BGH, Beschluss vom 10.05.2010 - II ZB 3/09
Fundstelle
openJur 2010, 11698
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 9. Februar 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.135,65 € festgesetzt.

Gründe

I. Die beklagte Aktiengesellschaft wehrt sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde gegen eine Kostenfestsetzung zu ihren Lasten in einem Beschlussmängelstreitverfahren.

Die Klägerin, die unter anderem von der Streithelferin zu 2 (künftig: Streithelferin) unterstützt worden ist, hat vor dem Landgericht eine Anfechtungsklage gegen einen in der Hauptversammlung der Beklagten gefassten Beschluss erhoben. Diesen Beschluss haben noch weitere Kläger angegriffen. Die Streithelferin ist auch diesen Verfahren beigetreten. Das Landgericht hat entgegen § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. die Verfahren nicht verbunden, sondern auf Anerkenntnisse der Beklagten im vorliegenden und in den drei weiteren Verfahren Anerkenntnisurteile des Inhalts erlassen, der angegriffene Beschluss werde für nichtig erklärt und die Beklagte trage die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelfer der Klägerin.

Die Streithelferin hat im Kostenfestsetzungsverfahren - ebenso wie in den drei Parallelsachen - beantragt, gegen die Beklagte eine 1,3-fache Verfahrensgebühr, eine 1,2-fache Terminsgebühr, eine Auslagenpauschale von 20,00 € und Umsatzsteuer auf die Vergütung aus einem vom Landgericht auf 50.000,00 € festgesetzten Streitwert, damit insgesamt einen Betrag von 3.135,65 €, festzusetzen. Das Landgericht hat dem entsprochen. Dagegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, eine Kostenerstattung zugunsten der Streithelferin komme nicht in Betracht, weil das Landgericht sämtliche Beschlussmängelstreitverfahren habe verbinden müssen und in einer dieser Parallelsachen bereits die Kosten festgesetzt worden seien. Das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihren Kostenantrag weiterverfolgt.

II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts unterliegt nicht schon deshalb ohne weitere Sachprüfung der Aufhebung, weil das Beschwerdegericht gegen § 568 Satz 1 BGB verstoßen hat.

Das Verfahren des Beschwerdegerichts ist insofern rechtsfehlerhaft, als das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung nicht ordnungsgemäß besetzt war. Es hatte nach § 568 Satz 1 ZPO mangels eines Übertragungsbeschlusses nach § 568 Satz 2 ZPO nicht - wie geschehen - in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluss des Vorsitzenden zu entscheiden, sondern durch eines seiner Mitglieder als originärem Einzelrichter. Denn die Beschwerde richtete sich gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers.

Das Beschwerdegericht ist aber richtig davon ausgegangen, der Rechtssache komme nach § 568 Abs. 2 Nr. 2, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO grundsätzliche Bedeutung zu. Der originäre Einzelrichter hätte das Verfahren daher gemäß § 568 Satz 2 ZPO auf den Senat übertragen müssen, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen zugestanden hätte (BGHZ 154, 200, 202 f.; BGH, Sen.Beschl. v. 10. November 2003 - II ZB 14/02, WM 2004, 1053 f.). Dass der Senat des Beschwerdegerichts die Übertragung nicht abgewartet hat, sondern ohne Übertragungsbeschluss tätig geworden ist, stellt keine unvertretbar willkürliche Missachtung der gesetzlichen Regelung dar. Damit ist der Verfahrensfehler entgegen § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1 ZPO nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge nach § 577 Abs. 2 Satz 3, § 575 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO beachtlich (BGH, Beschl. v. 29. April 2004 - V ZB 46/03, Rpfleger 2004, 521). An einer solchen Rüge fehlt es hier.

2. In der Sache hat das Beschwerdegericht die Beschwerde zu Recht zurückgewiesen.

a) Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Im Kostenfestsetzungsverfahren könne nicht korrigiert werden, dass das Landgericht § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. - seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2479) am 1. September 2009: § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG - nicht beachtet und die Verfahren nicht verbunden habe. Die mit der Nichtanwendung des § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. verbundene Kostenfolge könne die Beklagte auch nicht mit dem Hinweis vermeiden, die der Streithelferin entstandenen Kosten seien keine notwendigen i.S. des § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO. Da die Streithelferin auf die Entscheidung des Landgerichts, die Verfahren nicht zu verbinden, keinen Einfluss habe nehmen können, sei sie an der Geltendmachung von Kosten weder aus Treu und Glauben noch durch das Schikaneverbot oder das Verbot einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Beklagten gehindert.

b) Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Da das Landgericht nicht nach § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. verfahren ist, handelt es sich bei der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Streithelferin im Verhältnis zu dem Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten in den übrigen Verfahren um eine eigenständige Angelegenheit i.S. des § 15 RVG. Damit ist im Verhältnis zwischen der Streithelferin und ihren Prozessbevollmächtigten eine 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG, eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und Umsatzsteuer auf die Vergütung gemäß Nr. 7008 VV RVG angefallen, und aufgrund der rechtskräftig gewordenen Kostengrundentscheidung in dem Anerkenntnisurteil steht - für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend - fest, dass diese Kosten von der Beklagten zu tragen sind.

bb) Der Beitritt in diesem Verfahren - ebenso wie in den drei weiteren durch Anerkenntnisurteil entschiedenen Sachen - war notwendig i.S. des § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO.

Kosten sind in diesem Sinne notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei - gleiches gilt für den Streithelfer - die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen darf. Dabei darf sie ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH, Beschl. v. 9. September 2004 - I ZB 5/04, Rpfleger 2005, 49, 50; v. 11. November 2003 - VI ZB 41/03, Rpfleger 2004, 182; v. 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, Rpfleger 2003, 98, 100). Eine Erstattung aufgewendeter Kosten setzt danach voraus, dass die aus dem Prozessrechtsverhältnis folgende Obliegenheit erfüllt ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (BGH, Beschl. v. 10. November 2009 - VIII ZB 60/09, Rpfleger 2010, 162 Tz. 9; v. 2. Juli 2009 - V ZB 54/09, NJW 2009, 3102 Tz. 9; v. 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06, NJW 2007, 3723 Tz. 7).

Diese Obliegenheit hat die Streithelferin nicht dadurch verletzt, dass sie sämtlichen vier Verfahren beigetreten ist. Denn dafür bestand ein sachlicher Grund.

Zwar reicht es im Allgemeinen aus, wenn derjenige, der die Anfechtung eines Beschlusses unterstützen will, nur einem Anfechtungsprozess beitritt. Er kann dann gemäß § 69 ZPO wie ein notwendiger Streitgenosse des Klägers i.S. des § 62 ZPO auftreten (vgl. Senat, BGHZ 180, 154 Tz. 5 - Wertpapierdarlehen; BGHZ 180, 9 Tz. 55 - Kirch/Deutsche Bank; BGHZ 122, 211, 240). Wenn das Verfahren - wie nach § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG geboten - mit den übrigen gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss gerichteten Anfechtungsprozessen verbunden wird, ist der Streithelfer an dem gesamten Verfahren beteiligt.

Diese Rechtsposition ist aber nicht gesichert. Wenn der Kläger, dem der Streithelfer beigetreten ist, seine Klage zurücknimmt, verliert die Streithilfe ihre Wirkung (BGH, Beschl. v. 22. Dezember 1964 - I a ZR 237/63, NJW 1965, 760; OLG Köln, NZG 2004, 46, 47 ff.; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 69 Rdn. 7; Musielak/Weth, ZPO 7. Aufl. § 69 Rdn. 8). Das Gleiche gilt, wenn die Klage etwa wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zurückgewiesen wird. Ist zu diesem Zeitpunkt die einmonatige Beitrittsfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG abgelaufen, hat der Streithelfer keine Möglichkeit mehr, sich an dem Beschlussmängelstreitverfahren durch erneuten Beitritt zu beteiligen. Im Übrigen muss er seine Verfahrenskosten dann unabhängig von dem Ausgang dieses Verfahrens tragen.

cc) Zu Recht ist das Beschwerdegericht weiter davon ausgegangen, dass die Geltendmachung von Prozesskosten ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein kann. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Streithelferin hat es aber nicht festzustellen vermocht. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

Goette Strohn Reichart Drescher Bender Vorinstanzen:

LG Frankenthal/Pfalz, Entscheidung vom 25.11.2008 - 2 HK.O 79/08 AktG -

OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 09.02.2009 - 4 W 98/08 -