LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 26.09.2014 - L 11 VG 47/12
Fundstelle
openJur 2014, 22958
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Zugunsten der 1962 geborenen Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „B“ (Berechtigung für eine ständige einer Begleitung), „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung), „T“ (Telebus), „H“ (Hilflosigkeit) und „RF“ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) festgestellt (Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2005). Des Weiteren bezieht sie Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II. Unter anderem war ihr im Jahr 1973 das rechte Bein wegen eines Osteosarkoms amputiert worden. 1975 erfolgte eine Teilresektion des rechten unteren Lungenlappens wegen Metastasierung.

Auf Antrag der Klägerin auf Leistungen nach der Pflegestufe III. veranlasste die Pflegekasse ein Gutachten bei dem Gutachter Dr. K. Dieser begutachtete die Klägerin in deren Wohnung am 28. Juni 2010 zwischen 11 Uhr 35 und 12 Uhr 30. In einem von ihr als „Gedächtnisprotokoll“ bezeichneten Schreiben an die Pflegekasse vom 25. Juli 2010 schilderte die Klägerin den Ablauf der Begutachtung. Nach ihrer Darstellung hatte sie Dr. K nach „Dekubitus“ gefragt. Sie, die Klägerin, habe geantwortet, darunter im Anal- und Genitalbereich sowie an ihrem Beinstumpf zu leiden. Auf Aufforderung des Gutachters Dr. K sei sie von der Pflegerin Frau T entkleidet worden. Dr. K habe dann Anstalten gemacht, den Stumpf und den Genitalbereich anzufassen. Dazu habe er sich nach vorne gebeugt und seine Hand habe sich blitzartig und ohne Vorankündigung in die Richtung ihres Schrittes geschoben. Frau T habe den Gutachter beiseite gedrängt. Der Stumpf sei so kurz, dass er in den Genitalbereich übergehe. Dr. K habe so versucht, in den Schrittbereich zu greifen, was durch Frau T habe abgewehrt werden können. Dieses Verhalten sei nicht nur eine sexuelle Belästigung, sondern gleiche einem versuchten sexuellen Übergriff, zumal Dr. K sich zuvor auch nicht seine Hände gewaschen und auch nicht gefragt habe, ob er die Klägerin anfassen dürfe. Zu Beginn der Begutachtung habe sich Dr. K das bandagierte schmerzende Knie zeigen lassen. Sie habe Dr. K darum gebeten, sie nicht anzufassen, da das Knie schmerze. Dr. K habe es dennoch angefasst und sie habe laut geschrien. Nach Kenntnisnahme von Unterlagen, aus denen sich eine Lungenoperation der Klägerin ergeben habe, habe Dr. K Frau T aufgefordert, den Oberkörper der Klägerin zu entkleiden, um sich deren Narbe anzusehen. Frau T habe angefangen, die Klägerin zu entkleiden. Da dies Dr. K zu langsam gegangen sei, habe er das T-Shirt der Klägerin ohne Vorwarnung hochgezogen, den BH geöffnet und ihr an die Narbe gefasst, die unterhalb des Busens verlaufe. Dr. K habe sie nicht gefragt, ob er sie berühren dürfe. Sie fühle sich sexuell belästigt. Dazu komme die mangelnde Hygiene, da sich Dr. K die Hände nicht gewaschen habe. Des Weiteren gingen die Lungenoperation, die daraus resultierende Narbe, die Druckstellen etc. aus den Pflegeunterlagen hervor, so dass zu fragen sei, warum Dr. K dies überhaupt kontrolliert habe. Die Klägerin schilderte weitere Vorfälle während der Untersuchung. So habe Dr. K sie aufgefordert, sich hinzustellen, obwohl sie betont habe, nicht zu wissen, ob sie dazu in der Lage sei. Dadurch habe Dr. K sie trotz Kenntnis der erheblichen Knieprobleme einer Sturzgefahr ausgesetzt. Schließlich sei Dr. K während der gesamten Untersuchung immer wieder laut geworden und sei der Klägerin über den Mund gefahren. Zusammenfassend führte die Klägerin aus, die Behandlung durch Dr. K stelle in höchstem Maße eine Diskriminierung und Gewalt gegen Behinderte dar. Sie sei geprägt gewesen von Willkür, psychologischem Druck und Entwürdigung. Durch das Verhalten von Dr. K sei sie bis heute so schockiert, dass sie verstärkt Schlafstörungen, Magenkrämpfe und Darmprobleme habe.

Der medizinische Dienst der Krankenversicherung antwortete der Klägerin mit Schreiben vom 19. August 2010 und teilte unter anderem mit, dass sich Dr. K gegen die Darstellungen sexueller Übergriffe und Belästigung entschieden verwahre. Die Untersuchungen unter anderem des Beinstumpfes, des Herzens und der Lunge seien für die gutachtliche Entscheidung unabdingbar gewesen und seien von dem Gutachter mit der entsprechenden Sorgfalt und ärztlichen Kompetenz durchgeführt worden. Ein Fehlverhalten des Gutachters sei nicht zu erkennen. Die Pflegekasse lehnte die Gewährung von Leistungen nach Pflegestufe III. ab und bestätigte die Pflegestufe II. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bekräftigte die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vom 30. September 2010 die Vorwürfe gegen Dr. K. Ihrem Schreiben fügte sie zwei Erklärungen vom 1. September 2010 von den bei der Begutachtung anwesenden A und O T bei. Frau T bestätigte unter anderem, dass sie die Klägerin habe entkleiden müssen und dass, da dies Dr. K zu langsam gegangen sei, dieser mit Hand angelegt, den BH der Klägerin geöffnet und in deren Intimbereich gefasst habe. Vor und während der Begutachtung habe Dr. K die zur Verfügung gehaltene Handdesinfektion und die Handschuhe nicht benutzt. Herr T bestätigte, dass er sich während der Begutachtung in der Küche aufgehalten habe. Trotz dicker Wand zwischen Küche und Begutachtungsraum habe er recht laut die Stimme des Gutachters gehört. Die Pflegekasse wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 zurück.

Am 19. Mai 2011 stellte die Klägerin bei dem Beklagten wegen der Vorfälle vom 28. Juni 2010 einen Antrag auf Opferentschädigung. Die „Gewalttat“ schilderte sie mit ihrem Schreiben vom 16. Mai 2011. Die Beschreibung entspricht im Wesentlichen der Darstellung aus dem „Gedächtnisprotokoll“ für die Pflegekasse vom 25. Juli 2010. Darüber hinaus erklärte sie, Dr. K habe sie im Rahmen der Untersuchung der Narbe nach Lungenoperation an der Brust berührt. Die Klägerin erklärte im Antragsformular, einen Strafantrag aus Angst nicht gestellt zu haben. Im Verwaltungsverfahren legte sie die beiden schriftlichen Zeugenaussagen von Frau und Herrn T vom 1. September 2010 vor. Der Beklagte zog bei dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung Unterlagen bei, insbesondere auch das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach SGB XI vom 7. Juli 2010 von Dr. K.

Mit Bescheid vom 4. August 2011 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG habe nicht nachgewiesen werden können. Des Weiteren lägen Versagungsgründe nach § 2 OEG vor, weil die Klägerin keine Strafanzeige gestellt habe. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, nachdem sie zwischenzeitlich, am 18. August 2011, Strafanzeige bei der Polizei gestellt hatte. Im Strafverfahren wurde neben dem Gedächtnisprotokoll vom 25. Juli 2010 sowie den schriftlichen Zeugenaussagen vom 1. September 2010 ein ärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M vom 21. Juni 2011 vorgelegt. Das Strafverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt, worüber die Staatsanwaltschaft die Klägerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 in Kenntnis setzte. Die Staatsanwaltschaft erklärte, eine sexuelle Handlung im Sinne des § 184g des Strafgesetzbuches (StGB) liege nicht vor, weil vorliegend der Untersuchungszweck im Vordergrund gestanden habe. Eine Beschwerde der Klägerin hiergegen wurde durch Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 19. Januar 2012 zurückgewiesen.

Der Beklagte zog während des Widerspruchsverfahrens über das Sozialgericht die Verwaltungsvorgänge der Pflegekasse bei, aus der der Beklagte Kopien fertigte und sie zu seinen Verwaltungsvorgängen nahm. Durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, weil eine Gewalttat im Sinne des § 1 OEG nicht nachgewiesen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. April 2012 Klage erhoben. In ihrer Klagebegründung vom 16. Mai 2012 hat die Klägerin dargelegt, Dr. K sei schon im Hauseingangsbereich schreiend angekommen. Seine schreiende Haltung habe sie eingeschüchtert und ihr Angst eingeflößt. Der Gutachter habe ohne zu fragen ihr Oberteil hochgezogen und ihren BH geöffnet. Beim Begutachten der Druckstellen im Genitalbereich habe er versucht, ihr in den Schritt zu fassen. Seit dem genannten Vorfall löse das Waschen des Oberkörpers Angst und Zittern bei ihr aus, wodurch sich ihr Pflegeaufwand erhöht habe. Durch die Attacken des Gutachters hätten sich ihre körperliche und seelische Situation erheblich verschlechtert. In einem Schriftsatz an das Sozialgericht vom 14. Juni 2012 hat die Klägerin ihre aus ihrer Sicht durch die Begutachtung durch Dr. K hervorgerufenen Gesundheitsstörungen geschildert.

Das Sozialgericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft (Az.: ) beigezogen und die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2012 abgewiesen. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff liege nicht vor, da der Gutachter im Rahmen des Untersuchungszweckes gehandelt habe.

Gegen den ihr am 2. November 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10. November 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ein Angriff im Sinne des § 1 OEG sei auch ein Sexualdelikt. Durch das Verhalten des Gutachters Dr. K sei entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft der Straftatbestand des § 174c StGB verwirklicht worden. Denn der Untersuchungszweck habe nicht im Vordergrund gestanden, sondern die Berührungen durch Dr. K seien nicht erforderlich gewesen, da sowohl der Dekubitus als auch die Narbe ohne Berührung hätten erkannt werden können. Für die Tat könne Frau T als Zeugin benannt werden. Auf ausführlichen Hinweis des Berichterstatters mit gerichtlichem Schreiben vom 24. März 2014 hat die Klägerin ergänzend dargelegt, eine Gewalttat liege nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vor, indem Dr. K der Klägerin gegen deren Willen an deren schmerzendes Knie gefasst habe und indem er versucht habe, die Klägerin im Genitalbereich zu berühren. Durch die Tat habe sich das psychische Leiden der Klägerin mindestens um einen Grad der Schädigungsfolgen von 25 erhöht. Die Klägerin hat ein ärztliches Attest ihres behandelnden Psychotherapeuten Dr. M vom 15. August 2014 zu den Gerichtsakten gereicht.

Die Klägerin beantragt schriftlich und ihrem schriftsätzlichen Vorbringen gemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2012 zu verurteilen, ihr wegen der gesundheitlichen Folgen der Begutachtung am 28. Juni 2010 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 25 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Akte der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.

Gründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten zu dieser Entscheidungsform ihr Einverständnis erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs. 4 und Abs. 3 SGG.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn ein Anspruch nach dem OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz steht der Klägerin nicht zu.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes [...] infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine [...] Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Hier fehlt es an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen die Klägerin durch die Ereignisse bei der Begutachtung am 28. Juni 2010.

Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des Rechtsbegriffs „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat im Laufe der Jahre anhand einzelner Fallgestaltungen eine Entwicklung erfahren. Diese Rechtsprechung berücksichtigt seit jeher, dass die Verletzungshandlung im OEG nach dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das StGB geregelt ist; gleichwohl orientiert sich die Auslegung an der im Strafrecht gewonnenen Bedeutung des auch dort verwendeten rechtstechnischen Begriffs des „tätlichen Angriffs“ (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R – juris – m. w. N.). Mit Rücksicht auf den das OEG prägenden Gedanken des lückenlosen Opferschutzes hat sich diese Rechtsprechung weitestgehend von subjektiven Merkmalen (wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht des Täters) gelöst. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das BSG vornehmlich aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden (vgl. Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R - juris).

In seiner Entscheidung vom 7. April 2011 (B 9 VG 2/10 R – juris) zum „Stalking“ hat das BSG die Rechtsentwicklung zum Begriff des tätlichen Angriffs eingehend nachgezeichnet. Grundsätzlich sei der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung (§§ 113, 121 StGB) auszulegen. Danach liege ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor.

Soweit eine „gewaltsame“ Einwirkung vorausgesetzt werde, habe der Gesetzgeber durch den Begriff des „tätlichen Angriffs“ den schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt und den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff eingeschränkt. Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 StGB zeichne sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus, wirke also körperlich (physisch) auf einen anderen ein; dies entspreche in etwa dem strafrechtlichen Begriffsverständnis der Gewalt im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB als einer durch tätiges Handeln bewirkten Kraftäußerung, das heißt als tätiger Einsatz materieller Zwangsmittel, insbesondere körperlicher Kraft.

Ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liege im Regelfall bei einem gewaltsamen, handgreiflichen Vorgehen gegen eine Person vor, setze jedoch nach seiner äußeren Gestalt nicht unbedingt ein aggressives Verhalten des Täters voraus; das BSG, so der 9. Senat des BSG in der genannten Entscheidung vom 7. April 2011, sei einem an Aggression orientierten Begriffsverständnis des tätlichen Angriffs trotz dessen inhaltlicher Nähe zur Gewalttätigkeit im Sinne des § 125 StGB letztlich nicht gefolgt. Dahinter stehe der Gedanke, dass auch nicht zum (körperlichen) Widerstand fähige Opfer von Straftaten den Schutz des OEG genießen sollen.

Für die Annahme eines tätlichen Angriffs sei nicht maßgeblich, ob der vom Täter gegebenenfalls beabsichtigte Verletzungserfolg eingetreten sei. Auch über das Versuchsstadium einer Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Opfers hinaus könne eine Handlung des Täters als tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG angesehen werden. Eine gewaltsame Einwirkung auf den Körper eines anderen könne auch schon bei einem physisch vermittelten Zwang vorliegen, ohne dass es zu einer körperlichen Berührung zwischen Täter und Opfer kommen muss. Ungeachtet eines verwirklichten Verletzungserfolgs bestehe in diesen Fällen wegen der Angriffshandlung bereits eine objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit der anderen Person; damit gehe regelmäßig die reale Gefahr eines Körperschadens einher. Ob in diesen Fällen die Grenze zum tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG überschritten sei, beurteilt der 9. Senat des BSG aus der objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten und orientiert sich dabei an folgenden Grundsätzen:

Je gewalttätiger die Angriffshandlung gegen eine Person nach ihrem äußeren Erscheinungsbild oder je größer der Einsatz körperlicher Gewalt oder physischer Mittel sei, desto geringere Anforderungen seien zur Bejahung eines tätlichen Angriffs in objektiver Hinsicht zu stellen. Je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstelle, desto genauer müsse geprüft werden, inwiefern durch die Handlung - unter Berücksichtigung eines möglichen Geschehensablaufs - eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestanden habe. Die Grenze zwischen einem sozialadäquaten Verhalten und einem tätlichen Angriff sei grundsätzlich so zu bestimmen, dass auch das bereits objektiv hochgefährdete Opfer bei Abwehr-, Ausweich- oder Fluchtreaktionen den Schutz des OEG genieße; sie sei jedenfalls dann überschritten, wenn die Abwehr eines solchen Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt wäre.

Schließlich ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BSG der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG über den natürlichen Vorsatz des Täters bezogen auf die Angriffshandlung hinaus an sich eine „feindselige Willensrichtung“ voraussetzt (BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R – juris). Dieses - einem Angriff im Wortsinn immanente - Merkmal diene, so das BSG, im Opferentschädigungsrecht vor allem zur Abgrenzung sozial adäquaten oder gesellschaftlich noch tolerierten Verhaltens von einem auf Rechtsbruch gerichteten Handeln des Täters. Lasse sich eine feindselige Willensrichtung im engeren Sinne nicht feststellen, könne alternativ darauf abgestellt werden, ob der Täter eine mit Gewaltanwendung (im Sinne einer gewaltsamen Einwirkung auf eine andere Person durch Einsatz körperlicher Mittel) verbundene strafbare Vorsatztat (zumindest einen strafbaren Versuch) begangen habe. Anstelle einer feindseligen Absicht sei dann die Rechtsfeindlichkeit des Täters entscheidend, dokumentiert durch einen willentlichen Bruch der Rechtsordnung. Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit manifestiere sich insoweit durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat. So verwirkliche ein Täter, der subjektiv dem Opfer helfen wolle oder aus Liebe handle, dann einen rechtswidrigen tätlichen Angriff, wenn er in strafbarer Weise dessen körperliche Integrität verletze. Dies gelte regelmäßig auch für Fälle, in denen sich der Angreifer möglicherweise nur einen groben oder gewalttätigen, aber die Grenze des sozial Üblichen überschreitenden Scherz erlauben wollte und gegenüber dem Opfer keine feindselige Einstellung gehabt habe.

Der Senat folgt der skizzierten Rechtsprechung des BSG. Sie anwendend gelangt er hier zu dem Schluss, dass durch den Gutachter Dr. K am 28. Juni 2010 ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht begangen worden ist und zwar auch dann, wenn man die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin, wie sie sich insbesondere aus ihrem Gedächtnisprotokoll vom 25. Juli 2010 ergibt, zugrunde legt.

Dabei ist vorab anzumerken, dass eine „ganzheitliche“ Betrachtung und Bewertung der Vorgänge während der Begutachtung am 28. Juni 2010 nicht möglich ist. Ähnlich wie beim „Stalking“, das gegebenenfalls aus einer Vielzahl einzelner, für sich abgeschlossener Sachverhalte besteht, kann auch hier die Begutachtung insgesamt nicht als ein einheitlicher schädigender Vorgang gewertet werden. Denn ein solcher umfasst nur den konkreten tätlichen Angriff und das diesem unmittelbar folgende gewaltgeprägte Geschehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R – juris).

Bei den einzelnen – behaupteten – Verhaltensweisen des Gutachters Dr. K kommt von vornherein nicht als tätlicher Angriff in Betracht rein verbales Verhalten des Gutachters wie etwa das laute Sprechen oder das „Über-den-Mund-Fahren“. Denn ein tätlicher Angriff liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn sich die auf das Opfer gerichtete Einwirkung - ohne Einsatz körperlicher Mittel - allein als intellektuell oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung darstellt und nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielt (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R – juris). Rein verbales Verhalten des Gutachters stellt danach ersichtlich keinen tätlichen Angriff dar und zwar auch, soweit der Gutachter, wie von der Klägerin mit der Klagebegründungsschrift vom 16. Mai 2012 vorgetragen, die Tochter der Klägerin verbal attackiert haben sollte. Nach diesen Erwägungen ist auch die etwaige rein verbale Aufforderung des Gutachters, die Klägerin solle sich hinstellen und laufen und ihre Pflegerin solle sie loslassen, kein tätlicher Angriff. Dem steht nicht entgegen, dass das BSG an anderer Stelle die Aufforderung an einen 83-jährigen Gehbehinderten, den eigenen Wagen zu verlassen, als Teil eines tätlichen Angriffs angesehen hat (BSG, Urteil vom 24. September 1992 - 9a RVg 5/91 – juris). Denn dieser vom BSG entschiedene Fall war in mehrfacher Hinsicht mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Denn dort hatte der Täter eine Aussetzung nach § 221 Abs. 1 StGB durch aktives Tun begangen, indem er den Kläger zur Nachtzeit in eine einsame Gegend gefahren und dort gezwungen hatte, das sichere Transportmittel Auto zu verlassen. Das BSG hatte dort insbesondere darauf abgestellt, dass die erzwungene Ortsveränderung das letzte Glied in einer Kette von Gewalttaten gewesen war, dort in Gestalt einer gewaltsamen Übernahme des Autos und eines Raubes von Geldbörse und Brieftasche.

Als tätliche Angriffe kommen nach der skizzierten Rechtsprechung des BSG dagegen folgende Sachverhaltsdarstellungen der Klägerin in Betracht:

-Dr. K habe sich nach vorne gebeugt und seine Hand habe sich blitzartig und ohne Vorankündigung in die Richtung ihres Schrittes geschoben;-Dr. K habe das T-Shirt der Klägerin ohne Vorwarnung hochgezogen, den BH geöffnet und ihr an die Narbe gefasst, die unterhalb der Brust verlaufe; diese Sachverhaltsdarstellung ist erstmals bei Antragstellung bei dem Beklagten insoweit ergänzt worden, als Dr. K die Brust der Klägerin berührt habe;-Dr. K habe sich das bandagierte schmerzende Knie zeigen lassen; trotz Bitte der Klägerin, sie nicht anzufassen, da das Knie schmerze, habe Dr. K das Knie dennoch angefasst und sie habe laut geschrien.Ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegt aber jeweils nicht vor. Dies gilt zum einen für die beiden erstgenannten Verhaltensweisen, die die Klägerin als sexuelle Belästigung empfunden hat. Denn insoweit fehlt es an einer im vorliegenden Zusammenhang erforderlichen Handlung mit der von einem wenigstens natürlichen Vorsatz umfassten Zielrichtung, unmittelbar auf den Körper einer anderen Person einzuwirken und mindestens objektiv eine Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit der anderen Person herbeizuführen (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 7. Juni 2012 - L 10 VG 26/09 – juris; die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde durch das BSG als unzulässig verworfen, vgl. den Beschluss vom 8. Oktober 2012 - B 9 V 39/12 B - juris). Wie bereits dargelegt, muss, je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstellt, desto genauer geprüft werden, inwiefern durch die Handlung - unter Berücksichtigung eines möglichen Geschehensablaufs - eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestanden hat (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14. November 2013 - L 10 VE 29/12 – juris). Die Kraftanwendung durch die behaupteten Verhaltensweisen des Gutachters Dr. K stellt sich jeweils als gering dar. Selbst soweit man insoweit von einem strafrechtlich bewehrten Verbot ausgehen würde, was - wie noch darzulegen sein wird - hier zu verneinen ist, fehlt es jeweils an einer Gefahr für Leib und Leben der Klägerin. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die - sich gleichsam im „Versuchsstadium“ befindliche - Handbewegung in Richtung des Schrittes der Klägerin und das Anfassen ihrer Narbe - gegebenenfalls bei gleichzeitiger Berührung der Brust der Klägerin - so geartet gewesen wären, dass diese Verhaltensweisen geeignet gewesen wären, zu einer auch nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Gesundheit der Klägerin oder zum Empfinden von auch nur vorübergehenden Schmerzen zu führen. Erst recht fehlen deshalb Anhaltspunkte dafür, dass Dr. K derartige Beeinträchtigungen der Klägerin beabsichtigt oder auch nur in Kauf genommen hätte. Insbesondere ergeben sich insoweit auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Dr. K eine deutliche Verstärkung der Gewaltausübung für den Fall eines etwa beabsichtigten Widerstandes der Klägerin angedroht oder nur vorgehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2006 - B 9a VG 4/05 R - juris).

Etwas Anderes folgt hier nicht aus der Rechtsprechung des BSG zu Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176 StGB (vgl. BSG, Urteile vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R – und vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 – beide bei juris). Zum einen hat das BSG auch in diesem Zusammenhang nicht vollständig auf das Erfordernis körperlicher Handlungen verzichtet. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Kindes, die Möglichkeit seiner „sekundären Viktimisierung“ im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie die Gefahr schwerwiegender seelischer Krankheiten hat das BSG zwar insoweit zu einem erweiterten Verständnis des Begriffs des tätlichen Angriffs veranlasst. Danach ist für die „unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Kindes“ entscheidend, dass die erfolgten sexuellen Handlungen strafbar sind, unabhängig davon, ob bei der Tatbegehung das gewaltsam handgreifliche oder das spielerische Moment im Vordergrund steht. Letztlich hat das BSG in seinem Urteil vom 7. April 2011 allerdings klargestellt, dass die Anwendung der genannten Grundsätze auf „diese Fallgestaltungen“ - also den sexuellen Missbrauch von Kindern unter 14 Jahren bei Anwendung des § 176 StGB - beschränkt ist. Zu diesem besonders geschützten Personenkreis gehörte die Klägerin nicht.

Aber selbst wenn man die Grundsätze zum sexuellen Missbrauch von Kindern unter 14 Jahren zugunsten der Klägerin hier anwenden wollte, läge kein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG vor, weil es in Bezug auf die beiden erstgenannten Verhaltensweisen von Dr. K bereits an einer strafbaren sexuellen Handlung fehlen würde. Denn der Senat teilt nach eigener Prüfung und Bewertung insoweit die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft, wonach hier keine für die Strafbarkeit nach den § 174 ff. StGB unabdingbare sexuelle Handlung im Sinne des § 184g StGB vorliegt. Denn unverzichtbar ist insoweit zunächst, dass die Handlung objektiv, das heißt nach ihrem äußeren Erscheinungsbild, überhaupt einen Sexualbezug aufweist (vgl. Eisele in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 184g, Rn. 6). Abzustellen ist dabei auf den Gesamtvorgang. Handlungen, die äußerlich ganz neutral sind und keinerlei Hinweis auf das Geschlechtliche enthalten, sind daher auch dann keine sexuelle Handlung, wenn sie einem sexuellen Motiv entspringen. Sexuelle Handlungen in diesem Sinne lagen hier nicht vor. Denn die von Dr. K vorgenommenen Handlungen dienten ersichtlich dem Zweck der Begutachtung der Klägerin. Dies gilt zum einen für den von der Klägerin so empfundenen - versuchten - Griff in den Schritt, zumal die Klägerin selbst eingeräumt hat, dass der Beinstumpf so kurz sei, dass er in den Genitalbereich übergehe, so dass hier objektiv die Untersuchung des Beinstumpfes im Vordergrund gestanden hat. Entsprechendes gilt, soweit der Gutachter das T-Shirt der Klägerin hochgezogen, den BH geöffnet und die Narbe unterhalb der Brust angefasst hat. Da Dr. K auch nach Darstellung der Klägerin deren Brust nicht angefasst, sondern sie beim Anfassen der Narbe lediglich berührt hat, wies auch diese Handlung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild keinen Sexualbezug auf, sondern diente objektiv der Begutachtung und zwar auch dann, wenn die Klägerin ihrerseits eine solche Untersuchung als überflüssig empfunden haben sollte. Lagen also schon keine sexuellen Handlungen vor, waren die Verhaltensweisen des Gutachters darüber hinaus auch nicht im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit. Denn mangels „einiger Erheblichkeit“ sind Handlungen auszuscheiden, die sich als bloße – wenn auch grobe – Taktlosigkeiten und Geschmacklosigkeiten darstellen (Eisele, a. a. O., Rn. 15b). Um solche Handlungen handelt es sich hier aber allenfalls.

Schließlich ist auch in dem – von den Zeugen indes nicht bestätigten – Anfassen des Knies der Klägerin gegen deren Willen kein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zu erblicken. In diesem Zusammenhang dürfte zwar die Rechtsprechung des BSG nicht einschlägig sein, nach der ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff (nur) dann ein tätlicher Angriff im Sinne des OEG sei, wenn er aus der Sicht eines verständigen Dritten in keiner Weise dem Wohle des Patienten diene (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R – juris). Denn das BSG meint in dieser Entscheidung solche ärztlichen Eingriffe, die stets den Tatbestand einer (vorsätzlichen) Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB erfüllen; es geht dabei um ärztliche Eingriffe, die von einem Heilauftrag im Sinne des § 1 Abs. 1 der Bundesärzteordnung bestimmt werden. Gutachtertätigkeiten sind davon aber nicht ohne weiteres erfasst.

Ungeachtet dessen ist in dem Anfassen des Knies kein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zu erblicken. Auch in Bezug auf diese Handlung durch Dr. K kann von einer gewalttätigen Angriffshandlung gegen die Klägerin keine Rede sein. Auch insoweit bestand durch diese nur geringe Kraftentfaltung erfordernde Handlung - unter Berücksichtigung eines möglichen Geschehensablaufs - keine Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin, was der Gutachter auch ganz offensichtlich nicht beabsichtigt hatte. Auch insoweit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Dr. K eine deutliche Verstärkung der Gewaltausübung für den Fall eines etwa beabsichtigten Widerstandes der Klägerin angedroht oder nur vorgehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2006 - B 9a VG 4/05 R – juris). Das Anfassen des Knies ist hier auch nicht als vorsätzliche Körperverletzung strafbar (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R – juris). Eine körperliche Misshandlung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB lag hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) stellt sogar nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar (vgl. BGH, Urteil 12. Juni 2001 - 4 StR 174/01 - juris). Vorauszusetzen ist vielmehr ein übles, unangemessenes Behandeln, das das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Ob die Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens mehr als nur unerheblich und damit als unangemessen anzusehen ist, beurteilt sich nicht nach dem subjektiven Empfinden, sondern aus der Sicht eines objektiven Betrachters (vgl. Eser in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 223, Rn. 4a). Die Erheblichkeit kann sich sowohl aus der Dauer wie auch aus der Intensität der Einwirkung ergeben. Hier hat Dr. K das Knie der Klägerin nach ihrer Darstellung „angefasst“; ein Stoß oder gar Schlag steht also nicht in Rede. Feststellbare Verletzungen hat das Anfassen auch nicht verursacht. Eine mehr als unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens ergibt sich also nicht, wenn auch das Anfassen des Knies für die Klägerin schmerzhaft gewesen sein mag. Auch eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB liegt hier nicht vor. Soweit zwar auch eine psychische Einwirkung den krankhaften Zustand hervorrufen kann, der für eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 StGB erforderlich ist, müssen die psychischen Beeinträchtigungen jedenfalls den Körper im weitesten Sinne in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1996 - 4 StR 490/96 – juris). Daran fehlt es hier. Die Klägerin macht zwar psychische Beeinträchtigungen geltend, führt diese aber offenkundig auf das Gesamtverhalten des Gutachters, nicht aber gerade auf das Anfassen ihres Knies zurück. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Klägerin einen Strafantrag nach § 230 StGB wegen Körperverletzung nicht gestellt hat, vielmehr ausschließlich Sexualdelikte zur Anzeige gebracht wurden. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass Dr. K etwaige psychische Beeinträchtigungen (bedingt) vorsätzlich herbeigeführt haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2006 - 2 StR 382/06 – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.