OLG Köln, Beschluss vom 26.07.2007 - 2 U 36/07
Fundstelle
openJur 2014, 18458
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten vom 5. März 2007 gegen das Urteil der Einzelrichterin der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 29 O 360/05 - vom 11. Januar 2007 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 13. August 2007 abschließend Stellung zu nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass mit einer Verlängerung der Stellungnahmefrist nicht gerechnet werden kann.

2.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin in der Klageschrift auf

22.918,01 €

festzusetzen und entsprechend die Wertfestsetzung in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts zu ändern (22.452,11 € = Höhe der fälligen und titulierten Forderung, wegen deren die Klägerin die Zwangsvollstreckung betreibt, zuzüglich des in Ziffer 3 der angefochtenen Entscheidung titulierten Zahlungsanspruchs in Höhe von 465,80 €; dem in Ziffer 2 der angefochtenen Entscheidung titulierten Herausgabeanspruch kommt kein zusätzlicher Wert zu).

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu bis zum 13. August 2007 abschließend Stellung zu nehmen.

Gründe

1.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat zu Recht (§ 513 Abs. 1 ZPO) der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten bietet auf der Grundlage der Berufungsbegründung keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

a)

Das Landgericht hat zutreffend die Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den bei der O Lebensversicherung zugunsten des Schuldners abgeschlossenen Kapitallebensversicherungsvertrag bejaht. Die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus diesem Vertrag an die Beklagte stellt eine anfechtbare Rechtshandlung dar.

aa)

Die Klägerin ist gemäß § 2 AnfG anfechtungsberechtigt. Sie hat gegen den Ehemann der Beklagten als Schuldner aufgrund des Versäumnisurteils des Landgerichts Köln vom 28. Januar 2004 (23 O 562/04) sowie der in den Verfahren 23 O 562/04, Landgericht Köln, am 24. Februar 2005 und in dem Verfahren 7 O 66/00, Landgericht Köln, am 7. März 2005 ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse vollstreckbare Schuldtitel. Die von der Klägerin durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen sind sämtlich erfolglos verlaufen und haben zu keiner Befriedigung geführt.

bb)

Die bei jeder Anfechtung erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung ist gegeben. Dies ist der Fall, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger ohne die angefochtene Handlung des Schuldners günstiger gestaltet hätte. Hiervon ist auszugehen. Ohne die streitgegenständlicheAbtretung der Rechte aus der Lebensversicherung hätte die Klägerin als Gläubigerin des Schuldners erfolgreich vollstrecken können. Nach den von dem Landgericht getroffenen, für den Senat bindenden Feststellungen betrug der Rückkaufwert der Lebensversicherung am 3. August 2005 37.118,94 €. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich dieser Rückkaufwert bis zu dem für die Beurteilung der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung maßgeblichen Zeitpunkt (siehe dazu BGH, ZInsO 2007, 101 [103]; BGH, Teilurteil vom 3. Mai 2007, IX ZR 16/06, zur Veröffentlichung vorgesehen) noch in erheblicher Weise reduziert hat.

cc)

Entgegen der Berufung der Beklagten liegt ebenfalls ein Anfechtungsgrund vor. Die Abtretung der Rechte aus der Lebensversicherung bei der O Lebensversicherung AG stellt sich bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und der vom Landgericht fehlerfrei getroffenen Feststellungen als unentgeltliche Leistung im Sinne des § 4 Abs. 1 AnfG dar.

Insoweit kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die nach ihrem Vortrag am 29. Mai 2001 getroffene Vereinbarung an, mit der die Ansprüche und Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag im Wege der Sicherungsabtretung zur Besicherung der gegenüber der T vorgenommenen Verpfändung abgetreten worden sind. Fehl geht zudem die Vorstellung der Berufung, dass Landgericht sei in "rechtsirriger Weise davon ausgegangen, dass die O Lebensversicherung AG Partei der Abtretung sei. Dies sei nicht nachvollziehbar und unzutreffend. Es bedürfe überhaupt keiner Annahmeerklärung der Abtretung ... durch die O Lebensversicherung AG. ... Die rechtliche Bewertung des erstinstanzlichen Gerichts läge daher neben der Sache". Vielmehr verkennen die Beklagten bzw. deren Prozessbevollmächtigten die maßgeblichen, allgemein anerkannten und in gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Abtretung der Rechte aus einem Versicherungsvertrag.

Die auf den 29. Mai 2001 datierte Abtretungsvereinbarung ist nicht wirksam. Die dem streitbefangenen Lebensversicherungsvertrag vom 17. Oktober 1995 zugrunde liegenden "Allgemeinen Bedingungen (Nr. 101104) für die kapitalbildende Lebensversicherung" enthält in § 14 Abs. 4 eine in Anlehnung an die Musterbedingungen für die Großlebensversicherung in § 13 Abs. 3 ALB gefasste Bestimmung, wonach die Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherer nur und erst dann wirksam ist, wenn diese dem Versicherer vom bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt worden ist. Mit dieser Regelung will der Versicherer als Verwender nicht nur sicherstellen, dass seine Leistung für den vertraglich vorgesehenen Zweck verwendet wird; er will insbesondere die Abrechnung übersichtlich gestalten und verhindern, dass ihm eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern gegenübertritt (vgl. zu dieser Klausel auch BGHZ 51, 113 [117], BGHZ 56, 228 [234]; BGHZ 112, 387, zitiert nach juris). Der Verwender macht mit der gewählten Formulierung "nur und erst dann" die Abtretbarkeit von einem besonderen Erfordernis abhängig, hier der Anzeige beim Versicherer (BGHZ 112, 387, zitiert nach juris). Die Wirkung dieser Regelung besteht darin, dass die Abtretung nicht nur relativ gegenüber dem Schuldner ähnlich dem gesetzlichen, gerichtlichen oder behördlichen Veräußerungsverbot der §§ 135, 136 BGB unwirksam ist. Vielmehr ist eine Abtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag absolut unwirksam, solange der Berechtigte die Abtretung dem Versicherer nicht schriftlich anzeigt (BGHZ 112, 387, zitiert nach juris; BGH VersR 1992, 561 = NJW-RR 1992, 790).

Dass hinsichtlich der Sicherungsabtretungserklärung vom 29. Mai 2001 eine wirksame Abtretungsanzeige bei dem Versicherer eingegangen ist, wird von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. dazu nur Huber, aaO, § 4 Rn. 13) nicht konkret aufgezeigt. Es fehlt bereits an einem konkreten Vortrag, ob und wann das Schreiben des Schuldners vom 12. Oktober 2001, welches in einer nicht unterzeichneten Kopie zu den Akten gereicht wurde und in der eine Abtretung der Ansprüche nicht ausdrücklich angezeigt wurde (Bl. 123 d.GA.), bei dem Versicherer eingegangen ist. Allein die Absendung dieses Schreibens, welches im übrigen nicht an die in dem Versicherungsvertrag für die Übersendung von "Meldungen und Unterlagen" angegebene Anschrift:

"O Versicherungsgruppe, S 12-18, O"

sondern an die

"Bezirksdirektion L2",

gerichtet war, ist ohne Bedeutung. Es kommt für die Wirksamkeit der Abtretung nicht darauf an, wann das Schreiben vom 12. Oktober "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei der O Versicherung" eingegangen sein muss. Allein entscheidend ist vielmehr der von der Beklagten zu beweisende tatsächliche Eingang der Abtretungsanzeige bei dem Versicherer.

Gegen den Eingang einer (wirksamen) Abtretungsanzeige spricht die Abtretungserklärung vom 29. November 2001 und deren Eingang bei der Versicherung am 28. Dezember 2001. Diese wäre im Falle einer vorangegangenen wirksamen Abtretung überflüssig gewesen. So hat die Beklagte auch selbst mit dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 13. April 2006 auf Seite 4 (Bl. 105 d.GA.) ausgeführt:

"In der Abtretungserklärung gegenüber der O Lebensversicherung [vom 29. November 2001] ist vielmehr lediglich die spätere Anzeige des zeitlich vorhergehenden Rechtsgeschäftes zu sehen. In Absprache mit der O Lebensversicherung sollte dies in einem Formblatt erfolgen."

Daher kann es dahinstehen, inwieweit die von der Beklagten geltend gemachte Anzeige an die "Bezirksdirektion L2", ausreichte. Erst recht reichte die erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 11. August 2006 vorgetragene mündliche Anzeige nicht aus. § 13 Abs. 1 der dem streitbefangenen Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen enthält eine wirksame (siehe dazu BGH, NJW 1999, 1633 mit zustimmender Anmerkung von Lorenz, VersR 1999, 565) Beschränkung der Empfangsvollmacht der Versicherungsagenten. Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, müssen stets schriftlich erfolgen, wobei nach § 13 Abs. 1 S. 2 der Bedingungen die Mitteilung erst wirksam wird, sobald diese dem Versicherer zugegangen ist. § 13 Abs. 1 S. 3 der Bedingungen sieht insoweit ausdrücklich vor, dass ein Versicherungsvertreter zu der Entgegennahme der Erklärung für den Versicherer nicht bevollmächtigt ist.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten von der Wirksamkeit der Abtretung ausgeht, könnte die Beklagte hieraus keine Rechte mehr herleiten. Die ursprüngliche Sicherungsabtretung vom 29. Mai 2001 ist durch die uneingeschränkte Abtretungsvereinbarung vom 29. November 2001 ersetzt worden. Zutreffend hat daher die Einzelrichterin geprüft, ob diese Rechtshandlung der Anfechtung nach § 4 AnfG unterliegt und diese Voraussetzungen bejaht. Selbst wenn man die Auffassung der Beklagten teilt, dass auch diese Abtretung, obwohl sich hierfür in der Urkunde keine Anhaltspunkte finden, als Gegenleistung für die von ihr gegenüber der T erklärte Besicherung der Prozessbürgschaft erfolgt ist, liegt eine Unentgeltlichkeit vor. Für die Abgrenzung entgeltliche/unentgeltliche Leistung ist die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers maßgebend (st. Rspr. z.B. BGH, WM 1978, 671 [674]; BGHZ 113, 98 [102]; BGHZ 113, 393 [395 f.]; BGH, NJW 1993, 663 [664]; BGH, ZIP 1999, 316 [317]). Insoweit teilt der Senat die Auffassung der Einzelrichterin, dass die uneingeschränkte und damit endgültige Abtretung der Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von über 30.000,00 € eine übermäßige Sicherung für die nur vorübergehende Gewährung einer Sicherheit darstellt. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen.

Soweit die Berufung darauf hinweist, dass weiterhin "ein Darlehen des Zeugen L3 von 5.000,00 € sowie eines weiteren von 4.090,34 € (8.000,00 DM) abgedeckt werden musste", wird bereits von der Beklagten nicht konkret behauptet, die Abtretung des streitbefangenen Lebensversicherungsvertrages sei gerade als Gegenleistung für die Gewährung dieser Darlehen erfolgt. Zudem steht das jetzige Vorbringen teilweise im Widerspruch zu den Ausführungen in der Klageerwiderung. Dort wird unter Vorlage einer schriftlichen Darlehensvereinbarung vom 12. März 2004 (Bl. 41 d.GA.) geltend gemacht, zur Absicherung der - so die Beklagte - erst in den Jahren 2003 und 2004 gewährten Darlehen in Höhe von insgesamt 5.000,00 € sei die Übertragung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag bei der B Lebensversicherung erfolgt.

dd)

Die für die Anwendung von § 4 AnfG maßgebliche Anfechtungsfrist von 4 Jahren ist durch die mit Schriftsatz vom 28. November 2005 erhobene Klage gewahrt. Die Wirksamkeit der zweiten Abtretung trat erst mit dem Zugang der Abtretung bei dem Versicherer ein. Diese erfolgte, wie der auf der Abtretungserklärung angebrachte Eingangsstempel der Versicherung belegt, erst am 28. Dezember 2001.

b)

Gegenüber der titulierten Herausgabegabeverpflichtung betr. den Versicherungsschein sowie dem Anspruch auf Zahlung von 465,90 € werden von der Berufung keine weitergehenden Einwendungen erhoben.

2.

Die Annahme der Berufung der Beklagten ist trotz fehlender Erfolgsaussicht ebenso wenig aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die obergerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im übrigen basiert die Beurteilung des Streitfalls auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat der Beklagten Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung des Rechtsmittels innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.