VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 05.04.2006 - 59/06
Fundstelle
openJur 2014, 17563
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 30. März 2006 - 27 O 336/06 - verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerinaus Art. 14 Abs. 1 der Verfassung von Berlin. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

2. ...

3. ...

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Berlin vom 30. März 2006, mit dem ihr Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung im Hinblick auf eine von ihr erhobene und noch nicht entschiedene Vollstreckungsgegenklage vom 29. März 2006 zurückgewiesen wurde. Diesem Verfahren liegt ein rechtskräftiger Beschluss des Landgerichts vom 5. Januar 2006 zugrunde, womit der Beschwerdeführerin auf Antrag des Beteiligten zu 2. aufgegeben wurde, im Rahmen der nächsten erreichbaren KLARTEXT-Sendung folgende Gegendarstellung verlesen zu lassen und auszustrahlen:

"Gegendarstellung

Am 14.12. 2005 wurde in der Sendung KLARTEXT im Rahmen eines Beitrages über IM-Vorwürfe gegen einen meiner Mandaten u. a. wie folgt berichtet:

'Leipziger Stasi-Zentrale. Hier liegen auch die Akten über (…). I. H. hat 1990 mit anderen dafür gesorgt, dass diese Unterlagen nicht vollständig vernichtet wurden - obwohl P. D., damals Innenminister, das verlangte.'Darüber hinaus wurde ich in dem Beitrag als "Aktenvernichter von 1990" bezeichnet.

Hierzu stelle ich fest:

1990 bestätigte ich ein Verlangen auf Herausgabe von Leipziger Stasi-Unterlagen zu deren Vernichtung. Das geschah aber aufgrund eines Beschlusses des Zentralen Runden Tisches. Auf meine Veranlassung wurden 1990 keine Stasi-Unterlagen vernichtet.

Z., den 3.1. 2006

Dr. P. D."

Die Beschwerdeführerin strahlte die Gegendarstellung in der KLARTEXT-Sendung vom 22. März 2006 aus und ließ im Anschluss daran folgenden Text verlesen:

"Hierzu bemerkt die Redaktion:

Dr. D. sagt die Unwahrheit. Den von ihm behaupteten Beschluss des Zentralen Runden Tisches hat es nie gegeben. Dies ist ihm sogar schon von einem Oberlandesgericht bescheinigt worden und ergibt sich im Übrigen aus den vollständig dokumentierten Wortprotokollen des Zentralen Runden Tisches, in denen kein derartiger Beschluss enthalten ist."

Mit Schreiben vom 24. März 2006 ließ der Beteiligte zu 2. der Beschwerdeführerin mitteilen, dass er die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 5. Januar 2006 weiter betreiben werde, da die verlesene Gegendarstellung durch die redaktionelle Anmerkung entwertet worden sei. Die Beschwerdeführerin erhob darauf hin unter dem 29. März 2006 Vollstreckungsgegenklage und beantragte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das Landgericht wies den Antrag durch Beschluss vom 30. März 2006 mit der Begründung zurück, die Beschwerdeführerin sei ihrer Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Sie sei nicht berechtigt gewesen, die Gegendarstellung mit dem streitgegenständlichen Redaktionsschwanz abzudrucken. Redaktionelle Anmerkungen, die eine Gegendarstellung entwerteten, seien wegen Verstoßes gegen das Gebot der Waffengleichheit unzulässig. Anstatt darauf hinzuweisen, dass die Gegendarstellung unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt zu veröffentlichen sei, habe die Redaktion ausdrücklich, noch dazu mit detaillierter Begründung, deren Unwahrheit hervorgehoben und sie damit gänzlich entwertet.

Mit der gegen den Beschluss des Landgerichts erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf Presse- und Meinungsfreiheit. Das Landgericht habe zum einen verkannt, dass es bereits an einer Verbotsnorm für den streitgegenständlichen Redaktionsschwanz fehle; insbesondere enthalte der Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg kein solches Verbot oder auch nur eine Beschränkung. Zum anderen habe das Landgericht bei seiner Entscheidung einseitig nur das Persönlichkeitsrecht des Beteiligten zu 2. beachtet, dieses aber nicht mit dem Grundrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin abgewogen. Eine solche Abwägung hätte sich dem Landgericht aber schon deshalb aufdrängen müssen, weil die Gegendarstellung Tatsachenbehauptungen enthalte, die im Ausgangstext keinerlei Entsprechung gefunden hätten. Die Beschwerdeführerin habe in der Ausgangssendung keine Ausführungen zur Existenz eines Beschlusses des Runden Tisches gemacht; erstmals in der Gegendarstellung werde behauptet, dass es einen solchen Beschluss gegeben habe. Es werde dem Gebot der Waffengleichheit nicht gerecht, wenn dem Gläubiger im Rahmen einer Gegendarstellung die Möglichkeit zu neuen Tatsachenbehauptungen eröffnet würde, der Beschwerdeführerin aber verwehrt sei, sich hierzu zu äußern. Das Landgericht habe auch im Ergebnis verfassungsrechtliche Wertungen verletzt. Soweit eine Entwertung der Gegendarstellung angenommen werde, gehe dies fehl, denn der Beteiligte zu 2. habe das Recht und die Möglichkeit, Sachverhalte, die er für unzutreffend halte, wiederum mit einer Gegendarstellung oder einem Unterlassungsbegehren anzugreifen.

Die Beteiligten haben gemäß § 53 Abs. 1 und 2 VerfGHG Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bestehen nicht, insbesondere steht nicht das Gebot der Rechtswegerschöpfung entgegen, denn sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 159, 14 ff.) als auch nach der Rechtsprechung des Kammergerichts (Beschluss vom 29. Juli 2005 - 5 W 93/05 -, Magazindienst 2005, 1052 ff.) ist die sofortige Beschwerde gegen die einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO zurückweisende Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 2 Satz 2, § 717 Abs. 1 ZPO nicht statthaft. Die Beschwerdeführerin kann ferner nicht auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO verwiesen werden, weil sie mit der Verfassungsbeschwerde keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Landgericht geltend macht.

Ferner kann die Beschwerdeführerin nicht auf die Erschöpfung des Rechtsweges in der Hauptsache verwiesen werden. Zwar kann es, wenn - wie hier - eine im Eilverfahren ergangene Entscheidung Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist, nach dem Grundsatz der Subsidiarität geboten sein, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten; dies gilt jedoch nur, wenn sich dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (Beschluss vom 29. August 2001 - VerfGH 115/00 - Grundeigentum 2001, 1332 <1333 f.>; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 79, 275 <278 f.>). Daran fehlt es hier, weil die Beschwerdeführerin wegen des angegriffenen Beschlusses gezwungen wäre, die Gegendarstellung des Beteiligten zu 2. ohne den streitgegenständlichen Redaktionszusatz noch vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszustrahlen, der geltend gemachte Grundrechtseingriff damit irreversibel wäre.

Auch Zweifel an der Grundrechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin bestehen nicht. Zwar sind die Grundrechte und der zu ihrer Verteidigung geschaffene Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen, grundsätzlich nicht anwendbar. Ausnahmen bestehen aber dann, wenn es entweder um die Verletzung von Verfahrensgrundrechten geht oder es sich um eine juristische Person handelt, die den Bürgern zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dient und als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtung Bestand hat, wie dies üblicherweise bei Kirchen, Universitäten und auch Rundfunkanstalten der Fall ist (vgl. BVerfGE 15, 256 <259 f.>; 21, 362 <374>; 23, 353 <372>). So können sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mit der Verfassungsbeschwerde auf eine Verletzung der grundgesetzlich in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit berufen, weil ihr Status als vom Staat unabhängige, sich selbst verwaltende Anstalten des öffentlichen Rechts der Verwirklichung dieses Grundrechts dient (BVerfGE 31, 314 <322>; 59, 231 <254>). Die Beschwerdeführerin ist eine solche Rundfunkanstalt.

Zwar ist die Rundfunk- und Pressefreiheit in der Verfassung von Berlin - anders als im Grundgesetz - nicht ausdrücklich geschützt. Die Beschwerdeführerin kann sich stattdessen jedoch auf das für ihre Tätigkeit gleichfalls unmittelbar einschlägige Grundrecht der Meinungsfreiheit in Art. 14 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB) berufen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 16. Juni 1993 (LVerfGE 1, 99 <102>) festgestellt, dass aus dem Fehlen eines eigenständigen grundrechtlichen Schutzes der Pressefreiheit im Verfassungsrecht des Landes Berlin nicht der Schluss gezogen werden kann, dass eine Tätigkeit, die bundesrechtlich innerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG liegt, nach der Verfassung von Berlin keinen grundrechtlichen Schutz genösse. Die Presse habe vielmehr selbstverständlich teil an der verbürgten Meinungsäußerungs- und Unterrichtungsfreiheit. Dies muss entsprechend für die Tätigkeit der Rundfunkanstalten gelten, zumal auch die grundgesetzlich geschützte Rundfunkfreiheit nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts letztlich der gleichen Aufgabe dient wie alle Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG: der Gewährleistung freier und individueller Meinungsbildung in einem umfassenden, nicht bloß auf Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten Sinne (BVerfGE 57, 295 <319>; 74, 297 <323>). Rundfunkfreiheit ist primär eine der Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv- und objektivrechtlichen Elementen dienende Freiheit (BVerfGE 74, 297 <323>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der angegriffene Beschluss beruht auf einer Verletzung der in Art. 14 Abs. 1 VvB verbürgten Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin und ist daher aufzuheben.

a) Der Beschluss des Landgerichts vom 30. März 2006, mit dem der Beschwerdeführerin in Verbindung mit dem Beschluss vom 5. Januar 2006 im Ergebnis aufgegeben wird, die Gegendarstellung des Beteiligten zu 2. erneut und ohne die streitgegenständliche Redaktionsanmerkung auszustrahlen, greift in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 14 Abs. 1 VvB ein: Für die grundgesetzlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit ist vom Bundesverfassungsgericht geklärt, dass Verurteilungen zu Gegendarstellungen in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreifen (vgl. BVerfGE 97, 125 <144 f.>; BVerfG, NJW 2004, 1235 f.). Da die Presse- und Rundfunkfreiheit - wie oben ausgeführt - spezielle Ausprägungen der allgemeinen Meinungsfreiheit sind, die in der Verfassung von Berlin - anders als im Grundgesetz - allerdings nicht hervorgehoben werden, können Presse- und Rundfunkorgane sich in Berlin stattdessen auf einen Eingriff in den Schutzbereichs ihres Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 VvB berufen (vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 589).

b) Der Beschluss des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 VvB.

Bei einer durch Verfassungsbeschwerde inhaltlich angegriffenen gerichtlichen Entscheidung prüft der Verfassungsgerichtshof, ob die Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite des vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Grundrechts, hier der durch Art. 14 Abs. 1 VvB geschützten Meinungsfreiheit, beruhen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind dagegen grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen (vgl. Beschluss vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7 <8>; st. Rspr.).

Gemessen an diesen Voraussetzungen wird der angegriffene Beschluss den verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Beachtung des Grundrechts der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin nicht gerecht. Bei der Prüfung und Anwendung der die Meinungsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 VvB beschränkenden Normen - hier § 9 des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg - BlnBraRStV - (GVBl. 2003, S. 222), der die Rechtsgrundlage des gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Gegendarstellungsanspruchs des Beteiligten zu 2. bildet - ist durch die Fachgerichte regelmäßig eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht demnach bei der - mangels ausdrücklicher gesetzlicher Glossierungsbeschränkung im BlnBraRStV - auslegungsbedürftigen Frage, ob es sich bei der redaktionellen Anmerkung der Beschwerdeführerin zu der am 22. März 2006 ausgestrahlten Gegendarstellung des Beteiligten zu 2. um eine zulässige Erwiderung oder wegen des Inhalts oder der Art und Weise der Erwiderung um eine unzulässige "Entwertung" der Gegendarstellung handelte, eine Abwägung zwischen dem durch die Gegendarstellung geschützten Persönlichkeitsrecht des Beteiligten zu 2. sowie der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin zu treffen (vgl. zum Abwägungsgebot in Gegendarstellungsfällen BVerfGE 97, 125 <150 f.>; 97, 157 <167>; BVerfG, NJW 2004, 1235 f.).

Hierbei begegnet der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass (auch ohne gesetzliche Glossierungsbeschränkung) bei "Entwertung" der Gegendarstellung durch Inhalt oder Form einer redaktionellen Anmerkung der entsprechende Anspruch noch nicht erfüllt sei, sondern die Gegendarstellung erneut - und zwar ohne den unzulässigen Zusatz - auszustrahlen sei, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Auffassung entspricht auch der sonstigen fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur, die ein solches Entwertungsverbot entweder aus dem Gebot der "Waffengleichheit" oder dem zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben folgern (vgl. OLG Koblenz, OLGR Koblenz 2006, 256 ff; OLG Dresden, AfP 2001, 523; Brandenburgisches OLG, NJW-RR 2000, 832 f.; OLG München, NJW-RR 1999, 965 f.; OLG Hamburg, AfP 1971, 91 f.; OLG Frankfurt, NJW 1965, 2163 f.; LG Frankfurt, NJW-RR 1988, 1022 f.; Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, S. 198 f.; 456; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, S. 608, 611; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, S. 744 f.; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 449). Überdies beschränken die meisten Landespressegesetze Redaktionsbemerkungen im unmittelbarem Anschluss an eine Gegendarstellung ("Redaktionsschwanz") auf tatsächliche Angaben (vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, a. a. O., S. 198). Eine Entwertung der Gegendarstellung durch redaktionelle Anmerkungen wird demnach vor allem bei wertenden Stellungnahmen, etwa hämischen Kommentaren oder sonst herabsetzenden Pauschalurteilen (die Gegendarstellung sei "irreführend" oder "frei erfunden", vgl. etwa OLG Hamburg, AfP 1971, 91 f; LG Frankfurt, NJW-RR 1988, 1022 f.; Soehring, a. a. O., S. 608; Wenzel, a. a. O., S. 745; Prinz/Peters, a. a. O., S. 449 f.) angenommen. Angaben tatsächlicher Art im Anschluss an die Gegendarstellung sollen dagegen grundsätzlich zulässig sein; insbesondere sollen die Medien berechtigt bleiben, auch im Rahmen einer Anmerkung auf der Richtigkeit ihrer früheren Darstellung zu bestehen oder sie zu wiederholen und zu vertiefen (vgl. OLG Dresden, AfP 2001, 523; Soehring, a. a. O., S. 609). Dieses auf Mitteilung von Tatsachen bezogene Erwiderungsrecht wird unter anderem daraus gefolgert (vgl. OLG Dresden a. a. O.), dass im Verfahren über den Anspruch auf eine Gegendarstellung eine Prüfung der Wahrheit der in ihr enthaltenen Behauptungen nicht stattfindet (so schon BGH, NJW 1964, 1132 ff.; st. Rspr.).

Für die Frage, ob die streitgegenständliche redaktionelle Anmerkung der Beschwerdeführerin im Anschluss an die verlesene Gegendarstellung danach eine zulässige, vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützte Erwiderung oder in Kollision mit dem Persönlichkeitsrecht des Beteiligten zu 2. eine unzulässige Entwertung des Gegendarstellungsanspruchs war, hätte das Landgericht seine Abwägung nachvollziehbar darlegen müssen. Der Beschluss enthält keine ausdrückliche Abwägung. Das Landgericht hat sein Ergebnis, die Gegendarstellung des Beteiligten zu 2. sei durch die Anmerkung entwertet worden, lediglich darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin die "Unwahrheit" der Gegendarstellung "hervorgehoben" habe, "noch dazu" mit "detaillierter Begründung". Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, ob das Landgericht (allein) wegen des Begriffs der "Unwahrheit" im ersten Satz der Anmerkung ein herabsetzendes Werturteil angenommen hat - insofern hätte sich allerdings eine Abgrenzung zur Tatsachenbehauptung aufgedrängt (nach OLG Hamburg, AfP 1971, 91 <92> soll der Begriff "unwahr" etwas anderes darstellen als das unzulässige "Werturteil", die Gegendarstellung sei "irreführend").

Ebenfalls bleibt unklar, ob - wie die Formulierung im Beschluss "noch dazu mit detaillierter Begründung" nahe legt - der Vorhalt der "Unwahrheit" insbesondere in Verbindung mit den nachfolgenden Tatsachenbehauptungen der Beschwerdeführerin zur fehlenden Existenz eines Beschlusses des "Runden Tisches" als entwertend angesehen wurde (wobei ebenfalls nicht deutlich wird, ob wegen der Ausführlichkeit der Begründung als solcher oder wegen ihres Inhalts). Um dem Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Meinungsfreiheit im Rahmen der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des Beteiligten zu 2. gerecht zu werden, wäre jedoch eine genauere Darlegung und Begründung erforderlich gewesen, zumal Tatsachenbehauptungen in redaktionellen Anmerkungen - wie oben dargestellt - ganz überwiegend als zulässig angesehen werden. Hier kommt noch hinzu, dass die Gegendarstellung des Beteiligten zu 2. erstmals Tatsachenbehauptungen zu einem Beschluss des "Runden Tisches" enthielt, die in der Ausgangsmitteilung der Beschwerdeführerin keine Entsprechung gefunden hatten, so dass ein nachvollziehbares Bedürfnis der Beschwerdeführerin bestand, sich erstmalig auch zu diesen neu eingeführten und im voran gegangenen gerichtlichen Gegendarstellungsverfahren lediglich auf offensichtliche Unrichtigkeit geprüften Tatsachenbehauptungen des Beteiligten zu 2. zu äußern. Soweit in der redaktionellen Anmerkung zur Erläuterung der Auffassung der Beschwerdeführerin wiederum neue, den Beteiligten zu 2. betreffende Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden (etwa zum Inhalt einer obergerichtlichen Entscheidung), wäre bei der Abwägung auch zu bedenken gewesen, dass insoweit erneut ein Anspruch auf Gegendarstellung durch den Beteiligten zu 2. in Betracht kam (vgl. OLG München, NJW-RR 1999, 965 f. <966>, LG Oldenburg, AfP 1986, 80; Wenzel, a. a. O., S. 745; Prinz/Peters, a. a. O., S. 450; Seitz/Schmidt/Schoener, a. a. O., Rn. 437). Die Begründung des Landgerichts lässt mithin nicht erkennen, dass es bei seiner Entscheidung den Umfang des Schutzbereichs der durch Art. 14 Abs.1 VvB verbürgten Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin hinreichend berücksichtigt und erwogen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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