BGH, Beschluss vom 09.07.2009 - IX ZB 35/09
Fundstelle
openJur 2011, 2860
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 7. Januar 2009 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer wurde im Verfahren auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 13. März 2007 mit der Erstattung des Eröffnungsgutachtens beauftragt und am 27. August 2007 zusätzlich zum vorläufigen Treuhänder bestimmt. In dem Bestellungsbeschluss wurde der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin auf den vorläufigen Treuhänder bestimmt und ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet.

Am 4. Juni 2008 reichte der Rechtsbeschwerdeführer sein Gutachten ein. Darin führte er unter dem Kapitel "Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens" aus, dass die Schuldnerin am 28. Januar 2007 die Frage des Gerichts nach einer bisherigen selbständigen Tätigkeit verneint, aber sich am 1. Februar 2007 selbständig gemacht habe. Er wertete diese Auskunft als "hinterhältig" und "hinterlistig". Dass die Schuldnerin diese selbständige Tätigkeit nach Ablauf der Dauer der Existenzgründungsbeihilfe aufgab, kommentierte der Rechtsbeschwerdeführer in den Gutachten damit, dass die Tätigkeit der Schuldnerin offenbar ausschließlich der Vereinnahmung der Existenzgründungsbeihilfe gedient habe.

Am 2. Juli 2008 beschwerte sich die Schuldnerin schriftlich beim Insolvenzgericht über den Beschwerdeführer wegen dessen Verhaltens in ihrem Laden. Am selben Tag entließ das Insolvenzgericht den Rechtsbeschwerdeführer, ohne ihn vorher anzuhören. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte, nachdem ihr das Insolvenzgericht nicht abgeholfen hatte, keinen Erfolg. Im Beschwerdeverfahren hatte der entlassene vorläufige Treuhänder umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit der Rechtsbeschwerde begehrt er weiterhin Aufhebung des Entlassungsbeschlusses.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 59 Abs. 2 Satz 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil sie keinen Zulässigkeitsgrund aufzeigt, der gemäß § 574 Abs. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderte. Dabei prüft der Bundesgerichtshof nur die Zulässigkeitsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (BGH, Beschl. v. 29. September 2005 - IX ZB 430/02, ZInsO 2005, 1162; v. 9. März 2006 - IX ZB 209/04, ZVI 2006, 351, 352 Rn. 4; v. 18. Dezember 2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 4).

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt der angegriffenen Entscheidung nicht der (ungeschriebene) Obersatz zugrunde, dass die Ausübung des Amtes des vorläufigen Treuhänders nicht durch Art. 12 GG geschützt sei und ein Eingriff in dieses Amt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren müsse. Richtig ist zwar, dass die Beschwerdeentscheidung weder die Wertentscheidung des Art. 12 GG noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich erwähnt, obwohl die Ausübung des Amtes des vorläufigen Treuhänders durch die Berufsfreiheit geschützt ist und Eingriffe nur zulässig sind, soweit sie durch höherwertige Interessen des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, nicht weiter gehen, als erforderlich ist, und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Dezember 2005 - IX ZB 308/04, ZIP 2006, 247, 248 Rn. 8). Der Umstand, dass das Beschwerdegericht diese Grundsätze nicht ausdrücklich erwähnt hat, lässt indes nicht den Schluss zu, dass es sie für nicht anwendbar hielt.

2. Eine Fortbildung des Rechts zu der Frage, ob der Gutachter berechtigt ist, das Verhalten des Insolvenzschuldners im Eröffnungsverfahren zu bewerten, ist nicht erforderlich. Ein derartiges Recht steht ihm selbstverständlich zu. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, woraus sich diesbezüglich Zweifel ergeben sollten.

Allerdings ergibt sich aus diesem Recht nicht die Rechtfertigung, gegen den Schuldner ehrenrührige tatsächliche Behauptungen ohne ausreichende Tatsachengrundlage aufzustellen und das Verhalten des Schuldners mit beleidigenden Kommentaren zu versehen. Hiervon ist jedoch das Beschwerdegericht ausgegangen, ohne dass die Rechtsbeschwerde insoweit einen Zulässigkeitsgrund aufzeigt.

Die Entlassung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder (vorläufigen) Treuhänders setzt eine Pflichtverletzung voraus, die - wie hier - tatsächlich feststeht. Sie setzt weiter voraus, dass es in Anbetracht der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, insbesondere ihrer Auswirkungen auf den Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter oder Treuhänder im Amt zu belassen. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände vom Tatrichter zu treffen (BGH, Beschl. v. 8. Dezember 2005, aaO S. 248 Rn. 10).

3. Der Zulässigkeitsgrund der Einheitlichkeitssicherung ist nicht deshalb gegeben, weil das Insolvenzgericht das Grundrecht des vorläufigen Treuhänders auf rechtliches Gehör, das auch in § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO verbürgt ist, möglicherweise verletzt hat. Es hätte den vorläufigen Verwalter vor seiner Entlassung hören müssen, auch wenn dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung in Urlaub war. Gegebenenfalls hätte mit der Anhörung und der Entscheidung - wenn keine Gefahr in Verzug war - bis zu dessen Rückkehr zugewartet werden müssen.

Das rechtliche Gehör konnte jedoch im Abhilfeverfahren vor dem Insolvenzgericht und im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 3. April 2003 - IX ZB 373/02; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 475/02, ZVI 2004, 24, 25; vgl. auch MünchKomm-InsO/Graeber, 2. Aufl. § 59 Rn. 57; Vallender in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. S. 249, 268 Rn. 62). Diese Nachholung ist auch erfolgt. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts beruht deshalb nicht auf der gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Kayser Vill Lohmann Fischer Pape Vorinstanzen:

AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 02.07.2008 - 33 IK 288/06 -

LG Berlin, Entscheidung vom 07.01.2009 - 86 T 597/08 -