VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.12.2013 - 9 K 5382/11
Fundstelle
openJur 2014, 5196
  • Rkr:

Der einen Eisenbahndamm unterbrechenden Eisenbahnbrücke über eine Straße, die selbst trennende Wirkung hat, kommt unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls keine Bedeutung zu, die der Annahme der trennenden Wirkung entgegensteht.

Die am Widerlager einer Brücke angebrachten Fremdwerbeanlagen können trotz räumlicher Nähe aus der näheren Umgebung i.S.d. § 34 BauGB herausfallen, wenn sowohl dem Eisenbahndamm wie auch der unter der Brücke hindurchführenden Straße trennende Wirkung zukommt.

Ein "Drivethru"-Kaffeehaus mit Autoschalter mit prognostizierten 580 Bestellvorgängen je Tag ist in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet planungsrechtlich unzulässig.

Tenor

Die der Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung vom 28. November 2011 - Az. 01426-11-28 - wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung C. , Flur 124, Flurstück Nr. 183 mit der postalischen Adresse Q. 4 in C. , welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist.

Die von der F. Straße abzweigende Straße Q. verläuft zunächst in westlicher und nach einem leichten Linksknick in westsüdwestlicher Richtung, bevor sie nach Südosten abbiegt. Nach einer weiteren Kurve verläuft die Straße zunächst in nordöstlicher, dann in östlicher Richtung, wo sie in einem Wendekreis nahe der F. Straße endet, ohne dass hier eine Durchfahrt für Kraftfahrzeuge möglich ist. Entlang des südlichen Teils der Straße Q. befinden sich auf beiden Seiten Wohnhäuser, wovon eines als über die Straße führendes Torhaus ausgeführt ist. Errichtet worden sind die Wohnhäuser sämtlich als Teil einer einheitlichen Zechensiedlung in den frühen 1920er Jahren. Die auf der nördlichen Seite dieses Teils der Straße befindlichen Grundstücke reichen jeweils bis an den nördlichen Teil der Straße heran, wobei sich im nördlichen Teil der Grundstücke die jeweiligen Garagenanlagen befinden.

Die Klägerin betreibt in ihrem Haus (neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als pharmazeutischtechnische Assistentin) ein Studio für Fußpflege und tibetische Druckpunktmassage. Hierzu hat sie eine zwölfwöchige Ausbildung absolviert. In dem Haus Q. 6 sind bei der Beklagten zwei Gewerbebetriebe (der Estrichlegebetrieb R. S. und der Stuckateurbetrieb M. S. ) gemeldet. Eine am 27. September 2013 durch die Beklagte durchgeführte Besichtigung der auf dem Grundstück Q. 6 vorhandenen Garagen hat keine gewerbliche Nutzung eben dieser, etwa zu Lagerzwecken, ergeben.

Nördlich der Straße Q. verläuft in westnordwestlicher Richtung eine eingleisige Bahntrasse auf einem angeschütteten, ca. 5 m hohen Bahndamm, dessen südlicher Fuß unmittelbar an die Straße angrenzt und mit Sträuchern und kleinen Bäumen bewachsen ist. An der nördlichen Seite der Straße Q. - im Bereich der Einmündung derselben in die F. Straße - ist das Vorhabengrundstück zwischen der Straße Q. und dem Bahndamm gelegen. Das Gelände auf dem Vorhabengrundstück verläuft in nördlicher Richtung zunächst eben, bevor es dann am Fuße des Bahndamms ansteigt.

Die F. Straße ist als Landesstraße (L 631) gewidmet. Ausweislich des schalltechnischen Gutachtens vom 18. Juli 2011 des Ingenieurbüros C1. E. (Blatt 59 der Beiakte 1), welches Teil der Bauvorlagen ist, beträgt das Verkehrsaufkommen auf der F. Straße im Durchschnitt je 24 Stunden 34.000 Kfz. Sie weist zwei Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn sowie - im hier maßgeblichen Bereich - von Süden kommend eine Linksabbiegerspur für den abbiegenden Verkehr zur Straße Q. und von Norden kommend eine Linksabbiegerspur für den auf die Bundesautobahn 42 abbiegenden Verkehr auf. Zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen verläuft ein diese trennender Grünstreifen. Die zuvor genannte Bahnlinie überquert die F. Straße mittels einer Brücke, wobei sich auf der östlichen Seite der F. Straße der Bahndamm in entsprechender Höhe und Ausführung fortsetzt. Die Eisenbahnbrücke weist (gemessen entlang der F. Straße) eine Tiefe von ca. 12 m auf und überspannt die F. Straße in einer Länge von ca. 35 m. Nördlich des Eisenbahndamms und westlich der F. Straße befinden sich mehrere Mehrfamilienhäuser sowie bis zur nächsten weiter nördlich gelegenen Eisenbahnbrücke insgesamt fünf Fremdwerbetafeln im Euroformat. Jeweils zwei weitere Fremdwerbetafeln im Euroformat stehen an der östlichen Seite der F. Straße nördlich und südlich des Bahndamms.

Unterhalb der Eisenbahnbrücke befinden sich auf beiden Seiten der F. Straße jeweils zwei Fremdwerbetafeln im Euroformat, die jeweils zur Straße gewandt an dem Brückenwiderlager angebracht sind. Unmittelbar südlichwestlich des westlichen Brückenwiderlagers befinden sich auf dem Vorhabengrundstück zwei aufgeständerte Fremdwerbetafeln im Euroformat. Mittig auf dem Vorhabengrundstück liegt eine weitere, deutlich kleinere Werbeanlage ("McDonald’s-M" mit Pfeil nach rechts), die auf die gegenüberliegende Abfahrt von der Bundesautobahn 42 ausgerichtet ist.

Südlich der Straße Q. und der an dieser entlang laufenden Bebauung verläuft die Bundesautobahn 42 ("Emscherschnellweg") mit jeweils zwei Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn sowie hinzukommenden Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen. Die Fahrbahn der Bundesautobahn befindet sich ca. 5 m über dem Niveau der nördlich anschließenden Gärten. Am nördlichen Rand der Bundesautobahn schirmt eine mehrere Meter hohe Lärmschutzwand die vorhandene Bebauung von dem Verkehrslärm der Bundesautobahn ab. Das nach dem schalltechnischen Gutachten auf der Bundesautobahn 42 zu erwartende Verkehrsaufkommen beträgt je 24 Stunden 78.000 Kfz. Über die F. Straße wird die Bundesautobahn 42 mittels einer Brücke geführt, die eine Tiefe (gemessen entlang der F. Straße) von ca. 31 m aufweist.

Westlich der Straße Q. befindet sich eine Grünfläche, die bis zum Schnittpunkt der vorstehend beschriebenen Bahnlinie mit einer weiteren nach Süden abknickenden Bahnlinie reicht. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird im Übrigen auf den nachfolgenden Kartenausschnitt Bezug genommen.

Die Beigeladene beantragte am 16. Mai 2011 bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines "Starbucks Drive-Thru-Kaffeehauses" für das Grundstück Gemarkung C. , Flur 124, Flurstücke 173, 174, 175 und 331, welches - wie dargestellt - nach Süden durch die Straße Q. , nach Westen durch den Berührungspunkt der Straße Q. mit dem Eisenbahndamm, im Norden durch den Eisenbahndamm und im Osten durch die F. Straße begrenzt wird. Das Vorhabengrundstück ist unbebaut. Den Bauantrag änderte die Beigeladene mit am 21. November 2011 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben hinsichtlich einiger (vorliegend nicht erheblicher) Teilaspekte ab. Ausweislich der beigefügten Betriebsbeschreibung ähneln der Funktionsablauf und der Gebäudetypus des geplanten Kaffeehauses mit Autoschalter denen eines Fastfood-Restaurants, wobei allerdings in dem Kaffeehaus keine Speisen zubereitet werden. Ausweislich der Bauzeichnungen soll das geplante Kaffeehaus im östlichen Bereich des Vorhabengrundstücks errichtet werden. Die Stellplätze für Besucher des Kaffeehauses sind an der westlichen Grenze (drei Stück) sowie im Norden in der Nähe der Böschungsunterkante des Bahndamms (14 Stück) vorgesehen. Die geplante Autospur soll so um das Kaffeehaus herumführen, dass Kraftfahrzeuge, die das Grundstück von der Straße Q. als einzig möglicher Zufahrt anfahren, zunächst nahezu parallel zur Straße nach Osten geleitet werden und dort an einer sogenannten "Order Station" ihre Bestellungen aufgeben. Im weiteren Verlauf knickt die Autospur nach Norden ab und wird entlang der F. Straße geführt. In diesem Bereich erfolgt die Bezahlung und Ausgabe der bestellten Getränke und Snacks, bevor die Autospur zunächst - entlang der Parkplätze - nach Westen und dann zur Ausfahrt geführt wird.

Ausweislich des mit dem Bauantrag vorgelegten schalltechnischen Gutachtens des Ingenieurbüros C1. E. vom 18. Juli 2011 ist während des Betriebs des Vorhabens je Tag innerhalb der Öffnungszeiten von 6 bis 22 Uhr mit insgesamt 600 Bestellvorgängen (so genannte "Tickets") zu rechnen, wovon 20 auf Kunden ohne Kraftfahrzeug entfallen sollen. Bei den verbleibenden 580 Bestellvorgängen hingegen wird unterstellt, dass der Kunde mit dem Auto das Kaffeehaus anfährt - gleich ob er dann sein Fahrzeug parkt und den Verkaufsraum aufsucht oder den Autoschalter nutzt, wobei Letzterem ein Anteil von 30% zukommen soll. Bei dieser Anzahl an Bestellvorgängen und einer prognostizierten Besetzung von 1,4 Gästen pro Fahrzeug legt das schalltechnische Gutachten 414 Kraftfahrzeuge und somit 828 Fahrzeugbewegungen in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr zu Grunde. Berücksichtigt wurde ferner eine Anlieferung durch einen LKW ≤ 7,5 t je Werktag in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr.

Mit Bescheid vom 28. November 2011 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung.

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2011 die vorliegende Klage erhoben. Zu ihrer Begründung macht sie geltend: Gegenüber dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben stehe ihr ein Gebietserhaltungsanspruch zu. Die nähere Umgebung stelle ein faktisches reines Wohngebiet nach § 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) dar. Als nähere Umgebung sei insoweit das von dem Bahndamm im Norden, der F. Straße im Osten und der Bundesautobahn 42 im Süden umschlossene Gebiet zu betrachten. Die nördlich des Bahndamms gelegene Bebauung an der F. Straße sei nicht mit einzubeziehen. An der Einstufung als faktisches reines Wohngebiet ändere auch ihre Tätigkeit als Fußpflegerin und Druckpunktmasseurin nichts, denn sie erweise sich nach § 13 BauNVO in einem reinen Wohngebiet als zulässig. Die von der Beklagten beschriebenen Gewerbebetriebe (Estrichlege- und Stuckateurbetrieb) seien unter der Adresse Q. 6 nur gewerberechtlich gemeldet. Dort würden aber keine gewerblichen Tätigkeiten ausgeübt, insbesondere finde keine Be- und Entladung statt. Eine bloße Gewerbeanmeldung aber habe auf den Gebietscharakter keinen Einfluss. Auch die Fremdwerbetafeln auf dem Vorhabengrundstück änderten an dem Gebietscharakter nichts. Sie stellten für die Beurteilung des Gebietscharakters einen unbedeutenden Fremdkörper dar. Des Weiteren seien sie am Rand des Gebiets direkt am Bahndamm gelegen und sprächen allenfalls den Straßenverkehr auf der F. Straße an.In einem reinen Wohngebiet erweise sich das als Schank- und Speisewirtschaft anzusehende Vorhaben als planungsrechtlich unzulässig. Selbst bei der Annahme eines faktischen allgemeinen Wohngebiets sei das Vorhaben unzulässig, weil es wegen seines Konzeptes mit Autospur und seiner spezifischen Lage erkennbar nicht der Versorgung des Gebiets diene.Weiterhin erweise sich die Baugenehmigung als in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die zu erwartende zusätzliche Verkehrsbelastung wie auch auf zu erwartende Lärmimmissionen. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO könne vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden.

Die Klägerin beantragt,

die der Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung vom 28. November 2011 - Aktenzeichen 01426-11-28 - aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hierzu führt sie aus: Die nähere Umgebung sei nicht als faktisches Baugebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung, sondern als Gemengelage einzustufen. Die auf dem Vorhabengrundstück, unter der nördlich angrenzenden Brücke, im weiteren Verlauf der F. Straße Richtung Norden und auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Fremdwerbeanlagen seien in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet regelmäßig unzulässig. Hinzu kämen weitere gewerbliche Nutzungen, so das Fußpflegestudio der Klägerin, die im Haus Q. 6 gemeldeten Stuckateur- und Estrichlegebetriebe und die nördlich der Eisenbahnbrücke entlang der F. Straße gemeldeten Gewerbebetriebe. So sei im Haus Nr. 179 eine Gebäudereinigungsfirma, im Haus Nr. 179 A ein Unternehmen für Bautenschutz, im Haus Nr. 183 ein Trockenbauund Abbruchunternehmen und im Haus Nr. 187 ein Unternehmen zur Montage von Sicherheitsnetzen gewerberechtlich gemeldet. Diese gewerblichen Nutzungen seien auch einzubeziehen, da bei der Art der baulichen Nutzung die nähere Umgebung weiter zu verstehen sei. Die F. Straße weise nördlich der Bundesautobahn 42 zumindest auf ihrer Westseite ein einheitliches Bild auf, das von Wohnnutzung, einer sehr großen Anzahl von Fremdwerbeanlagen und gewerblichen Betrieben geprägt sei. Die Bahntrasse nördlich des Vorhabengrundstücks habe keine trennende Funktion, da sie keine Zäsur bilde. Eine Zäsurwirkung könne nur angenommen werden, wenn der Verkehrsweg selbst eine gewisse Ausdehnung habe und es einen deutlichen Wechsel der städtebaulichen Struktur gebe, was beides nicht vorliege.Selbst wenn der Bahnstrecke einschließlich der Brücke trennende Wirkung zuzusprechen sei, liege im Hinblick auf die vorhandenen gewerblichen Nutzungen kein Wohngebiet vor. Auch in diesem Fall seien die unter der Brücke am westlichen Brückenwiderlager angebrachten Werbeanlagen als zu dem Baugebiet zugehörig anzusehen. Diese befänden sich in einer Entfernung von nur etwa 10 m zum Vorhabengrundstück und wirkten auf dieses wie selbstverständlich ein. Eine andere Betrachtungsweise würde zu einer Atomisierung faktischer Baugebiete führen, die rechtlich nicht hinzunehmen sei.Im Übrigen könne in einem allgemeinen Wohngebiet eine nicht der Gebietsversorgung dienende Gaststätte als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden. Das Vorhaben stelle aufgrund der fehlenden nächtlichen Betriebszeiten, der Gestaltung als Kaffeehaus und der konkreten Anordnung der baulichen Anlagen einen solchen nicht störenden Gewerbebetrieb dar. Dabei sei die Frage, ob die typischerweise zu erwartenden Auswirkungen eines Gewerbebetriebs störend seien, konkret im jeweiligen Einzelfall zu beantworten. Dies sei vorliegend - wie sich aus dem vorgelegten Schallschutzgutachten ergebe - nicht der Fall, da die zulässigen Lärmgrenzwerte gegenüber den Nachbarn eingehalten würden.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Der Berichterstatter hat am 17. September 2013 die Örtlichkeit in Augenschein genommen und anhand der dabei gefertigten Lichtbilder die gewonnenen Eindrücke der erkennenden Kammer vermittelt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll nebst gefertigten Lichtbildern Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (nur) begründet, wenn der Klägerin ein Abwehrrecht gegen dieses Vorhaben zusteht. Dies setzt voraus, dass das Vorhaben in einer nicht durch einen rechtmäßigen Dispens ausräumbaren Weise gegen öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind, und - sofern sich dies aus der nachbarschützenden Vorschrift ergibt - die Klägerin durch das Vorhaben tatsächlich spürbar beeinträchtigt wird. Ob das Vorhaben objektiv, d.h. hinsichtlich der Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, wird im Klageverfahren hingegen nicht geprüft.

Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben verstößt gegen die Klägerin schützende Normen des Baurechts. Der Klägerin steht gegenüber dem durch die Beklagte genehmigten verfahrensgegenständlichen Vorhaben der Beigeladenen ein Gebietsgewährleistungsanspruch zu.

Dieser ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das Vorhabengrundstück im Außenbereich liegt. Zwar handelt es sich bei den nordwestlich von dem Vorhabengrundstück gelegenen Grundstücken ebenso wie bei denen westlich der Straße Q. um Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB. Das Vorhabengrundstück, welches von dem Bahndamm, der F. Straße und der Straßen Q. umschlossen ist, weist aber keine (unmittelbare) Verbindung zum Außenbereich auf, sondern ist vollständig von Verkehrsinfrastruktur umgeben. Es erscheint angesichts seiner eher geringen Größe, der geringen Breite der Straße Q. und der Mächtigkeit des Bahndamms auch nicht als eigenständiger Außenbereich, sondern muss im Zusammenhang mit der übrigen (bebauten) Fläche einheitlich betrachtet werden.

Zur Annahme von "Außenbereichsinseln" im Innenbereich vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2005 - 10 A 2219/02 -, juris Rn 5.

Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist darauf gerichtet, dass sich ein Nachbar in einem (faktischen) Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BauNVO auch dann gegen die Zulassung einer in dem Baugebiet gebietswidrigen Nutzung wenden können soll, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Hauptanwendungsfall für diesen Grundsatz, der auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses im Sinne eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses beruht, sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlichrechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. So kann jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB. Der Gebietsgewährleistungsanspruch greift demnach gegenüber Vorhaben ein, die in dem betreffenden Baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden können bzw. worden sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 1967 - IV C 10.65 -, BVerwGE 27, 29 = juris Rn 14, vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = juris Rn 12, und vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 = juris Rn 48 ff.; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, BRS 71 Nr. 68 = juris Rn 5; OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2002 - 10 B 1618/02 -, BRS 66 Nr. 168 = juris Rn 3; Urteil vom 17. Dezember 2008 - 10 A 3001/07 -, juris Rn 35; Beschluss vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris Rn 7; Urteile vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, DVBl. 2011, 570 = juris Rn 83 ff., und vom 9. März 2012 - 2 A 1626/10 -, BauR 2012, 1223 = juris Rn 45.

Die Klägerin ist Eigentümerin des zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil der Straße Q. gelegenen Hausgrundstücks Q1. 4 (Gemarkung C. , Flur 124, Flurstück Nr. 183). Dieses Grundstück liegt, ebenso wie das Vorhabengrundstück, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Beide Grundstücke sind aber Teil eines einheitlichen faktischen Baugebiets i.S.d. § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i.V.m. den §§ 2 ff. BauNVO.

Für die Beurteilung der Frage, ob die nähere Umgebung im Sinne des Bauplanungsrechts einem der in den §§ 2 ff. BauNVO festgelegten Gebietstypen entspricht, muss der Gebietscharakter wie auch die Reichweite der maßgeblichen näheren Umgebung im Einzelfall bestimmt werden. Letztere ist unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Vorhaben und der sie umgebenden baulichen Nutzungen zu ermitteln. Hierzu bedarf es der Berücksichtigung beider Perspektiven, so dass vom Vorhaben auf die Umgebung und von der Umgebung auf das Vorhaben zu prüfen ist, wie weit die jeweiligen bauplanungsrechtlich relevanten Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung zum einen insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder jedenfalls doch beeinflusst. Bei dieser Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren Grundzüge der Planung durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Bedingt durch diese Wechselwirkung von Vorhaben und jeweiliger Umgebungsbebauung folgt, dass die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation im konkreten Einzelfall zu bestimmen sind. So darf nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt. Vielmehr muss die Bebauung auch jenseits der unmittelbaren Nachbarschaft berücksichtigt werden, soweit auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt oder derartigen Einwirkungen ausgesetzt ist, also die örtlichen bodenrechtlichen Gegebenheiten des Vorhabens mitbestimmt oder seinerseits durch sie bestimmt wird.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1974 - IV C 77.73 -, BRS 28 Nr. 27 = juris Rn 15, und vom 26. Mai 1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = juris Rn 33; Beschlüsse vom 11. November 1980 - 4 B 207.80 -, BRS 36 Nr. 54 = juris Rn 2, vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, BRS 60 Nr. 176 = juris Rn 7 f., und vom 11. Februar 2000 - 4 B 1/00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn 34 und 44; OVG NRW, Urteile vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 -, juris Rn 56, vom 9. September 2010 - 2 A 508/09 -, juris Rn 35, und vom 9. März 2012 - 2 A 1626/10 -, BauR 2012, 1223 = juris Rn 48.

Bei der Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne der Wechselbezüglichkeit von Vorhaben und der benachbarten Bebauung können die topographischen Gegebenheiten wie Geländehindernisse und -zäsuren, Erhebungen oder Einschnitte eine Rolle spielen. Bedeutung kann aber nicht allein natürlichen Besonderheiten der Topographie zukommen. Auch künstlich errichtete Geländemerkmale wie etwa Eisenbahntrassen oder Dämme sowie Straßen oder Wege können in dieser Hinsicht von Bedeutung sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 - 4 C 40.87 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = juris Rn 22; Beschlüsse vom 16. Februar 1988 - 4 B 19.88 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 123 = juris Rn 2, und vom 10. März 1994 - 4 B 50/94 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 165 = juris Rn 4.

Die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich kann auf die Frage der Abgrenzung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 BauGB sinngemäß übertragen werden. Bei Berücksichtigung der vorgenannten topographischen Gegebenheiten kann sich ergeben, dass etwa unmittelbar aneinandergrenzende bebaute Grundstücke gleichwohl zwei unterschiedlichen Baugebieten angehören und damit eines von beiden aus der zu berücksichtigenden näheren Umgebung herausfällt. Ob dies im Einzelfall so ist, kann - auch im Hinblick auf § 34 BauGB - stets nur das Ergebnis einer Wertung des konkreten Sachverhalts sein. Dies gilt insbesondere für die Bewertung, ob einer Straße eine trennende oder verbindende Wirkung zukommt ober ob sie diesbezüglich keinerlei Wirkungen zu entfalten vermag.

Vgl. zur Übertragung auf § 34 BauGB BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 - 4 B 79/98 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 191 = juris Rn 8; zur Wirkung von Straßen BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 28.83 -, Buchholz 406.11 § 12 BBauG Nr. 11 = juris Rn 9; Beschlüsse vom 10. März 1994 - 4 B 50.94 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 16 = juris Rn 3, und vom 11. Februar 2000 - 4 B 1/00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn 18.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe wird die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks im Süden von der nördlichen Seite der Bundesautobahn 42,, im Osten von dem westlichen Straßenrand der F. Straße L 631, im Norden von dem südlichen Rand der Böschung des Eisenbahndamms und im Westen durch das Ende der Bebauung begrenzt.

Die Bundesautobahn 42 trennt die nördlich und südlich von ihr gelegenen Bereiche in dem vorgenannten Sinne. In der hier maßgeblichen räumlichen Umgebung verläuft sie nicht ebenerdig, sondern auf einem gegenüber der unmittelbaren Umgebung mehrere Meter erhöhten, jedenfalls an der Nordseite mit Betonteilen eingefassten Fundament, so dass sie sich schon aus diesem Grund gegenüber der umliegenden Bebauung deutlich hervorhebt. Hinzu kommt, dass jedenfalls auf ihrer nördlichen Seite die Autobahn und der durch sie erzeugte Verkehrslärm gegenüber der anschließenden Wohnbebauung durch eine für sich genommen bereits mehrere Meter hohe Lärmschutzwand abgeschirmt wird. Beides, Fundament und Lärmschutzwand, wirken im Sinne einer durch das Gebiet laufenden unüberwindbaren Barriere. Die Tiefe der Autobahntrasse, gemessen entlang der F. Straße, beträgt ca. 31 Meter. Der Bundesautobahn 42 kommt eine erhebliche Verkehrsbedeutung - sowohl für den Fern- wie auch für den Regionalverkehr - zu. So gehen die von der Beigeladenen vorgelegten Bauvorlagen selbst von einem Verkehrsaufkommen von 78.000 Fahrzeugen in 24 Stunden aus. Die auf der Autobahn fahrenden Kraftfahrzeuge bewegen sich (autobahntypisch) mit einer erheblichen Reisegeschwindigkeit, was den wahrnehmbaren Eindruck einer durch das Gelände führenden Schneise weiter verstärkt. Hiermit geht einher, dass von der Bundesautobahn erhebliche Lärmimmissionen ausgehen, die - wie im gerichtlichen Ortstermin wahrnehmbar - auch nördlich der Lärmschutzwand als faktische Dauerlärmquelle deutlich wahrzunehmen sind.

Der F. Straße (L 631) kommt hinsichtlich der westlich und östlich von ihr gelegenen Bereiche trennende Wirkung in Hinsicht auf die Art der baulichen Nutzung zu. Wenngleich im geringeren Maße als die Bundesautobahn 42 kommt der F. Straße als einer der wesentlichen, aus der Innenstadt herausführenden Ausfall- bzw. in dieselbe hineinführenden Einfallstraßen von C. eine besondere verkehrliche Bedeutung zu. Dies manifestiert sich in der Anzahl der Kfz-Bewegungen, die ausweislich der von der Beigeladenen vorgelegten Bauvorlagen 34.000 Fahrzeuge in 24 Stunden beträgt. Entsprechend dieser Verkehrsbedeutung ist die F. Straße je Fahrtrichtung jeweils mit mindestens zwei Fahrstreifen versehen. Hinzu kommen in dem maßgeblichen Bereich Linksabbiegerspuren für jede Fahrtrichtung. Die Richtungsfahrbahnen werden dabei von einem in der Mitte liegenden Grünstreifen baulich getrennt. Auf beiden Seiten der F. Straße verlaufen in dem maßgeblichen Bereich Gehwege, die den optischen Eindruck der Breite der Straße noch verstärken. Auf der Höhe des Wendehammers der Straße Q. beträgt so die Breite der F. Straße einschließlich der Fußwege auf beiden Seiten ca. 32 Meter. Hinzu kommt, dass sich die bauliche Nutzung auf beiden Straßenseiten deutlich unterscheidet. In dem Bereich zwischen der Bundesautobahn 42 und der nördlich verlaufenden Eisenbahntrasse wird lediglich die westliche Seite von baulichen Anlagen bestimmt, während sich auf der östlichen Seite unmittelbar südlich der Eisenbahntrasse neben dem zur Bundesautobahn 42 führenden Zubringer (Anschlussstelle C. -Süd) lediglich zwei Fremdwerbetafeln im Euroformat befinden.

Der auf einem angeschütteten Damm verlaufenden eingleisigen Eisenbahntrasse im Norden der Straße Q. und des Vorhabengrundstücks kommt ebenfalls eine trennende Wirkung im vorgenannten Sinne zu. Die Oberkante des Damms erhebt sich geschätzte 5 m über das Niveau der südlich gelegenen Straße und Grundstücke, wobei es - gemessen unterhalb der Brücke - von Fuß zu Fuß des Bahndamms ungefähr 28 m sind. Der Bahndamm ist mit zahlreichen Büschen und kleineren Bäumen bewachsen. Er ist geeignet, den Blick eines in diesem Bereich befindlichen Betrachters - gleich, ob dieser am Fuß des Bahndamms, auf dem nördlichen oder gar südlichen Teilstück der Straße Q. steht oder sich im ersten Obergeschosses eines der vorhandenen Gebäude befindet - auf die dahinterliegenden Bereiche (nahezu) vollständig zu verstellen. Somit entsteht gegenüber dem nördlich des Bahndamms liegenden Bereich ein Gefühl der Abschottung und Abgeschlossenheit. Soweit die Beklagte anführt, die Brücke über die F. Straße habe aufgrund ihrer "Schaufensterfunktion" eine verbindende Wirkung, so dass trotz des vorhandenen Bahndamms die südlich und nördlich gelegenen Gebiete als ein Baugebiet zu betrachten seien, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein Bebauungszusammenhang nicht notwendigerweise durch ein Geländehindernis und die damit fehlende optische Verbindung zwischen zwei Baukomplexen beendet wird. Vielmehr kann unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Einzelfall ein solcher Bebauungszusammenhang auch über ein Hindernis hinweg noch zu bejahen sein, wenn aufgrund anderer Umstände das Hindernis in den Hintergrund tritt und gleichzeitig eine dieses Hindernis überwindende Verkehrsverbindung besteht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 1988 - 4 B 71/88 -, BRS 48 Nr. 45 = juris Rn 5, unter Verweis auf die Enge eines Flusstals und das Vorhandensein weiterer, die Bebauung ausschließender naher Grenzen wie etwa eine Bundesstraße und ein Bergrücken; für eine Unterführung unter einem Bahndamm offen gelassen bei VG Gera, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 4 K 212/98.GE -, ThürVBl 1999, 69 = juris Rn 19.

Unter der insoweit maßgeblichen Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände im Einzelfall führt die Berücksichtigung der den Bahndamm unterbrechenden Eisenbahnbrücke über die F. Straße nicht dazu, dass die auf der westlichen Seite der F. Straße nördlich und südlich der Eisenbahnlinie liegenden Bebauungskomplexe als eine Einheit und folglich als ein Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB zu verstehen sind.

Der F. Straße kommt - wie dargelegt - trennende Wirkung zu. Sowohl ihre Fahrbahn als auch der westlich gelegene Fußweg sind daher nicht mehr Teil der näheren Umgebung des bauplanungsrechtlich maßgeblich zu betrachtenden Gebiets. Als eine nicht innerhalb der zu betrachtenden näheren Umgebung gelegene Verkehrsfläche, die einer Bebauung vollständig entzogen ist, kann sie für sich genommen keine die Art der Bebauung prägende Bedeutung haben. Gerade hierauf kommt es aber für die Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB entscheidend an. Als die Umgebung nicht mehr prägende Verkehrsanlage kann sie auch derselben nicht als verbindendes Element in der Weise dienen, dass die westlich von ihr gelegenen durch den Bahndamm durchtrennten Flächen eine einheitlich zu betrachtende maßgebliche Umgebung bilden.

Zwar ermöglicht die Unterbrechung des Bahndamms durch das Brückenbauwerk über die F. Straße anders als der Bahndamm selbst einen Blick auf die jeweils andere Seite. Dies ist aber weder vom Bereich westlich der F. Straße und nördlich der Eisenbahnlinie auf das Vorhabengrundstück sowie die dahinter liegende Bebauung noch in umgekehrter Richtung möglich. Außerdem vermag die Unterführung der F. Straße einschließlich der beiden Fußwege unter der Bahntrasse die trennende Wirkung des Bahndamms in seiner Massivität und Höhe nicht aufzuwiegen. Allein die Sichtbarkeit beider Bebauungskomplexe von einem Standort - nämlich unter dem Brückenbauwerk stehend und zugleich in süd- und nördliche Richtung blickend - lässt die beiden in den Blick kommenden, nach Westen sich erstreckenden Bereiche nicht als einheitliche Umgebung erscheinen.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Gebäude beiderseits des Bahndamms im Hinblick auf ihr Maß gerade keine Einheit bilden, die geeignet wäre, die vorhandene räumliche Barriere zu überwinden und beide Bebauungskomplexe im Sinne einer einheitlichen Betrachtung zusammenzufassen. Die Bebauung im Bereich der Straße Q. unterscheidet sich von der auf der westlichen Seite der F. Straße nördlich der Bahntrasse hinreichend deutlich. Nördlich des Bahndamms stehen entlang der F. Straße Mehrfamilienhäuser. Im Bereich der Straße Q2.------ wurde hingegen in den frühen 1920er Jahren eine Zechensiedlung errichtet, die noch heute - abgesehen von Änderungen etwa in den Außenfassaden - als gleichförmig wirkende Bebauung erscheint. Diese Bebauung wirkt durch ihre Lage und Ausrichtung ferner in gewisser Hinsicht von der F. Straße abgeschirmt.

Im vorliegenden Fall besteht trotz der optischen Durchlässigkeit der Eisenbahnunterführung auch kein Schaufenstereffekt. Dieser würde - einem Schaufenster vergleichbar - nicht nur eine Sichtverbindung, sondern zugleich eine besondere Betonung im Sinne einer Hinlenkung des Blickes voraussetzen. Dies ist vorliegend nicht erkennbar.

Zur näheren Umgebung gehören entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die beiden Fremdwerbetafeln im Euroformat, die an der der F. Straße zugewandten Seite des westlichen Brückenwiderlagers angebracht sind.

Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der Eisenbahndamm in seiner Gesamtheit, also einschließlich des Brückenbauwerks über die F. Straße eine Eisenbahnbetriebsanlage und damit dem Baurecht (vgl. § 38 BauGB) entzogen ist. Bei den an der der F. Straße zugewandten Seite des Brückenwiderlagers angebrachten beiden Fremdwerbeanlagen handelt es sich um eine mit der Nutzung als Verkehrsinfrastruktur nur räumlich, nicht aber funktional - also dem Bahnbetrieb dienende - zusammenhängende bauliche Nutzung, die einer baurechtlichen Bewertung demnach nicht entzogen ist.

Vgl. zu der vergleichbaren Frage hinsichtlich der Reichweite des Fachplanungsvorbehalts BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 4 C 48/86 -, BVerwGE 81, 111 = juris Rn 20; BayVGH, Urteil vom 17. November 2008 - 14 B 06.3096 -, juris 14.

Bestandteil der näheren Umgebung wären diese Fremdwerbeanlagen nur, wenn eine schmale, an der Wand des westlichen Brückenwiderlagers entlanglaufende, die Werbeanlagen erfassende Fläche quasi als Zipfel der näheren Umgebung des Baugebiets zuzurechnen wäre. Ein diese Annahme begründender Zusammenhang zwischen dem Vorhabengrundstück, der dahinter liegenden Bebauung und des vor der Wandfläche des westlichen Brückenpfeilers gelegenen Zipfels ist allerdings nicht gegeben. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die beiden Fremdwerbeanlagen in der Nähe des Vorhabengrundstücks befindlich sind, auf welchem selbst mehrere Fremdwerbeanlagen stehen. Es ist aber keine geordnete, sondern eine eher lockere Aufeinanderfolge von Werbeanlagen erkennbar. Im Gegensatz zu den unter der Eisenbahnbrücke befindlichen Werbeanlagen sind die auf dem Vorhabengrundstück nicht parallel zur F. Straße hin ausgerichtet, sondern stehen fast parallel zum Bahndamm. Es besteht auch kein innerer Zusammenhang zwischen den Fremdwerbeanlagen auf dem Vorhabengrundstück und den unter der Eisenbahnbrücke befindlichen. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um gleichförmige, für sich zu betrachtende bauliche Nutzungen. Dass es insofern zu einer gewissen Häufung von Fremdwerbeanlagen in diesem Bereich kommt, findet seine Begründung allein in der räumlichen Situation. Alle Fremdwerbeanlagen sind zur F. Straße ausgerichtet, die auf dem Vorhabengrundstück befindlichen zusätzlich auch noch zur Abfahrt C. -Süd der Bundesautobahn 42.

Hinzu kommt der hinter den Werbeanlagen auf dem Vorhabengrundstück gelegene Bahndamm einschließlich Brückenbauwerk. Mit seiner Höhe und Massivität erweist sich der jenseits der F. Straße fortsetzende Bahndamm trotz seiner Durchlässigkeit im Bereich des Brückenbauwerks als dominant und steht damit der Annahme eines Zusammenhangs zwischen den Werbeanlagen entgegen. Dass die Brücke für sich genommen - anders als der Bahndamm - im Bereich der F. Straße einen wechselseitigen Blick auf die jeweils andere Seite des Bahndamms ermöglicht, ändert an dieser optischen Riegelwirkung der gesamten Anlage nichts.

Dass die beiden Fremdwerbeanlagen unterhalb des Brückenbauwerks u.U. keiner anderen baurechtlich relevanten näheren Umgebung zuzurechnen sind, ändert an dem fehlenden Zusammenhang nichts. Sie sind von einer bauliche Nutzung ausschließenden Verkehrsinfrastruktur umgeben und bilden somit baurechtliche "Insellagen". Soweit die Beklagte hierbei die Gefahr einer Atomisierung von Baugebieten im Sinne des § 34 BauGB sieht, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzugeben, dass sich die nähere Umgebung dieser baulichen Anlagen auf den Bereich unter der Brücke beschränkt. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass aus diesem Grund die Werbetafeln zwingend einer oder beiden Seiten des Bahndamms "zuzuschlagen" sein müssen. Vielmehr kann sich unter Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze sehr wohl ergeben, dass der Bereich unter der Brücke einer eigenständigen isolierten bauplanungsrechtlichen Betrachtung zu unterwerfen ist, die durch die äußeren Kanten des Bahndamms bzw. der Brücke begrenzt wird.

Die so bestimmte nähere Umgebung ist hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO als allgemeines Wohngebiet zu beurteilen.

§ 34 Abs. 2 BauGB ist (nur) anwendbar, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete entspricht. Die weitere bauliche Entwicklung soll hinsichtlich der Art der Nutzung in einem unbeplanten Gebiet nur dann an die Vorgaben der Baunutzungsverordnung für die jeweiligen Baugebietstypen gebunden sein, wenn die maßgebliche nähere Umgebung nach der dort vorhandenen Nutzungsstruktur auch einem dieser Baugebietstypen entspricht und sich dem entsprechend fortentwickeln soll. Der danach zu bestimmende Gebietscharakter wird durch Ausnahmen noch nicht in Frage gestellt, solange die erkennbaren Grundzüge der Planung nicht berührt werden (vgl. § 31 Abs. 1 BauGB). Dass in einem nach der BauNVO zu kategorisierenden Gebiet bestimmte vorhandene Vorhaben nur ausnahmsweise zulässig sind, steht der Annahme eines derartigen faktischen Baugebiets nicht entgegen. Dies ist erst dann anders, wenn diese Vorhaben sich nicht auf wirkliche Ausnahmefälle beschränken, sondern über den Ausnahmetatbestand hinaustreten und eine eigene prägende Wirkung auf die Umgebung ausüben.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Juli 1991 - 4 B 1.91 -, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 6 = juris Rn 8, und vom 11. Februar 2000 - 4 B 1/00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn 34.

Die nähere Umgebung des Vorhabens entspricht dem Baugebietstypus eines allgemeinen Wohngebiets nach § 4 BauNVO. Diese dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Neben den nach § 4 Abs. 2 BauNVO regelmäßig zulässigen Arten der Bebauung können die in § 4 Abs. 3 BauNVO genannten Nutzungsarten ausnahmsweise zugelassen werden. Innerhalb des durch die Straße Q. gebildeten Vierecks werden die dort vorhandenen Gebäude fast ausschließlich zum Wohnen genutzt.

Soweit die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Untergeschoss ihres Hauses ein Studio für Fußpflege und tibetische Massagen betreibt, handelt es sich um einen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässigen nicht störenden Gewerbebetrieb, nicht aber um eine Berufsausübung Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Weise wie Freiberufler ausüben, § 13 Alternative 2 BauNVO. Eine solche Privilegierung setzt voraus, dass das Gewerbe in persönlicher Unabhängigkeit und auf persönliche Fertigkeiten beruhend erbracht wird, wobei letztere nicht zwingend geistiger Natur sein müssen.

Vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1970- IV C 143.65 -, BRS 23 Nr. 36, und vom 20. Januar 1984- 4 C 56/80 -, BVerwGE 68, 324 = juris Rn 10.

Diese Voraussetzungen kann auch das Anbieten von Fußpflege im Einzelfall erfüllen. So dürfte ein Angebot medizinischer Fußpflege unter § 13 BauNVO fallen, wenn diese von einem ausgebildeten Podologen im Sinne des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen (Podologengesetz - PodG) vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320) durchgeführt wird. Die hiernach vorgesehene Ausbildung dauert in Vollzeitform zwei Jahre und in Teilzeitform höchstens vier Jahre und wird mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen (§ 4 Satz 1 und 2 PodG). In diesem Fall liegt die Annahme nahe, dass es sich um einen dem Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten "ähnlichen" Heil- bzw. Heilhilfsberuf handelt.

So ausdrücklich OVG NRW, Urteil vom 25. August 2011- 2 A 38/10 -, BRS 78 Nr. 95 = juris Rn 83.

Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben eine zwölfwöchige Ausbildung absolviert und verfügt somit nicht über eine vergleichbare persönliche Befähigung wie etwa ein staatlich geprüfter Podologe oder Physiotherapeut. Gleiches gilt für die tibetischen Druckpunktmassagen. Eine etwa dem Masseur vergleichbare, zwei Jahre dauernde Ausbildung i.S.d. § 4 Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG) hat die Klägerin ebenfalls nicht durchlaufen.

Ob im für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei der Nachbarklage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung an die Beigeladene in dem Haus Q. 10 die Geschäftsstelle eines Vertreters der Versicherung B. betrieben worden ist - während des durch den Berichterstatter durchgeführten Ortstermins waren die vormals an einem Fenster des Hauses angebrachten, von der Klägerin selbst dokumentierten Hinweise entfernt -, kann offen bleiben. Jedenfalls erweist sich diese Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet als nach § 13 Alternative 2 BauNVO zulässig. Die Tätigkeit als Versicherungsvertreter stellt eine der freiberuflichen ähnliche Berufsausübung dar.

Vgl. hierzu die amtl. Begründung zur BauNVO, Bundesrats-Drs. 53/62, Anlage Seite 8.

Dafür, dass diese Nutzung die in § 13 BauNVO hinsichtlich der Baugebiete nach den §§ 2-4 BauNVO vorgesehene Beschränkung auf einzelne Räume nicht eingehalten hätte, deutet nichts hin und ist von der Beklagten oder der Beigeladenen auch nichts geltend gemacht worden. Hierfür wäre jedenfalls erforderlich, dass deutlich mehr als ein Raum genutzt worden und so der vorherrschende Eindruck des Wohnens für das Gebäude verloren gegangen wäre.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1984 - 4 C 56/80 -, BVerwGE 68, 324 = juris Rn 13, vom 25. Januar 1985 - 4 C 34/81 -, Buchholz 406.12 § 13 BauNVO Nr. 4 = juris Rn 11, und vom 18. Mai 2001 - 4 C 8/00 -, BauR 2001, 1556 = juris Rn 15.

Soweit die Beklagte im Rahmen des Verfahrens von einer gewerblichen Nutzung des Hausgrundstücks Q. 6 durch den Stuckateurbetrieb N. S. und den Estrichlegebetrieb S1. W. S. ausgegangen ist, ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Auf die bloße Gewerbeanmeldung unter dieser Adresse kommt es für die bauplanungsrechtliche Bewertung nicht an. Maßgeblich sind vielmehr allein solche Umstände, die sich in der Örtlichkeit tatsächlich im Sinne einer Wahrnehmbarkeit manifestieren und insoweit das Einfügen einer Nutzung in die Umgebung überhaupt beeinflussen können. Gleichwohl kommt der Gewerbeanmeldung regelmäßig eine indizielle Wirkung in dem Sinne zu, als von ihrer Richtigkeit ausgegangen werden kann, wenn tatsächliche Beobachtungen dem nicht entgegenstehen. Letzteres ist vorliegend aber der Fall. Die Beklagte hat am 27. September 2013 die auf dem fraglichen Grundstück vorhandenen Garagen in Augenschein genommen und konnte dabei eine Nutzung der Garagen mit betrieblichem Hintergrund, etwa zu Lager- und/oder Verarbeitungszwecken, nicht feststellen. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte für eine gewerbliche Nutzung der Grundstücke bestehen nicht. Eine allein im Rahmen der privaten Lebensführung erfolgende und damit deutlich untergeordnete Benutzung eines Raumes auch zur Erledigung beruflicher oder geschäftlicher Angelegenheiten ("privates Arbeitszimmer") stellt keine gewerbliche Nutzung im Sinne des Bauplanungsrechts dar.

Die beiden zusammenstehenden Fremdwerbetafeln im Euroformat und das Hinweisschild auf das McDonald’s-Schnellrestaurant stellen in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet als Ausnahme zulässige nicht störende Gewerbebetriebe i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO dar. Sie sind - in Abgrenzung etwa zu Werbung an der Stätte der Leistung - selbstständige (gewerbliche) Hauptnutzungen und insoweit einer eigenen bauplanungsrechtlichen Beurteilung zugängig.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 4 C 27/91 -, BVerwGE 91, 234 = juris Rn 25.

Für die Frage, ob es sich bei einer Fremdwerbeanlage um einen "nicht störenden" Gewerbebetrieb handelt, sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung zu berücksichtigen. Dabei ist nicht nur auf Immissionen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes abzustellen, sondern auch auf optische Auswirkungen des Vorhabens. Diese können den Gebietscharakter eines Wohngebiets, nämlich die dort zu gewährleistende Wohnruhe, ebenso gut stören. Ein Vorhaben kann durch seine optische Erscheinung gebietswidrig "laut wie die Erzeugung von Geräuschen" sein.

So ausdrücklich OVG NRW, Urteil vom 14. März 2006 - 10 A 4924/05 -, BRS 70 Nr. 139 = juris Rn 74ff m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2006 - 4 B 45/06 -, BRS 70 Nr. 140 = juris Rn 3.

Die beiden Fremdwerbetafeln im Euroformat überschreiten diese Grenze der Störung nicht. Sie sind aufgrund ihrer Größe und Höhe sowie ihrer lediglich statischen Anzeige nicht geeignet, eine Unruhe in das Wohngebiet zu tragen, die dessen Charakter grundlegend wiedersprechen würde und die somit als nicht mehr wohngebietsgeeignet zu beschreiben wäre. Gleiches gilt für das in der Größe deutlich dahinter zurückbleibende Hinweisschild auf das nahegelegene McDonald’s-Schnellrestaurant.

Die festgestellten nicht störenden gewerblichen Nutzungen in der näheren Umgebung erfüllen in ihrer Gesamtheit noch den Tatbestand einer Ausnahme i.S.d. § 4 Abs. 3 BauNVO. Sie haben noch nicht das Gewicht, das der nicht störenden gewerblichen Nutzung eine eigene bauplanungsrechtlich prägende Wirkung zukommt. Zwar erweist sich die Anzahl der gewerblichen Nutzungen im Vergleich zu der Größe des faktischen Baugebiets und der Anzahl der darin errichteten baulichen Anlagen als nicht gänzlich vernachlässigbar. Im Vergleich mit der im Übrigen einheitlichen Wohnnutzung der Gebäude fallen die vorgenannten gewerblichen Nutzungen aber nicht deutlich i.S. einer eigenständigen Bedeutung ins Gewicht. Schon innerhalb der Nutzung des klägerischen Grundstücks nimmt das Fußpflege- und Massagestudio der Klägerin nur einen untergeordneten Teil ein und dient nur dem Nebenerwerb. Das Hinweisschild auf das McDonald’s-Schnellrestaurant ist von kleinem Ausmaß. Es richtet sich wie auch die beiden Fremdwerbetafeln erkennbar nicht an die in dem Gebiet wohnenden Personen, sondern nahezu ausschließlich an Verkehrsteilnehmer, die die F. Straße befahren oder die Bundesautobahn 42 (Fahrtrichtung Westen) an der Anschlussstelle C. -Süd verlassen. Hinzu kommt, dass die Werbeanlagen, die ausschließlich auf dem Vorhabengrundstück stehen, von der Wohnbebauung getrennt wahrgenommen werden. Zwischen Ihnen und der Wohn(haupt)nutzung liegen sowohl die Straße Q. als auch die rückwärtigen Gärten mit den entlang der Straße ausgerichteten Garagen.

In diesem faktischen allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO ist das Vorhaben der Beigeladenen unzulässig. Gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO sind in allgemeinen Wohngebieten neben Wohngebäuden und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe generell zulässig. Bei der durch die Beklagte der Beigeladenen genehmigten baulichen Anlage handelt es sich nicht um eine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft. Durch die Ausrichtung einer Schank- und Speisewirtschaft auf die Gebietsversorgung soll sichergestellt werden, dass diese jedenfalls in einem bedeutsamen Umfang von einem Personenkreis aufgesucht wird, der die mit einem Gaststättenbetrieb ohnehin verknüpften nachteiligen Folgen für die Anwohner in der Umgebung der Betriebsstätte nicht noch dadurch erhöht, dass er durch An- und Abfahrtverkehr Unruhe erzeugt, die von einem Wohngebiet ferngehalten werden soll. Dieses Merkmal ist nicht erfüllt, wenn die Gebietsversorgung erkennbar nicht der eigentliche Betriebszweck ist, sondern allenfalls als Nebenzweck eine Rolle spielt und somit die Gaststätte nicht durch einen funktionalen Bezug zu dem nach diesem Kriterium abgrenzbaren Gebiet geprägt ist. Ist eine Gaststätte gebietsübergreifend auf einen Besucherkreis ausgerichtet, der nahezu zwangsläufig An- und Abfahrtverkehr mit den damit verbundenen gebietsinadäquaten Begleiterscheinungen verursacht, ist sie in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsunverträglich und damit unzulässig.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 - 4 B 85/98 -, NJW 1998, 3792 = juris Rn 5 und 10; vgl. weiterhin BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 - 4 B 230/92 -, BRS 55 Nr. 54 = juris Rn 5; OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2005 - 10 B 1350/04 -, juris Rn 6.

Das von der Beigeladenen geplante Kaffeehaus mit Autoschalter ist weit überwiegend auf mit dem Auto an- und abfahrende Kundschaft ausgerichtet. Dies belegen die in dem schalltechnischen Gutachten gemachten Angaben zu der erwarteten Besucherstruktur. Bei den am Tag erwarteten 600 Verkaufsvorgängen sollen 580 Gäste mit dem Auto kommen, nur 20 zu Fuß. Dies entspricht dem gewählten Standort des Vorhabens unmittelbar an der stark befahrenen F. Straße und der Bundesautobahn 42, der dafür spricht, dass gerade Autofahrer als Kunden gewonnen werden sollen. Dies wird unterstrichen durch den 5,28 m hohen Werbepylon mit dem Werbeschild der Beigeladenen und dem Schriftzug "DRIVE THRU", der für den Fahrzeugverkehr blickgünstig an der Südseite des Vorhabengrundstücks errichtet werden soll. Dieser ist genehmigt durch eine eigene der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 21. November 2011, die Gegenstand der Klage 9 K 3637/12 ist.

Das Vorhaben der Beigeladenen ist nicht als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Zwar kann eine nicht nur der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb i.S.d. Vorschrift sein. Der Begriff des Gewerbebetriebs ist insoweit umfassend zu verstehen. Er umfasst die Schank- und Speisewirtschaften, ohne dass § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO einen Gebietsbezug voraussetzt. Allerdings ist - quasi stattdessen - die Begrenzung "nicht störend" einzuhalten.

So etwa OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2005 - 10 B 1350/04 -, BRS 69 Nr. 62 = juris Rn 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010 - OVG 10 S 46.09 -, BRS 76 Nr. 189 = juris Rn 18; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Juni 2013, § 4 BauNVO Rn 117 f.; a.A. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 4 Abs. 3 Rn 9.2 und § 2 Rn 25.11.

Für die Beurteilung des Störgrades und damit der Gebiets(un)verträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung heranzuziehen. Relevant für die Beurteilung sind insbesondere die Art und Weise der typischen Betriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge sowie der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr und der Einzugsbereich des Betriebs. Abweichungen von dieser Typik können sich aufgrund der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung eines Betriebs im Einzelfall ergeben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213 = juris Rn 12; Beschlüsse vom 9. Oktober 1990 - 4 B 121.90 -, NVwZ 1991, 267 = juris Rn 2, und vom 25. März 2004 - 4 B 15/04 -, BRS 67 Nr. 70 = juris Rn 9.

Die Kriterien für Art und Ausmaß des nicht störenden Emissionspotentials einer Anlage nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind anhand der nach § 4 Abs. 1 BauNVO zu bestimmenden gesetzlichen Zweckbestimmung des Baugebiets - vorwiegend dem Wohnen dienend - zu beurteilen. Ferner ist die gesetzliche Stufenfolge zu den übrigen Baugebieten nach § 5 ff. BauNVO und das dort zulässige Störungspotential zu berücksichtigen. Selbst in Mischgebieten und Kerngebieten sind grundsätzlich nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig (vgl. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 sowie § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). In Gewerbegebieten dürfen nach § 8 Abs. 1 BauNVO nur nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe untergebracht werden. Hieraus folgt, dass an (im Verhältnis zur Wohnnutzung) nicht störende Gewerbebetriebe in allgemeinen Wohngebieten verhältnismäßig strenge Anforderungen gestellt werden müssen.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Januar 1995 - 3 S 3153/94 -, BRS 57 Nr. 215 = juris Rn 4; vgl. zur Typologie der Baugebiete BVerwG, Beschluss vom 25. März 2004 - 4 B 15/04 -, BRS 67 Nr. 70 = juris Rn 9.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das Vorhaben der Beigeladenen geeignet, die Wohnruhe eines faktischen allgemeinen Wohngebiets zu stören. Ein Kaffeehaus mit Autoschalter, das fast ausschließlich von Kunden mittels Kraftfahrzeugen frequentiert wird und das nach dem von der Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Gutachten innerhalb der Zeit von 6 bis 22 Uhr 828 Pkw-Fahrbewegungen (An- und Abfahrt, werktags zusätzlich zwei Lkw-Fahrbewegungen) verursachen soll, bedingt schon allein durch diese bloße Anzahl Unruhe verursachender Ereignisse, die über das in einem dem Wohnen dienenden Gebiet zu Erwartende bei weitem hinausgeht, eine Störung der Wohnruhe. Hinzu kommt, dass ein erheblicher Teil der Besucher die Möglichkeit der Bedienung am Autoschalter in Anspruch nehmen wird, wobei die Beigeladene selbst von 30% der Kunden ausgeht. Die Abfertigung an einem Autoschalter bedingt durch die Aufspaltung in Bestell- und Bezahl-/Übergabevorgang ein mindestens zweimaliges Halten und erneutes Anfahren der Kraftfahrzeuge, was zusätzlich wahrnehmbare Emissionen erzeugt. Auf die Frage, ob etwa lärmende Gäste zur Nachtzeit - die vorliegend, wie die Beklagte zu Recht ausführt, nicht zu erwarten sind - zur Annahme einer Störung führen könnten, kommt es somit nicht an.

Soweit die Beklagte der Auffassung ist, für die Bestimmung der Störung i.S.d. Vorschrift seien zwar die Emissionen des Vorhabens typisiert zu ermitteln, die Auswirkung auf das Baugebiet sei aber jeweils anhand der konkreten Situation vor Ort zu erheben, steht dies nicht in Einklang mit dem Wesen des Gebietsgewährleistungsanspruchs. Anders als von der Beklagten vorgetragen, kommt es auf die Frage, ob ein Vorhaben die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte der (nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigenden) Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einhält, gerade nicht an.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1/02 -, BVerwGE 116, 155 = juris Rn 16.

Vielmehr zielt der Gebietsgewährleistungsanspruch der Gebietsansässigen auf die Erhaltung der festgesetzten oder faktisch vorhandenen Baugebietsart, welche in einem Wohngebiet mit einer durch die Gebietsfestsetzung (oder ihr faktisches Vorhandensein) erstrebten gebietsbezogenen Wohnruhe einhergeht. Das dem Wohngebiet immanente Ruhebedürfnis ist dabei nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation. Es handelt sich um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Charakter einer kollektiven Wohngemeinschaft im Sinne des Gebietscharakters stören.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1/02 -, BVerwGE 116, 155 = juris Rn 17.

Auf besondere Verhältnisse des jeweils konkreten Baugebiets ist im Rahmen des Gebietsgewährleistungsanspruchs und der hiermit einhergehenden typisierten Betrachtungsweise nicht abzustellen. Etwaige Vorbelastungen können zwar für die Frage der Zumutbarkeit im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO herangezogen werden; die Zulässigkeit gewerblicher Nutzungen in einem (faktischen) Baugebiet erweitern sie nicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 1983 - 4 C 64/79 -, BVerwGE 68, 207 = juris Rn 12.

Soweit sich die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf jeweils eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen beruft, folgt aus diesen nichts anderes. Das Bundesverwaltungsgericht,

Beschluss vom 9. Oktober 1990 - 4 B 121/90 -, BRS 50 Nr. 58, juris Rn 2,

führt aus, es sei eine Frage des Einzelfalls, ob die verkehrlichen Auswirkungen eines Betriebs, der durch die dort vorgenommenen Arbeiten für sich genommen nicht die Schwelle zur Störung überschreite, eine gebietsunverträgliche Störung verursache. Dies steht nicht im Gegensatz zu Vorstehendem. Schon durch den in der Entscheidung zuvor verwendeten Begriff der "typischerweise [damit] verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung" wird deutlich, dass hierbei keine konkret an der Örtlichkeit orientierte Bestimmung der Störung erfolgt. Hierfür spricht auch der Verweis u.a. auf das schon oben zitierte Urteil desselben Senats vom 22. November 1983.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,

Beschluss vom 16. März 2005 - 10 B 1350/04 -, BRS 69 Nr. 62 = juris Rn 10 f.,

nimmt Bezug auf die konkreten Betriebsabläufe und die Lage des Betriebs an zwei bestimmten Straßen. Dies geschieht allerdings nicht im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sondern ausdrücklich im Rahmen der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden Abwägung des Interesses der Antragstellerin mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse.

Das Vorhaben der Beigeladenen ist nicht im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zuzulassen. Diese Norm findet auch auf faktische Baugebiete Anwendung.

Zur Anwendbarkeit bei § 34 Abs. 2 BauGB vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2005 - 4 B 33/05 -, BRS 69 Nr. 63 = juris Rn 9, und vom 27. August 2013 - 4 B39/13 -, juris Rn 2.

Ob es insoweit bereits an einer Erteilung einer Befreiung durch die Beklagte im Baugenehmigungsverfahren fehlt, die eine Ausübung des bestehenden Ermessens voraussetzt, kann offen bleiben. Insoweit wird vertreten, das rein tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung genüge insoweit nicht. Eine dieses Erfordernis nicht berücksichtigende Baugenehmigung verletze dann den Gebietserhaltungsanspruch der betroffenen Grundstückseigentümer.

Vgl. OVG Rhl.-Pfalz, Beschluss vom 5. Februar 2010 - 1 B 11356/09 -, BRS 76 Nr. 178 = juris Rn 4.

Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vor. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass durch das Vorhaben die Grundzüge der jeweiligen (faktischen) Planung nicht berührt werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 - IV C 54.75 -, BVerwGE 56, 71 = juris Rn 28; Beschlüsse vom 5. März 1999 - 4 B 5/99 -, BRS 62 Nr. 99 = juris Rn 6 und vom 19. Mai 2004 - 4 B 35/04 -, BRS 67 Nr. 83 = juris Rn 3; Urteil vom 18. November 2010 - 4 C 10/09 -, BVerwGE 138, 166 = juris Rn 37.

Die Zulassung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens eines Kaffeehauses mit Autoschalter widerspricht der grundlegenden Bestimmung eines faktischen allgemeinen Wohngebiets, welches nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen dient. Sie würde zu bodenrechtlichen Spannungen führen, insbesondere durch die erzeugte erhebliche Unruhe in dem Gebiet und die mögliche Vorbildwirkung für andere gewerbliche Nutzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).