OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.03.2013 - 3 UF 114/12
Fundstelle
openJur 2014, 17013
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 18.000,-- €.

Gründe

Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Am ...1981, d.h.noch während der Ehe, wurde die Tochter X geboren. Mit Urteil des Amtsgerichts Friedberg/H. vom 11.7.2006 (AZ: 740 F 1129/05) ist festgestellt worden, dass der Antragsteller nicht der Vater von Xist.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Antragsteller beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm den Namen des Vaters von X zu benennen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin geboten, Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr in der Empfängniszeit geschlechtlich beigewohnt hat. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses und die Abweisung des Auskunftsantrages erreichen will.

Mit Beschluss vom 29.6.2012 hat der Senat die Antragsgegnerin auf die mangelnde Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde hingewiesen und angekündigt, dass er beabsichtige, ohne weitere mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin hat dennoch ihre Beschwerde aufrechterhalten. Sie ist der Auffassung, dass das Amtsgericht mit seiner Entscheidung über den vom Antragsteller gestellten Antrag hinausgegangen sei.

Außerdem stehe dem Antragsteller kein Recht auf Auskunft darüber zu, mit wem sie während der gesetzlichen Empfängniszeit verkehrt habe.

Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 58 FamFG) und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).

In der Sache hat sie allerdings aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, des Senatsbeschlusses vom 29.6.2012 (Bl.85 ff d.A.) und der Hinweise vom 7.8.2012 (Bl. 95 d.A.) und vom 21.9.2012 (Bl. 103, 104 d.A.) keinen Erfolg.

Der Senat hat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil diese bereits im ersten Rechtszug erfolgt ist und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

Zu Recht hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin dazu verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft in dem Umfang zu erteilen,wie das aus dem Tenor des erstinstanzlichen Beschlusses zu entnehmen ist. Es ist damit nicht über das Begehren des Antragstellers i.S.d. §§ 118 Abs. 1 FamFG, 308 ZPO hinausgegangen.Vielmehr ist dessen Antrag dahin auszulegen, dass die Antragsgegnerin mitteilen soll, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Es ist offensichtlich, dass aus medizinischen Gründen grundsätzlich von einer Frau keine Information darüber verlangt werden kann, von wem ihre Kinder abstammen. Sie kann nur Rechenschaft darüber ablegen, mit wem sie während der Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hat. Ein entsprechender Antrag ist zumindest als Minus in dem vom Beschwerdegegner in der ersten Instanz gestellten Antrag enthalten.

Die Auskunftspflicht der Antragsgegnerin folgt aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie ist entstanden, weil die Beteiligten mit Eheschließung weitgehende Rechtsbeziehungen begründet haben, aus denen der Anspruch des Antragstellers auf Auskunft resultiert. Der Scheinvater hat es regelmäßig nicht zu vertreten, dass er keine Kenntnisse darüber hat, wer (außer ihm) als Vater der während des Bestehens der Ehe geborenen Kinder in Betracht kommt. Das weiß nur die Ehefrau. Es ist wenig überzeugend, wenn die Antragsgegnerin vortragen lässt, sie sei immer von der Vaterschaft des Antragstellers ausgegangen. Wenn nicht irgendwelche außergewöhnlichen Umstände vorliegen, ist es jeder Frau bewusst,wenn auch ein anderer als ihr eigener Ehemann als Vater in Betracht kommt. Es entspricht – jedenfalls in durchschnittlichen bürgerlichen Verhältnissen - der Regel, dass Frauen den Namen desjenigen, mit dem sie ungeschützt verkehren, kennen oder kennen könnten. Bereits mit Beginn der Schwangerschaft, spätestens aber unmittelbar nach der Geburt wäre die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, den Antragsteller darüber zu informieren, dass auch ein anderer Mann als Vater in Betracht kommt (vgl. u.a. BGH NJW 1983,117).

Wie die Antragsgegnerin selbst in ihren Schriftsätzen betont,ist dem juristischen Laien, d.h. jeder normal begabten Frau, auch bewusst, dass mit Eheschließung die rechtliche Konsequenz verbunden ist, dass der jeweilige Ehemann als Vater der während der Ehe geborenen Kinder anzusehen und diesen u.a. zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist. Wenn sie in einer solchen Situation den Scheinvater nicht über die wahren Umstände aufklärt, so irrt dieser in entschuldbarer Weise über seine rechtlichen Beziehungen zu den während der Ehe geborenen Kindern. Nur sie könnte ihm zur Beseitigung seiner Unkenntnis die erforderliche Auskunft erteilen.Da einerseits vom Gesetz die Vaterschaft des Ehemannes fingiert wird, muss sich praktisch daraus spiegelbildlich die Verpflichtung der Ehefrau ergeben, ihn über die Person des biologischen Vaters zu informieren, insbesondere wenn er an dessen Stelle über viele Jahre hinweg für den Unterhalt des Kindes aufgekommen ist (vgl. BGH FamRZ2012, 200-204).

Aus der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der darauf hingewiesen wird, dass die Kindesmutter unschwer die gewünschten Informationen erteilen könne, kann nicht abgeleitet werden, dass eine Auskunftspflicht immer dann entfällt, wenn die Kindesmutter behauptet, den Namen des tatsächlichen Erzeugers nicht zu kennen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob sie gegenüber ihrem Ehemann und ihrer Tochter dazu verpflichtet ist bzw. bereits seit Beginn der Schwangerschaft war, sich die Informationen zu beschaffen, welche zur Ermittlung des biologischen Vaters erforderlich sind.

Eine solche Obliegenheit ist grundsätzlich anzunehmen, da die Auskunft für die Angehörigen existentiell wichtig ist und sie ihre Unkenntnis nicht zu vertreten haben. Es wäre unbillig, wenn sich eine Ehefrau ihren Mitteilungspflichten mit der einfachen und nicht überprüfbaren Behauptung ihrer Unkenntnis entziehen könnte.

Der Senat sieht es auch als offensichtlich an, dass die Rechte und Pflichten, welche man durch eine Eheschließung begründet, sehr viel weitgehender sind, als dies der Fall bei einer Vaterschaftsanerkennung ist. In beiden Fällen werden die Ehe- bzw.die Geschlechtspartner durch die rechtliche Vaterschaft vielfältig miteinander verbunden (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 21). Dem Bundesgerichtshof ging es in seiner Entscheidung darum zu betonen,dass bereits durch ein Vaterschaftsanerkenntnis (und nicht erst durch die Eheschließung) eine besondere familienrechtliche Rechtsbeziehung hergestellt wird, die erhebliche Treuepflichten nach sich zieht.

Soweit die Antragsgegnerin behauptet, den Namen des biologischen Vaters nicht zu kennen, weil es sich nur um eine flüchtige Bekanntschaft gehandelt habe, reicht dieses Vorbringen auch nicht aus, um daraus herleiten zu können, dass für sie die Auskunftserteilung i.S.d. § 275 Abs.1 BGB unmöglich und der Anspruch auf Leistung deswegen ausgeschlossen ist. Dazu hätte sie substantiierter vortragen müssen, mit wem sie während der Empfängniszeit verkehrt hat, wie lange die Beziehung dauerte,welche Informationen sie bezüglich dieses Mannes hatte und warum es ihr nicht, auch nicht auf Umwegen, z.B. über gemeinsame Bekannte,möglich ist, die vom Antragsteller geforderten Auskünfte zu beschaffen.

Im Übrigen wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass dann, wenn der Antragsgegnerin die Auskunft tatsächlich unmöglich sein sollte,eine Schadensersatzpflicht in Betracht käme.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 FamFG, 97 ZPO.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 42 Abs. 1 FamGKG (vgl. auch Beschluss des Amtsgerichts vom 18.04.2012, Bl. 65 d.A.).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Der Bundesgerichtshof hat insbesondere bisher nicht über die Frage entschieden, ob und unter welchen Umständen auch ein Ehemann einen Anspruch auf Auskunft darüber hat, mit dem seine geschiedene Ehefrau während der Empfängniszeit noch verkehrt hat. Ebenso ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden, ob der Auskunftsanspruch auch dann besteht, wenn die Ehefrau behauptet,Name und Identität des biologischen Vaters nicht zu kennen.