnerin keinerlei Kontakt mehr zum Antragsteller hat und, wie ihr Verhalten in diesem Verfahren gezeigt hat, auch nicht mehr haben will, muss das Gericht von einer so tiefgreifenden Zerrüttung des Verhältnisses der Ehegatten ausgehen, dass die Fortsetzung der ehelichen Beziehungen für den Antragsteller als unerträglich im Sinne des Artikel 1439 Abs. 1 des griechischen ZGB anzusehen ist.

II. Versorgungsausgleich

Die internationale Zuständigkeit folgt aus § 98 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Gemäß Art. 17 Absatz 3 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch findet ein Versorgungsausgleich von Amts wegen nicht statt. Denn die Ehescheidung richtet sich nicht nach deutschem Recht. Der Versorgungsausgleich findet jedoch auf Antrag der Antragsgegnerin nach deutschem Recht statt, da der Antragsteller in der Ehezeit eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben hat. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs widerspricht im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit nicht der Billigkeit.

Gemäß §§ 1587 Bürgerliches Gesetzbuch, 1 Absatz 1 VersAusglG hat zwischen den Ehegatten ein Versorgungsausgleich in der Weise stattzufinden, dass die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten geteilt werden.

Da die Ehegatten am 15. Februar 1991 geheiratet haben und der Scheidungsantrag am 17. November 2008 zugestellt worden ist, dauerte die Ehezeit gemäß § 3 Absatz 1 VersAusglG vom 1. Februar 1991 bis zum 31. Oktober 2008.

Die Ehezeit beträgt damit mehr als drei Jahre. Der Versorgungsausgleich findet deshalb gemäß § 3 Absatz 3 VersAusglG von Amts wegen statt.

Der Ehemann hat nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung xxx vom 4. Mai 2011 ein Anrecht in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworben.

Der Ehezeitanteil des Anrechts beträgt 12,4332 Entgeltpunkte, was einer Monatsrente von 330,23 EUR entspricht.

Der Rentenversicherungsträger des Ehemannes schlägt gemäß § 5 Absatz 3 VersAusglG einen Ausgleichswert in Höhe von 6,2166 Entgeltpunkten vor, was einer Monatsrente von 165,12 EUR entspricht. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 37.217,02 EUR.

Die Ehefrau hat nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung xxx vom 7. Januar 2011 ein Anrecht in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworben.

Der Ehezeitanteil des Anrechts beträgt 6,6726 Entgeltpunkte, was einer Monatsrente von 177,22 EUR entspricht.

Der Rentenversicherungsträger der Ehefrau schlägt gemäß § 5 Absatz 3 VersAusglG einen Ausgleichswert in Höhe von 3,3363 Entgeltpunkten vor, was einer Monatsrente von 88,61 EUR entspricht. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 19.973,48 EUR.

Wegen der Gleichartigkeit dieser beiden Anrechte (§ 18 Absatz 1 VersAusglG) ist eine Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 Absatz 3 VersAusglG erforderlich.

Die Differenz der durch die Versorgungsträger mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerte (§ 47 VersAusglG) in Höhe von

37.217,02 EUR - 19.973,48 EUR = 17.243,54 EUR

ist im Sinne des § 18 Absatz 3 VersAusglG nicht gering, weil sie größer ist als 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV am Ende der Ehezeit (Bezugsgröße: 2.485,00 EUR; 120% hiervon: 2.982,00 EUR).

Der Ausgleich der beiderseitigen Anrechte hat gemäß § 10 Absatz 1 VersAusglG im Wege der internen Teilung stattzufinden.

Obwohl beide Ehegatten Anrechte gleicher Art erworben haben, sind die Anrechte getrennt auszugleichen. Eine Verrechnung wird gemäß § 10 Absatz 2 VersAusglG nicht durch das Gericht, sondern durch die Versorgungsträger vorgenommen.

Es ist daher zu Lasten des Anrechts des Ehemannes ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts von 6,2166 Entgeltpunkten zu Gunsten der Ehefrau zu übertragen.

Ferner ist zu Lasten des Anrechts der Ehefrau ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts von 3,3363 Entgeltpunkten zu Gunsten des Ehemannes zu übertragen.

III. Kosten

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 150 FamFG.

Danach tragen die Ehegatten die Gerichtskosten je zur Hälfte, jeder Ehegatte trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

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