LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.05.2011 - 5 Sa 219/11
Fundstelle
openJur 2014, 28498
  • Rkr:

Auslegung des Betriebsbegriffs in § 1 KSchG - Kündigung wegen vollständiger Stilllegung des Inlandsbetriebes der Beklagten "Betriebe" im Sinne von § 1 KSchG sind nur die in der Bundesrepublik Deutschland liegenden organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2010 - 25 Ca 7691/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung der Beklagten.

Die Beklagte ist die ungarische Fluglinie mit Hauptsitz in Budapest, eine Kapitalgesellschaft nach ungarischem Recht. In Deutschland verfügte sie zuletzt über vier Büros (München, Berlin-Stadt, Berlin Flughafen und Hamburg Flughafen) und beschäftigte im Kündigungszeitpunkt insgesamt 17 Arbeitnehmer, davon acht im Berliner Stadtbüro und zwei am Flughafen Tegel.

Der am ... 1946 in Ungarn geborene, verheiratete Kläger, dessen erwachsener Sohn nach einem Unfall pflegebedürftig und mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert ist, war seit 25.03.1985 als Stationsleiter/ Airport Manager am Flughafen Tegel für die Beklagte tätig. Der Kläger spricht fließend ungarisch.

In dem zuletzt abgeschlossenen, undatierten Arbeitsvertrag des Klägers heißt es in § 2 "Tätigkeit" u. a.:

"Der Mitarbeiter wird als Stationsleiter eingestellt.

...

Der Mitarbeiter ist damit einverstanden, nach Bedarf auch andere Arbeiten zu übernehmen, die seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechen und sich ggf. in eine andere Abteilung oder Betriebsstätte von M. versetzen zu lassen. Macht M. hiervon Gebrauch, so richtet sich nach Ablauf eines Monats die Vergütung nach der neu zugewiesenen Tätigkeit. ..."

Der Kläger und sein weiterer am Flughafen Tegel tätiger Kollege hatten die Aufgabe, die Flüge und die Airport Handling Companies zu beaufsichtigen und zu kontrollieren und sich um die organisatorische Abwicklung insbesondere bei Verspätungen, Überbuchungen und Stornierungen zu kümmern. Der Kläger nahm regelmäßig an Lehrgängen in Ungarn teil.

Mit am 08.09.2009 notariell beglaubigtem Beschluss (Bl. 45 bis 47 d. A./ Übersetzung Bl. 108 bis 111 d. A.) entschied die Geschäftsleitung der Beklagten, sämtliche ausländische Repräsentanzen in darin namentlich aufgeführten Ländern, darunter Deutschland, zu schließen.

Seit dem 18.02.2010 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig krank.

Ende April 2010 kündigte die Beklagte sämtliche Arbeitsverhältnisse ihrer in Deutschland tätigen Arbeitnehmer unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen, mit Ausnahme der Schwerbehinderten und der in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse sie nach Einholung der behördlichen Zustimmungen im Juni 2010 kündigte. Ebenso erklärte sie die Kündigung der Mietverhältnisse über die Büros (Kopien der Kündigungsschreiben bzgl. der Büroräume in Hamburg, Berlin Flughafen zum 31.07.2010 und Berlin Stadt, Bl. 48 bis 50 d. A.), wobei das Mietverhältnis über das Berliner Stadtbüro aufgrund eines Zeitmietvertrages erst zum 31.03.2011 beendet werden konnte.

Den Flugbetrieb von Frankfurt/ Main, Berlin, Hamburg und Stuttgart nach Budapest setzte die Beklagte fort.

Mit Schreiben vom 22.04.2010 (Bl. 8 d. A.), das dem Kläger am 29.04.2010 zuging, erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Dagegen hat sich die am 17.05.2010 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Klage gerichtet.

Der Kläger hat behauptet, seine Tätigkeit falle nicht weg. Es sei nicht möglich bzw. ineffektiv, seine Tätigkeiten vom Geschäftssitz der Beklagten in Budapest aus fortzuführen. In Medieninterviews sei geäußert worden, dass eine erwogene Schließung der Auslandsbüros überprüft werde.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 22.04.2010 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie gebe ihre Präsenz in Deutschland vollständig auf. Die Positionen der Stationsleiter seien aufgrund des Beschlusses vom 08.09.2009 deutschlandweit gestrichen worden. Die Abfertigung der Flüge aus Deutschland erfolge vollständig durch die Airport Handling Company, eigenes Personal sei nicht erforderlich. Die Kontrolle der Airport Handling Companies erfolge vom Hauptsitz der Beklagten in Budapest aus. Die Organisation der Abwicklung bei Flugkomplikationen erfolge durch ein Callcenter in Budapest und die A. H. C. G..

Mit Urteil vom 17.12.2010 - 25 Ca 7691/10 -, auf dessen Tatbestand (Bl. 140 bis 142 d. A.) Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nicht sozial ungerechtfertigt, sondern durch dringende betriebliche Gründe bedingt. Das Bedürfnis zur Beschäftigung des Klägers entfalle wegen Betriebsstilllegung aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, sämtliche Büros in Europa zu schließen. Einer Festlegung des Stilllegungstermins habe es darin nicht bedurft, da der endgültige Abschluss der Stilllegung von verschiedenen Umständen abhängig gewesen sei, wie z. B. Einhaltung von Kündigungsfristen der Arbeitnehmer und Räumlichkeiten, Verfügbarkeit der mit den bisherigen Aufgaben der Arbeitnehmer zu beauftragenden Unternehmen. Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung habe im Kündigungszeitpunkt mit der Kündigung der Arbeitnehmer und der Räumlichkeiten greifbare Formen angenommen. Für die Fortführung des Flugverkehrs sei eigenes Personal in Deutschland nicht erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 142 bis 146 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses, dem Kläger am 27.12.2010 zugestellte Urteil richtet sich seine am 27.01.2011 eingegangene Berufung, die er nach Fristverlängerung bis zum 21.03.2011 mit an diesem Tage vorab per Fax eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte habe bereits die dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung nicht substantiiert dargelegt. Das Bedürfnis für seine Beschäftigung entfalle nicht wegen einer Betriebsstilllegung. Sein Beschäftigungsbetrieb sei nicht auf den deutschen Standort mit seinen zuletzt 17 Arbeitnehmern beschränkt, sondern die deutschen Grenzen überschreitend aufgestellt. Neben den Stationen in Deutschland betreibe die Beklagte auch an vielen Standorten außerhalb Deutschlands Stationen, an denen Stationsleiter beschäftigt seien. Er selbst und die an diesen Standorten beschäftigten Stationsleiter hätten sämtlich fachlich und disziplinarisch der in Budapest ansässigen Verkehrsdirektorin der Beklagten unterstanden. Die Beklagte habe unstreitig im Kündigungszeitpunkt nicht alle ihre Stationen in Europa geschlossen. Die Stationen in Athen, Amsterdam, Brüssel, Madrid und Tel Aviv würden auch heute noch unverändert weiter betrieben. Dort seien auch jeweils noch Stationsleiter mit identischem Aufgabenkreis beschäftigt. Die Beklagte habe deshalb eine Sozialauswahl unter Einbeziehung der an diesen Standorten tätigen Arbeitnehmer durchführen müssen, die zu seinen Gunsten ausgefallen wäre. Der in Brüssel tätige Stationsleiter, Herr de B., dessen Aufgabenkreis dem seinen entspreche, sei nicht nur mit ca. 50 Jahren deutlich jünger, sondern mit ca. 20 Jahren auch deutlich kürzer als er selbst beschäftigt. Er fordere die Beklagte auf, dessen Familienstand und etwaige Unterhaltspflichten mitzuteilen. Nach seinem Arbeitsvertrag sei sein Einsatzgebiet weder auf Berlin noch auf Deutschland beschränkt. Die Beklagte werde aufgefordert, die Sozialdaten der Stationsleiter in Amsterdam, Madrid und Tel Aviv mitzuteilen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich der Betrieb der Beklagten auf Deutschland beschränkt habe, sei die Kündigung rechtsunwirksam, weil es sich nicht um eine Betriebsstilllegung, sondern um eine Aufgabenverlagerung nach Ungarn gehandelt habe. Nach dem Vortrag der Beklagten sollten wesentliche Aufgaben der bisher 17 Mitarbeiter in Deutschland künftig vom Head Office in Budapest wahrgenommen werden. Es handle sich um eine bloße Konzentration der Aufgabenverteilung von bisher mehreren Büros auf den Hauptsitz der Beklagten in Budapest. Die Beklagte habe deshalb näher darlegen müssen, wie ihr Stammpersonal in Budapest in der Lage sei, die Tätigkeit der bisher 17 Mitarbeiter in Deutschland ohne weitere Neuanstellungen und überobligatorische Leistungen zu übernehmen, zumal noch die Aufgaben der Mitarbeiter aus den ebenfalls geschlossenen anderen europäischen Büros hinzukämen. Die bloße Lage des Hauptsitzes in Ungarn ändere daran nichts. Die Beklagte habe im Rahmen der Verhältnismäßigkeit prüfen müssen, ob und unter welchen Konditionen seine Beschäftigung am Hauptsitz in Ungarn möglich sei. Die Beklagte habe auch keine ausreichenden Tatsachen dafür vorgetragen, dass die (vermeintliche) Betriebsstilllegung im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen habe. Es seien nicht sämtliche Arbeitnehmer zur gleichen Zeit gekündigt worden, die Kündigung der Mieträumlichkeiten des Berliner Stadtbüros sei erst am 03.05.2010 erfolgt. Auch sei nicht vorgetragen worden, dass die Kündigung der Räumlichkeiten an den Flughäfen Berlin-Tegel und Hamburg vom 27.04.2010 die jeweiligen Vermieter noch vor Zugang seiner Kündigung erreicht habe. Die Beklagte könne ihn auch innerhalb ihres Unternehmens auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigen. Im Kündigungszeitpunkt habe bei der Beklagten ein Arbeitsplatz in der Abteilung Station Support in Budapest absehbar zur Besetzung offen gestanden, der im Frühjahr/ Frühsommer extern besetzt worden sei. Die auf diesem Arbeitsplatz zu verrichtende Arbeitsaufgabe, ausländische Rechnungen zu prüfen, habe auch zu seinem früheren Arbeitsplatz als Stationsleiter gehört. Dieser Arbeitsplatz sei keinesfalls höherwertig, sondern gleichwertig, ggf. geringfügig geringerwertig als sein bisheriger Arbeitsplatz. Zudem bestehe in der Verkehrsabteilung in Budapest stets eine hohe Fluktuation. Die Beklagte habe ihm daher jedenfalls einen Arbeitsplatz als Verkehrs- oder Rampofficer, im Ungarischen als "Allomasvezefö" - übersetzt: Stationsleiter - bezeichnet, in Budapest anbieten können. Als Stationsleiter habe er die für diese Arbeitsplätze erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben. Die Kündigung sei daher rechtswidrig.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.12.2010 - Az: 25 Ca 7691/10 - abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22.04.2010 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es gebe keinen europaweiten, die deutschen Grenzen überschreitenden Betrieb ihres Unternehmens. Der Begriff des "Betriebes" entspringe dem deutschen Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzrecht. Die Ansicht des Klägers bedeute, dass ausländische Rechtsordnungen mit dem deutschen Betriebsbegriff operieren müssten, da dann dort sogar ein deutscher Betriebsrat zuständig wäre. Deshalb scheide eine europaweite Sozialauswahl aus. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sei der erste Abschnitt des KSchG nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anwendbar. Auf die Sozialdaten der anderen Stationsleiter komme es daher nicht an. Es habe eine Betriebsstilllegung und keine "Aufgabenverlagerung" vorgelegen. Die Ansicht des Klägers, wonach das Arbeitsgericht eine überobligatorische Belastung von dem ungarischen Recht unterliegenden Mitarbeitern in Budapest prüfen könne, setze voraus, dass es einen gemeinsamen Betrieb in Deutschland und Ungarn gebe und dass das deutsche KSchG und das deutsche öffentliche Arbeits(zeit)recht über die deutschen Grenzen hinaus Anwendung finde, was falsch sei. Auch faktisch könne das Argument des Klägers nicht zutreffen. Die Aufgaben des Stationsleiters am Berliner Flughafen seien nicht nach Ungarn verlagert worden, sondern entfallen. Mit dem Ausspruch von Kündigungen von Dauerschuldverhältnissen habe ihr Stilllegungsbeschluss im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers greifbare Formen angenommen. Die unterschiedlichen Wirkungsdaten der Kündigungen ergäben sich aus den unterschiedlichen Kündigungsfristen der Arbeitnehmer, der erforderlichen Beachtung von Sonderkündigungsschutz und aus den Kündigungsfristen der Mietverträge. Es gebe auch keinen Arbeitsplatz im "Station Support" in Budapest, der im späten Frühjahr/ Frühsommer besetzt worden sei. Auch sei der Kläger kein "Rechnungsprüfer". Es gebe bei ihr keine Position als "Verkehrsofficer und Rampofficer" und deshalb auch keine derartigen freien Positionen. Bei Kündigungsausspruch habe es auch in Budapest keine eigenen Stellen für Stationsleiter mehr gegeben. Diese Tätigkeit werde auch in Budapest inzwischen von G.-Gesellschaften wahrgenommen. Auch das Konzept des Anbietens freier Arbeitsplätze beruhe zudem auf dem Kündigungsschutzgesetz, das auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Klägers und Berufungsklägers vom 21.03.2011 (Bl. 176 bis 186 d. A.), vom 22.03.2011 (Bl. 187 bis 198 d. A.) und vom 05.05.2011 (Bl. 218 bis 233 d. A.), auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 06.04.2011 (Bl. 210 bis 215 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2011 (Bl. 216/ 217 d. A.) nebst Anlage (Beitrag von Abbo Junker aus "Festschrift Konzen", Bl. 234 bis 241 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG statthafte sowie gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete und somit zulässige Berufung des Klägers blieb in der Sache erfolglos.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Der Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz führte nicht zu einem anderen Ergebnis.

I.

Die wegen der alsbald erforderlichen Klärung des Streits der Parteien um die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung der Beklagten, somit eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, mit dem Feststellungsantrag zulässige Klage ist nicht begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 22.04.2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.11.2010 aufgelöst.

1.

Die Kündigung der Beklagten vom 22.04.2010 war auf ihre soziale Rechtfertigung nach § 1 KSchG zu überprüfen.

1.1

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommt deutsches Arbeitsrecht zur Anwendung.

Da es sich dabei um ein vertragliches Schuldverhältnis in Zivilsachen mit einer Verbindung zum Recht verschiedener Staaten handelt, ist der Anwendungsbereich der am 17.12.2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 593/ 2008 (Rom I) für die Feststellung des anwendbaren Rechts eröffnet (vgl. auch Art. 3 Nr. 1. b) EGBGB in der ab 17.12.2009 geltenden Fassung). Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist. Die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag eine Rechtswahl nicht getroffen. Der Kläger verrichtete seine Arbeit gewöhnlich in Deutschland. Demnach ist das deutsche Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.

1.2

Die Kündigung der Beklagten vom 22.04.2010 gilt nicht nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da der Kläger die seiner Ansicht nach vorliegende Rechtsunwirksamkeit dieser, ihm am 29.04.2010 zugegangenen Kündigung mit der am 17.05.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Feststellungsklage gemäß § 4 Satz 1 KSchG rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang geltend gemacht hat.

1.3

Die Geltung des 1. Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes im Arbeitsverhältnis der Parteien war im Übrigen nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KSchG ausgeschlossen. Bei dem Betrieb der Beklagten, in dem der Kläger beschäftigt war, handelte es sich nicht um einen Kleinbetrieb im Sinne dieser Vorschriften, weil darin im Kündigungszeitpunkt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt wurden.

Wenn man den Beschäftigungsbetrieb des Klägers, also nach allgemeinem Verständnis die organisatorische Einheit, mit der der Arbeitgeber fortgesetzt arbeitstechnische Zwecke verfolgt, mit der Rechtsansicht des Klägers als grenzüberschreitend aufgestellt ansah, weil die Steuerung der Aktivitäten der Beklagten in Deutschland durch die Zentrale in Budapest erfolgte, griffen die Ausnahmeregelungen von § 23 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KSchG nicht ein, weil bei Zusammenrechnung der 17 im Kündigungszeitpunkt in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer mit den in Budapest tätigen Arbeitnehmern der darin vorgesehene Schwellenwert von mehr als fünf bzw. zehn Arbeitnehmern bei weitem überschritten war. Auch wenn man indes mit der Rechtsprechung des BAG eine derartige Zusammenrechnung nicht vornahm, weil als "Betrieb" im Sinne der Kleinbetriebsklausel nur in der Bundesrepublik Deutschland liegende Betriebe anzusehen sind (vgl. Urteile vom 17.01.2008 - 2 AZR 902/06 -, EzA § 23 KSchG Nr. 31 und vom 26.03.2009 - 2 AZR 883/07 -, DB 2009, 1409 f.), konnten unter den Betriebsbegriff des § 23 Abs. 1 KSchG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Teile größerer Unternehmen fallen, für die die Gesichtspunkte nicht zutreffen, die eine Benachteiligung der Arbeitnehmer bei der Ausgestaltung des Kündigungsrechts rechtfertigen, und ist zur Vermeidung einer Kollision mit Art. 3 Abs. 1 GG in diesem Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Betriebsbegriffs vorzunehmen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 27.01.1998 - 1 BvL 15/87 -, EzA § 23 KSchG Nr. 17 unter B. II. 4. bb) der Gründe). Auch der bei Beachtung dieser Rechtsprechung auf die Anzahl der in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer beschränkte Betrieb der Beklagten überschritt indes mit im Kündigungszeitpunkt insgesamt 17 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern die in § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG geforderte Arbeitnehmerzahl von mehr als fünf bzw. 10 Arbeitnehmern.

1.4

Der Kläger arbeitete im Kündigungszeitpunkt bereits seit dem 25.03.1985 und damit weitaus länger als sechs Monate im Betrieb der Beklagten, weshalb die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt war.

2.

Die Kündigung der Beklagten vom 22.04.2010, ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG.

Für die Kündigung der Beklagten lagen dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in deren Betrieb entgegenstanden. Freie Arbeitsplätze in Budapest musste die Beklagte dem Kläger zu Vermeidung der Kündigung nicht anbieten. Einer Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG bedurfte es nicht.

2.1

Bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung war von folgenden Grundsätzen auszugehen:

2.1.1

Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes, d.h. die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft. Der Unternehmer muss die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellen, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. Die betreffenden betrieblichen Umstände müssen im Kündigungszeitpunkt greifbare Formen angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt Urteile vom 23.02.2010 - 2 AZR 268/08 -, EzA § 18 KSchG Nr. 2, vom 28.05.2009 - 8 AZR 273/08 -, EzA § 17 KSchG Nr. 20 und vom 27.09.2007 - 8 AZR 941/06 -, EzA § 613a BGB 2002 Nr. 86).

Auch im Falle der Betriebsstilllegung ist eine Kündigung nach dem in § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziffern 1. b) und 2. b) KSchG gesetzlich konkretisierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann.

Da mit einer Betriebsstilllegung die Beendigung der Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebes verbunden ist, bedarf es regelmäßig keiner Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG, es sei denn, die Stilllegung wird etappenweise durchgeführt.

2.1.2

"Betriebe" im Sinne der Bestimmungen in § 1 KSchG sind nur die in der Bundesrepublik Deutschland liegenden organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Ansicht, dass § 23 Abs. 1 KSchG nur Betriebe erfasst, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen, und dass der Betriebsbegriff im gesamten Kündigungsschutzgesetz einheitlich gebraucht wird (vgl. Urteil vom 17.01.2008 - 2 AZR 902/06 -, EzA § 23 KSchG Nr. 31). Das Gericht hat insoweit auf die in §§ 1, 15 und 17 KSchG weitgehende Verwendung des Betriebsbegriffs in dessen Prägung insbesondere durch das Betriebsverfassungsrecht hingewiesen und diesen Betriebsbegriff aus der Systematik der gesetzlichen Vorschriften, ihrer Entstehungsgeschichte und aus mangelnden Änderungen des diesbezüglichen Wortlauts der Vorschriften durch den Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Gerichts trotz mehrfacher Möglichkeiten anlässlich anderweitiger Änderungen abgeleitet. Den von Junker (Festschrift für Konzen, S. 367 ff.) vorgetragenen Bedenken ist es unter Hinweis auf die bestehende Möglichkeit zu verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften entgegen getreten und hat überdies auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verneint (vgl. Urteil vom 17.01.2008 - 2 AZR 902/06 -, aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12.03.2009, mit dem es die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat (- 1 BvR 1250/08 -, zitiert nach juris-Datenbank), ausdrücklich erklärt, dass die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, das Kündigungsschutzgesetz gelte grundsätzlich nur für Betriebe in Deutschland, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. In seinem nachfolgenden Urteil vom 26.03.2009 (- 2 AZR 883/07 -, DB 2009, S. 1409 f.) hat das Bundesarbeitsgericht an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung festgehalten und zur Begründung seiner Rechtsauffassung zusätzlich auf die im Kündigungsschutzrecht stets zu berücksichtigenden betrieblichen Gegebenheiten sowie auf die Notwendigkeit der Anwendung und Durchsetzung des deutschen Arbeitsrechts gegenüber allen etwa angesprochenen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber hingewiesen.

Den gegen seine Rechtsansicht in der arbeitsrechtlichen Literatur vorgebrachten Argumenten (vgl. insbesondere Gravenhorst, jurisPR-ArbR 31/2008; Deinert, ArbuR 2008, S. 300 ff; Otto/ Mückl BB 2008, S. 1231; Pomberg EWiR 2008, S. 667; Boemke, JuS 2008, S. 751, Junker in Festschrift für Konzen 2006, S. 367 ff.; Straube DB 2009, S. 1406 ff. ) ist das Bundesarbeitsgericht in den zitierten Entscheidungen bereits weitgehend entgegen getreten. Darauf wird zunächst Bezug genommen.

Dass es nach der Dogmatik des Internationalen Privatrechts grundsätzlich möglich ist, dass einzelne Tatbestandsmerkmale anzuwendender Normen im Ausland verwirklicht werden (vgl. Straube, aaO), steht der vom Bundesarbeitsgericht getroffenen Auslegung des Betriebsbegriffes des Kündigungsschutzgesetzes nicht entgegen. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene und vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich betrachtete Auslegung führt im Ergebnis zu einer Beschränkung der Geltung des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes auf in der Bundesrepublik Deutschland liegende Betriebe. Der Betriebsbegriff des Kündigungsschutzgesetzes erfasst daher im Ausland gelegene Betriebe nicht.

Auch widerspricht der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts auf die in §§ 1, 15 und 17 KSchG weitgehende Verwendung des insbesondere das Betriebsverfassungsrecht prägenden Betriebsbegriffes nicht grundsätzlich der mit der Herausnahme des Kündigungsschutzes aus dem Betriebsverfassungsrecht bezweckten Verselbständigung der kündigungsschutzrechtlichen Normen. Allein eine weitgehend gleiche Bedeutung des Betriebsbegriffes im Kündigungsschutzgesetz macht dieses keineswegs zu einem bloßen "Unterfall" des Betriebsverfassungsgesetzes (so aber Urteil des LAG Hamburg vom 22.03.2011 - 1 Sa 2/11 -). Für eine weitgehend übereinstimmende Bedeutung des Betriebsbegriffes in beiden Gesetzen spricht zudem auch die mit der Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG beabsichtigte Verstärkung des Kündigungsschutzes der Arbeitnehmer und sprechen insbesondere die darin aufgeführten Widerspruchsgründe des Betriebsrats gegen eine Kündigung, die in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG ausdrücklich aufgegriffen wurden.

Im Ausland tätige Mitarbeiter eines Unternehmens, die ihrerseits keine Rechte aus dem deutschen Kündigungsschutzgesetz herleiten können, weil sie einer anderen Rechtsordnung unterliegen, dürften grundsätzlich nicht einer Sozialauswahl zugunsten in Deutschland tätiger Mitarbeiter des Unternehmens unterworfen werden, da sie dann möglicherweise ihre Arbeitsplätze zugunsten dieser Mitarbeiter räumen müssten, ohne dass ihnen selbst die gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten einer Kündigung nach dem deutschen Kündigungsschutzrecht zur Verfügung stünden. Der Durchsetzung eines derartigen Vorgehens könnten zudem deren im Ausland geltende Vertragsrechte und die für ihre Arbeitsverhältnisse dort geltenden gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen.

Die Möglichkeit und vor allem Durchsetzbarkeit der Inanspruchnahme von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen im Ausland gelegener Betriebe eines Unternehmens durch in Deutschland von Kündigung bedrohte Arbeitnehmer erscheint ebenfalls zweifelhaft. Zum einen würde dies die Freiheit des einer anderen Rechtsordnung unterliegenden Unternehmens bei der Auswahl ggfs. neu einzustellender Arbeitnehmer einschränken, ohne dass dies dem im ausländischen Betrieb geltenden Recht entsprechen müsste, zum anderen würden die Bewerbungschancen der Mitbewerber im Ausland beeinträchtigt, ohne dass diese ihrerseits vergleichbare Rechte erwerben könnten, wie diese den deutschen Arbeitnehmern zustehen. Hinzu kommt, dass bei dauerhafter Versetzung und Tätigkeitsaufnahme in einem ausländischen Betrieb bei fehlender Rechtswahl im Arbeitsvertrag nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 nunmehr automatisch das dort geltende nationale Recht auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung käme, was Auswirkungen insbesondere auf Vergütung, Kündigungsschutz und sonstige Arbeitsbedingungen hätte. Schon deshalb dürfte hierfür regelmäßig eine Änderungsvereinbarung bzw. im Falle der Nichteinigung eine Änderungskündigung erforderlich sein. Dies würde zusätzliche Fragen der Zumutbarkeit aufwerfen, die in ihrer Komplexität vom Sinn und Zweck des aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleiteten Beschäftigungsanspruches in anderen Betrieben eines Unternehmens zur Vermeidung einer Kündigung nicht mehr erfasst würden.

Die Anwendung eines länderübergreifenden Betriebsbegriffs würde deshalb die der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes zugrunde liegenden "Kohärenzen und Korrespondenzen" zerreißen, wie vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 26.03.2009 (- 2 AZR 883/07 -, aaO) zutreffend festgestellt.

Der einheitliche Gebrauch des Betriebsbegriffes im gesamten Kündigungsschutz hat zur Folge, dass auch die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG nur auf in der Bundesrepublik Deutschland liegende Betriebe bezogen werden kann.

2.2

Bei Anwendung dieser Grundsätze erwies sich die Kündigung der Beklagten vom 22.04.2010 als sozial gerechtfertigt.

2.2.1

Es lag eine unternehmerische Entscheidung vor, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger führte.

Die Geschäftsleitung der Beklagten hat mit dem am 08.09.2009 notariell beurkundeten Beschluss entschieden, sämtliche ausländische Repräsentanzen in den darin namentlich aufgeführten Ländern, darunter Deutschland, zu schließen. Dies beinhaltete die vollständige Stilllegung ihres aus den dort gelegenen Unternehmensteilen der Beklagten bestehenden Betriebes in Deutschland und damit den Wegfall der Arbeitsplätze sämtlicher 17 zuletzt noch in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer, darunter des Arbeitsplatzes des in Deutschland als Stationsleiter beschäftigten Klägers.

Der Beschluss der Beklagten zur Schließung ihrer Repräsentanz in Deutschland beinhaltete nach dem deutschen Kündigungsschutzrecht eine Betriebsstilllegung und keine bloße Aufgabenverlagerung oder Konzentration der Aufgabenverteilung innerhalb eines grenzüberschreitend aufgestellten Betriebes. Als "Betrieb" im Sinne des deutschen Kündigungsschutzrechts waren allein die in Deutschland gelegenen Teile des Unternehmens der Beklagten anzusehen. Auch wenn diese von der Zentrale der Beklagten in Budapest aus gesteuert wurden, konnte für die Anwendung des deutschen Kündigungsschutzgesetzes nach der unter 2.1.2 dargestellten Auslegung des darin verwendeten Betriebsbegriffs nicht auf einen die deutschen Grenzen überschreitenden Betrieb abgestellt werden. Es bedurfte deshalb auch keiner Prüfung, ob die in Budapest beschäftigten Arbeitnehmer infolge der Übernahme von Aufgaben der durch die Repräsentanzschließungen in anderen Ländern entlassenen Arbeitnehmer überobligatorisch belastet wurden, und keiner weiteren diesbezüglichen Darlegungen der Beklagten.

Die Absicht der Beklagten zur Stilllegung ihres in Deutschland gelegenen Betriebes hatte im Kündigungszeitpunkt auch bereits greifbare Formen angenommen. Die Beklagte hat zur gleichen Zeit sämtliche Arbeitsverhältnisse ihrer in Deutschland tätigen Mitarbeiter mit Ausnahme der Schwerbehinderten und in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer gekündigt. Dass deren Kündigungen erst im Juni 2010 erfolgten, war allein den hierfür einzuholenden behördlichen Genehmigungen geschuldet. Auch waren für die Kündigungen der Mietverhältnisse die hierfür einzuhaltenden Kündigungsfristen maßgeblich. Da das Mietverhältnis für das Berliner Stadtbüro nach dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils infolge eines Zeitmietvertrages erst zum 31.03.2011 beendet werden konnte, war es für die Feststellung der greifbaren Formen der Betriebsstilllegung unerheblich, dass die Kündigung des diesbezüglichen Mietvertrages erst am 03.05.2010 und damit erst nach Kündigungszugang erfolgte. Auch hatte die Beklagte noch vor Zugang der Kündigung beim Kläger am 29.04.2010 mit ihren Kündigungsschreiben vom 27.04.2010 die Absicht zur Kündigung ihrer Räumlichkeiten in den Flughäfen Berlin-Tegel zum 31.07.2010 und Hamburg zum 31.12.2010 zum Ausdruck gebracht, ohne dass es darauf ankam, wann diese Kündigungen den jeweiligen Vermietern zugingen. Alle Kündigungen der Dauerschuldverhältnisse durch die Beklagte erfolgten jedenfalls zur Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses bezüglich ihres in Deutschland gelegenen Betriebes.

2.2.2

Die Beklagte musste den Kläger nicht zur Vermeidung der Kündigung auf einem freien Arbeitsplatz in Budapest weiterbeschäftigen.

Der Betrieb der Beklagten in Budapest ist kein anderer Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, da der Betriebsbegriff des Kündigungsschutzgesetzes einheitlich verwendet wird und nur auf in Deutschland liegende Unternehmensteile der Beklagten anzuwenden ist. Trotz des in § 2 des Arbeitsvertrages des Klägers erklärten Einverständnisses, nach Bedarf auch andere Tätigkeiten zu übernehmen, die seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechen und sich ggf. in eine andere Abteilung oder Betriebsstätte der Beklagten versetzen zu lassen, hatte er deshalb keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in Budapest zur Abwendung der Kündigung der Beklagten.

Die Beklagte musste dem Kläger zudem auch deshalb kein Angebot zur Weiterbeschäftigung in Budapest unterbreiten, weil dies weder ihr noch dem Kläger zumutbar gewesen wäre. Dabei war zu beachten, dass der Kläger im Kündigungszeitpunkt bereits 63 Jahre alt war und wegen Erreichens des Rentenalters am 24.12.2011 von der Beklagten über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30.11.2010 hinaus überhaupt nur noch gut ein Jahr beschäftigt werden musste. Da der Kläger in einem Arbeitsverhältnis in Budapest in der Abteilung Station Support oder in der Verkehrsabteilung erst hätte eingearbeitet werden müssen, zudem im Kündigungszeitpunkt bereits seit dem 18.02.2010 arbeitsunfähig krank war und ein Ende der Arbeitsunfähigkeit damals nicht in Sicht war, konnte es der Beklagten nicht zugemutet werden, ihm einen alsbald zu besetzenden Arbeitsplatz in Budapest anzubieten, selbst wenn ein solcher Arbeitsplatz frei gewesen wäre, was die Beklagte bestritten hat. Auch dem Kläger wäre bei objektiver Betrachtung eine Weiterbeschäftigung in Budapest bis zum 31.12.2011 nicht zumutbar gewesen. Bei Weiterbeschäftigung in Budapest hätte er jedenfalls nach einem Monat nach § 2 des Arbeitsvertrages nur noch die dort erzielbare Vergütung erhalten, häufige Besuche seiner Familie in Deutschland dürften schwerlich möglich gewesen sein. Ein Umzug der Familie des Klägers kam für einen derart kurzen Zeitraum kaum in Betracht, zumal ein pflegebedürftiger und zu 100 % schwerbehinderten erwachsener Sohn des Klägers dieser Familie angehörte.

Es musste deshalb kein Beweis darüber erhoben werden, ob die vom Kläger bezeichneten Arbeitsplätze in Budapest im Kündigungszeitpunkt tatsächlich frei waren.

2.2.3

Einer Sozialauswahl bedurfte es nicht.

Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen. Da im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sämtliche Arbeitnehmer des Beschäftigungsbetriebes in Deutschland, mit Ausnahme der Schwerbehinderten und in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer, deren Sonderkündigungsschutz bereits einer Sozialauswahl entgegenstand, ebenfalls gekündigt wurden, und auch keine etappenweise Betriebsstilllegung vorlag, war eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen.

Einer Sozialauswahl mit im Ausland tätigen Stationsleitern bedurfte es nicht, weil diese nicht dem in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Betrieb der Beklagten angehörten, in dem der Kläger beschäftigt war. Der Beklagten war deshalb nicht aufzugeben, den Familienstand und die Unterhaltspflichten des in Brüssel weiterbeschäftigten Stationsleiters, Herrn de B., und die Sozialdaten der Stationsleiter in Amsterdam, Madrid und Tel Aviv mitzuteilen.

3.

Aus diesen Gründen war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Revision wurde in Ansehung der abweichenden Ansicht und Revisionszulassung in einem Parallelverfahren durch das LAG Hamburg mit Urteil vom 22.03.2011 - 1 Sa 2/11 - zugelassen.