VG Stuttgart, Urteil vom 24.06.2014 - A 11 K 741/14
Fundstelle
openJur 2014, 14771
  • Rkr:

Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien weisen gegenwärtig systemische Mängel auf.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.02.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.

Der am … 1979 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28.10.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 13.11.2013 beantragte er die Gewährung von Asyl.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 18.11.2013 gab der Kläger an, im August/September 2009 sei er von Teheran mit einer bulgarischen Fluggesellschaft nach Bulgarien geflogen. Er sei im Besitz eines bulgarischen Visums gewesen. Nach Ablauf des Visums habe er sechs Monate im Gefängnis zugebracht. Er habe dann einen Asylantrag gestellt. Drei Jahre später sei sein Asylgesuch angenommen worden und er habe einen bulgarischen Reiseausweis erhalten. Während des Asylverfahrens habe er eine Wohnung zur Verfügung gestellt erhalten und eine Schule besucht, um die Sprache zu erlernen. Nach drei Jahren sei er obdachlos gewesen. Er habe dann eine Fahrkarte gekauft und sei von Bukarest nach Stuttgart gefahren.

Mit Schriftsatz vom 31.01.2014 trug der Kläger vor, mit einem bulgarischen Visum sei er vom Iran nach Bulgarien gereist. Zunächst sei er sechs Monate lang in Haft gewesen. Dort habe er einen Asylantrag stellen müssen, um nicht abgeschoben zu werden. Während des Asylverfahrens habe er unter erbärmlichen Bedingungen in einem Asylwohnheim in Sofia gelebt. Sein Essen habe er aus Mülleimern holen müssen, um überleben zu können. Nach einem Jahr habe er eine Arbeitserlaubnis erhalten, jedoch keine Arbeitsstelle gefunden. Auch Behandlungskosten für eine schwere Nierenerkrankung seien nicht vom Staat übernommen worden. Während des Asylverfahrens habe er sich taufen lassen und mit großem Arrangement unter iranischen Flüchtlingen missioniert. Nach der Flüchtlingszuerkennung habe er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Sechs Monate lang habe er eine gewisse finanzielle Unterstützung bekommen und habe sich ein Zimmer nehmen sowie einen Sprachkurs belegen können. Von einem afghanischen Flüchtling habe er mitbekommen, dass er von der iranischen Botschaft beobachtet werde. Daraufhin habe er sein Engagement bei der Baptistenkirche beendet. Nach Ablauf der sechs Monate habe er keinerlei Unterstützung mehr von Seiten des bulgarischen Staates erhalten. Eine Arbeitsstelle habe er nicht gefunden. Er habe dann auf der Straße gelebt und sich aus Mülleimern ernährt. Von der schließlich gefundenen Arbeitsstelle in einem Dönerladen habe er seinen Lebensunterhalt kaum fristen können.

Mit Bescheid vom 05.02.2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnet die Abschiebung nach Bulgarien an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da Bulgarien gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt habe.

Am 11.02.2014 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine Rücküberstellung nach Bulgarien würde zu einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 4 GrRCh führen. Die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Bulgarien wiesen systemische Mängel auf. Der UNHCR habe im Januar 2014 die Vertragsstaaten aufgefordert, vorläufig keine Asylbewerber mehr nach Bulgarien zu überstellen. Nach Erkenntnissen des UNHCR würden in Bulgarien die Grundbedürfnisse der Asylbewerber in Bezug auf Nahrung und Gesundheitsfürsorge nicht erfüllt. Bei Bulgarien könne es sich somit nicht um einen sicheren Drittstaat handeln. § 71a AsylVfG finde folglich keine Anwendung.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.02.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Übernahmezustimmung Bulgariens sei auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 1e VO-EG Nr. 343/2003 erfolgt. Hieraus folge, dass der Asylantrag des Klägers in Bulgarien abgelehnt worden sei. Falls das Bundesamt zuständig sei, handele es sich um einen Zweitantrag. Ein erneutes Verfahren könne aber nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG durchgeführt werden. Der Kläger habe aber nicht dargelegt und belegt, wann sein Asylantrag in Bulgarien abgelehnt worden sei. Eine Asylanerkennung scheitere an der Drittstaatenregelung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Gründe

Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 05.02.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.

Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Zwar ist Bulgarien aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Bulgarien indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.

Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.

Der Kläger hat im Hinblick auf Bulgarien systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Bulgarien die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.

Der UNHCR hat in einem Bericht vom 02.01.2014 („Bulgaria As a Country of Asylum“) ausgeführt, Asylsuchende, die gemäß den Vorgaben der Dublin II-VO nach Bulgarien abgeschoben würden, seien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Die unmenschlichen Aufnahmebedingungen bedeuteten eine Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf Privatsphäre. Außerdem liefen Asylsuchende Gefahr, willkürlich inhaftiert zu werden, da eine klare Rechtslage in Bulgarien fehle. Überstellungen nach Bulgarien müssten deswegen ausgesetzt werden.

Im Jahr 2013 hätten mehr als 9100 Personen in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Dabei gehe der UNHCR davon aus, dass die tatsächliche Anzahl von Asylsuchenden höher sei als die, die in der Statistik erfasst werde. Bei Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren sei ein wesentliches Problem, dass eine Wideraufnahme des Asylverfahrens nach der Rückkehr aus einem anderen EU-Staat nicht gewährleistet sei. Denn das bulgarische Recht sehe vor, dass ein dreimonatiges Nichtbetreiben des Asylverfahrens zur Folge haben könne, dass der Asylantrag in Abwesenheit abgelehnt werde. Dieses Ergebnis könne in der Regel nicht abgewendet werden, da Asylsuchende nicht darlegen könnten, warum sie das Asylverfahren vor der Behörde nicht betrieben hätten. Würden Asylsuchende in einer solchen Situation aus einem anderen EU-Staat abgeschoben, so würden sie regelmäßig in Abschiebungshaft genommen. Dann bleibe nur noch die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Damit dieser erfolgreich sein könne, müssten allerdings neue Gründe für den Asylantrag vorgetragen werden können, was regelmäßig nicht der Fall sein werde. Im Ergebnis führe dies zu einer Ablehnung als "offensichtlich unbegründet". Für diese abgelehnten Asylsuchenden gebe es keinerlei staatliche Unterstützung.

Es gebe einen massiven Mangel an Plätzen in Aufnahmeeinrichtungen. Deswegen finde vielfach eine Zuweisung in eine solche Aufnahmeeinrichtung nicht statt. Wegen der mangelnden Registrierungskapazitäten würden zahlreiche Asylanträge nicht entgegengenommen. Insgesamt werde sowohl die EU-Aufnahme- als auch die Asylverfahrensrichtlinie verletzt. Solange eine Registrierung eines Asylantrags nicht erfolgt sei, würden die betreffenden Personen wie regulär Aufhältige behandelt, denen die Abschiebung drohe.

Eigentlich sei in Bulgarien eine längere Inhaftierung als 24 Stunden nur dann zulässig, wenn die Einreise oder der Aufenthalt irregulär seien oder keine Identitätsnachweise vorhanden seien. Dann könne bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Da zahlreiche Asylanträge nicht registriert würden, werde diese ausufernde Inhaftierungspraxis auch auf Asylsuchende angewandt. Auch wegen der fehlenden Aufnahmeplätze in Aufnahmeeinrichtungen blieben viele Asylsuchende zahlreiche Monate in Haft.

Ein großes Problem in der Haft bestehe darin, dass es an qualifizierten Dolmetschern fehle. Eine Entlassung sei nur dann möglich, wenn Asylsuchende nachweisen könnten, dass sie eine externe Adresse in Bulgarien hätten. Teilweise habe dies zu einer Praxis geführt, dass fingierte Adressen, die Asylsuchende gegen Zahlung bestimmter Geldsummen beschaffen könnten, angegeben würden. Da die Unterkunft real aber nicht existiere, führe die Entlassung zur Obdachlosigkeit der Asylsuchenden.

Nach offiziellen Angaben habe Bulgarien 4060 Aufnahmeplätze für Asylsuchende. Die meisten Aufnahmelager seien überbelegt. Zur Zeit gebe es sieben Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien. Die Hälfte aller Asylsuchenden in Bulgarien sei dort untergebracht. Bei einer der Aufnahmeeinrichtungen handele es sich um eine geschlossene Einrichtung, obwohl nach bulgarischem Recht eine Inhaftierung von Asylsuchenden nicht zulässig sei. Bei 5000 Asylsuchenden sei eine externe Adresse vorhanden. Lebe jemand außerhalb der Lager, leiste der Staat keinerlei Unterstützung mit Ausnahme einer Gesundheitsversicherungskarte, die einen Zugang zur medizinischen Basisversorgung ermögliche.

Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien kläglich. Essen werde vom Staat nicht angeboten und grundsätzlich bestehe auch kein Zugang zu Kochvorrichtungen. Es fehle auch an adäquater Heizung einschließlich heißen Wassers und notwendiger Gesundheitsversorgung. Die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen seien nicht auf einem akzeptablen Niveau.

In Aufnahmeeinrichtungen erhielten Asylsuchende umgerechnet 33 € pro Monat. Direkt nach ihrer Ankunft erhielten sie ein Essenspaket, dass fünf Tage reichen solle.

Die Bedingungen im Aufnahmelager Harmanli seien am schlimmsten. Hierbei handele es sich um eine geschlossene Einrichtung. Obwohl kein Essen zur Verfügung gestellt werde, dürften die Insassen das Lager nicht verlassen, um Nahrungsmittel einzukaufen. Die Aufnahmekapazität von 1450 Plätzen werde deutlich überschritten. In Harmanli gebe es entweder Fertighütten oder unrenovierte Gebäude, die keine angemessenen Standards böten.

In den Aufnahmelagern gebe es keinerlei medizinische Versorgung. Da die Asylsuchenden verschriebene Medikamente selbst bezahlen müssten, dafür das Geld jedoch fehle, blieben Krankheiten unbehandelt.

Die bulgarischen Behörden seien nicht in der Lage, Asylanträge zeitnah zu registrieren. Teilweise dauere es länger als sechs Monate, bis ein Asylantrag registriert sei. Während dieser Zeit würden die betroffenen Personen als Ausreisepflichtige behandelt. Die Verpflichtung zur Gewährleistung eines schnellen und fairen Zugangs zum Asylverfahren werde missachtet; dies stelle einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie dar.

Standards eines fairen Verfahrens würden nicht eingehalten. So würden häufig Ablehnungen damit begründet, dass der Asylsuchende sich widersprüchlich oder inkonsistent geäußert habe. In einer rechtsstaatlichen Anhörung müssten Asylsuchende jedoch schon während der Anhörung auf die Widersprüche aufmerksam gemacht werden; dies sei in Bulgarien nicht der Fall.

Asylsuchende hätten keinen garantierten Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsvertretung während des Asylverfahrens.

Für anerkannte Flüchtlinge gebe es nur sehr wenige staatliche Unterstützung. Die finanzielle Unterstützung sei sehr niedrig und werde davon abhängig gemacht, dass Sprachkurse besucht würden. Viele Flüchtlinge bekämen keine dauerhafte Beschäftigung wegen der wirtschaftlichen Situation in Bulgarien. Viele anerkannte Flüchtlinge seien von Obdachlosigkeit betroffen.

Amnesty International führt in einer Pressemitteilung vom 31. März 2014 aus, bei einem Besuch in Bulgarien sei festgestellt worden, dass trotz einiger Fortschritte die Lebensbedingungen in einigen der Aufnahmezentren weiterhin unzureichend seien. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen, die schlechte Hygiene und die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln stellten nach wie vor schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien dar. Die Überfüllung des Aufnahmelagers Harmanli bestehe weiterhin.

Pro Asyl teilt in einer Presseerklärung vom 23.05.2014 mit, in Bulgarien würden alle irregulär einreisenden Schutzsuchenden systematisch inhaftiert. Familien und Einzelpersonen müssten in überfüllten Hallen leben, die keinerlei Privatsphäre böten, teilweise mit mangelndem Heizsystem und kaum elektrischer Versorgung. Ausreichende sanitäre Einrichtungen fehlten.

ECRE (European Council on Refugees and Exiles) teilt in einer Stellungnahme vom 7. April 2014 mit, trotz der jüngsten lobenswerten Bemühungen der bulgarischen Behörden blieben die Mängel im Asylverfahren weiterhin bestehen. Die Nachhaltigkeit der Verbesserungen sei ungewiss. Obwohl warme Mahlzeiten seit Februar 2014 sowie die medizinische Betreuung in allen Aufnahmezentren nunmehr zur Verfügung stünden, seien die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren aufgrund der Überbelegung nach wie vor schwierig. Asylsuchende mit Wohnsitz außerhalb der Aufnahmezentren hätten keinen Zugang zu irgendeiner materiellen Unterstützung. Jede Überstellung von Asylbewerbern nach Bulgarien wäre verfrüht und würde die laufenden Bemühungen der verschiedenen Akteure in Bulgarien untergraben.

Diese vorgenannten Auskünfte und Stellungnahmen begründen hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.

Da der Kläger mangels Zuständigkeit Bulgariens aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.