OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2013 - I-20 U 162/12
Fundstelle
openJur 2014, 14734
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Beide Parteien bieten technische Geräte für Menschen mit Hör- und Sehschwächen an, darunter auch Telefone. Die Klägerin war Inhaberin der am 9. Januar 2004 angemeldeten und am 25. Mai 2005 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke "XX", Registernummer CTM ..., die unter anderem für Telefone (Klasse 9) eingetragen war. Sie vertreibt unter diesem Zeichen seit 2004 ein schnurloses Telefon. Im April 2008 präsentierte die Beklagte unter der Bezeichnung "XY" ebenfalls ein schnurloses Telefon für Menschen mit Hör- und Sehschwächen, nachdem sie in Vorbereitung der Vertriebsaufnahme Anfang 2008 entsprechende Wort- sowie die nachstehend wiedergegebene Bildmarke beim Harmonisierungsamt und beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet hatte:

Bildmarke

Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 16. Juli 2008 untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "XY", auch als Bildmarke, für Telefone, insbesondere solche zum besseren Hören und Sehen zu benutzen, insbesondere das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen, unter dem Zeichen die genannten Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder das Zeichen in Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen. Dem Widerspruch der Beklagten war kein Erfolg beschieden. Der Senat hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 3. November 2009 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich das ausgesprochene Verbot auf das Inland bezieht. Die Klägerin hat die Beklagte durch ihre Rechtsanwälte zur Abgabe einer Abschlusserklärung auffordern lassen. Ein Erfolg war diesem Abschlussschreiben nicht beschieden.

Am 20. November 2009 hat die 2. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt die Marke "XX" für die in Klasse 9 geschützten Waren wegen einer beschreibenden Bedeutung in der französischen Sprache für nichtig erklärt. Die dagegen gerichtete Klage der Klägerin hat das Gericht der Europäischen Union mit Entscheidung vom 23. November 2011 zurückgewiesen. Die Marke wurde inzwischen beim Harmonisierungsamt gelöscht. Ein von der Klägerin gestellter Umwandlungsantrag führte zur Eintragung der deutschen Wortmarke "XX", Registernummer DE ... . Die Marke ist seit dem 9. Juli 2012 unter anderem für Telefone (Klasse 9) eingetragen, als Anmeldetag weist das Register den 9. Januar 2004 aus.

Mit der vorliegenden Hauptsacheklage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Benutzung des Wort- und des vorstehend wiedergegebenen Bildzeichen "XY" für Telefone entsprechend dem Verfügungstenor, zur Auskunft, zum Schadensersatz und zur Vernichtung sowie zur Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben, wobei sie sich nunmehr auf ihre deutsche Marke stützt.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die Benutzung von "XY" für ein Telefon im Jahr 2008 habe das Markenrecht der Klägerin aus ihrer deutschen Wortmarke "XX" verletzt. Die im Wege der Umwandlung eingetragene deutsche Marke genieße nicht nur Zeitrang und Priorität der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, sondern es handele sich bei dem umgewandelten Zeichen materiellrechtlich um das gleiche Schutzrecht. Sinn und Zweck der Umwandlung sei es, die Wirkungen der Gemeinschaftsmarkenanmeldung auf nationaler Ebene soweit wie möglich zu erhalten. Zwischen den in Rede stehenden Zeichen bestehe auch Verwechslungsgefahr. Der Klagemarke komme jedenfalls für den deutschsprachigen Raum normale Kennzeichnungskraft zu. Den angesprochenen Verkehrskreisen, die zum überwiegenden Teil technisch nicht versiert seien, sei "X" als Abkürzung für ein technischen Verfahren nicht bekannt, der im Französischen beschreibende Zeichenbestandteil "X" habe keinen Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Die Drittzeichen mit dem Bestandteil "X" wie "X-CHECK" und "X-SELECT" gehörten nicht zum engsten Ähnlichkeitsbereich. Ihr Abstand zur Klagemarke sei wesentlich größer als der des angegriffenen Zeichens. Dieses sei der Klagemarke hochgradig ähnlich. So seien die Wortanfänge gleich. Die Unterschiede im zweiten Bestandteil seien im Schriftbild nicht wesentlich, klanglich fielen sie ohnehin kaum auf.

Auf die - im Berufungsrechtszug nicht mehr verfahrensgegenständliche - Widerklage der Beklagten hat das Landgericht den Verfall der Gemeinschaftsmarke "XX" für die verblieben Waren Verpackungsmaterial, Handbücher und Broschüren (Klasse 16) ab dem 25. Mai 2010 festgestellt.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, soweit sie verurteilt worden ist. Sie ist der Ansicht, bei der Umwandlung einer Gemeinschaftsmarke in eine nationale Marke bleibe lediglich der Anmeldetag erhalten, ansonsten handele es sich um eine eigenständige nationale Anmeldung, der keine Rückwirkung zukomme. Die Wirkungen der Gemeinschaftsmarke seien rückwirkend entfallen, auf die nationale Marke gestützte Ansprüche könnten erst für die Zeit nach der Eintragung geltend gemacht werden. Die vom 32. Senat des Bundespatentgerichts vertretene Auffassung, es handele sich bei der umgewandelten nationalen Marke materiellrechtlich um das gleiche Schutzrecht, beziehe sich auf das Widerspruchsverfahren und könne im Verletzungsverfahren nicht herangezogen werden. Der Schwebezustand, der durch die dreimonatige Frist zur Stellung eines Umwandlungsantrags entstehe, sei nicht hinnehmbar. Es bestehe aber auch keine Verwechslungsgefahr. Die Klagemarke sei allenfalls schwach kennzeichnend, sie bestehe aus zwei beschreibenden Bestandteilen. "X stehe für "X...", "X" werde aufgrund seines rein beschreibenden Charakters im Französischen und seiner Nähe zum englischen Wort "x" für "Verstärker" auch im Deutschen beschreibend verstanden. Es sei deswegen nicht umsonst Bestandteil vieler Marken. Die Zeichen seien sich aber auch nicht ähnlich, insbesondere aufgrund ihrer begrifflichen Unterschiede.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az: 2a O 124/08) vom 17.10. 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Das umgewandelte Zeichen sei materiellrechtlich dasselbe Schutzrecht wie die Gemeinschaftsmarke. Auch die Verwechselungsgefahr könne in Anbetracht der Warenidentität und der Zeichenähnlichkeit nicht verneint werden. Eine zergliedernde Betrachtungsweise der Zeichen sei nicht angezeigt. Beide Zeichen verfügten über drei Silben, von denen die beiden ersten in jeder Hinsicht identisch und die dritten zumindest in klanglicher Hinsicht hochgradig ähnlich seien.

Im Rahmen der Erörterung hat der Senat die Parteien über seine Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass schon der vom Gesetzgeber verwandte Begriff der "Umwandlung" eine Identität der Schutzrechte voraussetze, bei der der Kern unangetastet bleibe. Es sei keine Umwandlung, wenn eine Sache an die Stelle einer anderen trete.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 273 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Zeichen "XY" und Warenzeichen für Telefone im tenorierten Umfang aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG. Die Verwendung der Zeichen verletzt die Markenrechte der Klägerin aus ihrer deutschen Wortmarke "XX", Registernummer DE ... .

Der Umstand, dass die deutsche Marke "XX" erst am 9. Juli 2012 eingetragen worden ist, steht einem auf die Benutzung des angegriffenen Zeichens im Jahr 2008 gestützten Unterlassungsanspruch nicht entgegen, da die deutsche Marke durch Umwandlung aus der am 25. Mai 2005 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke "XX", Registernummer CTM ..., hervorgegangen ist. Bei der weggefallenen Gemeinschaftsmarke und dem im Wege der Umwandlung eingetragenen nationalen Folgerecht handelt es sich materiellrechtlich um dasselbe Schutzrecht. Das Wesen des Folgerechts erschöpft sich nicht in der Inanspruchnahme des Zeitrangs und gegebenenfalls der Priorität der gescheiterten Gemeinschaftsmarkenanmeldung, die in Art. 112 Abs. 3 GMV geregelt ist. Vielmehr verkörpern die (angemeldete) Gemeinschaftsmarke und die aus dieser im Wege der Umwandlung entstandene nationale Anmeldung beziehungsweise Marke, unbeschadet der räumlich beschränkten Geltung der Letzteren, dasselbe materielle Schutzrecht (BPatG, 32. Senat, GRUR 2008, 451, 452 - WEB VIP/VIP).

Der vom 27. Senat des Bundespatentgerichts vertretene Auffassung, wonach die Vermeidung des Verlustes des durch die Gemeinschaftsmarkenanmeldung begründeten Zeitrangs der einzige Rechtsvorteil sein soll, auf den sich der Anmelder der nationalen Marke berufen könne, während es sich im Übrigen um eine von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung unabhängige und eigenständige nationale Anmeldung handele (Beschl. v. 9. Nov. 2004, 27 W (pat) 172/02, Rn. 22 - TAXI MOTO/MOTO, zitiert nach juris), steht bereits der Wortlaut der Norm entgegen. Nach Art. 112 Abs. 1 GMV kann der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke beantragen, dass seine Gemeinschaftsmarke in eine Anmeldung für eine nationale Marke umgewandelt wird. Eine Umwandlung ist keine Ersetzung. Bei einer Umwandlung tritt nicht etwas Neues an die Stelle des Alten, sondern der Begriff setzt eine Identität des transformierten Rechts oder Rechtssubjekts mit dem zuvor bestehenden voraus. Eine Umwandlung lässt den Kern unbeeinträchtigt. Handelt es sich aber bei der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke und der Anmeldung der nationalen Marke im Kern um das gleiche Recht, dann hat dies auch für die eingetragene nationale Marke im Verhältnis zur eingetragenen Gemeinschaftsmarke zu gelten.

Die vorstehende, an der Begrifflichkeit orientierte Auslegung findet ihre Bestätigung in Art 32 GMV. Aus der Feststellung des Art. 32 GMV, dass die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, deren Anmeldetag feststeht, in den Mitgliedsstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung hat und der Bestimmung des Art. 112 Abs. 7 GMV, dass diese Wirkung im Rahmen des Umwandlungsverfahrens erlischt, wenn der Umwandlungsantrag nicht innerhalb von drei Monaten nach der Nichtigerklärung des Amtes gemäß Art. 112 Abs. 6 GMV gestellt wird, folgt im Umkehrschluss, dass die Wirkung des Art. 32 GMV bei rechtzeitiger Antragstellung bis zum Ablauf der Umwandlungsfrist und darüber hinaus erhalten bleibt. Dies steht der Annahme entgegen, dass die Gemeinschaftsmarkenanmeldung mit ihrer rechtskräftigen Zurückweisung schlechthin untergeht und die aus der Umwandlung hervorgehende nationale Folgeanmeldung und -marke als unabhängiges und eigenständiges Schutzrecht zu begreifen sei. Es ist vielmehr von einer Kontinuität von Gemeinschaftsmarkenanmeldung und nationalem Folgerecht auszugehen. Ziel des europäischen Gesetzgebers ist es offensichtlich gewesen, dem Markeninhaber auf nationaler Ebene die Wirkungen der Anmeldung soweit wie möglich zu erhalten. Dem würde es nicht gerecht, als einzigen Vorteil dem nationalen Folgerecht den aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen Zeitrang zuzubilligen (BPatG, 32. Senat, GRUR 2008, 451, 452/ 453 - WEB VIP/VIP; BPatG, 26. Senat, Beschl. v. 11. Okt. 2007, 26 W (pat) 78/04; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 125 b Rn. 7; Kober-Dehm in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 125 d, Rn. 12).

Die Umwandlung für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und -eintragungen stellt ein Auffangnetz dar, wenn es nicht möglich ist, eine Gemeinschaftsmarke zu erhalten oder fortzuführen. Diese nationalen Anmeldungen sind somit nicht nur im Hinblick auf ihren Anmeldetag nicht unabhängig, sondern auch aus Sicht des Verfahrens- oder materiellen Rechts (HABM, BK, Beschl. v. 15. Juli 2008, Rn. 42 - cardiva/CARDIMA). Nach Art. 112 Abs. 2 Buchst. b GMV findet die Umwandlung nicht statt, wenn Schutz in einem Mitgliedstaat begehrt wird, in dem gemäß der Entscheidung des Amtes oder des einzelstaatlichen Gerichts der Anmeldung oder der Gemeinschaftsmarke ein Eintragungshindernis oder ein Verfalls- oder Nichtigkeitsgrund entgegensteht. Die Umwandlung einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung in nationale Markenanmeldungen ist somit die direkte Folge der Entscheidung des Amtes und des Weiteren direkt abhängig von der Substanz dieser oder einer weiteren Entscheidung. Auch die zeitliche Abfolge ergibt sich aus der Entscheidung des Amtes. Somit können diese nationalen Markenanmeldungen nicht als von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung unabhängig betrachtet werden (HABM, a.a.O. Rn. 43).

Der mit der Nichtigerklärung der Gemeinschaftsmarke eintretende, bis zur Eintragung der nationalen Marke andauernde Schwebezustand vermag ein abweichendes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Er unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, der bei jeder Widerspruchserhebung aus einer bloßen Anmeldung eintritt und deshalb hinnehmbar ist (BPatG, 32. Senat, GRUR 2008, 451, 453 - WEB VIP/ VIP).

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr der Verwechslung besteht. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, beurteilt sich zum einen nach der Kennzeichnungskraft der Schutz beanspruchenden Marke und der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und zum anderen nach dem Abstand der Waren für die die Marke registriert ist und für die das angegriffene Zeichen benutzt wird. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren, so dass ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren einen geringen Grad an Ähnlichkeit der Zeichen ausgleichen kann und umgekehrt (BGH, GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz; GRUR 2002, 542, 543 - BIG).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann eine Verwechslungsfähigkeit der Zeichen vorliegend nicht verneint werden. Neben einer Identität der Waren besteht auch ein hohes Maß an Zeichenähnlichkeit.

Der klägerischen Marke "XX", die so als Wortmarke eingetragen ist, kann die Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden. Hierfür reicht aus, dass sich der gewählte Begriff nicht in der beschreibenden Angabe des gekennzeichneten Gegenstandes erschöpft (vgl. BGH, GRUR 1997, 468, 469 - NetCom; GRUR 1997, 845 Immo-Data). Eine besondere Originalität, etwa durch eigenartige Wortbildung, ist nicht erforderlich (BGH, GRUR 1999, 492, 494 - Altberliner). Für die vorliegend relevante Warengruppe der Telefone kommt "XX" normale Kennzeichnungskraft zu. Normale Kennzeichnungskraft kann einer Marke nur dann abgesprochen werden, wenn sie infolge Anlehnung an ein für die in Frage stehenden Waren beschreibendes Wort oder wegen sonstiger Nähe vom Verkehr nicht in erster Linie und durchweg als Warenkennzeichen verstanden wird oder wenn der Verkehr in ihr aus sonstigen Gründen, etwa weil es sich um ein abgegriffenes Wort der Alltags- oder der Werbesprache handelt, eher die Bedeutung dieses Wortes als einen darin liegenden Herkunftshinweis sieht oder weil für die in Frage stehenden Waren andere im Ähnlichkeitsbereich liegende Marken verwendet werden und der Verkehr deshalb auch auf geringere Unterschiede achtet (BGH, GRUR 2000, 1028, 1029 - Ballermann).

Derartiges ist vorliegend nicht ersichtlich. Bei "XX" handelt es sich in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise um ein reines Phantasiewort. Der Verkehr nimmt ein Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt, und unterzieht es gerade keiner analysierenden Betrachtungsweise (BGH, GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl). Für eine zergliedernde Betrachtungsweise besteht kein Anhalt. Die Bestandteile "X" und "X" werden von den potentiellen Käufern der Telefone nicht als solche erkannt. Der Bestandteil "X" für "D..." mag Telekommunikationstechnikern bekannt sein, dem normalen Nutzer der Telefone sagt er nichts. Gleiches gilt für den Bestandteil "X". Schon ein Verständnis der englischen Begriffe "amplification" und "amplified" bei nicht technikaffinen Endverbrauchern kann nicht vorausgesetzt werden. Bei der Verallgemeinerung des Sprachkenntnisstandes technikbegeisterter Nutzergruppen ist Zurückhaltung geboten. Zudem würde ein beschreibendes Verständnis noch eine Übertragung des Bedeutungsgehalts von "amplification" und "amplified" auf "X" erfordern. Eine Gebräuchlichkeit von "X" als Kurzform der vorgenannten Begriffe kann weder für den deutschen noch für den englischen Sprachraum festgestellt werden. Fundierte Kenntnisse der französischen Sprache sind ohnehin nur bei einer Minderheit der Verbraucher vorhanden.

Auch eine relevante Schwächung durch Drittzeichen ist nicht festzustellen. Eine solche Schwächung, die einen Ausnahmetatbestand darstellt, setzt voraus, dass die Drittkennzeichen im Bereich gleicher oder eng benachbarter Branchen oder Waren und in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Kennzeichnungen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (vgl. BGH, GRUR 1991, 472, 474 - Germania; GRUR 2001, 1161, 1162 - CompuNet/ComNet; WRP 2002, 705, 707, 708 - IMS). Diesen Anforderungen genügen die als Anlagen B 12 bis B 20 vorgelegten, vorwiegend an technisch versierte Kunden gerichtete oder Nischenprodukte betreffende Verwendungen schon deshalb nicht, weil diese nur die Existenz einer Reihe von Zeichen mit dem Bestandteil "X" zeigen. In der dritten Silbe unterscheiden sich diese Zeichen, zu denen die Marken "X-CHECK", "X-SELECT", "X-FIT", "X-FON", "X-TON" und "X-VISION" gehören, hingegen sowohl klanglich als auch schriftbildlich deutlich von der klägerischen Marke "XX".

Hingegen sind die Zeichen "XX" und "‘XY" hochgradig ähnlich. Für das Wort-/Bildzeichen gilt nichts anders, weil auch dieses von seinem Wortbestandteil "XY" geprägt wird. Aus Wort- und Bildelementen bestehende Zeichen werden in aller Regel durch ihr Wortelement geprägt, weil dieses die einfachste Möglichkeit bietet, die Waren zu bezeichnen (BGH, GRUR 1998, 930, 931 - Fläminger; GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2008, 714 Rn. 58 - IDW).

Zeichen werden nur selten unmittelbar miteinander verglichen. Der Verkehr, der sich auf sein unvollkommenes Erinnerungsbild verlassen muss, achtet nicht auf Einzelheiten (EuGH, WRP 1999, 806, Tz 25, 26 - Lloyd; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 811). Bei dem Vergleich ist daher nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen abzustellen. Denn im Erinnerungsbild treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale stärker hervor als die Unterschiede (BGH, GRUR 2000, 506, 509 - ATTACHÉ/TISSERAND). Aus dieser Perspektive ist die Zeichenähnlichkeit nach der Ähnlichkeit in Schriftbild, Klang und Bedeutung zu bestimmen, wobei schon eine klangliche Ähnlichkeit allein die Annahme einer Verwechselungsgefahr rechtfertigen kann (EuGH, a.a.O., Tz 27, 28 - Lloyd; Ingerl/Rohnke, a.a.O. Rn. 809; Senat, MMR 2004, 491 - mobell.de), wenn auf dem in Rede stehenden Gebiet die Möglichkeit besteht, dass die Bezeichnungen im Gespräch mit Kunden - auch mit sonstigen Geschäftspartnern - sowie im Gespräch zwischen Interessenten verwendet werden, so dass insoweit allein die mündliche Benennung der Zeichen von Bedeutung ist (vgl. hierzu auch BGH, GRUR 1999, 241, 244 - Lions; GRUR 1999, 733, 735 - LION DRIVER).

Zwischen den Zeichen "XX" und "XY" besteht eine ausgeprägte Zeichenähnlichkeit in schriftbildlicher und insbesondere in klanglicher Hinsicht. Die Wortlänge beider Zeichen ist annähernd gleich. Das Fehlen eines Buchstabens in "XY" verkürzt das Zeichen gegenüber "XX" nur unwesentlich und fällt nicht weiter auf. Gleiches gilt für die divergierenden Buchstaben "D" und "T" sowie "CT" und "Q". Noch ausgeprägter ist die Ähnlichkeit in klanglicher Hinsicht. Beide Zeichen bestehen aus drei Silben, von denen die ersten und die zweiten in jeder Hinsicht identisch und die dritten phonetisch hochgradig ähnlich sind. Die Abweichungen hier sind gering. Die Buchstabenkombinationen "DE" und "TE" unterscheiden sich in der Aussprache kaum, das "Q" ohne nachfolgendes "U" wird im Deutschen - ebenso wie das "C" - ohnehin wie "K" gesprochen, das endständige "T" ist stumm. Nicht umsonst sind bei Übertragungen aus dem Arabischen Schreibweisen mit "Q" und "K" gleichermaßen gebräuchlich. Dies bedingt ein hohes Maß an klanglicher Ähnlichkeit. Vorliegend muss auch mit einer nur mündlichen Weitergabe der Zeichen gerechnet werden; die Mundzu-Mund-Propaganda spielt auch im Telefonbereich eine große Rolle.

Die durch das hohe Maß an klanglicher Ähnlichkeit begründete Verwechslungsgefahr wird auch nicht durch einen abweichenden Sinngehalt der Bezeichnungen neutralisiert (EuGH, GRUR 2006, 413, 415 - ZIRH/SIR; BGH, GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL). Für eine solche Neutralisierung ist erforderlich, dass zumindest eines der fraglichen Zeichen in der Wahrnehmung der maßgebenden Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass diese Verkehrskreise sie ohne weiteres erfassen können (EuG, GRUR Int. 2007, 593, 596 - RESPICUR; BGH, GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL). Wie ausgeführt stehen sich in den Augen des Verkehrs vorliegend zwei reine Phantasiebezeichnungen gegenüber. Dies gilt auch für das Zeichen "XY", das ebenfalls als einheitliches Zeichen wahrgenommen wird.

Die Klage ist auch hinsichtlich des Anspruches auf Feststellung der Schadensersatzpflicht zulässig und begründet. Die Klägerin kann ihre Schadensersatzansprüche erst nach Auskunftserteilung durch die Beklagte beziffern, so dass sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruches hat, § 256 ZPO. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte die Markenverletzung zumindest erkennen können, § 276 BGB. Wer ein Zeichen gebrauchen will, muss sich gewissenhaft davon überzeugen, dass er kein besseres Recht eines anderen verletzt (BGH, GRUR 1974, 735, 737 - Pharmamedan). Vorliegend wusste die Beklagte aufgrund von Verhandlungen über eine Zusammenarbeit im Jahr 2006 sogar von der klägerischen Zeichenverwendung.

Der Auskunftsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ergibt sich aus § 242 BGB. Steht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz fest, so ist sie nach Treu und Glauben auch zur Auskunft verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, die Beklagte wird durch die von ihr verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.

Der Anspruch auf Vernichtung folgt aus § 18 Abs. 1 MarkenG. Sie ist nicht unverhältnismäßig. Es handelt sich bei der in Absatz drei normierten Unverhältnismäßigkeit um eine eng auszulegende Ausnahmeregelung (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 18 Rn. 36). Die Vernichtung ist als "Regelmaßnahme" normiert, gerade auch für Fälle, in denen die Vernichtung mehr als das zur unmittelbaren Folgenbeseitigung Nötige darstellt (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 18 Rn. 21). Die Voraussetzung einer Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall, wobei unter anderem Verschuldensgrad, Schwere des Eingriffs sowie die wirtschaftliche Bedeutung der Verletzung und des Vernichtungsschadens berücksichtigt werden können (Ingerl/Rohnke, a.a.O.), sind nicht gegeben. Der die Beklagte treffende Verschulden wiegt schwer. Diese wusste aufgrund von Verhandlungen über eine Zusammenarbeit im Jahr 2006 von der klägerischen Zeichenverwendung. Die Eingriffsintensität der Verletzungshandlung ist hoch. Die Erzeugnisse der Parteien zielen auf dieselbe Zielgruppe hör- und sehgeschädigter Menschen.

Daneben hat die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1. einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben in Höhe von 1.164,80 Euro unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 S. 1, § 670 BGB.

Der Abmahnende hat einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn ihm gegenüber dem Abgemahnten zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand und die Abmahnung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entsprach (BGH, GRUR 2008, 996 Tz. 11 - Clone-CD). Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn der Abmahnende den Abgemahnten wegen dessen Rechtsverstoß auch gerichtlich hätte auf Unterlassung in Anspruch nehmen können (BGH, GRUR 2008, 996 Tz. 34 - Clone-CD; GRUR 1973, 384, 385 - Goldene Armbänder). Für das Abschlussschreiben gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 45 - Bauheizgerät).

Die von der Klägerin in Ansatz gebrachte 0,8 Geschäftsgebühr auf der Basis eines Gegenstandswertes von 125.000,00 Euro ist nicht zu beanstanden. Der Gegenstandswert, der der unbeanstandet gebliebenen und vom Landgericht bei der Streitwertfestsetzung übernommenen Streitwertangabe in der Klageschrift entspricht, spiegelt die Bedeutung der Sache wieder. Die Parteien sind intensive Mitbewerber in dem speziellen Marktsegment technischer Geräte für Menschen mit Hör- und Sehschwächen. Die in Ansatz gebrachte 0,8 Geschäftsgebühr ist angemessen. Die für ein Abschlussschreiben entstehende Geschäftsgebühr ist im Allgemeinen auf der Grundlage von Nr. 2300 RVG VV zu berechnen, die einen Gebührenrahmen von 0,5-2,5 vorsieht. Ein Abschlussschreiben erschöpft sich in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung, sondern verfolgt insbesondere das Ziel, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen (BGH, GRUR 2010, 1038 Rn. 31 - Kosten für Abschlussschreiben). Eine 0,8 Geschäftsgebühr trägt sowohl diesen - vorliegend gegebenen - Anforderungen als auch dem Umstand, dass bereits in Vorbereitung des Verfügungsverfahrens eine Aufarbeitung der Sach- und Rechtslage erfolgt ist, Rechnung (Senat, MittdtPatA 2008, 561). Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da im Hinblick auf die abweichende Auffassung 27. Senat des Bundespatentgerichts zur Frage der Identität des nationalen Folgerechts mit der gelöschten Gemeinschaftsmarke (Beschl. v. 9. Nov. 2004, 27 W (pat) 172/02, Rn. 22 - TAXI MOTO/MOTO) eine revisionsgerichtliche Entscheidung als zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geboten erscheint.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird ausgehend von der unbeanstandet gebliebenen erstinstanzlichen Festsetzung auf 125.000,00 Euro festgesetzt.

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