AG Dortmund, Urteil vom 26.08.2014 - 512 C 13/14
Fundstelle
openJur 2014, 20492
  • Rkr:

Zum notwendigen Inhalt eines Beschlusses, mit dem die Gemeinschaft Ansprüche einzelner Eigentümer auf Fertigstellung von Arbeiten gegenüber dem Verkäufer oder einem Bauunternehmen ansichzieht.

Tenor

Der unter Tagesordnungspunkt 2 in der Eigentümerversammlung der WEG Y-Straße in XXXXX E, am 16.01.2014 gefasste Beschluss:

Zur Herstellung des Gemeinschaftseigentums werden rechtliche Schritte gegen den Bauträger eingeleitet. Gegen den Verkäufer soll gerichtlich vorgegangen werden.

wird aufgehoben und für ungültig erklärt.

Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten bilden die aus drei Wohnungseinheiten bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft Z 30 in E. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Dreifamilienhaus aus den fünfziger Jahren das im Jahre 2012 in Wohnungseigentum aufgeteilt wurde. Das Gebäude gehörte zuvor der Firma I GmbH, deren Geschäftsführer Herr T2 ist, und der Klägerin, die die Steuerberaterin von Herrn S und/oder dessen Firmen ist. Die Beklagten haben ihre Eigentumswohnungen von der Firma I GmbH gekauft. In diesen beiden Kaufverträgen ist vereinbart, dass die Firma I GmbH das Dach des Gebäudes neu eindeckt sowie Schäden an den Be- und Entwässerungsleitungen der Wohnungen im Erdgeschoss und Dachgeschoss auf eigene Kosten vornimmt.

In der Teilungserklärung vom 09.04.2013 heißt es außerdem wörtlich:

Die Aufteilung der Wohnung Nr. 3 im Dachgeschoss und Spitzboden hat sich geändert und ergibt sich nunmehr aus den anliegenden Aufteilungsplänen "Grundriss Dachgeschoss" und "Grundriss Spitzboden".

"Alle Beteiligten stimmen unwiderruflich den insoweit erforderlichen Um- und Ausbauarbeiten im Rahmen der baurechtlichen Zulässigkeit und dem unter Beachtung der bautechnischen Erfordernisse (z.B. Statik) in diesem Rahmen notwendigen Veränderungen - auch am Gemeinschaftseigentum - (Verlegung ggfls. erforderlicher Ver- und Entsorgungsleitungen z.B. für Gas, Wasser, Strom). Der jeweilige Eigentümer haftet der Eigentümergemeinschaft für eine ordnungsgemäße Durchführung der von ihm veranlassten Arbeiten und auf Ersatz etwaiger Schäden."

Die Arbeiten wurden von den Beklagten an die Firma K + S I GmbH, deren Geschäftsführer ebenfalls Herr S ist, vergeben. Die Arbeiten sind seit längerer Zeit aus zwischen den Parteien strittigen Gründen eingestellt worden.

Die Beklagten wollen Ansprüche gegenüber den beteiligten Firmen von Herrn T geltend machen, ggf. auch ein selbständiges Beweisverfahren. Die Verwaltung hatte deshalb zu einer Eigentümerversammlung unter dem 16.01.2014 eingeladen. Die Versammlung fand in den Räumlichkeiten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2.) und in dessen Gegenwart statt. Die Klägerin erschien etwa 10 Minuten nach Beginn der Versammlung. Sie fragte zumindest, warum die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1.) bei der Versammlung anwesend sei. Der weitere Inhalt der Gespräche hinsichtlich der Anwesenheit des Beklagtenvertreters ist zwischen den Parteien strittig. Es wurde dann im Laufe der Versammlung folgender Beschluss gefasst und vom Verwalter als Versammlungsleiter verkündet:

"Zur Herstellung des Gemeinschaftseigentums werden rechtliche Schritte gegen den Bauträger eingeleitet. Gegen den Verkäufer soll gerichtlich vorgegangen werden."

Die Klägerin ist der Auffassung, dass dieser Beschluss rechtswidrig ist. Zum Einen hätte der Beklagten zu 1.) Vertreter nicht an der Versammlung teilnehmen dürfen und zum Anderen sei der Beschluss völlig unbestimmt und vorliegend aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen auch deshalb materiell unwirksam, weil hier nur jedem Einzelnen der beiden Beklagten ggfls. Gewährleistungsansprüche bzw. weitergehende Ansprüche aufgrund der Kaufverträge zustünden.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass vorliegend der Beklagten zu 1.) Vertreter an der Versammlung hätte teilnehmen dürfen, da die Klägerin nicht ausreichend deutlich ihren Widerspruch erklärt habe. Im Übrigen sind sie der Auffassung, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt sei, evtl. Ansprüche an sich zu ziehen. Bei der Auslegung des Beschlusses seien auch außerhalb des Beschlusses liegende Umstände zu berücksichtigen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der vorliegende Beschluss ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten zu 1.) Vertreter vorliegend an der Versammlung hat teilnehmen dürfen. Insofern hätte der Sachverhalt noch weiter aufgeklärt werden müssen. Prinzipiell sind Wohnungseigentümerversammlungen nicht öffentlich. Ob hier tatsächlich einer der wenigen Ausnahmefälle vorgelegen hat, bedarf aber keiner weiteren Entscheidung, da der Beschluss bereits aus anderen Gründen materiell rechtswidrig ist.

Der Beschluss ist bereits nicht hinreichend bestimmt. Es ist überhaupt nicht klar nach dem Beschluss, wer überhaupt gegen wen welche Ansprüche geltend machen soll.

Aus dem Beschluss ergibt sich nicht, dass die Ansprüche durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden sollen. Genauso gut möglich ist, dass der Beschluss nur eine Abstimmung im untechnischen Sinne zwischen den Wohnungseigentümern dahingehend darstellt, dass sie nunmehr jeweils eigene Ansprüche gegenüber dem Bauträger oder Verkäufer geltend machen.

Zudem ergibt sich aus dem Beschluss nicht, um welche Ansprüche es überhaupt geht. Sollen Ansprüche aus den beiden Kaufverträgen geltend gemacht werden oder Ansprüche aus der Teilungserklärung oder sonstige sachenrechtliche Ansprüche?

Ferner ist auch nicht ersichtlich, wer denn wirklich in Anspruch genommen werden soll. Im ersten Satz ist vom Bauträger die Rede, den es im vorliegenden Verfahren überhaupt nicht gibt. Es gibt wohl ein beauftragtes Bauunternehmen, das Bauarbeiten und Umbauarbeiten am Hause durchführen soll. Aber einen Bauträger im Sinne der Bauträgerverordnung gibt es nicht. Im zweiten Satz ist dann von einem Verkäufer die Rede. Wenn man Bauträger vorliegend dahingehend auslegt, dass damit das beauftragte Bauunternehmen gemeint ist, dann betreffen Satz 1 und 2 verschiedene juristische Personen. Eindeutig ist das alles keinesfalls.

Insgesamt ist deshalb völlig unklar, was die Wohnungseigentümer hier beschlossen haben wollen. Auch durch Auslegung nach den Grundsätzen der grundbuchrechtlichen Auslegung, also nur unter Berücksichtigung objektiver Anknüpfungstatsachen kommt man nicht weiter. Da der Beschluss nur mit seinem Beschlusswortlaut in die Beschlusssammlung eingetragen wird, kann die Auslegung auch nur daran anknüpfen.

Wegen der Bedeutung des Beschlusses muss sich der Umfang der übertragenen Ansprüche aus ihm deutlich ergeben. Neben dem Kostenrisiko (s.u.) hat ein solchen Beschluss auch Sperrwirkung was die Geltendmachung von Individualansprüchen durch den einzelnen Eigentümer angeht. Auch deshalb muss klar sein, welche Ansprüche von wem die Gemeinschaft ansichgezogen hat. Diesen Anforderungen wird der Beschluss nicht ansatzweise gerecht.

Grundsätzlich können im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der einzelnen Erwerber aus den Verträgen mit dem Veräußerer, die nicht ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind, durch Mehrheitsbeschluss auf die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen werden (sogenanntes "Ansichziehen": BGH, NJW 2014, 1377).

Diesen Inhalt hat der vorliegende Beschluss aber gar nicht. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Wohnungseigentümer die Verwaltung bevollmächtigt hätten, ihre Gewährleistungsansprüche betreffend die Mängel am Gemeinschaftseigentum gegenüber dem Verkäufer oder einem Dritten gerichtlich geltend zu machen oder die Eigentümergemeinschaft zu bevollmächtigen solche Ansprüche geltend zu machen (zum Wortlaut z.B.: BGH, NJW 2010, 3.089).

Das Gericht hat darüber hinaus aber auch Bedenken, ob vorliegend die Gemeinschaft überhaupt Individualansprüche ansichziehen durfte. Wegen der Unbestimmtheit des Beschlusses bedarf es aber insofern keiner abschließenden Entscheidung. Vorliegend hätten wohl allenfalls die Beklagten aus ihren Kaufverträgen schuldrechtliche Ansprüche gegenüber der Verkäuferin gehabt (Zu den Problemen des Ansichziehens von Individualansprüchen durch die Gemeinschaft: Briesemeister FS Merle (=PiG 86) Seite 77). Die Klägerin hat überhaupt keine Ansprüche, die sie übertragen kann. Auch die Behauptung der Beklagten zu 1.), dass die Klägerin durch diesen Beschluss gar keine Nachteile habe, ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, da die Gemeinschaft bei einem solchen Bauprozess nicht unerhebliche Kostenrisiken zu tragen hätte an denen die Klägerin dann anteilig beteiligt wäre (Briesemeister a.a.O.).

Der gefasste Beschluss kann bereits wegen der fehlenden Bestimmbarkeit keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, L-Straße, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.